Widerstandskampf der Obdachlosen und Landlosen von Pinheirinho in Brasilien
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"Banditen und Vagabunden"
Nannte die Landesregierung des Bundesstaates Sao Paulo die etwa 7.000 Menschen, die mit brutalster Gewalt von der Militärpolizei vertrieben wurden, nach Jahren des Lebens im Pinheirinho und entgegen gültiger Gerichtsverfügungen. Was soll man von einem Gouverneur wie dem sehr ehrenwerten Herrn Alckmin auch erwarten - christlicher Fundamentalist und Wirtschaftsmodernisierer in einem, schlimmer gehts nimmer. Der Artikel "Pinheirinho: para além da desocupação" von Inácio Dias de Andrade am 01. Februar 2012 in der alternativen Wochenzeitung Brasil de Fato erschienen, behandelt nicht die naheliegende Frage, wer hier die Banditen sind, sondern ist ein Resümee dessen, was der Anthropole in den Jahren 2007 bis 2010 erlebte, die er im Pinheirinho verbracht hat: Selbstorganisation in der Not, auf viele Weisen, mit unterschiedlichen Erfahrungen.
Siehe dazu auch: "Weiter Proteste gegen Räumung des Armenviertels Pinheirinho" ein Brasil atual Bericht bei amerika21.de vom 01. Februar 2012.
- Im Zentrum der Gewalt: Zwangsräumung Pinheirinho
"Überschattet wird das Sozialforum jedoch durch gewaltsame Auseinandersetzungen im gut 1000 Kilometer entfernten São José dos Campos, einer rund 600000 Einwohner zählenden Stadt im Bundesstaat São Paulo. Trotz eines entgegengesetzten Gerichtsurteils und Vermittlungsbemühungen der Zentralregierung begann die Militärpolizei am Sonntag, im dort gelegenen Pinheirinho gewaltsam eine seit acht Jahren bestehende Siedlung von 1500 Familien zu räumen. Dabei wurden Augenzeugenberichten zufolge mindestens drei Menschen getötet, unter ihnen ein kleines Kind. Zu den zahlreichen Verletzten gehörte auch der von Präsidentin Rousseff als Vermittler nach Pinheirinho geschickte Staatssekretär Paulo Maldos, der das Vorgehen der Polizei als »brutale Aggression« verurteilte. Die Bewohner der Siedlung wehrten sich mit Barrikaden, während die Beamten Jagd auf die »Anführer« der Widerstandsbewegung machten. Noch in der Nacht zum Dienstag kam es auch in benachbarten Stadtvierteln und Favelas zu Auseinandersetzungen. Autos, Geschäfte und Behörden gingen in Flammen auf." - aus dem Artikel "»Brutale Aggression«" von André Scheer am 25. Januar 2012 in der jungen welt. Siehe dazu:
- Zwangsräumung von Pinheirinho
„Die gewaltsame Invasion der Militärpolizei von Sao Paulo fand gestern, Sonntag, den 22 Januar, um 6 Uhr in der Früh statt. Circa 2.000 Polizisten wurde von Sao Paulo / Guarulhos nach Sao Jose transportiert und stürmen mit Bomben, Gewehren und Pistolen das Pinheirinho. Wir rechnen bisher mit 2 Toten und zahlreichen Verwundeten. 1.200 Familien wurden vertrieben und sind wieder obdachlos. Es gibt einen Ausnahmezustand in ganzer Stadt von Sao Jose dos Campos. Der Oberbürgermeister von Sao Jose dos Campos, Eduardo Cury, ließ eine Art Internierungslager für die vertriebenen Familien aufbauen und will sie dort lagern. Stunde später hat die Militärpolizei auch dieses Lager mit Bombem auf der Suche nach Widerstandskämpfern. Proteste werden nun in vielen Hauptstädten von Brasilien organisiert. Die Kampagne für die Enteignung des Landes von Pinheirinho durch die Bundesregierung Rousseff geht aber weiter. Im Laufe der Woche schicke ich einen ordentlichen Bericht. Hier unten einige Videos über die Invasion.
Video 1
Video 2
Video 3
Video 4
Video 5
Video 6
Emilio Astuto In Vertretung von Pinheirinho / CSP-Conlutas Brasilien in einer Mail an die Redaktion des LabourNet Germany vom 24.02.2012
- Die andere occupy-Bewegung in Brasiliens Städten: Pinheirinho Räumung ausgesetzt!
Manches Mal, so wie jetzt in Pinheirinho dringen die Nachrichten über Besetzungen in Brasiliens Städten auch ins Ausland vor - vor allem eben dann, wenn ihnen Räumung droht, in der Regel mit extrem massiven Repressionseinsätzen der Militärpolizei. Diesmal zumindest zunächst nicht. der redaktionelle Bericht "Pinheirinho comemora vitória parcial" (Pinheirinho feiert Teilsieg) der Zeitung Brasil de Fato vom 17. Januar 2012. Siehe dazu auch:
- "Carta aberta das comunidades ameaçadas de remoções" (Offener Brief der von Zwangsräumung bedrohten Gemeinschaften der Stadt Sao Paulo) bereits vom September 2011, aber nach wie vor aktuell: Die Verschärfung des "Säuberungskurses" bei der Planung der Fußball-WM 2014 quer durchs Land ist dabei ebenso Thema wie der Vergleich der Ausgaben für dieses Event und für den sozialen Wohnungsbau...
- Internationale Solidarität mit dem Widerstandskampf der Obdachlosen und Landlosen von Pinheirinho in Brasilien
Internationale Solidarität gefragt: Protestiert gegen die Zwangsräumung von Pinheirinho! Die Landbesetzung von Pinheirinho ist gleichbedeutend mit dem Kampf für anständige Wohnungen in Brasilien! Eine ausführliche Beschreibung der Situation vor Ort und die Bitte um Proteste von Emilio Astuto, in Vertretung von Pinheirinho / CSP-Conlutas Brasilien, in einer Mail an die Redaktion des LabourNet Germany vom 17.01.2012
Entwicklung. Rasant. Wohin?
"Im Prinzip sind sich Umweltwissenschaftler, Klimaschützer und indigene Völker einig: Die Amazonasabholzung muß aufhören, genauso wie die der Cerrado- und Caatinga-Wälder Zentral- und Nordostbrasiliens. Dies steht jedoch im krassen Gegensatz zum »Entwicklungs-« oder besser gesagt Kolonisierungsprogramm der brasilianischen Regierung unter Dilma Rousseff und deren Vorgänger Luiz Inácio »Lula« da Silva: Das sieht mehr Straßen, Staudämme, Erdölfördertürme, einen verstärkten Erzbergbau, weitere Rodungen für Monokulturen zur Herstellung von Agrosprit und stärkere Zersiedlung vor" - aus dem Artikel "Brasilien zerreißt sich" von Norbert Suchanek am 13. Januar 2012 in der jungen welt. Siehe dazu auch: Ein anderer Aspekt der neuen Großmachtpolitik ist das für Brasilien völlig neue "Tür zu!" - in diesem Fall ausgerechnet für haitianische Flüchtlinge, in deren Land die brasilianische Armee eine unrühmliche Rolle spielt: "Brasil cierra las fronteras ante el temor de una inmigración masiva de haitianos" von Juan Arias am 11. Januar 2012 in der spanischen El Pais.
WM 2014
- "Spielwiesen für das Großkapital". Interview über Brasiliens WM-Vorbereitung
UN-Berichterstatterin Raquel Rolnik beklagt, dass in den WM-Städten zehntausende Familien zwangsumgesiedelt werden. Anstatt einer partizipativen Planung gebe es so mehr Obdachlose. Interview von Gerhard Dilger in der taz vom 27.12.2011
- Weltmeister? In Vertreibungen?
Bewirbt sich Brasilien um einen ganz anderen Weltmeister - Titel als den von 2014 im Fußball? Etwa den der Vertreibungen fürs "Event"? Die offizielle Politik lautet, alle die umgesiedelt werden müssen (?) sollten zumindest besseren Ersatz bekommen. Was höchstens manches Mal stimmt. In dem Überblick "Road to World Cup and Olympics Paved with Forced Evictions" am 06. September 2011 bei Global Voices Online werden einige der beinahe schon zahllosen Initiativen gegen die Zwangsumsiedlungen vorgestellt, die ihre Arbeit bei You Tube dokumentieren.
- Olympiade und WM: Krieg in Rio, Vertreibung im ganzen Land
Seit dem Bulldozerkrieg gegen Slums in Mexico Stadt 1968 ist es ein Grundmuster der Vorbereitung sportlicher (kommerzieller) Großereignisse zumindestens in Ländern ausserhalb Europas geworden: Wegräumen, saubermachen, Störenfriede vertreiben. Die militärpolizeiliche Großoffensive in Rio machte in Vorbereitung der Olypiade 2016 weltweit Schlagzeilen. Dass in verschiedensten brasilianischen Städten, in denen die Fußball-WM 2014 stattfinden wird, ebenfalls "stadtplanerische" Schritte unternommen werden, damit der Real rollen kann, ist weniger bekannt.
- Das "Manifesto Guerreiro Urbano" wurde am 01. November 2010 aus Anlaß einer Besetzung leerstehender Gebäude in Rio veröffentlicht und jetzt auf Englisch übersetzt.
- Da mit Bildern versehen, auch für nicht der Sprache mächtige Menschen zu verstehen: Der Bericht über die martialische Räumung eines besetzten Hauses in der Innenstadt von Rio de Janeiro - ein Haus, das seit 20 Jahren leer stand "Truculência policial em desocupação no Rio de Janeiro" am 15. Dezember 2010 im blog noticia de rodapé.
- In Belo Horizonte (wo die WM bis zum Halbfinale stattfindet) haben sich angesichts eines Säuberungsprogramms, das bisher rund 10.000 Menschen betrifft eine Reihe Gruppierungen und Verbände zusammengetan um ein Widerstandskomitee zu bilden. Sie haben einen Aufruf zur Bildung eines "Comitê popular dos atingidos pela Copa" (Volkskomitee der von der WM Betroffenen) am 12. Dezember 2010 verbreitet, den wir dokumentieren.
Hier, dort und anderswo: Besetzungen...
Ob es die Landlosen von der MST quer durchs Land sind mit den Besetzungen ihrer traditionellen Aprilkampagne, ob es die Obdachlosen in Sao Paulo oder Belo Horizonte sind: Es wird fleissig besetzt. Das Wohnungsbauprogramm wirkt nur begrenzt, die Agrarreform findet nach wie vor nicht statt.
- Seit dem Mord an zahlreichen MST-Aktivisten im April 1996 wird vom MST alljährlich im April eine regelrechte Besetzungskampagne organisiert. im jüngsten Falle meldeten sich der Justizminister und die Präsidentschaftskandidatin zu Wort, um das Recht auf Eigentum zu verteidigen. Dazu die Bewertung der MST ihrer diesjährigen Kampagne "Balanço da nossa jornada de lutas" vom 23. April 2010.
Siehe dazu auch:
- "Infobrief des MST Nr.178: 30. Dezember 2009" bei den deutschen "Freunden des MST" worin Hintergrundinformationen publiziert sind, die auch für die aktuellen Aktionen Gründe liefern.
- Die "Jornada Nacional de Lutas da RESISTÊNCIA URBANA" begann bereits Ende März 2010 und einige der Aktionen sind einen Monat später immer noch aktuell. Koordiniert von der MTST (Arbeiter ohne Obdach) will diese Kampagne eine Alternative zum sozialen Wohnungsbauprogramm der PT Regierung "Minha casa, minha vida" (Mein Haus, mein Leben) bieten unter dem Motto "Minha casa, minha luta" (Mein Haus, mein Kampf) da das Regierungsprogramm gerade darin kritisiert wird, die ärmsten Schichten der Bevölkerung nicht zu erreichen - und die stadtplanerischen Marginalisierungsbestrebungen ausser Acht zu lassen.
- Die aktuell grösste städtische Besetzung des Landes, die seit einem Jahr organisierte "Ocupacao Dandara" in Belo Horizonte bei der gegenwärtig rund 900 Familien oder über 5.000 Personen angesiedelt sind, hat zwar massive Unterstützung aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft erhalten und durch starke Mobilisierung politische Erfolge sowohl vor Gerichten als auch im Stadtrat erzielt, steht aber dennoch abermals vor einer Instanz, die die Räumung im Auftrag der Eigentümer anordnete. Dazu eine Übersetzung der Erklärung "Wir sind alle Dandara" vom 29. April 2010, inklusive Mustertext für Solidaritätsbekundungen.
Der Traum vom besseren Leben - Hausbesetzer in Bahia
Menschen, die ihr Wohnungsproblem nicht der Privatwirtschaft überlassen, sondern es öffentlich und selbst regeln sind gefährlich - weil sie den "Traum vom besseren Leben" nicht nur träumen, sondern umsetzen wollen - das wird in dem Beitrag "Los sin techo de Bahía: la utopía del buen vivir" von Raul Zibechi vom 01. März 2010 beim Cetri deutlich gemacht.
Stadtrat von Hausbesetzern besetzt: Widerstand gegen Räumungsdrohung erfolgreich
In Belo Horizonte, Brasiliens drittgrößter Stadt, gibt es inzwischen zwei Massenbesetzungen von brach liegenden Baugeländen, auf denen jeweils schon ein paar Häuschen stehen. Neben Dandara auch Camillo Torres - beide organisiert von einem Zusammenschluss der Volksbrigaden mit der Bewegung der Landlosen MST. Die völlig und total unabhängige und unparteiische Justiz hatte in beiden Fällen der Militärpolizei eine "Lizenz zum Räumen" erteilt, wie es von der örtlichen PT/PSDB Koalition ebenso erwünscht war, wie von der PSDB Landesregierung des Bundesstaates M inas Gerais. Daraufhin machten sich einige Hundert der vielen Tausend BesetzerInnen auf zum Stadtrat: und besetzten das Ratsgebäude. Zu dieser Aktion gibt es einen Offenen Brief von Volksbrigaden und MST an den Stadtrat von 15. Juni 2009: Nach einem Tag Besetzung hob die Landesinstanz die Räumungsfreigabe am 17. Juni auf...
Wohnungsprogramm verkündet. Betroffene wurden von der Militärpolizei empfangen
Einige Hundert AktivistInnen der Haus und Geländebesetzung Dandara in Belo Horizonte machten sich am Ostermontag auf den Weg in die Innenstadt. Ihr Ziel: Eines der Viersterne Hotels im Stadtzentrum. Dort wollte die designierte Präsidentschaftskandidatin der PT (Arbeiterpartei) das Wohnungsprogramm ihrer Partei vorstellen "Mein Zuhause, mein Leben". Gab es für die geladenen Gäste der Vorstellung einen roten Teppich vor dem Hotel, so war für die wohnungslosen Selbsteingeladenen eher die Farbe braun angesagt: Militärpolizei war aufmarschiert, die privaten Sicherheitsdienste des Hotels verwehrten ihnen den Zugang. In gemeinsamer Aktion, unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken wurde die Programmveranstaltung der PT betroffenenfrei gehalten, es gab etwa ein halbes Dutzend Verletzte. Was weder in der belebten Innenstadt, noch in den zahlreich anwesenden Medien noch unter den ebenfalls vertretenen rund 20 Organisationen, die sich solidarisch mit der Besetzung erklärten, besonders gut ankam. Deshalb sah sich Frau Roussef gezwungen, im Anschluß an ihre Veranstaltung eine Delegation der BesetzerInnen zu empfangen. Was es wert ist, wird man sehen müssen: Die Parteiprominenz - unter anderem der langjährige Exbürgermeister von Belo Horizonte, der von da stammende Sozialminister der Bundesregierung und der PT Abgeordnete der Stadt im Bundesparlament stimmten der Errichtung einer Komission zu, die eine soziale Lösung der aktuellen Wohnungsproblematik organisieren soll. Die zweite Folge der Dandara-Chronologie vom 23. April 2009.
Die Zahl der BesetzerInnen in Belo Horizonte explodiert, nachdem der erste Polizeiangriff abgewehrt wurde
Nach den Ostertagen (der Montag ist in Brasilien kein Feiertag) ist die Zahl der BesetzerInnen des etwa 40 Hektar großen Geländes der Besetzung "Dandara" vom Gründonnerstag regelrecht explodiert: Am Dienstag wurden von Fernsehreportern 981 Hütten und Zelte gezählt - womit niedrig geschätzt etwas über 4.000 Menschen an der Besetzung beteiligt sind. Die rapide Zunahme ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der erste Polizeiangriff von 150 Schockbataillon Polizisten in der Nacht (gesetzlich verboten) zum Karfreitag, der ohne juristische Grundlage erfolgte, in einer dreistündigen Auseinandersetzung abgewehrt wurde. Seit Dienstag gibt es nun eine einstweilige richterliche Räumungsverfügung, wogegen die Anwälte der BesetzerInnen Einspruch eingelegt haben. Die Polizei hat einstweilen zugesagt, das Ergebnis der Verhandlung dieses Einspruchs abzuwarten - ein Ergebnis sowohl des organisierten Widerstands als auch der organisierten Solidarität, und der breiten Berichterstattung in zahlreichen Medien, bis auf die Produkte des "Globo" Konzerns sogar recht sachlich. In allen Solidaritätserklärungen und Schreiben an den Präfekten Lacerda und Gouverneur Neves wird deutlich, dass die Öffentlichkeit die Besonderheit dieser Besetzung versteht: Dass es die erste gemeinsame Aktion der Bewegung für Landreform und der für Stadtreform ist, organisiert von MST und Volksbrigaden. Und auch wenn die "Politik" bisher den Dialog mit den BesetzerInnen der Polizei überlassen hat, so ist die Diskussion über diese Premiere bereits deutlich über die linken Kreise hinaus gewandert. Und während juristisch, politisch und materiell die Unterstützung organisiert wird, werden auch bereits Alternativen gesucht, für den Fall eines erfolgreichen nächsten Polizeiangriffs - denn viele der beteiligten BesetzerInnen sind Menschen, die gerade eben in der aktuellen kapitalistischen Krise erwerbslos wurden und dringend eine Wohnmöglichkeit brauchen. Die aktuelle "Dandara-Chronologie" , die wir hiermit kurz deutsch zusammengefasst haben, geht bis einschliesslich Mittwoch, den 15. April 2009.
Solidarität mit Hausbesetzung
Am Gründonnerstag, 9. April haben in Belo Horizonte rund 300 Familien ein Areal mit mehreren Häusern besetzt. Die Stadt, mit rund 4 Millionen EinwohnerInnen, registriert offiziell 75.000 leerstehende Wohneinheiten - und 55.000 obdachlose Familien. Dies ist der dritte Versuch einer Massenbesetzung in diesem Jahr in BH - und da die ersten beiden Versuche mit massiven Polizeieinsätzen beendet wurden, rufen die Organisationen, die diese Besetzung unterstützen (die Volksbrigaden, unter anderem Partner des LabourNet Germany beim Workshop "Demokratisieren statt privatisieren" beim WSF in Belém und die Landlosenbewegung MST) zur internationalen Solidarität auf. Belo Horizonte wird seit 1992 von der Arbeiterpartei PT regiert, seit der letzten Wahl 2008 in einer Allianz mit der PSDB des früheren Präsidenten Cardoso, die auch den Gouverneuer des Bundeslandes Minas Gerais stellt, dessen Hauptstadt BH ist. Die Chancen, dass diese Hausbesetzung erfolgreich verläuft, liegen vor allen Dingen darin, dass diesmal eine breite Unterstützung in der Nachbarschaft existiert, da die Gebäude auf dem besetzten Gelände aus Spekulationsgründen seit fast 20 Jahren leer stehen. Einmal mehr erweist es sich, so die Volksbrigaden in einem ersten Kommuniqué, dass die Grundbedürfnisse des menschlichen Lebens, wozu auch die Wohnung gehört, nicht privatem Profitinteresse unterworfen werden dürfen - wie sich auch zeigt, dass die Lösung dieses Grundproblems nicht "der Politik" überlassen bleiben darf. LabourNet Germany ruft zur Solidarität mit der Massenbesetzung auf, die unter dem Namen "Dandara" organisiert wurde - Hommage an die Kampfgefährtin des Zumbi, Symbolfigur des Widerstands gegen die Sklaverei. Die gemeinsame Pressemitteilung der MST und Volksbrigaden aus BH´ (port. aber hier kurz übersetzt und mit Adressen für Solidarität - brigadas populares - und Protest - Landesministerium - versehen, englisch geht gut für beides)
Die Bewegung der städtischen Obdachlosen - im Zeitalter "moderner Stadtplanung"
Seit über 10 Jahren gibt es inzwischen die MTST, die Bewegung der obdachlosen Arbeiter, die vor allem in den beiden Megastädten Sao Paulo und Rio de Janeiro aktiv ist. Dazu der aktuelle Beitrag "Urbanität, Exklusion und Widerstand in Brasilien– der Versuch einer Einführung in die brasilianische Obdachlosenbewegung „Movimento dos Trabalhadores Sem Teto“ (MTST)" von Maike Pricelius vom März 2007 in Langfassung (eine kürzere Fassung war im ak erschienen).
"Warum sollten die allerersten menschlichen Bedürfnisse - die Nahrung und die Wohnung - eine Ware bleiben?"
Carina Aparecida Andrade de Freitas hat inzwischen viele Erfahrungen im Anbau von Gemüse - im eigenen Garten. Die Studentin der Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Universität von Belo Horizonte lebt in einem von den Volksbrigaden besetzten größeren Haus am Stadtrand des 4 Millionen Konglomerats. Und, wie viele der in der städtischen Obdachlosenbewegung aktiven Menschen in Brasilien, haben auch sie und ihre Gruppierung enge Beziehungen zur Bewegung der Landlosen. Und die politische Debatte, die diese über die MST national wie weltweit vorantreiben, läuft unter dem Stichwort "Nahrungssouveränität", für das inzwischen die internationale Vereinigung Via Campesina als organisierte Vertretung steht. In dem Telefoninterview "Nahrung darf keine Ware sein" wollten wir von einer Basisaktivistin aus einer Stadt wissen, wie die Menschen dort die Probleme sehen - und zu lösen versuchen.
Solidarität mit Hausbesetzern
Landbesetzungen sind in Brasilien seit langem an der
Tagesordnung und gehen trotz Kriminalisierung und politischen Manövern
weiter. Hausbesetzungen haben in den letzten Jahren in den riesigen
Städten des Landes massiv zugenommen - darunter auch solche,
mit denen mehr beabsichtigt wird, als "nur" Wohnraum zu
erreichen. Zum Beispiel bewohnte soziale Zentren zu organisieren
- wie jetzt bei dieser Aktion in Belo Horizonte. Das (portugiesische,
mit kurzer deutscher Zusammenfassung) Infoflugblatt
und Solidaritätsaufruf der "Brigadas Populares"
vom 24. November 2006.
Der Krieg gegen die "gefährlichen
Klassen": mehr Soldaten in Rios Favelas als auf Haiti
Auf der Suche nach Waffen - eine Handgranate zu finden,
war schon eine Schlagzeile wert - hat die brasilianische Armee mehrere
Favelas in Rio de Janeiro durchkämmt. Mit 1.600 Soldaten, mehr
als an der Besatzung Haitis beteilgt sind. Das erste Opfer: Ein
16jähriger Schüler der "zufällig" getroffen
wurde. Schon beim "Rolling Stones" Konzert an der Copacabana
war über mehrere Slums der Umgebung eine Art Ausgangssperre
verhängt worden. Die Journaille tobt - und die meisten Menschen
finden es gut, richtig oder mindestens nötig. Schlaglichter
auf einen aktuellen Krieg, der keineswegs nur in Brasilien stattfindet:
"Gefährliche
Klassen" vom 8. März 2006
Obdachlosenbewegung organisiert Grossbesetzung im
Bundesstaat São Paulo
Die Obdachlosenbeweung MTST - eine Art städtisches
"Pendant" zur Landlosenbewegung MST (und von vielen in
Brasilien als "Ausgeburt der MST" charakterisiert) hat
in der paulistanischen Stadt Taboão da Serra ein Grundstück
von etwa 100.000 qm besetzt, das vorher funktionslos war. Dort leben
jetzt etwa 3.500 Menschen - und wollen da bleiben. Die Drohungen
gegen diese Selbstorganisation zur Lösung des brennenden Wohnungsproblems
sind heftig, weshalb die Besetzer um Solidarität bitten. Der
"DRINGENDE
AUFRUF DER BRASILIANISCHEN OBDACHLOSENBEWEGUNG MTST" in
einer deutschen Übersetzung (von NT) vom 21. Oktober 2005.
Privilegiertenghettos als Gesellschaftsmodell
Die älteste ist auch die grösste: Alphaville
in São Paulo ist eine "geschlossene Wohnanlage"
mit etwa 40.000 EinwohnerInnen, eine Stadt in der Stadt - für
die "besseren Leute". Die sich auch so fühlen. Finden
tut man solche "Inseln der Sicherheit" (und des Hasses
auf die gefährlichen Klassen) in und am Rande jeder brasilianischen
Großstadt, die Zahl ihrer BewohnerInnen variert je nach Kriterien
für solche Anlagen zwischen etwa 1,5 und 5 Millionen Menschen.
Schlaglichter aus dem Alltag solcher Wohnanlagen und Überlegungen
zu ihrer politischen und gesellschaftlichen Bedeutung bringt der
Beitrag "Freiwillig
eingesperrt" von Klaus Hart in der "ILA" Nummer 288 vom September 2005.
PT-Regierung in der Bredouille: Offener Brief
der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen
Die Vorwürfe des Vorsitzenden der Brasilianischen
Arbeitspartei (Partido Trabalhista Brasileiro, PTB - die Partei
der Diktatur des Estado Novo von 1930 bis 1945) Roberto Jefferson,
die PT Regierung habe sich durch monatliche Zahlungen an Abgeordnete
diverser Parteien Mehrheiten im Parlament gesichert, haben bereits
zu grösseren Veränderungen in der Regierungsmannschaft
geführt. Die Regierung - geschwächt durch den rapiden
Verlust der Unterstützung durch die sozialen Bewegungen und
Teilen der Gewerkschaft - steht den jetzt konzentrierten Angriffen
der traditionellen (korrupten) Eliten und ihrer parlamentarischen
Vertretungen hilflos gegenüber. Jetzt haben alle grossen sozialen
Ogrnaisationen des Landes - neben der CUT und dem Studentenverband
UNE (beide mehrheitlich pro Regierung) auch die Landlosenbewegung
MST, die landesweiten Organisationen der Erwerbslosen, der Obdachlosen,
und viele andere mehr einen offenen Brief an das brasilianische
Volk gerichtet, mit der Aufforderung die Regierung zu verteidigen
und deren Politik zu verändern. Der (portugiesische, mit kurzer
deutscher Zusammenfassung) Aufruf "Carta
ao povo brasileiro" vom 21.Juni 2005
Eine konservative Stadt - und der Aufruhr
Ein Telefoninterview
vom 8.Juli 2004 mit Cristiano da Silva über die Ereignisse
der beiden letzten Wochen in Florianopolis, Hauptstadt des südlichen
Bundesstaates Santa Catarina: Dort hatten seit der vergangenen Woche
Schüler und Studenten gegen die Erhöhung der Nahverkehrspreise
protestiert. Als es am Mittwoch vergangener Woche zu einem massiven
Polizeieinsatz gegen die Jugendlichen kam, der das Stadtbild prägte,
kam es Nachmittags in der "rush-hour" zur massenhaften
Konfrontation mit Pendlern, die mit der Preiserhöhung im Durchschnitt
15,6% mehr bezahlen müssen (Der Mindestlohn wurde gerade um
8% angehoben). Zerstörte Busse, stark beschädigte Busbahnhöfe
und Zerstörungen im Verwaltungsgebäude der wichtigsten
privaten Busgesellschaft waren Ergebnisse dieses Tages - und seitdem
geht der Protest täglich weiter... |