Mehr als eine Meuterei...
"Was ist der wichtigste Unterschied zwischen Blaise Compaoré und dem gestürzten tunesischen Diktator Zine el-Abidine Ben Ali? Die Antwort könnte lauten: gut drei Wochen. Denn Compaoré war seit 22 Tagen an der Macht, als der damalige Innenminister Tunesiens, Ben Ali, den bisherigen Präsidenten Habib Bourguiba im November 1987 durch dessen Ärzte für amtsunfähig erklären lie?, weshalb Beobachter auch von einem "medizinischen Staatsstreich" sprachen. Unelegant war dagegen die Methode von Compaoré. Denn er brachte seinen Amtsvorgänger, den revolutionär orientierten Präsidenten Thomas Sankara, zusammen mit anderen Offizieren eigenhändig um" - aus "Alle heissen Zongo" von Bernard Schmid vom 08. Juni 2011, auch ein Beitrag, der verdeutlicht, dass der "arabische Frühling" auch im südlicheren Afrika sein Echo findet...
Campaore lässt schiessen. Wieder mal.
Im Schatten der Ereignisse in den arabischen Staaten gab und gibt es auch in einer wachsenden Zahl anderer Staaten in Afrika massive Protestbewegungen - unter anderem in Burkina Faso. Seitdem am 20. Februar der Schüler Justin Zongo auf dem Gelände seiner Schule festgenommen wurde, weil er sich an einer Protestdemonstration beteiligt hatte, ist aus dem Protest ein Strum geworden, der weit über die Reihen von Schülern und Studenten hinausgeht: Zongo starb am selben Tag. Ursache: Meningitis. Sagt die Polizei. Da dies aber so gut wie niemand glauben wollte, gibt es nicht nur weiter wachsende Proteste, sondern auch Schusswaffeneinsatz - fünf weitere Todesopfer bis Ende März. Dazu bereits vom 01. März die Erklärung der Gewerkschaftskoordination "Déclaration du collectif syndical CGT-B sur les événements survenus à Koudougou" bei Liberation Afrique.
Generalstreik: ein Land steht still
Alle Zeitungsberichte machen deutlich: Der Generalstreik Dienstag und Mittwoch war ein enormer Mobilisierungserfolg. Der Kampf gegen die Teuerung ist ein direktes Anliegen für breiteste Teile der Bevölkerung. Dazu die Dokumentation "Generalstreik 2008" vom 11. April 2008.
Aufruf zum landesweiten Generalstreik im April
Am 15. März fanden in mehreren Städten Burkinas grosse Kundgebungen der Koordination der Gewerkschaftszentralen und autonomen Gewerkschaften samt der von ihnen dazu eingeladenen Gruppierungen sozialer Bewegungen statt. Die Organisationen, die bereits in ihrem Aufruf dazu die "Ausschreitungen bedauert" hatten, die bei den zuvor stattgefundenen spontanen Protesten sich ereignet hätten, müssen die Bilanz ihrer eigenen bereits jahrelangen Proteste als ausgesprochen mager bewerten. Deswegen rufen sie jetzt auch zu einem landesweiten Generalstreik am 8. und 9. April auf. Wir dokumentieren die zentrale Rede "Message à l'occasion des marches - meeting du 15 mars 2008".
Regierung friert Preise ein...
Die heftigen Proteste der letzten Wochen zeigen Wirkung: die Regierung des ganz besonders ehrenwerten Herrn Campaore reagierte mit Aussetzung von Zöllen für bestimmte Importprodukte und dem geforderten Preisstop, sowie weiteren Reglementierungen für den Götzen. Die kleine aktuelle Materialsammlung "Eingefrorene Preise" vom 13. März 2008.
Ganz unmoderne Forderungen tauchen auf: Preiskontrollen
Nach Senegal und Mauretanien und noch während die Polizei und Armee in Kamerun auf Demonstranten schiessen, nun auch heftige Proteste in Burkina Faso. Speziell in den westafrikanischen Ländern treibt die massive Teuerung (in BF bis zu 65%) bei Grundnahrungsmitteln wie vor allem Speiseöl und Zucker die Menschen zum Protest - und die Regierungen reagieren neben Terror mit Zugeständnissen, etwa indem die Besteuerung solcher Waren vermindert oder gar ausgesetzt wird. Die massenhaften Protestbewegungen, sehr oft getragen von ganz jungen Menschen, oft gar aus den Schulen kommend, setzen sich nicht nur militant zur Wehr: sie vertreten auch Forderungen, die sich weder um politische Theoreme irgendwelcher Art kümmern, noch darum, ob sie mit der Marktwirtschaft kompatibel sind: Preiskontrollen zum Beispiel.
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Massenproteste gegen Lebensmittelpreise in Burkina Faso
In Ergänzung unserer (englischen) Meldungen über die Proteste in Burkina Faso "Ganz unmoderne Forderungen tauchen auf: Preiskontrollen" hat uns Bettina Engels den folgenden, deutschsprachigen, Artikel gesandt. Aus dem Text: "Seit einer Woche protestiert die Bevölkerung im westafrikanischen Burkina Faso gegen die drastisch steigenden Lebensmittelpreise. Heute versammeln sich die DemonstrantInnen in der Hauptstadt Ouagadougou. In der letzten Woche fanden zeitgleich Proteste in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, der drittgrößten Stadt Ouhigouya im Norden und der Provinzhauptstadt Banfora im Südwesten statt. In Bobo-Dioulasso greifen die DemonstrantInnen Regierungsgebäude an, setzen Geschäfte, Autos und Tankstellen in Brand. Eine Delegation der Regierung wird mit Steinwürfen empfangen.100 DemonstrantInnen werden festgenommen. Die Proteste setzen sich am nächsten Tag fort. Auch Händler und Geschäftsleute beteiligen sich. Die Proteste richten sich gegen die beständig steigenden Preise von Basisgütern wie Reis, Speiseöl und Seife im zweitärmsten Land der Welt. Nach Angaben der Regierung sind die Preise zwischen 10 und 65 Prozent gestiegen. Der Finanzminister macht die stark gestiegenen Ölpreise dafür verantwortlich. Die Regierung hat Maßnahmen zur Preiskontrolle angekündigt."
- Ein kurzer aktueller Überblick (mit Links zu weiteren Berichten) bei der UN-Nachrichtenagentur IRIN: "Protests on price rises spread to the capital" vom 28. Februar 2008
- Etwas ausführlicher, mit einigem Hintergrund aus der Hauptstadt der Bericht "Ouagadougou entre casse et pillage" von Antoine Battiono vom 29. Februar 2008 in der Zeitung "Le Pays".
Neun Jahre nach dem Tod des Zeitungsgründers Norbert Zongo erleben JournalistInnen in Burkina Faso immer noch Repressionen
"Norbert Zongo untersucht die Affäre und erhebt über mehrere Monate im L’Independent schwere Vorwürfe gegen François Compaoré und die Präsidentengarde. Zongos Ermordung versetzt das ganze Land in Aufruhr. In den Tagen nach seinem Tod gehen Tausende SchülerInnen, Studierende und GewerkschafterInnen auf die Straße. 20.000 Menschen kommen zur Beerdigung, der Trauerzug zum Friedhof ist über zehn Kilometer lang. Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, oppositionelle Parteien, AnwältInnen und JournalistInnen schließen sich zum Collectif contre l’impunité (Kollektiv gegen die Straflosigkeit) zusammen. Angeführt von der größten burkinischen Menschenrechtsorganisation Mouvement Burkinabè des Droits de l’Homme et des Peuples (MBDHP) fordert das Collectif die Aufklärung der Todesumstände von Norbert Zongo und die Bestrafung der Täter – bis heute" - einer der Kernsätze des Artikels "Grenzen der Meinungsfreiheit" von Bettina Engels vom 15. November 2007.
Die Pflicht zu gehen - Es gibt mindestens 1.000 Gründe, aus Afrika nach Europa zu fliehen
Corinna Milborn verdeutlicht einige von ihnen am Beispiel Burkina Faso. Artikel von in Jungle-World vom 12.08.2006
Gewerkschaften
ziehen Bilanz und beschliessen neuen Generalstreik
Die burkinabischen Gewerkschaftsverbände und
autonomen Gewerkschaften, die den erfolgreichen Generalstreik im
Oktober organisiert haben, haben auf einer Klausursitzung beschlossen
in Dezember einen erneuten, diesmal dreitägigen Generalstreik
gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung und die Teuerung zu organisieren
- mit historischer Bedeutung: Vom 15. - 17. Dezember, exakt
30 Jahre nach der grössten Streikbewegung der Geschichte Burkina
Fasos. Die (französische, mit kurzer deutscher Zusammenfassung)
Pressemitteilung des gewerkschaftlichen Koordinationskomitees "72
heures de grève en perspective contre la vie chère
au Faso" vom 15. November 2005.
Generalstreik im öffentlichen Dienst
und in teilstaatlichen Betrieben
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Generalstreik und Internationale Solidarität mit von
französischem Konzern entlassenen Arbeiterinnen
Artikel von Bernard Schmid vom 28.10.05 mit Adressen für Solidaritätserklärungen und -unterschriften für die vom französischen Kosmetikartikel-Konzern Yves Rocher entlassenen KollegInnen
- Zum ersten Mal rufen in Burkina Faso nicht nur alle
Gewerkschaftsföderationen gemeinsam, sondern auch alle wichtigen
autonomen Einzelgewerkschaften zum zweitägigen Generalstreik
am 26. und 27. Oktober 2005 auf. In einem offenen Brief an den Präsidenten
wird dieser Schritt begründet, vor allem damit, dass von Regierungsseite
nichts unternommen worden sei, Absprachen, die Resultat eines Treffens
im Mai dieses Jahres waren, irgendwie umzusetzen. Für den 48-stündigen
Generalstreik im öffentlichen Dienst und in teilstaatlichen
Betrieben. Der Fünf-Punkte Katalog umfasst 25% Lohnerhöhung
und Angleichung an die Privatwirtschaft, Rücknahme von Steuererhöhungen
für Getreide und Kraftstoffe, die Klärung juristischer
Probleme aus früheren Auseinandersetzungen, sowie die Wiederöffnung
des Zentralmarkts der Hauptstadt Oaugadougou. Der (französische)
Aufruf "Appel
à la grève générale" vom Oktober 2005 bei "Afrique XXI", den wir hiermit kurz
zusammengefasst haben.
Gewerkschaft des informellen Sektors gegründet
Am 22.Februar 2005 wurde auf der Abschlusskonferenz von PRASEI (Programme de renforcement de l’action syndicale dans l’économie informelle) in Ouagadougou beschlossen, eine gewerkschaft des informellen sektors zu gründen - in dem auch in Burkina Faso die grosse Mehrheit der arbeitenden Menschen beschäftigt ist. Wobei hier hervorzuheben ist, dass auch alle Auto- und Fahrradwerkstätten informell beschäftigen - und die entsprechenden Mechaniker eine treibende Kraft des Programms, das zur Gewerkschaftsbildung führte waren. Im Zuge des Förderprogramms PASEI wurden bereits rund 6.000 Mitglieder organisiert. Ein (französischer) Bericht "Les acteurs se syndicalisent" von Drissa Traore in der burkinabischen Wochenzeitung "Opinion" Ausgabe vom 23.Februar 2005
Die Gewerkschaft CGT-B
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