Home > News > Freitag, 28. März 2008 | |
Updated: 18.12.2012 16:22 |
liebe KollegInnen, ein Lehrstück in Sachen Medien: das Todesurteil gegen Mumia Abu Jamal sei aufgehoben, meldete die Tagesschau gestern Abend. Punkt. Dass die Richter gegen den Antrag auf ein neues Verfahren entschieden hatten, ging unter...Gleichgültig welche perverse Juristenlogik dazu führen kann zu sagen, dass ein Verfahren zwar nicht korrekt gewesen sei, trotzdem aber nicht wiederholt werden solle: lebenslänglich weggesperrt für nichts und wieder nichts - oder besser: für sein gesellschaftliches Engagement, das ist die politische Logik. In früheren Zeiten, als selbst die alten Zeiten besser waren, nannte man so etwas Klassenjustiz. Es finden weltweit Protestaktionen statt, auch heute in Berlin 18 Uhr und morgen in Hamburg um 12 Uhr jeweils nahe von US-Botschaft bzw Konsulat. Und: Weil Tibet eben bei weitem nicht nur eine "nationale Frage" ist (mit der wir es ja ohnehin nicht sehr haben) werden wir in der kommenden Woche ein ausführliches "special" dazu machen: weder die folternden Menschenrechtskrieger und Geschäftemacher noch die Armee der Bergarbeitermassakrierer bieten den betroffenen Menschen eine lebenswerte Perspektive... Neu im LabourNet Germany am Freitag, 28. März 2008: I.Internationales / Großbritannien Wie die Medizinkonzerne den nationalen Gesundheitsdienst abzocken - und die Regierung ihnen Geschäftsfelder öffnet a) Den NHS finanziell abzocken Wenn Patente auslaufen, sinken Profite. Wenn Patente für Medikamente auslaufen, können generische Mittel produziert werden, die in der Regel weitaus billiger sind. Billigere Medikamente bedeuten weniger Ausgaben für den Nationalen Gesundheitsdienst, im konkreten ist von 70 Millionen britischer Pfund die Rede. Findige Geschäftsleute müssen da rechtzeitig beginnen, die Melkschemel zu verrücken: alles wird versucht, um die Laufzeit der Patente zu verlängern, bis hin zur einfachen Umstellung von Kapseln auf Tabletten. Die British Generic Manufacturers Association (BGMA) gibt in einer aktuellen Meldung fünf Medikamente verschiedener Firmen an, bei denen versucht wurde, die Laufzeit der Patente zu verlängern, berichtet der Artikel "Drug giants 'swindle NHS by blocking cheap medicines' extending patents" von Jeremy Laurance im britischen "Independent" vom 8. März 2008. b) Regierung betreibt Privatisierung "Manchester Ende Februar: Stacheldrahtzäune, Sicherheitsleute und Polizisten. Nobelkarossen fahren auf den schwerbewachten Parkplatz des Imperial War Museums. Vor dem Zaun eine Gruppe protestierender Aktivisten und Gewerkschafter. Hinter den Zaun werden sie nicht kommen, denn dort findet heute die »Virgin Roadshow« statt. Dort, hinter verschlossener Tür und vor geladenen Gästen, wird der Ausverkauf weiter Teile des britischen Gesundheitssystems vorbereitet. Die »Roadshow« tourt noch bis April durch insgesamt 26 britische Städte" - so beginnt der Artikel "Ausverkauf im britischen Gesundheitswesen" von Christian Bunke vom 25. März 2008 in der "Jungen Welt". II.Internationales / Polen Seltsam konstruierte Sonderwirtschaftszonen, oder: Was sind schon 160 Km für einen VW? In Polen soll das Gesetz über die Sonderwirtschaftszonen novelliert werden - Unternehmen wollen die dafür bereitgestellte Fläche vergrößern, die bisherige Obergrenze soll wegfallen. Nun hat sich auch in Polen herumgesprochen, dass solcherart Sonderzonen nicht unbedingt ein Segen sind, weshalb auch Regierung und Parlament nicht so ohne weiteres die Wünsche erfüllen können, die konkret lauten, statt 12.000 künftig 20.000 Hektar Land für SWZ bereit zu stellen. Wobei die Diskussion wie so viele offizielle Debatten sehr an der Realität vorbeigeht: Geneu genommen sind die Flächen um ein Vielfaches größer und das Mittel zu ihrer Ausweitung heisst Zweigstelle. "Auch innerhalb Polens ist es höchst umstritten, dass die bestehenden 14 SWZ durch die Einrichtung immer neuer Zweigstellen in den letzten Jahren eine absurde Wucherung erfahren haben. Der Volkswagenkonzern z. B. hat sein Werk in Poznan kurzerhand zur Zweigstelle der SWZ von Kostrzyn an der Oder erklären lassen, obwohl beide Orte c.a 160 km voneinander entfernt liegen" heisst es in dem redaktionellen Bericht "Unternehmen wollen in die Sonderwirtschaftszonen (SWZ)" vom 14. März 2008 bei der "Infoseite Polen". III.Internationales / Rumänien Das Dilemma lebt - auch bei Dacia: Streik Das Problem für einen Investor sind die Kosten. Vor allem die auf zwei Beinen. Kaum hat man gnädigerweise ein Werk in eine Billiglohnregion verlagert, schon kommen zuhauf undankbare und unersättliche Leute und fordern mehr Lohn. Und schon geht der Streit im rumänischen Renaultwerk nur noch darum, ob jetzt die Hälfte oder drei Viertel der Belegschaft sich am Streik um 150 Euro mehr beteiligen. Was wichtig ist: Weil bei nur 49% Beteiligung der Streik für illegal erklärt werden kann - und über die Wahrscheinlichkeit, dass Renault passende Richter findet, braucht wohl kaum spekuliert zu werden. Das Dilemma aber wird in jedem Falle bleiben: ein Verdienst von durchschnittlich 285 Euro wird auch mit einem Angebot der Geschäftsleitung von einer Erhöhung um 12% nicht zur Ruhe führen. Zumal die 13.000 Beschäftigten des Werkes den Verkaufsschlager Logan produzieren - und die etwa 2.500 jüngst neu eingestellten im Durchschnitt nur 209 Euros verdienen. Die Zusammenstellung "La justice roumaine reporte sa décision sur la grève chez Dacia" vom 26. März 2008 bei "Solidarité Ouvrière". IV.Internationales / Griechenland Gewerkschaftsalarm: Telekom kauft sich ein Es ist, wie immer: kauft ein deutsches Unternehmen irgendwo einen Betrieb auf oder sich ein, ist hierzulande wenig von dem umgekehrt üblichen Gejammere über Heuschrecken und andere rassistisch inspirierte Bezeichnungen zu hören. Und die Telekom etwa ist berüchtigt dafür, solch einen Kurs rigoros durchzuziehen - eben auch in Griechenland. "Die geplante Übernahme des griechischen Telekomkonzerns Hellenic Telecom (OTE) durch die Deutsche Telekom stößt auf massive Gewerkschaftskritik. "Wir kennen die Strategie der Telekom. Deren Absicht ist es, Stellen zu streichen und Löhne zu drücken", sagte eine Sprecherin der griechischen Telekomgewerkschaft OME-OTE" - heisst es denn auch einleitend in dem dpa-Bericht "Kritik an Telekom-Deal" vom 25. März 2008 in der "FR-Online". V.Internationales / Bolivien Soziale Bewegungen fordern Vergesellschaftung der Lebensmittelproduktion Wie in vielen anderen Ländern auch, gibt es in Bolivien aktuell eine Teuerungskrise bei Grundnahrungsmitteln, in deren Zentrum hier konkret Speiseöl steht, das durch wachsenden Export zusätzlich verteuert wurde: Knappheit am Markt. Die Regierung hat darauf reagiert, indem sie eine Verfügung erliess, die für eine bestimmte Frist den Export von Speiseöl einschränkt. Die Reaktionen auf diese Maßnahme konnten unterschiedlicher nicht sein: Während die Unternehmerverbände sich wie immer in solchen Fällen plötzlich Sorgen um Arbeitsplätze machen (hier sollen es konkret 300.000 sein), haben sich zahlreiche soziale Organisationen mit Stellungnahmen an die Öffentlichkeit gewandt, in denen die Nationalisierung der Produktion von Grundnahrungsmitteln gefordert wird. dies wird von der Federación de Juntas Vecinales (Fejuve) den Nachbarschaftsvereinigungen von La Paz ebenso gefordert, wie von der Landarbeitervereinigung Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia (CSUTCB), der Handwerkerorganisation Federación de Trabajadores Gremiales Artesanos, Comerciantes Minoristas y Vivanderos, der Indigenenkoordination Central de Pueblos Indígenas de la Amazonía del Departamento de La Paz (CPILAP) und der Landlosenbewegung MST, wird in dem ABI-Bericht "Movimientos sociales piden la nacionalización de empresas productoras de alimentos" vom 25. März 2008 bei "Rebelion.org" ausgeführt. VI.Internationales / Mexiko / Gewerkschaften Was alles so unabhängige Gewerkschaft heisst... Einer der großen, auch internationalen, Debattenpunkte aus Anlaß der "Anderen Kampagne" der Zapatisten war deren heftige Kritik nicht nur an den verstaatlichten und speziell mit der PRI verwobenen Gewerkschaften, sondern auch gegenüber den unabhängigen, neuen Gewerkschaftszusammenschlüssen. Eine dieser im allgemeinen als unabhängige Gewerkschaft betrachtete Organisation ist die Sindicato Independiente de Trabajadores de la Universidad Autónoma Metropolitana (SITUAM). Ein Bericht über den Rücktritt der Gewerkschaftssekretärin Hermelinda Hurtado Guzmán am 10. März anläßlich einer Debatte im Streikkomitee zeigt nun, dass zumindest sachlich die Kritik, die Zustände in vielen dieser neuen Gewerkschaften seien nicht viel anders als in den traditionellen Organisationen, nicht erfunden ist. Anhänger des abgewählten Vorgängers scheuten auch vor Schlägen nicht zurück, und sowieso sei einer Frau in dieser Funktion kaum zu trauen - so lassen sich die "Debatten" des Streikkomitees kurz zusammenfassen. Ausführlich nachzulesen in "Discriminación y diferencias políticas en el SITUAM" von Guadalupe Cruz Jaimes am 19. März 2008 bei "Alterinfos". VII.Internationales / Kolumbien / Gewerkschafter in Lebensgefahr Lateinamerikanische Vereinigung der Arbeitsrechtler protestiert gegen Gewerkschafterverfolgung in Uribes Parastaat Die ASOCIACIÓN LATINOAMERICANA DE ABOGADOS LABORALISTAS (ALAL) ist auf dem ganzen Erdteil nicht eben als besonders progressive Vereinigung bekannt. Auf Antrag der Vereinigung der Arbeitsrechtsanwälte der CUT Kolumbiens hat sie jetzt dennoch einen Beschluss gefasst, mit dem die Verfolgung von Gewerkschaftern in Kolumbien in entschiedenen Tönen verurteilt wird. Entscheidend dafür war die jüngste neue Terrorwelle nach dem massenhaften Marsch der Opfer am 6. März. Nach den jüngsten Erklärungen der US-Gewerkschaftsverbände hat damit eine weitere wichtige "gutbürgerliche" Organisation endlich Stellung bezogen - die Zeit der diversen Beschwichtigungen zugunsten des Regimes scheint zu Ende zu gehen. Wir dokumentieren die Erklärung der ALAL "Denuncia de ALAL" vom 14. März 2008. VIII.Internationales / Burkina Faso Aufruf zum landesweiten Generalstreik im April Am 15. März fanden in mehreren Städten Burkinas grosse Kundgebungen der Koordination der Gewerkschaftszentralen und autonomen Gewerkschaften samt der von ihnen dazu eingeladenen Gruppierungen sozialer Bewegungen statt. Die Organisationen, die bereits in ihrem Aufruf dazu die "Ausschreitungen bedauert" hatten, die bei den zuvor stattgefundenen spontanen Protesten sich ereignet hätten, müssen die Bilanz ihrer eigenen bereits jahrelangen Proteste als ausgesprochen mager bewerten. Deswegen rufen sie jetzt auch zu einem landesweiten Generalstreik am 8. und 9. April auf. Wir dokumentieren die zentrale Rede "Message à l'occasion des marches - meeting du 15 mars 2008". IX.Internationales / Ägypten / Arbeitskämpfe Die Streikwelle geht weiter: Bankangestellte, Universitäten, Ärzte... Während der Ärztestreik am 15. März nach den Angriffen des Premierministers, der über alle ägyptischen Sender hatte verlautbaren lassen, dieser Streik sei illegal, sich in eine heftige innere Debatte der Ärztegewerkschaft verwandelte (die Gruppierung "Ärzte ohne Rechte" machte eine Sitzblockade vor dem Gewerkschaftsbüro, weil der Vorstand nach der Regierungsattacke den Streik einstweilen ausgesetzt hatte) nimmt der Streik der 2.000 Universitätsprofessoren geradezu historische Dimension an, weil erstmals voll befolgt. Trotz ständiger Spekulationen der Regierung über weitergehende Streikverbote, wird der gleichzeitige Streik der Stahlarbeiter von Helwan in der Öffentlichkeit bereits als "normal" betrachtet. Und die diversen Streikaktionen von Bankangestellten haben jetzt auch Abgeordnete dazu gebracht, öffentlich festzustellen, dass die ofizielle Gewerkschaft - die von den streikenden Bankern auf eine Stufe mit dem Vorstand des Bankenverbandes gestellt werden - seien "tot", wird in dem kurzen Bericht "Unions in a dire state, says MP as more workers protest" von Michaela Singer am 25. März 2008 bei den "Daily News Egypt" ausgeführt. X.Internationales / Ägypten Warum sich niemand um die Drohungen der Regierung kümmert... Bei jedem neuen Streik der inzwischen schon über ein Jahr andauernden Welle wird der Ton der Regierung hysterischer - stets mit Verweis auf angebliche Illegalität. Es ist die reale Entwicklung im Lande selbst, die die Menschen dazu führt, sich nicht um diese Drohungen zu kümmern. "In der vergangenen Woche wurden laut Medienberichte bei Zusammenstössen in einem Armenviertel von Kairo zwei wartende Kunden getötet. 100 Gramm subventioniertes Brot kosten in Ägypten in der Regel fünf Piaster (gut einen Rappen). Ohne staatliche Unterstützung liegt der Preis bei mindestens dem Zehnfachen" - über die Teuerung beim Brot und die Notmaßnahmen der Regierung berichtet der ap-Artikel "Mubarak schaltet sich in Brot-Krise in Ägypten ein" vom 16. März 2008 in der "NZZ Online". XI.Internationales / Philippinen CARAID-Berichte zum Mord an G. Cristobal und demKampf der Arbeiter in der Region Süd-Taqalog Caraid ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaftern in der Automobilindustrie. In einem aktuellen Bericht - vom 19. März 2008 in der Übersetzung der Deutsch-Philippinischen Freunde e.V - werden Hintergründe des Mordes an Gerry Cristobal bekannt gemacht und die Entwicklung von aktuellen Auseinandersetzungen in der Region Süd-Taqalog geschildert: "Tatsachenbericht über die aktuelle Menschenrechtssituation der Automobilarbeiter auf den Philippinen von CARAID". XII.Internationales / USA / Arbeits- und Lebensbedingungen Das Nest des internationalen Terrorismus? Die demokratische amerikanische Vereinigung ACLU hat in einem Statement darauf hingewiesen, dass - glaubt mensch ausnahmsweise offiziellen Stellen - die USA das Zentrum des internationalen Terrorismus sind: Über 900.000 Menschen stehen dort wegen Terrorismusverdacht auf Überwachungslisten, haben beispielsweise Flugverbot. "Gäbe es eine Million Terroristen in diesem Land, müssten unsere Städte in Schutt und Asche liegen" sagte ein Sprecher der Organisation. Homeland Security - das ist auch ein Programm zur generellen Einschränkung von Freiheiten und zahlreiche AktivistInnen des Landes wurden schon bezichtigt. Aber es reichen auch schon dinge wie Namensgleichheit oder (konkret oft genug: arabische) Herkunft, um in die Liste "aufgenommen" zu werden. Der Beitrag "ACLU calls out US over 'absurd bloating' of terror watch list" von Nick Juliano vom 28. Februar 2008 beim Worldviewblog. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |