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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die Richter des Herrn König wollten nicht über die soziale Wirklichkeit befinden, sondern über "Straftaten"

"Das Gericht weigerte sich, über die soziale Revolte als solche zu verhandeln und zu beraten, und wollte lediglich die "Straftaten" gegen die bestehende Ordnung ahnden. In der Nacht zum Freitag fiel, nach 17stündiger Marathonverhandlung, gegen 3 Uhr früh das Urteil" - so Bernard Schmid in dem aktuellen Artikel "Urteile gegen die soziale Revolte von Sidi Ifni gefällt" vom 17. April 2009.

Urteile gegen die soziale Revolte von Sidi Ifni gefällt

Am vergangenen Freitag, den 10. April o9 fielen die Urteile gegen Teilnehmer/innen an der sozialen Revolte in der südmarokkanischen Stadt Sidi-Ifni (rund 18.000 Einwohner/innen). Die Ereignisse selbst liegen rund zehn Monate zurück: Infolge der Blockade des örtlichen Hafens durch junge Arbeitslose, die Anstellungsmöglichkeiten und ein Ende der mafiös-korrupten Einstellungspraxis örtlicher Behörden forderten, waren starke Repressionskräfte in das Städtchen südlich von Agadir entsandt worden. Am 7. Juni 2008 und in den folgenden Tagen übten diese eine massenhafte Repression aus, schlugen Einwohner/innen, verhafteten, vergewaltigten und stürmten zu nächtlicher Stunde Häuser oder Wohnungen.

(Vgl. Labournet 1 mit Links zu Videos vom Originalschauplatz: http://labournet.de/internationales/tn/videos.html und Labournet 2: http://labournet.de/internationales/ma/unruhen0608.html .)

Im Hintergrund steht einerseits die Vernachlässigung dieser am Südrand des marokkanischen Kernlands - unweit der historischen Grenze zur seit 1975 marokkanisch besetzten, und durch das Königreich annektierten Westsahara - gelegenen Region durch den Zentralstaat. Andererseits trägt aber auch die Überfischung der örtlichen Gewässer durch Fischereifirmen aus der Europäischen Union (besonders Spanien und Frankreich), begleitet von einem Verbot etwa des Fangs von Tintenfischen für die örtliche Bevölkerung, zur konkreten Misere bei.

Am vergangenen Donnerstag (o9. April) um 08.30 Uhr begann in der Kreisstadt Agadir der Prozess gegen überwiegend junge Angeklagte, die der Teilnahme an der sozialen Revolte beschuldigt wurden. Die Angeklagten sind oft junge "Arbeitslose mit Hochschuldiplom".

Am Prozesstag, dem 09. April, war ein Generalstreik in Sidi Ifni verhängt worden, der weitgehend befolgt wurde, insbesondere aber an von den Schüler/inne/n an den (Ober-) Schulen. Vor dem Gerichtsgebäude fand eine Kundgebung, aufgerufen von ATTAC-Marokko, statt. Über 100 Anwältinnen und Anwälte nahmen, als Geste der Solidarität, an dem Prozess teil. Auch eine Reihe von Personen vom nationalen und internationalen Solidaritätskomitee waren gekommen. So waren ein Anwalt von der ,Association internationale des juristes démocrates' (Internationale Vereinigung demokratischer Juristen), jeweils ein Vertreter von ATTAC-Frankreich und ATTAC im westafrikanischen Togo, der Vorsitzende der "Vereinigung maghrebinischer Arbeiter in Frankreich" (ATMF) - letzterer wurde aus dem Saal geworfen - und mehrere Aktive von ATTAC-Marokko bei der Verhandlung anwesend. Allerdings wurden zahlreiche Personen nicht in den Saal gelassen oder aus dem Gerichtssaal verwiesen, unter dem Vorwand, dass dieser zu klein sei. Der marokkansiche Ableger von ATTAC war, neben den undogmatischen Trotzkisten von El-Mounadhil und der marokkanischen Menschenrechtsvereinigung AMDH, im Frühsommer 2008 eine der Hauptkräfte der Unterstützung für die soziale Revolte in Sidi Ifni. ATTAC-Marokko hat am 8. März 2009 ein "Schwarzbuch über die Ereignisse vom o7. Juni 2009", in arabischer Sprache, veröffentlicht.

Das Gericht weigerte sich, über die Repression gegen die soziale Revolte als solche zu verhandeln und zu beraten, und wollte lediglich die "Straftaten" gegen die bestehende Ordnung ahnden.

In der Nacht zum Freitag fiel, nach 17stündiger Marathonverhandlung, gegen 3 Uhr früh das Urteil. Das Strafmaß, das über die einzelnen Angeklagten verhängt wurde, lautet wie folgt:

Mohamed Issam: Anderthalb Jahre Haft ohne Bewährung; Zine El Abidine Radi: Anderthalb Jahre Haft ohne Bewährung; Hassan Agharbi: Ein Jahr Haft ohne Bewährung; Zakaria Rifi: ein Jahr Haft ohne Bewährung; Hassan Tazkaghine: ein Jahr Haft ohne Bewährung; Karim Chara: Zehn Monate Haft ohne Bewährung; Brahim Bara: Acht Monate ohne, plus zwei Monate mit Bewährung; Mohamed Wahdani: Acht Monate Haft ohne Bewährung; Ahmed Boufim: Acht Monate Haft ohne Bewährung; Abdelmalek El Idrissi: acht Monate Haft ohne Bewährung; Abdelkader Atbib: ein Jahr Haft auf Bewährung; Mounir Zakaria: ein Jahr Haft auf Bewährung; Fayçal Mkhilik: ein Jahr auf Bewährung; Abdelatif Mkizra: ein Jahr Haft auf Bewährung; Bouchaïb Ghiti: ein Jahr Haft auf Bewährung; Khalil Ezzine: ein Jahr Haft auf Bewährung; Khadija Ziane: Sie muss nicht ins Gefängnis, eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 Dirham wurde verhängt

Von den längsten Haftstrafen bleiben einige Monate abzubüßen, nachdem die Angeklagten seit Juni 2008 in Untersuchungshaft gesessen hatten. So verbleiben für Hassan Agharbi und Zakaria Rifi jeweils vier Monate abzusitzen. Mohamed Wahdani (acht Monate ohne Bewährung) kam hingegen am Tag nach dem Urteil frei, da seine Haftstrafe mit der in U-Haft verbrachten Zeit abgegolten ist. Brahim Bara sollt, aus demselben Grund, in dieser Woche freikommen. "Der Kampf geht weiter!", verkünden unterdessen die Berichterstatter vor Ort... (Vgl. u.a. http://www.europe-solidaire.org/spip.php?page=auteur&id_auteur=44)

B.Schmid


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