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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 17. April 2009: I.Internationales / Brasilien Die Zahl der BesetzerInnen in Belo Horizonte explodiert, nachdem der erste Polizeiangriff abgewehrt wurde Nach den Ostertagen (der Montag ist in Brasilien kein Feiertag) ist die Zahl der BesetzerInnen des etwa 40 Hektar großen Geländes der Besetzung "Dandara" vom Gründonnerstag regelrecht explodiert: Am Dienstag wurden von Fernsehreportern 981 Hütten und Zelte gezählt - womit niedrig geschätzt etwas über 4.000 Menschen an der Besetzung beteiligt sind. Die rapide Zunahme ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der erste Polizeiangriff von 150 Schockbataillon Polizisten in der Nacht (gesetzlich verboten) zum Karfreitag, der ohne juristische Grundlage erfolgte, in einer dreistündigen Auseinandersetzung abgewehrt wurde. Seit Dienstag gibt es nun eine einstweilige richterliche Räumungsverfügung, wogegen die Anwälte der BesetzerInnen Einspruch eingelegt haben. Die Polizei hat einstweilen zugesagt, das Ergebnis der Verhandlung dieses Einspruchs abzuwarten - ein Ergebnis sowohl des organisierten Widerstands als auch der organisierten Solidarität, und der breiten Berichterstattung in zahlreichen Medien, bis auf die Produkte des "Globo" Konzerns sogar recht sachlich. In allen Solidaritätserklärungen und Schreiben an den Präfekten Lacerda und Gouverneur Neves wird deutlich, dass die Öffentlichkeit die Besonderheit dieser Besetzung versteht: Dass es die erste gemeinsame Aktion der Bewegung für Landreform und der für Stadtreform ist, organisiert von MST und Volksbrigaden. Und auch wenn die "Politik" bisher den Dialog mit den BesetzerInnen der Polizei überlassen hat, so ist die Diskussion über diese Premiere bereits deutlich über die linken Kreise hinaus gewandert. Und während juristisch, politisch und materiell die Unterstützung organisiert wird, werden auch bereits Alternativen gesucht, für den Fall eines erfolgreichen nächsten Polizeiangriffs - denn viele der beteiligten BesetzerInnen sind Menschen, die gerade eben in der aktuellen kapitalistischen Krise erwerbslos wurden und dringend eine Wohnmöglichkeit brauchen. Die aktuelle "Dandara-Chronologie" , die wir hiermit kurz deutsch zusammengefasst haben, geht bis einschliesslich Mittwoch, den 15. April 2009. II.Internationales / USA / Gewerkschaften Der Kampf um ein neues Gewerkschaftsgesetz spitzt sich zu Berichte in den Hauptnachrichten der grössten Fernsehsender, Kommentare der bekanntesten Journalisten, jede Menge unerträglicher Fernsehdiskussionen, Anzeigenkampagnen allerorten und hektisches Lobbytreiben: Die Auseinandersetzung um ein neues Gewerkschaftsgesetz spitzt sich zu. Der vorliegende Entwurf sieht vor, die gewerkschaftliche Organisierung zu erleichtern - eine der beiden aktuellen Grundforderungen der Gewerkschaftsbewegung an die neue US-Regierung, neben der Krankenversicherung. Und selbstverständlich gibt es bereits eine Reihe von Senatoren, die öffentlich erklären, sich dem neuen Gesetz zu verweigern. a) Der Beitrag "WHY WORKERS NEED THE EMPLOYEE FREE CHOICE ACT" von David Bacon erschien am 13. April 2009 bei truthout unterstreicht grundsätzlich die Notwendigkeit, die undemokratische Gewerkschaftsgesetzgebung zu überwinden. b) Der Beitrag "How Unions' Grass-Roots Organizing, Pragmatism Can Pass Pro-Labor Bill" von Art Levine erschien am 9. April 2009 in der Huffington Post und befasst sich vor allem mit dem aktuellen Stand der parlamentarischen Auseinandersetzung. III.Internationales / Großbritannien / Arbeitskämpfe: Betriebsbesetzung 2009: Visteon Blockade als letzter Ausweg: Zulieferer Visteon droht Beschäftigten mit Gefängnis und Enteignung ihrer Häuser Die Besetzung in Enfield wurde am vergangenen Donnerstag beendet. Das Unternehmen ließ eine gerichtliche Verfügung ausstellen, die insbesondere den Vertrauensleuten in der Fabrik Gefängnis und die Enteignung ihrer Häuser androhte, sollte die Besetzung weitergehen. Deshalb wandelten die Arbeiter die Besetzung nun in eine Blockade der Fabrik um. Ähnlich sieht es in Basildon aus, dort wurde bereits nach zwei Tagen die Besetzung aufgegeben und in eine Blockade umgewandelt. Am Ostersonnabend hatten Beschäftigte einen Protestmarsch durch den Ort veranstaltet. In Belfast geht die Besetzung mit ungebrochener Stärke weiter. In dieser Woche sollen US-amerikanische Visteon-Vertreter in Großbritannien zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft UNITE einfliegen...."Blockade als letzter Ausweg" Artikel von Christian Bunke im Neues Deutschland vom 15. April 2009 IV.Internationales / Italien / Gewerkschaften Der Markt liegt in Scherben, aber die Politik garantiert keine soziale Wende Die aktuelle Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen beschäftigen naturgemäß nicht nur die deutsche Linke. Auch in der italienischen politischen und Gewerkschaftslinken wird darüber intensiv diskutiert. Einen guten, ersten Einblick in die Debatte südlich des Brenners vermittelt ein Roundtable-Gespräch zwischen Dino Greco und Giorgio Cremaschi, das die von Rifondazione Comunista (PRC) herausgegebene Tageszeitung Liberazione am 1.März 2009 veröffentlichte. Das Interview "Der Markt liegt in Scherben, aber die Politik garantiert keine soziale Wende" mit einer Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkungen und Einfügungen in eckigen Klammern vom Gewerkschaftsforum Hannover vom April 2009 V.Internationales / Frankreich / Politik und Wirtschaft In ganz Europa gibt es eine Generation, die sich verraten fühlt und auf die Straße geht Die militante Jugendrevolte in Griechenland im Dezember 2008 sowie Schüler- und Studentenbewegungen in Frankreich, Deutschland, Spanien, Irland und Italien haben das Problem der Prekarität und der miserablen Zukunftsperspektiven der jungen Generation auch und gerade in der EU wieder zum Thema gemacht, auch wenn es in den letzten Wochen von den Berichten über flächendeckende Kurzarbeit, Massenentlassungen und Lohnsenkungen als Folge der weltweiten Rezession überlagert wurde. Die linke italienische Tageszeitung "il manifesto" brachte am 29. März 2009 dazu ein interessantes Interview mit der französischen Soziologin Isabelle Sommier von der Pariser Universität Sorbonne, in dem sie auch auf die Situation der französischen Linken und den Höhenflug der im Februar gegründeten linksradikalen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) eingeht. Das Interview "In ganz Europa gibt es eine Generation, die sich verraten fühlt und auf die Straße geht" von Roberto Ciccarelli mit einer Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern vom Gewerkschaftsforum Hannover vom April 2009. VI.Internationales / Ungarn "Die Zigeuner sind schuld. Oder die Juden" Dummdämliche Naziparolen sind zwar deutsche Spezialität, aber kein Exklusivrecht: Ungarn, mit einer Sozialdemokratie an der Regierung, die es schafft, noch unbeliebter als ihre deutschen oder britischen Gesinnungsfreunde zu sein, ist das europäische Land, das vielleicht am meisten von der aktuellen kapitalistischen Krise betroffen ist. Regierung und der Großteil des Staatsvolkes sind sich einig: Westliche Banken, Investoren oder der Währungsfonds walten zu Ungarns bestem und alles wäre gut, gäbe es da nicht Sozialhilfeempfänger, Romas und Juden. Bürgermeister, die - ohne Hartzgesetze - die Auszahlung von Hilfsgeldern willkürlich an Arbeitsleistungen koppelten, Schultrennung von Romakindern - alles bereits vollzogen. Und die politische Landschaft verändert sich rapide: Der Polizeichef der (ehemaligen) Industriestadt Miskolc hatte auf einer Pressekonferenz von sich gegeben, dass alle - alle - Straftaten in der Stadt von Romas begangen würden. Worauf er abgesetzt wurde - aber die Bevölkerung ging derart massiv auf die Straße, dass das Innenministerium einen Rückzieher machte: Wieder im Amt - und die diversen Kräfte, die daran interessiert sind, machen jetzt eine Kampagne, da seine Aussage ja nun offiziell bestätigt sei. Dies und andere Schlaglichter auf die aktuelle Lage in dem Beitrag "Sharp Right Turn in Hungary" von G M Tamas in der Ausgabe März 2009 der "Socialist Review". VII.Internationales / Japan Zeltstadt der Zeitarbeiter Rund 500 Zeitarbeiter lebten eine Woche in einer provisorischen Zeltstadt im Herzen Tokios: jüngst waren Abertausende von Zeitarbeitsverträgen ausgelaufen, niemand registrierte dies als Entlassungen: Oft genug sind solche Jobs aber mit dem Leben in Schlafsälen verbunden - Job weg, Bett auch weg heisst die marktwirtschaftliche Konsequenz. Von Gewerkschaftern organisiert, vom Ministerium wegen der unglaublichen Vielzahl der Betroffenen akzeptiert, war die Zeltstadt Medienthema Nummer 1, wird in dem Beitrag "Which Side Are You On? Hakenmura and the Working Poor as a Tipping Point in Japanese Labor Politics" von Toru Shinoda berichtet, der am 9. April 2009 beim Blogmagazin der Monthly Review erschien. VIII.Internationales / Philippinen Kämpfe gegen Massenentlassungen: Signal vom Sonnengarten "Giardini del Sole" heisst die Möbelfabrik, deren Belegschaft durch einen Streik während des Januars bis Mitte Februar diesen Jahres erfolgreich ihre Arbeitsplätze vertedigte - und mit ihrem Beispiel bereits eine Reihe weiterer - teilweise ebenfalls bereits erfolgreicher - Aktionen veranlasst hat, etwa bei einer Werft in Manila. Der Bericht "First workers strike against mass layoffs victorious" von Juan Manggagawa vom 9. April 2009. IX.Internationales / Israel / Arbeitsbedingungen Wer nicht "gedient" hat, wird kein Eisenbahner... Im März dieses Jahres haben die staatlichen israelischen Eisenbahnen eine neue Einstellungspolitik verkündet. Der Betreiber dieser Neuerung ist Herr Harel: seit 2007 Generaldirektor der Eisenbahn, vorher auch General - Generalmajor der Armee. (Jeder nach seinen Prioritäten: In der Bundesrepublik die Bahn den Autobossen, in Israel den Armeebossen). Wer nicht in der Armee war, kann ab nun bestimmte Arbeiten nicht mehr machen - etwa Bahnübergänge beaufsichtigen. Was ganz direkt 150 arabische Bahnwärter betrifft, aber auch Späteinwanderer, Wehrdienstverweigerer und andere Minderheiten. In erster Instanz wurde am 9. April den diversen einsprüchen von Sawt el Amel - Solidarorganisation arabisch-israelischer Arbeiter - stattgegeben, am 19. April wird abermals verhandelt. Der Solidaritätsaufruf "Support Arab railway workers in Israel in their struggle to keep their jobs!" vom 10. April 2009. X.Internationales / Südafrika / Armut Eine Reise nach Brasilien... Nicht nur die eigenen LabourNet Germany Reiseberichte über das Weltsozialforum 2009 sollen hier publiziert werden: Eine eigene Sicht der Dinge - die vieles mit der unseren gemeinsam hat, aber keineswegs identisch ist und schon mit Sprachproblemen beginnt - haben südafrikanische AktivistInnen: Eine andere Welt ist möglich - ein anderes Forum nötig, schreibt Mzonke Poni von ABM Western Cape in "Another World is Posible" vom 11. April 2009 bei khayelitsha struggles. XI.Internationales / Marokko Die Richter des Herrn König wollten nicht über die soziale Wirklichkeit befinden, sondern über "Straftaten" "Das Gericht weigerte sich, über die soziale Revolte als solche zu verhandeln und zu beraten, und wollte lediglich die "Straftaten" gegen die bestehende Ordnung ahnden. In der Nacht zum Freitag fiel, nach 17stündiger Marathonverhandlung, gegen 3 Uhr früh das Urteil" - so Bernard Schmid in dem aktuellen Artikel "Urteile gegen die soziale Revolte von Sidi Ifni gefällt" vom 17. April 2009. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |