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Updated: 18.12.2012 16:22 |
liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 01. September 2006: I.Internationales / Südafrika / Arbeitskämpfe Solidarität mit den streikenden EinzelhändlerInnen Seit drei Wochen streiken die Mehrheit der 52.000 Beschäftigten der Shoprite-Kette quer durch Südafrika. Die meisten Streikenden sind Frauen, die in der Regel in den Townships wohnen und den steigenden Preisen für Transport, Strom und Wasser ausgesetzt sind, weshalb sie Lohnerhöhungen von rund 300 Rand fordern. Der Kampf gegen diese steigenden Preise, die Privatisierung dieser Grundversorgung und das System, das sie hervorruft ist das Grundanliegen des Antiprivatisierungsforums - weshalb es auch naheliegend ist, dass das APF jetzt zur Solidarität mit den Streikenden aufruft - und zum Boykott von Shoprite. Die (englische) Pressemitteilung "The Anti-Privatisation Forum Calls Upon Communities to Support the Striking Workers at Shoprite Checkers" vom 31. August 2006. II.Internationales / Mali In Frankreich gejagt - in Mali geschlagen Vor zehn Jahren wurden sie - die sich in die Kirche Saint Bernard in Paris gefflüchtet hatten - aus Frankreich verjagt: Menschen ohne Papiere aus Mali. Jetzt wollte ihre Schutzvereinigung eine Demonstration zu diesem 10. Jahrestag organisieren - in Bamako. Worauf die Ordnungskräfte der Republik ihren Dienst versahen: Verbot, Beschlagnahme, Festnahme. Der (französische) Bericht "Les expulsés maliens entre le marteau et l'enclume" von COULIBALY DOH, publiziert am 30. August 2006 auf der Mailingliste Maghreb-DDH. III.Internationales / Ghana Datenverarbeitung auch in Afrika "gewerkschaftsfrei"? Die Datenverarbeitungsfirma Affiliated Computer Systems (ACS) ist ein amerikanisches Unternehmen in Accra, mit mehreren Hundert Beschäftigten. Eines der zahlreichen Computerunternehmen, die sich in diversen afrikanischen Ländern ausbreiten - neben (eher französischsprachigen) im Senegal eben auch in Ghana. Und Umstrukturierungsmassnahmen werden im Unternehmen vollzogen, ohne auf die Bestimmungen der ghanaischen Arbeitsgesetzgebung zu achten - was zu wachsender gewerkschaftlicher Organisierung geführt hat, was dem Unternehmen wiederum gar nicht passt - weswegen geht "man" schliesslich nach Afrika...Die Financial and Business Services Employees Union (FBSEU), die der Ghana federation of Labour angehört, hat dagegen jetzt protestiert, da sie vom Ministerium als eine betriebliche Gewerkschaft legitimiert worden war (was abhängig von der Zahl der Mitglieder ist). Und die Presse hat diesen Protest aufgenommen, wie es der (englische) Bericht "Still War of Words Over Union Rights At ACS" von Ama Achiaa Amankwa in der Zeitung "Public Agenda" vom 18. August 2006 beweist, der bei "allafrica" gespiegelt ist. IV.Internationales / Ägypten Es herrscht Ruhe an der "Flüchtlingsfront" Eines der grössten Massaker im Nahen Osten fand zur Jahreswende 2005 in Kairo statt, als die ägyptischen Ordnungskräfte das Feuer auf ein Protestcamp sudanesischer Flüchtlinge eröffneten - unter Beifall eines guten Teils der "Öffentlichkeit" starben rund 100 Menschen. Organisierter Widerstand und Protest regte sich nur relativ langsam. Das Protestcamp bestand drei Monate von September bis Ende Dezember - und das Flüchtlingswerk der UNO (UNHCR) übte ständigen Druck auf die ägyptische Regierung aus, es aufzulösen. Die offen reaktionäre Haltung des UNHCR wird auch in der Vereinbarung deutlich, die es am 17. Dezember 2005 mit einer Delegation des Camps abschloss - keine der wesentlichen Forderungen (etwa Arbeitserlaubnisse zu vereinfachen) der Flüchtlinge wurde darin erfüllt, weswegen die "Lagerkonferenz" es auch ablehnte. Abgerundet wird das ganze durch beständige Klagen sudanesischer Flüchtlinge über die rassistische Grundhaltung der Beschäftigten der privaten Sicherheitsdienste, mit denen das UNHCR die Flüchtlinge kontrolliert. Mitte 2006 hat sich die Lage der Millionen Sudanesen in Ägypten keineswegs gebessert - eher im Gegenteil, da viele von ihnen (oft aus Angst vor weiteren "Unruhen") in ihrer (oft inoffiziellen) Beschäftigung gekündigt wurden, aber keine weiteren Proteste wurden organisiert - die Unzufriedenheit macht sich in wachsender Gewaltausübung innerhalb der Flüchtlingscommunities Luft. Das "Forced Migration" Programm der Amerikanischen Universität von Kairo hat im Juni 2006 eine Studie zu den Vorfällen und ihren Hintergründen publiziert. Dem institutionellen Charakter gemäss, wird die "Schuld" schön gleichmässig aufgeteilt: So hätten laut den Autoren der Studie auch die Camporganisatoren eine Verantwortung, weil sie ja nach der brutalen Auflösung einer Flüchtlingsdemonstration im Jahr 2004 hätten wissen müssen, dass es gefährlich sei...Dennoch ist die umfangreiche (englische) Studie "A TRAGEDY OF FAILURES AND FALSE EXPECTATIONS" bei der "American University" lesenswert, weil informativ. V.Internationales / Irak / ÖlarbeiterInnen und ihre Gewerkschaft Streiks in der Ölindustrie Mitte und Ende August 2006 entwickelt sich eine erneute Streikbewegung in der irakischen Ölindustrie: die Beschäftigten der Pipelinegesellschaft haben ab dem 22. August einen Streik organisiert, dem sich am folgenden Tag die Beschäftigten der Gasfelder angeschlossen haben - erste Erfolge wurden errungen. a) Gewerkschaftsaufrufe Die (englische) Pressemitteilung "Strike of Basra Oil Workers" der Southern Oil Union vom 22. August 2006 mit einem Update vom 24. August 2006. b) Weitere Streiks? In dem (englischen) Beitrag "International Labor Leaders Predict More Iraq Labor Strikes" von K. Stone vom 29. August 2006 in "ElectronicIraq" werden Gewerkschafter und Aktivisten der "3.Kraft" zitiert, die weitere Streiks voraussagen - in der langen Tradition kämpferischer Gewerkschaften im Irak. VI.Internationales / Vereinigte Arabische Emirate Lehrer ohne Papiere Die enorme Zahl "migrantischer Arbeitskräfte" - also Menschen, die keinen Pass der VAE besitzen - hat beispielsweise auch Kinder. Und die brauchen auch Schulen. Und diese Lehrer. Also heuern diese Privatschulen Arbeitskräfte an - und lassen sie ohne (teuere) Papiere. Im Prinzip funktioniert alles genauso, wie es auch in anderen Branchen funktioniert, nur dass es eben diesmal keine Haushaltskräfte, Bauarbeiter oder VerkäuferInnen sind. Und: Auch diese Menschen beginnen zu protestieren. Der (englische) Bericht "Teachers without labour cards open to exploitation" von Wafa Issa vom 30. August 2006 bei "Gulf News" (mit folgenden interessanten LeserInnen-Kommentaren). VII.Internationales / Neuseeland Erstbeschäftigungsgesetz auch hier gestoppt - auf "maorisch" Auch im fernen Neuseeland fällt Unternehmen und Regierung nichts neues ein: Jugendliche sollen angeblich mehr beschäftigt werden, wenn sie leichter gefeuert werden können. Gegen diesen Gesetzentwurf regte sich Widerstand - der Gewerkschaftsbund mobilisierte dagegen, und im Parlament kündigten Labour Party und Grüne Partei an, gegen das Gesetz zu stimmen - nur haben sie keine Mehrheit. Die haben sie jetzt bekommen: Die Maori-Partei wird ebenfalls gegen das Gesetz stimmen und mit diesen vier Abgeordneten ist der Mehrheit gegen das Gesetz hergestellt. Auf einer gewerkschaftlichen Kundgebung mit über 4.000 TeilnehmerInnen sagte ein Mitglied des Parteivorstandes, Pita Sharples, die Partei sei dagegen, weil dieses Gesetz insbesondere jugendliche Maoris, ohnehin mit den schlechtesten Chancen ausgestattet, benachteilige - die "Ureinwohner" haben in Neuseeland oft die Position inne, die anderswo MigrantInnen einnehmen - "bad jobs" als Regel. Zu entnehmen dem redaktionellen (englischen, hiermit kurz zusammengefassten) Bericht "Bill makes workers vulnerable - Maori Party" vom 23. August 2006 beim Nachrichtenportal "Stuff". VIII.Internationales / Großbritannien "Much ado about nothing" ...lautet der Originaltitel einer Arbeit eines einst ziemlich verfemten, danach ewig vergessenen englischen Autors, der später zum Klassiker aller Klassiker promoviert wurde. Ein Titel, der sich gut auf die aktuelle "Polendebatte" auf den britischen Inseln anwenden liesse. Während der Mob tobt, räsoniert die Regierung, warum so viele Polen kommen - sie hatte mit 30.000 gerechnet und es wird geschätzt, dass es bis zu 500.000 sein könnten. Die einfach aufgrund der schlechten Situation in ihrem eigenen Land ihre Chance anderswo suchen - eigentlich war das mal ein bürgerliches Grundrecht - von der EU längst "verabschiedet". In dem (englischen) Blog "Warsaw Station" wird in dem Beitrag "Poland “Exporting Criminals” - European News Review" vom 21. August 2006 eine breitere Debatte über die begleitende Medienkampagne - ünter dem üblichen Stichwort Kriminalität - geführt, die auch an Debatten hierzulande anknüpfen kann. IX.Internationales / Norwegen Adecco - Bauarbeiter im Tarifvertrag Rund 1150 Beschäftigte in der Bauindustrie entsendet die Zeitarbeitsfirma Adecco in Norwegen, meist Arbeiter aus Polen. Diese sind seit dem 1. Juli diesen Jahres in den Tarifvertrag der Bauindustrie einbezogen, wie es norwegischen Bestimmungen entspricht, nach denen ein Branchentarifvertrag Anwendung findet, wenn wenigstens 10 Prozent einer Belegschaft Gewerkschaftsmitglieder sind - bei Adecco sind es inzwischen über 500 Mitglieder. Eine Klausel wurde aber ebenfalls auf adeccos Betreiben akzeptiert, nach der bei einem eventuellen künftigen Tarifvertrag für Zeitarbeitsfirmen dieser übernommen werden kann. Der (englische) Bericht "New collective agreement for temporary agency workers" von Kristine Nergaard, Fafo Institute for Labour and Social Research am 28. August 2006 publiziert bei "Eiro-Online". X.Internationales / Serbien Lohn - welcher Lohn? Eine Million Menschen sind erwerbslos - und der Durchschnittsverdienst der Beschäftigten liegt bei 240 Euros im Monat. Weswegen viele Familien gezwungen sind, sich zusammen zu tun, um eine Wohnung zu mieten. Die Zahl der "Schwarzarbeiter" ist unbekannt. Viele Details aus dem Leben der (nicht)arbeitenden Bevölkerung Serbiens sind unter dem Titel "Serbia: Unemployment and Low Salaries" am 30. August 2006 in der Blogsammlung "Global Voices Online" zusammengetragen. XI.Internationales / Chile Indigene Rechte - aber nur, wenn es nicht um Erze, Staudämme oder Fischerei geht... Die Mapuche gehören zu jenen Bevölkerungsteilen, die sich am höchsten organisiert haben - seit dem Beginn diverser neoliberaler Projekte aus dem Hause Pinochet, die heute ungefragt fortgesetzt werden - und sie haben allen Grund dazu, nicht nur wegen des Kampfes um die Freiheit der zahlreichen politischen Gefangenen, mit deren Verurteilung dieser Widerstand unterdrückt werden soll. Ob es um neue Bergwerke geht, um den Bau von Staudämmen oder um die Durchkapitalisierung der Fischereiwirtschaft für den Weltmarkt - immer wieder wurden dabei die Rechte indigener Völker verletzt, auch solche, die auf Papier stehen. Die Mapuche haben eine grosse Tradition im Widerstand dagegen. Eine (spanische) Bestandsaufnahme und Perspektivenanalyse dieser Entwicklung unternimmt der Beitrag "Estado chileno, DDHH Mapuche y perspectivas autónomas" von Alfredo Seguel ( Coordinación de identidades territoriales Mapuche - CITEM) vom August 2006. XII.Internationales / USA / Gewerkschaften Eine gewerkschaftsfreie Restindustrie? Der Delphi-Bankrott, die gigantischen Kahlschlagpläne von GM und Ford, der eine Milliarde-Dollar Verzichtvertrag der UAW - welche Perspektiven bietet das nicht nur für die immer noch eine Million Beschäftigten in der US-Autoindustrie - von denen mindestens 70.000 ihren Job verlieren werden (und von denen rund 400.000 gewerkschaftlich organisiert sind) - sondern für die ganzen USA, für die Sozialversicherung und für die Gewerkschaftsbewegung? Diesen Fragen wird in dem (englischen) Artikel "If the Auto Industry is Dead What does that Mean for Workers?" von Mark Brenner und Jane Slaughter nachgegangen, erschienen in der Ausgabe September 2006 bei "Labornotes". XIII.Internationales / Venezuela Jetzt geht die Welt unter: Der Countryclub von Caracas enteignet... ...zumindest könnte es passieren: Der Club, in dem seit 1918 die Upperclass ihre Freizeit verbringt ist auf der Liste der "zwangsweisen Enteignungen" (mit Entschädigung) die der Bürgermeister von Caracas Ende August veröffentlicht hat - wie auch der "Ausländer-Golfclub" Valle Arriba. Der Hintergrund ist das drängende Wohnungsproblem in der Hauptstadt - nach diversen Quellen sind ungefähr eine Million Menschen entweder in Slums wohnhaft, oder gar nicht - und auf diesen beiden Geländen könnten rund 50.000 Sozialwohnungen gebaut werden. Weswegen die bürgerliche Opposition den Plan Bürgermeister Barretos auch sofort als "Wahlkampfdemagogie" abtun möchte - ganz im Gegensatz zu den Menschen, die Wohnungen brauchen. Ein Banker dagegen sieht es ganz genau von seinem Klassenstandpunkt - er wird zitiert mit der Aussage, das sei eben jene Verletzung des Rechtes auf Privateigentum, die der Chavez-Kommunismus ständig begehe. Das alles nachzulesen in dem (englischen) Bericht "Caracas golf clubs in a hole as city bids to build homes on greens" von Duncan Campbell, erschienen am 31. August 2006 in der englischen Tageszeitung "The Guardian". ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |