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Stuttgart: Erfolgreiche Solidaritätsveranstaltung mit der Gewerkschaft CGT-B aus Burkina Faso

Burkina Faso ist in Deutschland kaum bekannt. Gelegentlich weiss man noch seinen früheren Namen Obervolta - dann ist der Informationsstand vieler Menschen - auch politisch Interessierter - erschöpft. Als aktive Stuttgarter Gewerkschaftskollegen daher beim 7. Internationalen Treffen von Gewerkschafter/innen in Bourges einen Vertreter der CGT-B aus Burkina Faso kennenlernten und von der interessanten, kämpferischen Arbeit dieses größten Gewerkschaftsdachverbandes des Landes erfuhren, zögerten sie nicht, knüpften Kontakte und luden Florent Hien, den Vertreter der CGT-B, nach Deutschland ein. Leider reichte es angesichts der knappen Zeit des Kollegen nur zu einem Besuch in Stuttgart und in Bochum. Sicher wäre es auch für andere Orte ausgesprochen interessant gewesen, die Erfahrungen der Gewerkschaftsarbeit in diesem Land kennenzulernen.

In Stuttgart hatten sich die Kollegen bemüht, die Gewerkschaften für eine offizielle Veranstaltung zu gewinnen. Das klappte nicht. Doch immerhin gelang es, dass der Kollege Florent Hien offiziell vom Vorsitzenden des Kreisverbandes Stuttgart der VERDI, Bernd Riexinger, empfangen wurde. Dies war für den Kollegen aus Burkina Faso eine Möglichkeit, etwas über die Situation der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland zu erfahren und Kontakte zu knüpfen, die der CGT-B helfen können. VERDI Stuttgart bot an, die CGT-B im Kampf gegen die Unterdrückung ihrer Arbeit solidarisch zu unterstützen. Die CGT-B will dieses Versprechen beim Wort nehmen. Kollege Florent Hien lud gleich einen Vertreter von VERDI Stuttgart zum Gewerkschaftskongress der CGT-B im Herbst 2001 als Gast ein.

Am Freitagabend, 13.7.2001, fand dann in der Zukunftswerkstatt Stuttgart eine Veranstaltung statt. Trotz sehr knapper Vorbereitungszeit kamen 23 Kolleg/innen. Nach einer kurzen Begrüßung durch den IGM-Betriebsrat Niels berichtete Florent Hien über die Situation in Burkina Faso und die Arbeit der CGT-B. Hier einige Auszüge:


Burkina Faso ist ehemalige französische Kolonie, vormals Obervolta genannt. Die Fläche beträgt 274 200 qkm (das ist ca. die Hälfte Frankreichs). Burkina liegt im Herzen Westafrikas, umgeben von 6 Ländern: Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin, Niger und Mali. Die Einwohnerzahl liegt bei etwa 11,5 Millionen. Es ist ein armes und rückständiges Agrarland.

Einige ökonomische und soziale Angaben:

In einer Rangliste der UN über das Lebensniveau der Einwohner der Staaten der Welt liegt Burkina Faso von 174 Staaten auf dem 172. Platz. Das Bruttosozialprodukt pro Einwohner beträgt 240 $ pro Jahr. Nur 40 % besuchen eine Schule. Es gibt 1 Arzt auf 30 000 Einwohner (Norm der WHO: mindestens 1 Arzt pro 10 000 Einwohner). Die absolute Armutsrate liegt bei 45,5 % (Personen, die über ein jährliches Einkommen von weniger als 720 FF = 240 DM verfügen). Mehr als 80% der Bevölkerung sind Bauern und Landarbeiter. Die Landwirtschaft ist wenig mechanisiert (Stadium der Hacke und des Pflugs) und den klimatischen Zufällen ausgesetzt. Regelmäßiges Vorkommen von Hungersnöten in Jahren unzureichenden Regens wie dieses Jahr.

Der Mindestlohn beträgt 270 FF, das sind ca. 85 DM.

Seit 1991 ist das Land im strukturellen Anpassungsprogramm (PAS) eingebunden, das vom Internationalen Währungsfond und der Weltbank aufgezwungen wurde, dessen Endziel die Rückzahlung der Schulden war. Die Folgen waren das Aufgeben des sozialen Sektors durch den Staat, der Verkauf der wichtigsten staatlichen Unternehmen zu Schleuderpreisen, die Zunahme der Arbeitslosigkeit und des Elends.

Auf politischer Ebene:

Burkina Faso ist ein politisch besonders instabiles Land. In 40 Jahren 11 Regimes, davon 7 Regimes aus Staatsstreichen hervorgegangen. Seit Dez. 1998 erlebt das Land eine tiefe Krise infolge der schändlichen Ermordung des Journalisten, Norbert ZONGO.

Geschichtlicher Abriss der Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Burkina Faso

Bis zum Ende des II. Weltkriegs waren die afrikanischen Arbeiter in den französischen Gewerkschaftsorganisationen CGT, CGT-FO und CFTC organisiert und verteilt.

Nach 1944 fingen sie allmählich an, sich in einer revolutionären Gewerkschaftsorganisation zu sammeln, aus der die Union Générale des Travailleurs d´Afrique Noire (UGTAN) entstand.

In Burkina Faso erblickten die Gewerkschaften 1946 in Bobo-Dioulasso das Licht. Seit ihrer Entstehung zeigten sich die burkinesischen Gewerkschaften sehr kämpferisch, - im Kampf für die Verbesserung der Lebensumstände ihrer Mitglieder und im Kampf gegen den Kolonialismus.

Nach der formellen Unabhängigkeit von 1960 haben die Gewerkschaften ständig gegen die Abschaffung der Freiheiten, für wirkliche demokratische Rechte gekämpft.

Entstehung des klassenkämpferischen Syndikalismus:

Von den 80er Jahren an

Vorstellung der CGT-B

Die CGTB ist die größte und kämpferischste Organisation in Burkina Faso. Die CGTB besteht aus 12 Berufsgewerkschaften und etwa 60 Betriebsgewerkschaften.

Sektoren, die abgedeckt sind: Erziehung, Gesundheitswesen, Finanzämter, öffentliche Arbeiten und Bau, Bergwerke, Banken und Versicherungen, Energie, Wasserkraftwerke, Telekommunikation, Information und Kultur, Landwirtschaft, Textilindustrie usw.

Soziale Zusammensetzung: Arbeiter aller sozialen Stellungen, jeden Alters und verschiedener Abstammung: Arbeiter aller Qualifikationen, ausführende und planende Kader, Praktikanten, Funktionäre, Rentner, Arbeitslose.

Sie ist auf das ganze Land verteilt und umfaßt 25 Provinzvereinigungen.

Die arbeitsfähige Bevölkerung in Burkina beträgt etwa 4 Millionen. Aber Lohn- und Gehaltsempfänger (also in einem festen Arbeitsverhältnis) sind nur 200.000 (davon etwa 40 000 im öffentlichen Dienst). Die Anzahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter beträgt 80.000. In der CGTB sind zwischen 40 000 und 50 000 (entspricht 50%).

Die wichtigsten Forderungen und Kämpfe

Kampf für die Verbesserung der Kaufkraft der Arbeiter:

Kampf gegen die Straflosigkeit:

Seit Dez. 1998, der tiefen Krise in der Folge des Mordes an dem Journalisten Norbert Zongo, bis zum heutigen Tag gibt es mehr als 100 politische Verbrechen und genau so viele Wirtschaftsverbrechen (Unterschlagungen)

So nimmt die CGTB seit zweieinhalb Jahren aktiv an der Volksbewegung des Kampfs gegen die Straflosigkeit, die vom Bündnis am Leben gehalten wird, teil.

Wichtige Errungenschaften des Bündnisses:

Dieser Kampf gegen die Straflosigkeit findet unter dem Zustand der Unterdrückung statt: Belagerungszustand, Besetzung der Gewerkschaftshäuser durch die Polizei, Verhaftung und Verprügelung von Mitgliedern, gerichtliche Ermahnung und Haftstrafen für Verantwortliche des Kollektivs, Ausweisung von Mitgliedern aus manchen Orten, Niederbrennen von Häusern usw.

In diesem Kampf hat es nicht an internationaler Solidarität gefehlt und das ist zu begrüßen.

Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten bei der CGT-B

Nach Abschluss des Vortrages gab es eine lebhafte Diskussion und eine Spendensammlung für die Arbeit der CGT-B, die 700 DM und einen PC-Drucker erbrachte - ein Riesenerfolg. Selbst nach offizieller Beendigung der Veranstaltung blieben viele Kolleg/innen noch bis ca. 2 Uhr nachts, um zu feiern und weiter mit dem Kollegen zu sprechen.


Besonders interessant war für viele Teilnehmer/innen, dass die Flexibilisierung, die schon in den industrialsierten Ländern den Kolleg/innen erhebliche Probleme in Form von ständig steigender Intensivierung der Arbeit, indirekten Lohnkürzungen, Entlassungen usw. bringt, in einem Land wie Burkina Faso katastrophale Folgen hat. Nachdem dies bereits beim 7. Internationalen Treffen von Gewerkschaftern diskutiert wurde, erläuterte Kollege Hien in seinem Vortrag, wie dies auch in seinem Land Konsequenzen hat in Form der Privatisierung des Staatssektors, der Aufhebung der gesamten Sozial- und Arbeitsschutzgesetzgebung. Das bedeutet für die Menschen in Ländern wie Burkina Faso, dass sie mit jedem Rückschritt an sozialen Schutzrechten, mit jedem mehr an Flexibilisierung und Intensivierung der Arbeit in den industrialisierten Ländern zu einem Leben gezwungen werden, bei dem sie immer mehr und immer härter schuften müssen und zugleich mit ihren Familien in völliger Existenzunsicherheit leben und hungern.

Übrigens hat die Zukunftswerkstatt zum Besuch des Kollegen eine Zusammenfassung seines Referates übersetzt und eine Broschüre mit Übersetzungen von Aritkeln aus der Zeitung der CGT-B "Le Travail" herausgegeben. Diese Broschüre kostet 2,50 DM zuzüglich Porto und kann bei der Zukunftswerkstatt, Bönnigheimer Str. 67 (Eingang Brackenheimer), 70435 Stuttgart, Tel. 0177/3754713 bestellt werden.

Der Besuch des Kollegen machte die große Bedeutung der internationalen Solidarität erneut deutlich. Dabei ist diese Solidarität keine Einbahnstrasse, bei der die Arbeiter/innen der industrialisierten Länder den Arbeiter/innen der unterentwickelt gehaltenen Länder "helfen". Eine solche Haltung der "Hilfe" von oben herab spiegelt die Erziehung durch den Imperialismus wieder, der auch die Arbeiter/innen in den industrialisierten Ländern ausgesetzt sind. Tatsächlich war der Besuch des Kollegen auch und vor allem eine Hilfe für die Arbeiterbewegung hier. Sehr konkret konnte er die Verbindungen zwischen der Politik des Kapitals bei uns und der Politik des Imperialismus in seinem Land aufzeigen. Vielen Kollegen hat das sicher geholfen, ihre Aufgaben und Ziele hier klarer zu sehen. Wie unbedeutend ist dagegen die materielle Solidarität, die die CGT-B erhalten hat.


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