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Updated: 18.12.2012 16:22
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

liebe KollegInnen,

Neu im LabourNet Germany am Freitag, 05. Mai 2006:

Schwerpunkt: eine kleine Sammlung von weltweiten Ereignissen des 1. Mai 2006

I.Internationales / Bolivien

Verstaatlichung, Demagogie - und getrennte Demonstrationen

Am 1. Mai verkündete Präsident Evo Morales ein Dekret, das in den diversen Erzeugnissen der Medienwirtschaft als "Verstaatlichungsdekret" gehandelt wurde - und im benachbarten Brasilien beispielsweise veröffentlichten nahezu alle grossen Zeitungen und TV-Stationen Bilder bolivianischer Soldaten vor den Toren der Petrobras-Raffinerien in Bolivien. Die bolivianische Gewerkschaftszentrale COB bezeichnete das Dekret als "demagogisch", da es in Wirklichkeit nur eine Ausführungsbestimmung zu eben jenem Gesetz 3058 sei, mit dem die radikal abgewählte frühere neoliberale Regierung den bolivianischen Energiesektor marktgerecht gestalten wollte. Vor dem Hintergrund der Versuche der Regierung, die sozialen Bewegungen des Landes und die Gewerkschaften unter ihrer Führung neu zu gruppieren gewinnen diese Kritiken neue Dimensionen - wie sie auch im Maiaufruf der Regierungspartei MAS deutlich werden, der ausgesprochen gegen den Maiaufruf des COB gerichtet war und zu getrennten Demonstrationen in La Paz führte. Eine kleine aktuelle Materialsammlung "Morales gegen COB" vom 4. Mai 2006.

II.Internationales / USA / Migration

"Wir haben Geschichte geschrieben"

Das war das Statement der Koordination des "1.Mai ohne MigrantInnen" nach den gewaltigen Massendemonstrationen des vergangenen Montags. Erneut reihten sich - neben den Zentren der Migration - eine ganze Reihe von Städten, wie fast schon gewohnt auch solcher, die als ruhig bzw konservativ gelten, in die Reihe jener Orte ein, die jeweils die grösste Demonstration ihrer Geschichte erlebten. Und erneut waren die LateinamerikanerInnen - mit den MigrantInnen aus Mexiko als Kern - die treibende und stärkste Kraft, aber auch von den MigrantInnen etwa von den Philippinen sollen nach ersten Schätzungen vier von fünf an den Aktionen teilgenommen haben. In den Gewerkschaften blieb die Haltung zu dem Aktionstag umstritten und gespalten - einige haben statt Teilnahme am 1. Mai begonnen, Unterschriftenkampagnen für Petitionen an die politischen (wie auch immer) gewählten VertreterInnen zu organisieren...Eine aktuelle Materialsammlung "Mayday 06" vom 3. Mai 2006

III.Internationales / Mexiko

Verschiedene Maidemonstrationen in der Hauptstadt - Polizeiterror in der Provinz eskaliert

Drei Maidemonstrationen gab es in Ciudad de Mexico: Die kleinste und unauffälligste jene der beiden traditionellen parteinahen Gewerkschaftszentralen CTM und CT, die wie Berichterstatter schrieben, "niemandem etwas zu sagen hatte". Aber selbst dieser "Marsch der Dinosauriere" musste die Losungen der Gewerkschaftsfreiheit, bzw Nichteinmischung der Regierung in innere Gewerkschaftsangelegenheiten aufgreifen. Und selbst auf der Kundgebung dieser "Gewerkschafter mit kurzem Draht" (es soll ja Gegenden geben, in denen bestimmte Typen von Gewerkschaftern auf solcherart Verhältnisse stolz sind - hrw) kam es zu heftigen Mißfallenskundgebungen gegen den vom Arbeitsministerium eingesetzten "neuen" Vorsitzenden der Bergarbeitergewerkschaft, Elias Morales, der niemand vertritt als den Arbeitsminister. Die grösste Demonstration mexikanischer ArbeiterInnen innerhalb des Landes (die grösste überhaupt fand in den USA statt) war jene des Zusammenschlusses unabhängiger Gewerkschaften, die den Kampf der Berg- und Stahlarbeiter repräsentieren, sowie den Kampf gegen die Versuche der Regierung, die Gewerkschaften zu redomestizieren. Denn dass genau das gegenwärtig in Mexiko passiert: dass die jahrzehntelange Dominanz der diversen politischen Parteien und Klüngel über die Gewerkschaften einem möglichen Ende entgegen geht, zeigte auch die zweitgrösste Maidemonstration der "anderen Kampagne", die mit über 10.000 TeilnehmerInnen in der Hauptstadt deutlich grösser war als die der "Traditionsgewerkschaften": Neben den Zapatisten waren dort auch wichtige Gewerkschaften und Gewerkschaftsoppositionen vertreten, wie etwa die organisierte Opposition der Lehrergewerkschaft, die "Sindicato de Trabajadores de Uniroyal", die Gewerkschaft der Beschäftigten der Sozialversicherung, viele TelefongewerkschafterInnen und andere, die in jüngster Zeit durch ihre Kämpfe Aufmerksamkeit erregten. Dass erstmals die Mobilisierungskraft der "Offiziellen Gewerkschaften" öffentlich als schwach wahrgenommen wurde, kann einen Prozess der dringend nötigen Neuformierung nur beschleunigen - wird sie doch zumindest auch einen Teil jener Opposition in Bewegung setzen, die immer noch ihre Kraft daran vergeuden, völlig bürokratisierte Gebilde zu demokratisieren...Diese Gewerkschaftszentralen werden nur durch die Regierung am Atmen gehalten - während es für die illoyale Opposition die Polizei gibt, wie es faktisch paralell zu den Maidemonstrationen Blumenverkäufer in San Salvador de Atenco, in der Nähe der Hauptstadt erfahren mussten, die tagelang von der Polizei gejagt wurden, wobei ein 14-jähriger Junge ermordet wurde.

a) Über die Demonstration von Gewerkschaften und der "andere Kampagne" der (spanische) Bericht "Encabeza Marcos el "otro primero de mayo" en el Zocalo" externer Link von Rodrigo Vera in der Zeitung "El Proceso" vom 2. Mai 2006, gespiegelt beim Archiv "Chiapas 95".

b) Die redaktionelle (spanische) Meldung des Nachrichtendienstes apro über den Polizeimord und den Alarmzustand der EZLN "Se declara el EZLN en alerta roja - Se solidariza con los habitantes de San Salvador Atenco" externer Link vom 3. Mai 2006, ebenfalls bei "Chiapas 95"

IV.Internationales / Brasilien / Gewerkschaften und Arbeitskämpfe

Gewerkschafter in Rio ermordet

Bereits am 10. April wurde in São João de Meriti (Baixada Fluminense, dh Grossraum Rio de Janeiro) Anderson Luís Souza Santos, der 30 jährige Vorsitzende der Gewerkschaft Sintafrios (Lebensmittelgewerkschaft) beim Verlassen seines Hauses durch zwei Schüsse in die Brust ermordet. Anderson Santos galt als Vertreter eines neuen Gewerkschaftertyps, der sich neuer Politik- und Arbeitsformen bedient, um der Krise der Gewerkschaften, die auch in Brasilien Tatsache ist, zu begegnen. Erst Anfang des Monats war es ihm, unter anderem durch soziale Kampagnen, gelungen, in der Region einen Tarifvertrag mit zahlreichen Nahrungsmittelbetrieben durchzusetzen, der faktisch ein Branchentarifvertrag für Rio war - und hatte dabei traditionellen betrieblichen Gewerkschaften viel Boden entzogen, was sich auch in Mitgliederentwicklungen beiderseits ausdrückte und was - beim Charakter dieser sogenannten Betriebsgewerkschaften wäre es keine Überraschung - seine Kollegen zur Vermutung bringt, dass der Täterkreis dort zu suchen sein könnte. Die brasilianischen Medien nahmen ernsthaft erst durch die Maikundgebungen davon Notiz, bzw verbreiteten die Nachricht. Am 19. April hatten Gewerkschaft und Familie ein eigenes Untersuchungskomitee gegründet, das am 26. April erstmals von Vertretern des Innenministeriums des Bundesstaates Rio empfangen wurde. Der 64. Polizeibezirk im benachbarten Duque de Caxias, für die Untersuchung zuständig, hat erst Ende April eine erste Veröffentlichung verbreitet, in der festgehalten wird, dass die Hypothese eines tödlichen Raubüberfalls bereits ausgeschieden wurde. Der Kongress der CUT Rio, der am 10. Mai beginnt, soll zu Ehren von Anderson Luis stattfinden, der - Mitglied der IV.Internationale - aus dem brasilianischen "Movimento Negro" zur Gewerkschaftsbewegung gefunden hatte. Der (portugiesische, hiermit zusammengefasste) Bericht "Dirigente sindical é assassinado no Rio de Janeiro" externer Link von Maurício Thuswohl bei "Carta Maior" vom 28. April 2006.

V.Internationales / Österreich

Maidemonstrationen inmitten des Gewerkschaftsskandals

Zum Skandal um die BAWAG (und zur Erinnerung, dass Österreich und die BRD dann doch so unterschiedlich nicht sind seien nur erinnert: Neue Heimat und BfG) der auch die Maikundgebungen überschattete, die Stellungnahme "Regierung zelebriert Demütigung des ÖGB in der Causa BAWAG" externer Link des "Gewerkschaftlichen Linksblocks" vom 3. Mai 2006 bei unseren KollegInnen vom "LabourNet Austria".

VI.Internationales / Venezuela / Gewerkschaften

Die UNT am 1. Mai für Sozialismus, gegen Bürokatie und Korruption

Der Maiaufruf der UNT unterstreicht nachdrücklich, dass diese neue Gewerkschaftszentrale sich keineswegs auf Kämpfe um Lohn und Arbeitsbedingungen reduzieren lässt, sondern für gesellschaftliche Veränderung ist und dabei auch den notwendigen Kampf im eigenen Land gegen Bürokratie und Korruption führt, sowie den gemeinsamen Kampf mit all jenen Gewerkschaften Panamerikas sucht und stärken will, die sich gegen diverse Freihandelsabkommen usw wenden. Der (spanische) Aufruf der UNT "La UNT de Venezuela marchó por el socialismo, contra la burocracia y la corrupción" vom 1. Mai 2006.

VII.Internationales / Türkei / Arbeitskämpfe und Gewerkschaften

Grossdemonstration in Istanbul - gegen die "Reform" der Sozialversicherung

"Im Kadiköy-Zentrum versammelten sich am 1. Mai über 40.000 Menschen, um ihre Stimmen für Frieden Brüderlichkeit und Zusammenhalt zu erheben. Während der Märsche wurden unter anderem Slogans wie "Wir marschieren gegen Rassismus und Chauvinismus", "Wir marschieren für die Brüderlichkeit der Bürger" und "Wir marschieren für kostenlose Bildung und Gesundheit" gerufen. Unter den versammelten Menschen befanden sich auch die Lederarbeiter, welche von ihrem Unternehmen vor die Tür gesetzt wurden, weil sie sich einer Gewerkschaft angeschlossen hatten. Allesamt forderten sie die Regierung auf, ihre Reform der Sozialen Sicherheit und der Allgemeinen Gesundheitsversicherung nicht in die Tat umzusetzen" - so beginnt der redaktionelle Bericht "Frieden und Brüderlichkeit regierten am 1. Mai 2006" externer Link vom 2. Mai 2006 beim "Sendikanet".

VIII.Internationales / Israel

Eine Gewerkschaft, die nichts unternimmt, Gräben zu überwinden

Einmal mehr gab es in Israel am 1. Mai getrennte Demonstrationen jüdisch-israelischer und arabisch-israelischer ArbeiterInnen, weil das sinkende Schiff Histradut sich weiterhin weigert, Schritte zur Überwindung der Gräben zu unternehmen. So demonstrierten 5.000 meist arabische ArbeiterInnen in Nazareth, während - weniger - jüdische TeilnehmerInnen in Tel Aviv demonstrierten, wo sich die Arbeiterpartei kurzfristig der Teilnahme entzog, wegen der "Gefahr" von "Provokationen linker Gruppen" (wie im letzten Jahr...). Der (englische) Bericht "May Day in Israel" externer Link von Yossi Schwartz bei "In Defence of Marxism" vom 3. Mai 2006.

IX.Internationales / Marokko

Gewerkschaftsfunktionärin auf dem Weg zum Gewerkschaftshaus festgenommen

Eine nahezu alltägliche Geschichte: als in der südmarokkanischen Stadt Goulimim Frau Moutik Khadijadie, regionale Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes UMT, am 1. Mai in der Frühe ihr Haus verlässt, wird sie von einem Polizisten angesprochen, der sie fragt, wohin sie gehe. Sie antwortet "wohin ich will". Daraufhin setzt sie ihren Weg zum Gewerkschaftshaus fort - in Begleitung. Und nur ein kurzes Stück Weges, bevor sie festgenommen wird. Stunden danach wird sie in einem Krankenhaus eingeliefert, mit Hämatomen am ganzen Körper. Nach kurzer Untersuchung soll sie mit einigen Medikamenten entlassen werden - aber ohne medizinischen Bericht. Sie weigert sich, das Krankenhaus zu verlassen, ohne ihre Verletzungen in irgendeiner Weise aktenkundig zu machen, was ihr schliesslich gelingt. Die Gewerkschaftsfunktionärin ist in der Gegend dafür bekannt, dass sie für die Rechte der ArbeiterInnen aus der Westsahara eintritt, und deswegen ist sie im Königreich verdächtig - erst kurz zuvor hatte sie ihre Position auf einer offiziellen Konferenz vertreten. Der (französische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Arrestation et torture le jour de la fête du travail à Goulimim" von Adib Abdesselam, publiziert am 3. Mai 2006 auf der Mailingliste "Maghreb-DDH".

X.Internationales / Finnland

Die grösste Maidemonstration war die selbstständig organisierte der "Prekären"

Organisiert über die Webseite "prekariaatti.org" fand am Abend des 30. April eine Demonstration von über 1.500 Menschen statt, die laut diversen Berichten die grösste Maidemonstration Helsinkis war. Den Grundforderungen "Grundeinkommen für Alle" und "Bewegungsfreiheit für Alle" wurden diverse Kritiken hinzugefügt, die sich unter anderem in den Scheiben des Papierkonzerns UPM manifestierten, der in Brasilien verantwortlich ist für die Vertreibung von Indianern aus ihren traditionellen Ländereien. Während der Demonstration und des anschliessenden Maifests in einem ausgemusterten Bahnschuppen kam es zu verschiedenen Attacken der Polizei, die aber mit der zahlenmässigen Überlegenheit der DemonstrantInnen weitgehend zurückgeschlagen wurden - dennoch kam es im Verlauf des Tages zu 19 Festnahmen. Der (englische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Mayday eve disturbances in Helsinki" von "Igor" der am 2. Mai 2006 auf der Mailingliste "Alter-EE" publiziert wurde.

...bis bald, Helmut

LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged
Le point de rencontre de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi


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