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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 02. September 2011: I. Internationales / Spanien Schuldenbremse in die Verfassung? Staatsstreich für "Merkozy"? Es ist ein gemeinsames Projekt der beiden großen Parteien PSOE und PP - die Änderung der spanischen Verfassung: Priorität für den Schuldenabbau in der Haushaltspolitik soll Verfassungsrang bekommen, das steht im Parlament zur Abstimmung und wird eine Mehrheit bekommen. Die Krönung aller Maßnahmen zur Demontage des sozialen Systems wird es des öfteren aus gewerkschaftlichen Aktivkreisen genannt. Unter der Überschrift "La izquierda se mueve y lanza diversas convocatorias contra el Golpe de Estado constitucional del PPSOE en Madrid" dokumentiert Kaosenlared am 30. August 2011 zahlreiche geplante Proteste in diesen Tagen - die vor allem die Gegenforderung eines Plebiszits erheben. II. Internationales / Italien Wenn die Frage steht, ob Rentner oder Reiche zahlen sollen, womit ist Berlusconi dann wohl zufrieden? - Eben. "...Und weiterer Streit ist zu erwarten, da viele Details der nun beschlossenen Änderungen noch völlig offen sind. Ich bin sehr, sehr zufrieden, beteuerte der Regierungschef gestern in einem Interview. Seine Freude geht vor allem darauf zurück, dass er sich in einem Herzensanliegen durchsetzen konnte: Die ursprünglich vorgesehene Solidaritätssteuer für Besserverdienende wird nun doch nicht kommen. Stattdessen sollen Rentner stärker zur Kasse gebeten werden, eine Maßnahme, die Bossi bisher strikt abgelehnt hatte. Auch die Proteste der Opposition ließen nicht lange warten. Für den 6. September haben auch die Gewerkschaften schon zu einem Generalstreik aufgerufen..." aus dem Artikel "Rentner sollen zahlen, nicht die Reichen" am 31. August 2011 in der FR-Online. Siehe dazu auch: "Italian unions mobilize against austerity plan" ein knapper Überblick über die Aktionen der italienischen Metallgewerkschaften gegen den Berlusconiplan vom 31. August 2011 beim Internationalen Metallarbeiterbund. III. Internationales / Portugal Fliehen Portugals Reiche jetzt nach Italien? Denn dort wurde ja, im Gegensatz zu Portugal, die Reichensteuer gestrichen. In Portugal klingt es wenigstens etwas anders: "Das hochverschuldete Land hatte im Frühjahr ein Milliarden Hilfspaket aus der EU erhalten. Dafür muss Lissabon sein Defizit noch in diesem Jahr deutlich abbauen. Anders als in Italien sollen sich daran auch Spitzenverdiener und Wirtschaftskonzerne deutlich beteiligen" - aus "Portugal will Reichensteuer einführen" am 01. September 2011 in der FR-Online. IV. Internationales / Tschechien Widerstand gegen Sozialkahlschlag. Und wie? Von einer Niederlage zur nächsten sei die Arbeiterbewegung seit dem Antritt der neuen Regierung gegangen - die diese Offensive als Wahlkampfthema gehabt habe. Die erste große Auseinandersetzung war die im Öffentlichen Dienst gewesen und jetzt sollen auch die anderen Schichten "drankommen". Der Beitrag "Workers on the government and union slide: from one defeat to another so far" untersucht die Auseinandersetzung im Herbst und Winter 2010/11 und war im Januar veröffentlicht worden - jetzt auf englisch bei libcom. Dabei wird auch die Frage nach dem Nutzen von Gewerkschaften behandelt... V. Internationales / Griechenland Neue Welle von Universitätsbesetzungen "Nach der Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes durch eine ganz große Koalition aus regierenden Sozialdemokraten (Pasok), der konservativen Nea Dimokratia (ND), der christlich-reaktionären LAOS, und einer rechts-liberalen Abspaltung der ND, breiten sich die Universitätsbesetzungen sprunghaft über ganz Griechenland aus..." - so beginnt die Meldung "Unibesetzungen in Griechenland" am 31. August 2011 bei indymedia. VI. Internationales / Japan / AKW 2011 Bis heute: Scheibchenweise die Wahrheit... Wer immer wieder denken mag, jetzt rücken sie mit der Wahrheit raus, wird sich immer wieder getäuscht sehen: Jede offizielle Verlautbarung zu Fukushima zielt auf Schadensbegrenzung ab. Unter dem Titel "Why the Fukushima Disaster is Worse Than Chernobyl" berichtet am 29. August 2011 im britischen Independent David McNeill über die Auseinandersetzungen zwischen den Propagandisten des Regimes und ihren Kritikern, von denen immer mehr die Schlussfolgerung ziehen, dies sei der bisher größte Unfall in der weltweiten Atomindustrie gewesen. Siehe dazu auch: "Fukushima Robot Operator Writes Tell-All Blog" am 23. August 2011 bei der Technologieseite IEEE, wo Erico Guizzo Auszüge aus einem (inzwischen verschwundenen) Blog eines japanischen Robotersteuermanns übersetzt, die unter anderem die Frage der Gefährlichkeit ganz anders darstellen als offizielle Verlautbarungen. Sowie: "Japan: A Nuclear Gypsy's Tale" am 03. August 2011 bei Gobal Voices ebenfalls Blogübersetzungen, hier von Takeshi Kawakami, der jahrelang als Zeitarbeiter in japanischen AKWs gearbeitet hat... Und: "Abolish All Nuclear Plants Immediately! Hiroshima Declaration 2011" im Dorochiba Quakereport 32, wo aus Anlaß des Jahrestages von Hiroshima unterstrichen wird, dass die Trennung zwischen ziviler und militärischer Atomenergie eine künstliche Maßnahme ist. Schliesslich: "Doro-Chiba zu Besuch in Berlin" das zweite labournet tv Video zum Berlinbesuch der Doro Chiba-Delegation vom 17. August 2011, das so angekündigt wird: "Zwei internationale Sprecher der japanischen Eisenbahnergewerkschaft Doro-Chiba teffen sich im Berliner Ostbahnhof mit Kollegen von der S-Bahn. Sie berichten über die internationalistischen Bestrebungen und die Aktivitäten ihrer Gewerkschaft und über den Kampf gegen die Privatisierung der japanischen Eisenbahnen". VII. Internationales / China / Forum Arbeitswelten Aktuelle Debatten um Gesellschaft, Gewerkschaft - und Perspektiven Ob es um die aktuell angestossene Debatte um die Reformfähigkeit des Allchinesischen Gewerkschaftsverbands geht, um die Grundsatzdebatte über den Charakter der chinesischen Gesellschaft oder um die Auseinandersetzung ob und wie WanderarbeiterInnen und die Beschäftigten der (ehemaligen) Staatsbetriebe zusammenkommen können - zu all diesen Fragen gibt es auf der neu gestalteten Seite der Forums Arbeitswelten übersetztes Material, wie immer nicht über, sondern vorwiegend aus China. VIII. Internationales / China / Gewerkschaften 30 Millionen entlassen. Gewerkschaftsaktivität war: Fehlanzeige Aus den Updates des Forum Arbeitswelten für LabourNet LeserInnen besonders interessant der Artikel "Die Rolle des "All China Federation of Trade Unions": Seine Bedeutung für chinesische Arbeiter heute" von Bai Ruixue (veröffentlicht in "Working USA - The Journal of Labor and Society" Volume 14, März 2011/ Deutsch von Manfred Pergam, August 2011) der eine wesentliche Stellungnahme in der aktuellen Debatte um die Rolle und (Nicht-)Reformfähigkeit der offiziellen chinesischen Gewerkschaften darstellt. Der Autor arbeitet auch beim LabourNet China und hält unter anderem fest: "Die Transformation Chinas fand auf Kosten der Arbeiterklasse statt. Die Restrukturierung und Reorganisation seiner staatseigenen Betriebe (SOE) in den 1990ern sollte sie profitabler machen, was dazu führte, dass mehr als 30 Millionen Arbeiter ohne volle Entschädigung entlassen wurden. Bis 2001 waren 86% aller SOEs vollständig oder teilweise privatisiert. Der Restrukturierungsprozess hatte zahlreiche Streiks und Protestaktionen zur Folge, weil die Arbeiter wegen der erlittenen Angriffe auf sie aufgebracht waren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Arbeiter eine lebenslange Arbeitsplatzgarantie, die nun wegfiel. Während dieser Zeit tat der ACFTU kaum etwas, um die Arbeiter zu verteidigen oder zu schützen". IX. Internationales / Kasachstan Massive Repression - Ölarbeiterstreik geht weiter Seit drei Monaten dauert der Kampf der kasachischen Ölarbeiter trotz aller Repression nun schon an - Lohnerhöhung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit (das Problem der besseren Bezahlung für ausländische Spezialisten), Wiedereinstellung der entlassenen inzwischen 416 Kollegen, Aufhebung von Urteilen gegen Repräsentanten der Streikenden (so wurde beispielsweise die Rechtsanwältin der Streikenden verurteilt) und das Recht auf unabhägige Gewerkschaften sind die Ziele, deren Durchsetzung mit stetig gesteigerter Repression verhindert werden soll. Ein Video von einer der Kundgebungen (mit englischen Untertiteln) "Kazakhstan: Ongoing oil workers strike" wurde am 02. August 2011 vom Human Rights Bureau bei Youtube eingeladen. Eine knappe Zusammenfassung neuerlicher juristischer Repression gibt in "Kazakh courts crack down on supporters of striking oil workers" am 18. August 2011 der Kazakistan Newswire In "Report from Protest in Solidarity with Kazagh Oil strikers" ist auf der Seite des Europaabgeordneten Paul Murphy aus Dublin zu finden, worin es um eine Aktion am 12. August vor Esso-Tankstellen in Dublin geht. X. Internationales / Indien Anti-Korruptionsbewegung - ein Problem der Mittelklassen? Wenn der Hungerstreik eines Einzelnen dazu führt, dass das Parlament in einer Sondersitzung einige der mit der Aktion gestellten Forderungen erfüllt durch Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes, dann ist das zumindest eines: Hinweis darauf, dass da nicht nur ein Problem steckt, sondern offensichtlich auch viel Unzufriedenheit. Wessen Unzufriedenheit? Darüber gibt es nun in Indien Auseinandersetzungen: Was ist das für eine Bewegung? Von den bürgerlichen Medien massiv gefördert, ist sie manchen Linken soweit in Verdacht, dass sogar der Parlamentarismus gegen diese "Sauberkeitskampagne" verteidigt wird. Um den Hintergrund der folgenden Debatten und Stellungnahmen zu verstehen, ein Überblick über die positiven Reaktionen auf Harares Aktion in indischen Blogs "India: Anti-Corruption Campaign Fires a Country's Imagination" zusammengestellt von Aparna Ray am 24. August 2011 bei Global Voices Online. Eine sehr differenzierte Position beziehen in einer gemeinsamen Erklärung eine Reihe bekannter sozialer Gruppierungen, die im wesentlichen darauf abzielen, Korruption sei eben keineswegs nur Bestechung, wie sie jetzt im Fokus steht, sondern die gesamte Lobbypolitik (die bisher weitgehend kein Thema der Kampagne ist) die etwa zur Schaffung der heftig kritisierten wirtschaftlichen Sonderzonen geführt habe. "A Great Opportunity, A Serious Danger" ist eine Erklärung von 10 Gruppen und bekannten Einzelpersonen vom 24. August 2011 deren Ansatz bereits durch den Titel (Eine große Gelegenheit, eine ernsthafte Gefahr) deutlich wird. In dieselbe Richtung zielt der Kommentar "I'd rather not be Anna" von Arundhati Roy am 30. August 2011 (unter vielen anderen Publikationen) beim Cetri veröffentlicht: Sie möchte lieber nicht Anna Hazare sein, weil sein Anspruch ein Ghandianer zu sein verlogen sei - ein drakonisches Sauberkeitsgesetz, das dem Staat mächtige neue Möglichkeiten schaffe, sei sicher nicht im Geiste Ghandis, so wenig wie seine immer wieder aufflackernde Begesiterung für Politiker der Rechten, die für "Law and Order" stünden. Bei Kafila, einer ausgesprochen populären linken Netzseite, macht sich in "We should be there: The Left and the Anna moment" Nivedita Menon am 20. August 2011 Gedanken darüber, warum so viele seiner Mitkämpfer in sozialen Bewegungen in den Hazareprotesten nur die "Faschisten" sehen, so wie in Ägypten die westlichen Medien nur die Muslimbrüder sehen wollten... Ebenfalls bei Kafila ist eine ausführliche Stellungnahme der einzigen parteiunabhängigen Gewerkschaftsföderation NTUI dokumentiert "NTUI Statement On the Fight Against Corruption" vom 25. August 2011. Auch darin wird die autoritäre und repressive Vorgehensweise von Regierung und Parlament ausführlich kritisiert und die Enge der Harare-Proteste unterstrichen - andrerseits wird aber darauf verwiesen, dass die Ablehnung der grassierenden Korruption keineswegs nur ein Problem der Mittelklassen sei - auch in der eigenen Mitgliedschaft gäbe es viele Arbeiter, die diese Bewegung mit einem "Endlich!" begrüßten. Deswegen sei die nötige Herangehensweise die, mit eigenen, demokratischen Vorschlägen zu versuchen, eine Alternative zu bieten. XI. Internationales / Syrien Neuer Versuch: Übergangsrat Verschiedene Bekundungen syrischer Oppositioneller waren eindeutig: Sie wollen keinesfalls eine ausländische Intervention, und dies wurde von ganz unterschiedlichen Strömungen betont, ganz im Gegensatz zu Libyen etwa, wo es jene Strömungen auch gab, die aber marginalisiert wurden. Nun ist erneut ein Versuch gemacht worden, eine einigende Instanz zu schaffen, einen Übergangsrat zu bilden, der die diversen oppositionellen Strömungen repräsentieren kann - aus unterschiedlichen Lagern, im In und Ausland. Sprecher dieses Rates soll Burhan Ghalioun werden, ein Politikprofessor im französischen Exil, der sich sowohl in der Kritik der Privatisierungen in Syrien als auch in der Ablehnung ausländischer Intervention ebenso profiliert hat, wie als Gegner des Assadregimes. Die Meldung "Neuer Übergangsrat der syrischen Opposition" vom 31. August 2011 bei antiimperialista.org. XII. Internationales / Thailand Eine Stimme aus dem Gefängnis ihrer Majestät Am 30. August 2911 wurde die deutsche Übersetzung von "Offener Brief eines thailändischen Gewerkschafters der aus politischen Gründen verhaftet wurde" veröffentlicht, mit der Ankündigung. "Neben Somyot Pruksakasemsuk wurden über 1000 Menschen unter dem Vorwand der Majestätsbeleidigung aus politischen Gründen verhaftet. Die meisten unter ihnen sind gewaltfreie Leute, die sich das Recht nahmen für mehr Menschenrechte und Demokratie öffentlich mit friedlichen Mitteln zu kämpfen". XIII. Internationales / Chile / Soziale Proteste Proteste gehen weiter: trotz Polizeimord... "Die Eltern des in der vergangenen Woche während des Generalstreiks in Chile von den paramilitärischen Carabineros erschossenen Jugendlichen haben am Dienstag Klage gegen die uniformierten Täter eingereicht. Zuvor hatte die Polizei nach tagelangem Leugnen eingeräumt, daß die Beamten am vergangenen Freitag das Feuer auf den 16jährigen Manuel Gutiérrez Reinoso eröffnet hatten. Der mutmaßliche Täter, Unteroffizier Miguel Millacura, war am Montag (Ortszeit) festgenommen worden, nachdem eine ballistische Untersuchung der tödlichen Kugel ergeben hatte, daß diese aus der Maschinenpistole des Beamten stammte. Etliche seiner Kollegen wurden zunächst vom Dienst suspendiert, weil sie Millacura gedeckt haben sollen" - so beginnt der Artikel "Polizei räumt Schüsse ein" von Santiago Baez in der jungen Welt vom 31. August 2011 Siehe dazu auch: "Fehler" "Die Chilenen gedenken Manuel Gutierrez mit Kerzen und Transparenten Letzte Woche forderten die Proteste in Chile ihr erstes Todesopfer. Nun gibt es erste Konsquenzen der Ermittlungen zum Tod des 16 ?jährigen Manuel Gutierrez, welcher bei den Bildungsprotesten in Chile ums Leben kam. Der Jugendliche wurde während des 48-stündigen Generalstreiks am 25. August von einer Kugel getroffen und verstarb am darauffolgenden Tag. Die Familie machte die Polizei für den Tod des Jungen verantwortlich. Diese wies die Schuld jedoch zurück. Nun gestand die Polizei doch Versäumnisse ein. Ein Polizist sei nun suspendiert worden, welcher während der Proteste am Freitag mehrfach von seiner Waffe Gebrauch gemacht haben soll. Er hätte jedoch nur Warnschüsse in die Luft abgegeben, so die Verantwortlichen der Polizei" - aus "Chile: Polizisten suspendiert" am 30. August 2011 beim österreichischen Studikurier. XIV. Internationales / Brasilien Protest - Modell Chile "Inspiriert von den Protesten der Studenten in Chile sind auch in Brasilien am Mittwoch tausende Studierende auf die Straße gegangen. Rund 2500 Studenten versammelten sich in der Hauptstadt Brasília vor dem Gebäude der Zentralbank, um ihrer Forderung nach einer Erhöhung der Ausgaben für Bildung Gehör zu verschaffen. "Chile, Freund, Brasilien ist bei dir", riefen die Demonstranten und leerten in einer symbolischen Aktion gegen Korruption einen mit Wasser gefüllten Tankwagen aus..." - aus der Meldung "Vorbild Schülerproteste in Chile" vom 01. September 2011 in der taz. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |