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Updated: 18.12.2012 16:22 |
liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 02. Juni 2006: I.Internationales / Ukraine Massenkundgebungen gegen Preiserhöhungen Die ukrainische Energiebehörde erhöhte am 23. Mai (zum 1. Juni)- nicht zum ersten Mal in diesem Jahr - die Gaspreise; auch Wasser wurde verteuert. Die Regierungsbehörden verstossen damit gegen ein Abkommen mit den Gewerkschaften, das zumindest Konsultationen im Falle staatlicher Preiserhöhungen vorsieht: mit dem Ziel, soziale Begleitmaßnahmen zu treffen. Weitere Preiserhöhungen wurden bereits angekündigt. Am 24. Mai organisierte die Gewerkschaftszentrale FPU Massenkundgebungen in Kiew, an denen sich mehr als 50.000 Menschen beteiligten. Der (englische) Bericht "Ukrainian Labour Protests Hikes in Utility Tariffs" vom 29. Mai 2006 bei der Chemieinternationale ICEM. II.Internationales / Kazachstan Squatter wehren sich erfolgreich Am 12. Mai sollte in Almaty ein Räumungsprogramm gegen "illegale Bauten" gestartet werden, zunächst in der Bakai-Siedlung. Über mehrere Stunden hinweg, beginnend um 11 Uhr, lieferten sich eine wachsende Anzahl von Polizisten und Spezialkräften heftige Auseinandersetzungen mit mehreren Hundert Bewohnern von Bakai. Nicht nur, dass Reifen brannten - was die Feuerwehr beschäftigte - Steine und Flaschen flogen, sondern auch immer wieder der Appell, speziell von Frauen mit kleinen Kindern, an die Baggerfahrer und Räumungsarbeiter, das Zerstörungswerk nicht zu machen - ein Appell, der letztlich Erfolg hatte, als die städtischen Arbeiter sich weigerten, ein Haus zu räumen, in dem viele Kinder waren, obwohl die Beauftragte des Stadtbezirks die Arbeiter aufforderte, trotzdem "ihre Pflicht" zu tun - sie befand sich am Ende auch unter jenen, die bei den Auseinandersetzungen leicht verletzt wurden, es gab neben immer wieder aufgenommen Verhandlungen auch fünf Festnahmen. Am Ende des Nachmittags zogen die städtischen "Truppen" ab, ohne geräumt zu haben. In einer anschliessenden Versammlung beschlossen die vornehmlich jungen Leute in den folgenden Wochen Unterstützungsgruppen in andere Gebiete der Stadt zu schicken, in denen ebenfalls hunderte von Häusern auf dem Abrissprogramm der modernisierenden Stadtverwaltung stehen. Der (englische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Small victory for Bakai squatters' community" von Ainur Kurmanov, veröffentlicht am 20. Mai 2006 auf der Alter-EE Mailingliste. III.Internationales / Bolivien Petrobras-Ingenieursgewerkschaft gegen nationalistische Stimmungsmache Der Tenor in Brasilien ist eindeutig, nationalistisch und imperial: Wenn diese armseligen BolivianerInnen "unsere" Petrobras attackieren - dann sollen sie doch ihr Öl (bzw Gas) selber saufen. Oder: Itamar Franco hätte schon längst die Armee an der Grenze postiert. Die internationalen Auseinandersetzungen um die bolivianische Politik der Neuverhandlung der Energieverträge (und mehr ist es zunächst einmal nicht) sind heftig - und haben als eine neue politische Dimension, dass es nicht nur gegen US-Konzerne geht, sondern eben auch gegen das grösste Unternehmen Südamerikas, die brasilianische Petrobras, deren Belegschaft immer auch ein Kern der Arbeiterbewegung Brasiliens war (und gesellschaftlich unterstützt, so dass alle bisherigen Privatisierungsversuche scheiterten, erst jetzt werden Felder schrittweise "vergeben"). Die Gewerkschaft der Ingenieure der Petrobras AEPET ist eine der linken Gewerkschaften im Land und hatte schon die Energieabkommen Brasiliens mit Bolivien als schädlich für beide Länder kritisiert und dabei vor allem auf den jetzt umstrittenen Gasodukt gezielt. Die (portugiesische, mit kurzer deutscher Zusammenfassung) "Nota da AEPET" vom 8. Mai 2006 ist eine kritische Stellungnahme gegen den Nationalismus. IV.Internationales / USA / Migration "Wenn das neue Gesetz durchkommt, werden sie zu Sklaven !“ "Die Immigrantenproteste, die in den letzten Wochen mit diversen Massendemonstrationen und einem Streik am 1.Mai in den USA stattfanden und sich gegen das neue Einwanderungsgesetz der Bush-Administration richteten, übertreffen die Sans Papier-Proteste in Westeuropa bei weitem. Sie sind ohne Frage die größte und massivste derartige Bewegung in den letzten Jahrzehnten und bilden – trotz der „We are America“-Parolen – einen bedeutenden Ansatzpunkt, um diesen Sektor der Lohnabhängigen aus ihrer Rolle als allzeit erpressbare Arbeitskraftreserve des Kapitals herauszuholen. Gelänge dies zumindest zum Teil und ließe sich ein Brückenschlag zum (überwiegend weißen) Kernbereich der US-amerikanischen Arbeiterklasse herstellen, würde dies die politischen und sozialen Kräfteverhältnisse für die Blue collars insgesamt (und damit auch für die schwache US-Linke aller Couleur) deutlich verbessern. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Zur gegenwärtigen Situation interviewte die Korrespondentin der linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“ für die Ausgabe vom 30.4.2006 den heute 57jährigen Vorsitzenden der Landarbeitergewerkschaft Farm Workers Union (FWU), David Bacon" - so beginnt das Interview"Wenn das neue Gesetz durchkommt, werden sie zu Sklaven !“ übersetzt und kommentiert von Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover am 11. Mai 2006. V.Internationales / Libanon 500.000 gegen Beirut 1 Beirut 1 - das ist die Bezeichnung für ein "Reformpaket" mit auch im Libanon der Staat marktgerecht gestaltet werden soll. Vor allem die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes sollen darunter leiden. Und wenn in einem kleinen Land eine halbe Million Menschen auf die Strasse gehen, dann ist dies ein politisches Faktum. Erst recht, wenn in diesem Land die Gewerkschaftsbewegung lange Zeit an der Kandare politischer Parteien lag und damit darnierderlag- und sie nun "wiederersteht"? Der (französische, mit deutscher Zusammenfassung) Bericht "500.000 contre "Beyrouth 1" von Marie Debs vom 10. Mai 2006. VI.Internationales / Simbabwe "Das kann ein Blutbad geben..." Mitte Mai fand in Harare der Kongress des Gewerkschaftsbundes ZCTU statt. Dort gab es zum einen den - mit der Wiederwahl des bisherigen Vorstandes gescheiterten - Versuch der ZANU-PF Mitglieder in den Gewerkschaften, die Führung zu übernehmen. Dies war erwartet worden, nachdem der Versuch der Regierung eine neue, "eigene" Gewerkschaftszentrale zu gründen mangels Masse gescheitert war. Zum anderen gab es die Ankündigung der General Agricultural and Plantation Workers' Union (Gapwuz), Ende Mai werde ein Streik der Landarbeiter organisiert, die oft nicht einmal den ohnehin geringen Mindestlohn bezahlt bekommen, vor allem nicht bei den "neuen Farmern", die aus den Führungsgruppen des Landes und ehemaligen Befreiungssoldaten bestehen, wie die Gapwuz Generalsekretärin Gertrude Hambira auf dem Kongress berichtete. Die Regierung liess durch ihren Sprecher davor warnen, dies könne ein Blutbad geben und kündigte an, sie untersuche gerade massive Korruptionsvorwürfe gegen den ZCTU. Ausländische Gäste des Kongresses wurden am Flughafen zurückgeschickt, allen voran der Vorsitzende der südafrikanischen COSATU, Vavi. Der (englische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Harare promises bloodshed if workers go on strike" von Terry Bell vom 26. Mai 2006 in der südafrikanischen Zeitung "Business Report" gespiegelt beim Portal "Infoshop.org" VII.Internationales / Venezuela / Gewerkschaften UNT-Kongress: Vor einer Spaltung? Mit faktisch zwei getrennten Plenarversammlungen endete einstweilen der 2.UNT-Kongress - Auslöser des Auszugs einiger Strömungen war die Auseinandersetzung um den Termin für die Gewerkschaftswahlen: Noch in diesem Jahr (September) oder erst im nächsten Jahr - was bedeutet, nach der Präsidentschaftswahl im Dezember 2006. Was wiederum verbunden ist, mit unterschiedlichen Haltungen zur Regierung Chavez (die von allen Strömungen unterstützt wird). Eine (spanische) Chronologie der Ereignisse innerhalb der UNT, inklusive verschiedener Stellungnahmen (vor allem der Mehrheitsströmungen) und einer aktuellen Audio-Dateisammlung mit Stellungnahmen von Tony Navas, SirtraSalud, Caracas; Lili Rincón, UNT, Zulia; Tania Ortegano, Sindicato de Educadores, Caracas; Marcos García, Fentrasep, Caracas; Orlando Chirino, Coordinación Nacional UNT auf der "Arbeiterseite" von "Aporrea.org" bis zum 1. Juni 2006. VIII.Internationales / Venezuela Bauernorganisationen: Protest und Verfolgung In den Morgenstunden des 25. Mai wurden 15 Mitglieder der grössten Bauernorganisation Venezuelas, Frente Nacional Campesino Ezequiel Zamora (FNCEZ) von armeeeinheiten in der Stadt Barinas festgenommen, als sie gerade dabei waren, ein Dokument für Verhandlungen mit dem Büro des Vizepräsidenten zu erstellen. Die Bauernorganisation hatte in den letzten wochen verschiedene Proteste im Lande organisiert, unter anderem auch in Caracas, da viele Menschen auf dem Lande bürokratische Hemnisse gegen die Landreform, wie sie dem Landgesetz entspräche erleben. Nicht nur die Bauernorganisation selbst, sondern auch der Gewerkschaftsverband UNT haben gegen diese Maßnahme protestiert. Am folgenden Tag wurden die Festgenommen wieder frei gelassen, was aber den intensiven Debatten um den Vorfall keinen Abbruch tat. Die (spanische) Chronologie "Detenida esta madrugada por el Ejército la Dirección Nacional y Regional Barinas del Frente Campesino Ezequiel Zamora" vom 26. Mai 2006 bei "Clajadep-LaHaine". IX.Internationales / Albanien Jugend im grössten Slum des Landes Bathore im Nordosten der Hauptstadt Tirana war bis 1990 Land von Staatsfarmen und wurde danach "sich selbst überlassen" - und den ArmutsmigrantInnen aus dem bergigen Norden Albaniens. Heute wohnen in diesem total deregulierten Stadtteil etwa 50.000 Menschen, von denen die Hälfte zwischen 17 und 25 Jahre alt ist. In Gesprächen sagen diese jungen Leute, was ihre grössten Probleme sind: Armut, so bitter, dass an eine bessere Ausbildungs nicht zu denken ist und das Fehlen jeglicher Infrastruktur wie Licht und Wasser und irgendwie reglementierte Strassen, und die völlige Abwesenheit öffentlicher Einrichtungen, die ein Gemeinschaftsgefühl mitherstellen könnten - das seit 1994 sporadisch praktizierte Urbanisierungsprogramm hat bisher kaum Wirkung gezeigt. Und speziell für diese jungen Leute wichtig, die Gesinnung der Älteren, der Familien, extrem konservativ gerade ihnen gegenüber - vor allem den jungen Frauen gegenüber, "versteht sich". Mit jungen Leuten aus einer der wenigen Einrichtungen des Viertels, einer Ausbildungsinitiative sprach Lucia Pantella in dem (französischen, hiermit ganz kurz zusammengefassten) Bericht "Albanie : la métamorphose des bidonvilles de Tirana" das vom Observatoire des Balcans übersetzt und am 16. Mai 2006 publiziert wurde. X.Internationales / Rumänien Eine weitere Welle von Massenentlassungen in den Bergwerken 230.000 Menschen arbeiteten in rumänischen Bergwerken im Jahre 1990. Ende 2005 waren es noch 48.000 gewesen und im März hat die Regierung ihr Energiesektor-Restrukturierungsprogramm bekräftigt und weitere 10.400 Arbeitsplätze zur Abschaffung freigegeben. Bis 2010 sollen auch die Kohlesubventionen gestrichen sein, bereits im nächsten Jahr die für alle anderen Bergwerke. "Versüsst" werden soll die Durchrationalisierung weiterer 18 Bergwerksgesellschaften mit einem begleitenden Umweltprogramm. Im entsprechenden Sozialabkommen mit diversen Gewerkschaften des Sektors sind Zahlungen verschiedner Art von insgesamt ca 5.700 Euros pro Kopf vorgesehen - was nichts dazu beiträgt, den Niedergang der Zechenregionen aufzuhalten. Die Konsequenz: Wegzug. Der (englische) Bericht "Collective dismissals in mining sector" von Luminita Chivu vom Institute of National Economy der Romanian Academy vom 22. Mai 2006 bei "Eiro-Online". XI.Internationales / Chile / Soziale Proteste Pinguine auf dem Vormarsch "Pinguine" werden in Chile Oberschüler genannt - wegen ihrer Uniformen. Keineswegs uniform ihre Gedankenwelt: der seit Wochen stattfindende Protest für eine Reform des Schulwesen hat in dieser Woche einen neuen Höhepunkt erreicht als rund eine Million Menschen auf der Strasse war - und die Präsidentin Bachelet den Polizeikommandanten von Santiago entlassen musste, wegen der ausgesprochenen Brutalität des polizeilichen Vorgehens. Im Zentrum der Auseinandersetzung: Das Erziehungsgesetz - noch aus unseligen Pinochetzeiten stammend. Darin werden Schulen zur Kommunalangelegenheit reduziert - und dementsprechend sind in ärmeren Gegenden die Schulen schlechter. Das und vieles anderes mehr zur aktuellen Auseinandersetzung - unter anderem eben eine Analyse des Erziehungsesetzes vom 1. Juni 2006 - lässt sich in dem (spanischen) Jugendblog "El 5. Infierno" aktuell nachlesen. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |