Home > News > Freitag, 12. März 2010 | |
Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 12. März 2010: I.Internationales / Griechenland 150.000 Polizisten gegen Generalstreik - und das erste Todesopfer der "Konsequenz!" Kampagne Konsequenz! Bei der Durchführung des angeblich unumgänglichen Sparprogramms - das hatten nicht nur die Vertreter der Europäischen Union, voran die Teutonen, gefordert, sondern auch die Medien, und - am Donnerstag in einem Radiointerview - der Vorsitzende des griechischen Unternehmerverbandes. Die griechische Polizei hat verstanden: Das erste Todesopfer ist zu betrauern. Die aktuelle Materialsammlung "Polizeirepression gegen zweiten Generalstreik" vom 12. März 2010. II.Internationales / Portugal Streiks und Proteste im "grünen Kapitalismus" Es gibt ihn, den oft diskutierten grünen Kapitalismus - in Portugal. "Grüne Quittungen" sollten nämlich einst Freiberufler unterschreiben, als Basis für die Sozialversicherung. Inzwischen, so eine "gutbürgerliche" Umfrage, beschäftigen 35% aller Unternehmen Freiberufler - als Kellner und Putzfrau, Straßenfeger und Computerfreak...Insgesamt arbeiten mehr als 900.000 Menschen der 5 Millionen portugiesischen "Arbeitskräfte" auf grüner Basis. Mit Verdiensten, die alle unter 1.000 Euros im Monat liegen, wovon dann mindestens 170 Euro als Sozialabgaben zu bezahlen wären - wenn nicht viele von ihnen (und niemand weiss, wieviele) gezwungen wären, halt eben ohne Sozialversicherung zu leben. Ein neues Gesetz, zustandegekommen aufgrund des wachsenden Drucks der Selbstorganisation der Prekären sollte diese grüne Erpressungspraxis eigentlich beenden - tut es aber nicht, denn die Unternehmen werden schlimmstenfalls für sie mit Geldstarfen belegt, die sich allemal für sie rechnen. Zur selben Zeit finden seit Februar Streiks im öffentlichen Dienst statt, denn auch in Portugal sollen die Werktätigen die Zeche bezahlen: Einfrieren der Einkommen 2010 und nur noch jeder zweite Abgang wird ersetzt - das sind die Kernpunkte des Sparhaushalts der sozialdemokratischen Regierung, schliesslich ist Portugal einer der "heissen Kandidaten" der EU auf das nächste Griechenland... a) Einen Überblick über die diversen Aktionen gibt der Beitrag "Au Portugal, la fronde des precarios" von F. Musseau in der französischen Liberation vom 04. März 2010. Dabei wird insbesondere hervorgehoben, dass die Streiks im öffentlichen Dienst zum ersten Mal seit langer Zeit gemeinsam von den beiden grossen Gewerkschaftsverbänden organisiert werden. b) In dem Artikel "Portugal é o segundo país europeu com mais recibos verdes" von Cristina Oliveira da Silva im Diario Economico vom 05. März 2010 werden die Zahlen über die Billigverwertung von Freiberuflern berichtet und hervorgehoben, dass diese rund 18% der arbeitenden Bevölkerung umfassende Zahl der "Grünen" die zweithöchste Quote europas ist, nur übertroffen von Polen. c) Der Blog "FERVE" - einmal "es kocht", zum anderen auch "Nase voll von grünen Quittungen" - hat insofern Geschichte geschrieben, als es das erste Mal in Portugal war, dass eine Netzinitiative einer zunächst kleinen Gruppe soviel Bewegung entfachte, dass Parlament und Medien die Probleme ausführlich behandeln mussten. d) Die Erklärung "A CGTP-IN e O programa de estabilidade e crescimento 2010-2013" vom 05. März 2010 ist die abwägende Position des Gewerkschaftsbundes CGTP zum Regierungsprogramm "Stabilität und Wachstum". III.Internationales / Frankreich / Neue Protestform Manager festsetzen Eine führende Region - im Bossnapping: Zentralfrankreich "Der Werksdirektor der europäischen Filiale des in den USA ansässigen Automobilzulieferers Sullair, Yves de Waroquier, der eine Fabrik in Montbrison im zentralfranzösischen Département Loire leitet, hat die Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag in einem Büro verbringen müssen. Dort wurde er durch Lohnabhängige, die mit der angekündigten Werksschließung und dem Verlust ihrer Arbeitsplätze "unzufrieden" waren, festgehalten" - so beginnt der aktuelle kurze Bericht "Drittes Bossnapping-Vorkommnis in diesem Jahr in Zentralfrankreich" von Bernard Schmid vom 11. März 2010. IV.Internationales / Frankreich / Arbeitskämpfe Streik des ganzen Justizsektors "Frankreich wählt an den kommenden beiden Sonntagen - 14. und 21. März - seine sämtlichen Regionalparlamente neu. Justiz und Rechtspolitik sind dabei eines der mit Abstand wichtigsten Themen, in Zusammenhang mit der jüngsten Offensive des konservativ-liberalen Regierungslagers zum Thema "Innere Sicherheit". Doch innerhalb der Justiz und unter den Angehörigen juristischer Berufe gärt es zur selben Zeit. Am Dienstag dieser Woche kam es zu einer Premiere: Erstmals mobilisierten Richter, Anwältinnen, Erzieher und Gefängniswärter gemeinsam zu einer Protestdemonstration gegen die Regierung - die Erzieher deswegen, weil ein Teil der Erzieher und Sozialarbeiter in Frankreich durch die Protection judicaire de la jeunesse (PJJ) angestellt wird, eine Einrichtung zum Jugendschutz sowie für die Betreuung schwer erziehbarer Jugendlicher, die dem Justizministerium untersteht" - so beginnt der aktuelle Bericht "JUSTIZ IM STREIK GEGEN UMSTRITTENE REFORM" von Bernard Schmid vom 12. März 2010. V.Internationales / Finnland Streik der Hafenenarbeiter - gibt es bald kein Küchenpapier mehr? Der Streik müsste jetzt endlich ein Ende haben, forderte der Regierungschef, weil sonst "das ganze Land zum Stillstand" komme. Machte einstweilen keinen großen Eindruck: Die Exporte gehen um 80% zurück. Die Hafenarbeiter kämpfen für eine neue Regelung bei Entlassungen: Ein Jahr Gehalt weiter... Dazu der Kurzbericht "Streik der Hafenarbeiter bringt finnische Wirtschaft in Schwierigkeiten" vom 08. März 2010 bei den apr news. VI.Internationales / Chile Erdbeben-Folgen überwinden - aber wie? Die - scheidende - Regierung hatte schon doppelt Kredit verspielt: Erst wurden die Folgen heruntergespielt, dann als erstes Militär und Polizei eingesetzt. Dass der Besitzer der größten Supermarktkette - im Walmart Verbund - in Armeeuniform zusammen mit Offizieren seine Läden inspizierte baute auch nicht gerade Vertrauen wieder auf. Jetzt haben rund 80 soziale Organisationen aus dem ganzen Land die Erklärung "La Ciudadanía, protagonista de la reconstrucción del país" vom 07. März 2010 verabschiedet und verbreitet, in der vor allem betont wird, dass die demokratische Selbstorganisation der BürgerInnen des Landes die entscheidende Kraft ist, die Katastrophe zuüberwinden. VII.Internationales / USA / Gewerkschaften Aus der Krise - in die Krise? Zwei große Propagandakampagnen - "zu hohe Arbeitskraftkosten haben unsere Autombilindustrie kaputtgemacht" und "bankrotte Städte stehen gierigen öffentlichen Bediensteten gegenüber" - und zwei politische Fehlschläge - das Versanden der freien Beitrittswahl zu Gewerkschaften und die privatisierte Krankenversicherungsreform: Diese vier politischen Fakten haben die Gewerkschaften in den USA getroffen. Die Freude über nicht mehr wesentlich zurückgehende Mitgliederzahl war kurz, das öffentliche Ansehen erlitt einen Absturz. Die Entwicklung erzwingt eine neuerliche Debatte um die Zukunft der Gewerkschaften. a) In "Public to Unions: Drop Dead" nimmt Chris Maisano im MR Zine am 03. März 2010 eine Bestandsaufnahme der oben knapp skizzierten Entwicklung vor. b) In "Card Check: Labor's Charlie Brown Moment?" in der Winterausgabe 2010 von New Politics stellt Robert Fitch, ein ehemaliger Organizer den Zusammenhang her zwischen den Hoffnungen auf Clinton und denen auf Obama (der über weitaus größere Mehrheiten verfügt, eigentlich(?!)...) c) In "On the Revival of the Working Class as a Social Force" versucht Sam Gindin beim kanadischen Socialist Project die Problemstellung transnational zu behandeln und die Entwicklung der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaftsbewegung zu differenzieren. VIII.Internationales / Costa Rica Wenn die Gewerkschaft der Regierung nicht gefällt: Wer wählt sich dann eine Neue? Na ja, die Regierung jedenfalls ist dieselbe geblieben. Nicht aber die Gewerkschaft - zumindest hat das Arbeitsministerium willkürlich einen neuen Gewerkschaftsvorstand der Hafenarbeitergewerkschaft SINTRAJAP eingesetzt - weil der gewählte Vorstand aktiv gegen die Privatisierung der Häfen, speziell desjenigen von Limón, mobilisierte. Dazu die Erklärung "Descarada burla a la libertad sindical y a la legalidad costarricense" der Central General de Trabajadores de Costa Rica von Ende Februar 2010, in der vor allem darauf abgehoben wird, dass dieses Vorgehen erstens gegen die Gesetze Costa Ricas verstösst und zweitens, dass die Regierung Arias - der Präsident war erst jüngst vom Bürgertum als großer Demokrat gefeiert worden wegen seines Wirkens in Honduras (dessen Ergebnisse man leicht sehen kann)- dass diese Regierung einen ganzen Katalog gesetzesbrechischer Maßnahmen vorweist. Siehe dazu auch: Auf der Solidarity Seite der ITF gibt es den Aufruf (und Modellschreiben) "Protests over Costa Rican government's anti-union tactics" ... ...sowie den Newsletterbeitrag "ITF verstärkt ihren Protest gegen die Regierung Costa Ricas" vom 26. Februar 2010. IX.Internationales /Indien Großkundgebung der Erwerbslosen in Kolkata Organisierte Erwerbslose - keine so große Seltenheit in Indien, ihre Proteste auch nicht. Ein Großprotest von zahlreichen Gewerkschaften organisiert schon weitaus eher selten - und erst recht in einem von der CPI (M) regierten Bundesland. Mindestens 14 Gewerkschaften und zahlreiche andere soziale Organisationen haben das Joint Action Committee of Various Closed Industries gebildet, das für den 11. März zu einer großen Demonstration aufrief. Wir dokumentieren den Aufruf "Rally of Workers of Closed Industries on 11th March" von Anfang März 2010. X.Internationales / Indien / Gurgaon Workers News Wirtschaftswunder, Hungersnot? Während weltweit Indiens ökonomischer Aufbruch in den bürgerlichen Medien je nach Sachlage gefeiert oder gefürchtet wird, wird in den Häusern der indischen Bevölkerung darüber diskutiert, das eine Hungersnot heute nicht so schlimm werden könne wie jene der 1870er und 1890er Jahre...Warum? Weil die Preise für Nahrungsmittel explodieren, und jene für Nahverkehr auch, nachzulesen in der Ausgabe 23, März 2010 der Gurgaon Workers news zusammen etwa mit Meldungen über neue Streiks in den Zulieferbetrieben der Autoindustrie. XI.Internationales / Bangladesch Von einer Todesfalle in die andere... Erneut zahlreiche Todesopfer durch einen Brand in einer Textilfabrik - die Marktwirtschaft hat auch im Februar 2010 ihre Opfer verlangt, Konkurrenz erzeugt Spardruck. Der ausführliche Beitrag "Death traps - work, home, fire and the poor in Bangladesh" von Ret Marut am 10. März 2010 bei libcom.org zeichnet das Leben (nicht nur) der TextilarbeiterInnen zwischen Brandgefahr im Exportbetrieb und Brandgefahr in den Slums auf. Waren beim neuerlichen Fabrikbrand wieder einmal die Türen verschlossen - um Diebstahl zu verhindern, sagen die Verantwortlichen für die Todesopfer - so ist es in den Slums speziell der Hauptstadt (in denen etwa 2 Millionen Menschen wohnen) die ganze Struktur der Anlagen, die die Lebensgefahr erzeugt. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |