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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, neu im LabourNet Germany am Freitag, 27. Januar 2012: I. Internationales / Ägypten Ein Jahr danach... Ein Jahr nach dem Sturz Mubaraks wird allgemein Bilanz gezogen - unterschiedlich, wie zu erwarten war. Mit der Materialsammlung "Jahrestag" vom 27. Januar 2012 versuchen wir einen Überblick. II. Internationales / Brasilien Im Zentrum der Gewalt: Zwangsräumung Pinheirinho "Überschattet wird das Sozialforum jedoch durch gewaltsame Auseinandersetzungen im gut 1000 Kilometer entfernten São José dos Campos, einer rund 600000 Einwohner zählenden Stadt im Bundesstaat São Paulo. Trotz eines entgegengesetzten Gerichtsurteils und Vermittlungsbemühungen der Zentralregierung begann die Militärpolizei am Sonntag, im dort gelegenen Pinheirinho gewaltsam eine seit acht Jahren bestehende Siedlung von 1500 Familien zu räumen. Dabei wurden Augenzeugenberichten zufolge mindestens drei Menschen getötet, unter ihnen ein kleines Kind. Zu den zahlreichen Verletzten gehörte auch der von Präsidentin Rousseff als Vermittler nach Pinheirinho geschickte Staatssekretär Paulo Maldos, der das Vorgehen der Polizei als »brutale Aggression« verurteilte. Die Bewohner der Siedlung wehrten sich mit Barrikaden, während die Beamten Jagd auf die »Anführer« der Widerstandsbewegung machten. Noch in der Nacht zum Dienstag kam es auch in benachbarten Stadtvierteln und Favelas zu Auseinandersetzungen. Autos, Geschäfte und Behörden gingen in Flammen auf." - aus dem Artikel "»Brutale Aggression«" von André Scheer am 25. Januar 2012 in der jungen welt Siehe dazu: "Feed The Stream - 23/01/12 - #Pinheirinho in Brazil" ein kurzer Videobericht auf You Tube mit Bildern vom Polizeieinsatz (und Links zu mehreren anderen Videos, viele mit englischen Untertiteln). Sowie: "Nota dos sindicatos e movimentos sobre desocupação do Pinheirinho" Stellungnahme zahlreicher Gewerkschaften und sozialen Organisationen zum Polizeiterror in Pinheirinho vom 23. Januar 2012 bei CSP-Conlutas. III. Internationales / Italien / Krise Bauern- und Fahrerstreik, Einheitsfront. Wer schwingt die Heugabel? Die gute alte Heugabel gibt es noch immer - und sie wird zum Symbol des Protests gegen die in Italien von den Banken gewählte Regierung Monti. Und wie es nicht anders sein kann, wenn in Sizilien (zuerst) protestiert wird, wird von nahezu jedem Schreiber gleich die Mafia gesucht (ähnlich wie in arabischen Ländern "die Fundis") - seltsamerweise auch noch immer nur auf der einen Seite der Auseinandersetzung...Beispiel dafür der Artikel "Fernfahrerstreik Italien protestiert, die Mafia macht mit" von Fabio Ghelli am 24. Januar 2012 in der Zeit Online In dem Artikel "Proteste gegen Reformen in Italien - Die Wut der Chauffeure" von Andrea Bachstein in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Januar 2012 (in dem auch darüber berichtet wird, wie sich die Proteste quer durch Italien ausbreiten) wird auch die unglaublich zuverlässige Quelle der Information über die Mafia-Beteiligung (an den Protesten, nicht an den Banken) genannt: Der Boss des sizialinischen Unternehmerverbandes... Siehe dazu: "The Pitchforks Movement in Sicily" ein Hintergrundartikel bei Struggles in Italy, der sowohl die Geschichte der Bewegung beschreibt, als auch die Frage der Rolle des organisierten Verbrechens und seiner politischen Agenda ernsthaft behandelt, sowie die Verknüpfungen mit nationalistischer und regionalistischer Politik und deren Organisationen... IV. Internationales / Griechenland / Schuldenkrise Am Ende? Die Schlagzeilen am heutigen 27. Januar sind einmal mehr diese: Griechenland braucht noch mehr Geld...Und die Frage ob das das, wie auch immer geartete "Ende" der Fahnenstange sei. Höchste Zeit, noch einmal Ablauf und Hintergrund der griechischen Krise zusammen zu fassen. "Im Mai 2010 unterzeichnete die Regierung Papandreou, getrieben von den Ereignissen und unter massivem Druck der EU, einen Kreditvertrag über 80 Milliarden Euro mit den Ländern der Eurozone (30 Milliarden steuerte zudem der IWF bei), zu dessen Bestandteilen das berüchtigte „Mnimonio“ („Memorandum“) gehört. In der neueren Geschichte dürfte eine derart widerstandslose Kapitulation eines Staates ohne Beispiel sein. Der Verfassungsrechtler Giorgos Kasimatis, einer der Autoren der griechischen Verfassung, spricht in diesen Zusammenhang von der „Auflösung“ der Verfassung und der „Abtretung von Souveränitätsrechten“. Mit dem Vertrag wurde der griechischen Regierung en détail vorgeschrieben, in welchem Quartal welche Maßnahme zu treffen ist; dazu gehörten neben der Erhöhung von Verbrauchssteuern, der Mehrwertsteuer sowie der Lohn- und Einkommenssteuer die Senkung der Löhne und Gehälter im Öffentlichen Dienst, Rentenkürzungen, die Liberalisierung des Transportsektors und der freien Berufe, eine Zusammenlegung von Kommunen und die Stilllegung von Bahnlinien. Selbst Eingriffe in die Tarifautonomie mit dem Ziel von Lohnsenkungen im Bereich der privaten Wirtschaft waren vorgesehen. Dass die Frage, ob der Vertrag mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann, äußerst umstritten war, ist mittlerweile ebenso eine Randnotiz der Geschichte wie die Umstände, mit denen er durch das Parlament gepeitscht wurde – so lag beispielsweise der Vertragstext zum Zeitpunkt der Verabschiedung nicht einmal in griechischer Sprache vor" - ein Auszug aus "Die Demokratie in Griechenland zwischen Ende und Wiedergeburt" von Gregor Kritidis in Sozialgeschichte Online 6/2011. Siehe dazu auch: "Griechenland und die Euro-Krise" von Karl Heinz Roth, ebenfalls in Sozialgeschichte Online 6/2011, wo es unter anderem heisst: "Aus der damaligen Perspektive der griechischen Machteliten war die Aufnahme in die Euro-Zone attraktiv. Sie konnten nun mit einem Sowie: "Parlamentarische Demokratie als Attrappe" von Gregor Kritidis (aus Lunapark21 Ausgabe 16/2012) mit folgender Aussage: "Vor diesem Hintergrund gewinnt die Einsicht, dass das gegenwärtige Regime aus Troika, politischem Establishment und Neofaschisten nicht abgewählt, sondern nur gestürzt werden kann, innerhalb der sozialen Bewegung und der politischen Linken an Boden". V. Internationales / Griechenland / Gewerkschaften und Arbeitskämpfe Stahlarbeiterstreik - Video "Seit November 2011 streiken 300 Stahlarbeiter von Halyvougoria Ellados in Griechenland. Der Arbeitgeber hatte ihne mit Verweis auf die Krise vorgeschlagen nur noch 5 Stunden am Tag zu arbeiten und auf 40% des Lohns zu verzichten. Die Arbeiter wollen an der Normalarbeitszeit von 5 Tagen pro Woche und 8 Stunden am Tag festhalten und kämpfen gegen diese massive Lohnkürzung, die einen Monatslohn von 500 Euro ergeben würde. In Griechenland gibt es viel Solidarität für diesen Streik aus der Bevölkerung. Die Stahlarbeiter begreifen sich als das Bollwerk gegen die Angriffe auf Löhne und Arbeitszeiten in ganz Griechenland. In den Mainstream-Medien wird kaum über den Streik berichtet" - das Video "Days Of Strike" bei Labournet.tv (griechisch | 10 min | 2012)VI. Internationales / Rumänien Showdown in Bukarest? Zwei Wochen Proteste, im Prinzip ohne Pause, dann hat sich der Präsident erstmals geäussert - zum einen vor der Presse, zum anderen indem er seinen Aussenminister entliess, der die DemonstrantInnen wüst beschimpft hatte. Bei seinem Pressetermin verwies Basescu darauf, dass beim Referendum 2009 eine grosse Mehrheit seine Politik befürwortet hatte. Wobei damals der allgemeine Debattenpunkt Regierungskorruption noch keine Rolle spielte...Inzwischen sind in allen größeren Städten Proteste an der Tagesordnung, und die Empörten erhalten unterstützung beispielsweise von der Gewerkschaft im Gesundheitsbereich wird in dem Artikel "« Indignés » de Roumanie : les raisons de la colère" vom 23. Januar 2012 im Courrier des Balkans festgehalten. Siehe dazu auch: "Romania: “I, the Citizen”" eine aktuelle Übersicht über rumänische Bloginhalte von Oana Maria Dan am 25. Januar 2012 bei Global Voices Online. VII. Internationales / Montenegro Die Haupttendenz in der Welt ist... Wenn in einem Land mit rund 600.000 EinwohnerInnen über 10.000 an einer kurzfristig organisierten Demonstration teilnehmen, kann das als Indiz für heftige Unzufriedenheit gedeutet werden. Für den Sturz der Regierung - das war der wirkliche Demonstrationsinhalt, die eigentlich gegen die Verteuerung der Strompreise organisiert werden sollte, weshalb die Autoren des Berichts "Monténégro : l’heure de la révolte générale a-t-elle sonné ?" Predrag Nikolić und Milan Bošković, der im Dezember 2011 in Monitor Online erschienen war und am 21. Januar 2012 im Courrier des Balkans übersetzt wurde, diese Demonstration in eine Reihe mit den neuen weltweiten Protesten stellen. VIII. Internationales / Nigeria Die Ordnung. Die Sicherheit. Das Land. Wenn Gewerkschaften Streikabbruch begründen und die Regierung Soldaten auf den Straßen lässt... Der Abbruch des als allgemein bezeichneten Streiks gegen die Benzinpreiserhöhung - mit dem Kompromiß einer Verteuerung um rund 50% - setzt die Gewerkschaften Nigerias mächtig unter Begründungszwang. Von nahezu allen sogenannten Partnern im Streik kommt mehr oder minder heftige Kritik - im mindesten Falle daran, dass im Alleingang ein Kompromiß mit der Regierung Jonathan ausgehandelt wurde, dessen finanzielle Folgen für sehr viele Menschen immer noch nahezu untragbar sind. Und, wie LabourNet Germany bereits dokumentiert hat, gab es auch innerhalb der Gewerkschaften so viel Kritik, dass in einem Bundesstaat der Streik zunächst fortgeführt wurde. Die Begründung für den Streikabbruch gibt in dem Interview "We suspended strike, mass protests to avoid massacre" (Wir haben den Streik und die Massenproteste aufgehoben, um ein Massaker zu verhindern) der Generalsekretär des Nigeria Labour Congress Owei Lakemfa in der Sunday Tribune am 22. Januar 2012 im Gespräch mit Soji-Eze Fagbemi. Andere nennen das klein beigeben, schliesslich war der Kompromißpartner, Präsident Jonathan derjenige, der die Soldateska auf die protestierenden Menschen losgelassen hatte... IX. Internationales / Uganda Wer solche Gewerkschaften hat... Fünf Abgeordnete dürfen die Gewerkschaften Ugandas ins Parlament entsenden. Was dazu geführt hat, dass jeder und jede, die in internen Wahlen verloren haben, danach trachtet, eine neue eigene Gewerkschaftszentrale zu gründen - zwei gibt es bisher, die Gründung einer dritten scheiterte vor kurzem. Die National Organisation of Trade Unions (NOTU) und die Central Organisation of Free Trade Unions (COFTU) sind jedoch beide engstens der Regierungspartei National Resistance Movement (NRM) verbunden und machen beispielsweise keine Anstrengungen, die ganzen (mit Abstand mehrheitlichen) ökonomischen Bereiche ohne gewerkschaftliche Vertretung zu organisieren - solche Gewerkschaften braucht man nicht, argumentiert in "Uganda’s labour unions a threat to workers’ rights" der Autor Vincent Nuwagaba am 19. Januar 2012 in Pambazuka. X. Internationales / Irak Sozialproteste: Viele. Einige erfolgreich Trotz Bomben und Besatzung - die Proteste im Irak haben seit dem Frühjahr 2011 kontinueirlich stattgefunden - und hatten meist alltägliche Themen, themen von Menschen, die ihr Leben unter schweren Bedingungen meistern müssen. Auch Baghdad hat seinen Freiheitsplatz, auch dort sind Demonstrationen zum Alltag geworden. Einen Ausblick auf kommendes bietet der Beitrag "Performing Protest Under Occupation: Iraq’s Tahrir Square" von Nahrain Al-Mousawi am 20. Januar 2012 in Muftah. Siehe dazu auch: "The political regime in Iraq: Between reform and legitimacy" von Abbas Atwan Anfang 2012 beim Dohainstitute. Was auch immer das Interesse dieser Studie sein mag - es wird darin deutlich, dass verschiedene Proteste auch erfolgreich waren: Die Preise für Strom etwa wurden reduziert, in mehreren Sektoren des öffentlichen Dienstes Zeitarbeit durch Normalarbeit ersetzt und anderes mehr... XI. Internationales / Kasachstan Jagdszenen aus Kasachstan - und ihre Kosmetikspezialisten... Die sogenannten Wahlen sind vorbei, das Aufräumen unter den streikenden Ölarbeitern kann weiter gehen - und das Regime hat (teuere) Spezialisten für die Imageverbesserung unter Vertrag. Für die Büttel des Regimes gibt es kleine Präsente berichtet in "Unruhen in Schanaosen wirken nach - Kasachstans Polizei jagt Oppositionelle und Journalisten" Irina Wolkowa am 24. Januar 2012 in Neues Deutschland, wo es heisst: "Uhren, Orden und Dankschreiben händigte Kasachstans Innenminister Kalmuhambet Kasymow im Namen von Staatspräsident Nursultan Nasarbajew Polizisten und Soldaten aus, die Mitte Dezember Unruhen in der westkasachischen Stadt Schanaosen niedergeschlagen hatten"... Siehe dazu auch: "Kazakhstan: Top-Notch PR Firms Help Brighten Astana’s Image" von Deirdre Tynan am 18. Januar 2012 im Eurasianet, worin das (für das Regime und sicher die eigene Kasse) segensreiche Wirken von PR Firmen berichtet wird - wie der britischen Tony Blair Associates (jaja, der) und der deutschen Media Consult... Und: "Die Abrechnung" von Tomasz Konicz am 27. Januar 2012 in der jungen welt. XII. Internationales / Panama Streik am Kanal Eine Woche lang streikten rund 5.000 Arbeiter des Projektes neuer Panamakanal, wobei es zunächst vor allem um mehr Lohn ging, angesichts der Inflation ebenso naheliegend wie normal. Aber: Der Kanal ist eine ganze besondere Sonderzone - ausdrücklich aus der normalen Führung der Staatsgeschäfte segregiert, beispielsweise - laut eigener Normen - ohne Streikrecht, mit rassistisch begründeten Lohngruppen (eine Erbschaft der USA, die den Kanal bis 1977 "verwalteten"). Lauter Sonderregelungen, oft nicht mit der Verfassung vereinbar, Regelungen, die die Gewerkschaft SUNTRACS abschaffen will. Deswegen wird in dem Beitrag "Una huelga de transcendencia histórica en el Canal de Panamá" von Olmedo Beluche am 24. Januar 2012 in Sin Permiso, dieser Streik eben auch als historisch bewertet. Siehe dazu auch: "Panamá: Luego de más de 30 años, la huelga logra incremento salarial de la Construcción en el área del Canal" ein Kommuniqué der FRENADESO (Nationale Demokratische und Soziale Front) zu der auch SUNTRACS gehört vom 22. Januar 2012, über die Ergebnisse des Streiks, die längst nicht alle Erwartungen erfüllten, aber das Lohndekret von 1980(!) beenden und den Streik faktisch legalisieren. XIII. Internationales / Frankreich / Politik und Wirtschaft Europäische Verhältnisse: Streikrecht soll eingeschränkt werden Nur nach Voranmeldung soll künftig im Flugverkehr gestreikt werden dürfen - begrenztes Streikrecht wie im öffentlichen Dienst also auch in der Privatwirtschaft. Der aktuelle Beitrag "Gesetz zur faktischen Einschränkung des Streikrechts an Flughäfen verabschiedet. Auch Sozi-Kandidat François Hollande möchte es, im Falle seines Wahlsiegs, beibehalten" von Bernard Schmid vom 27. Januar 2012. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |