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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eine konservative Stadt - und der Aufruhr

Cristiano, was ist denn in Florianópolis los?

Nun ja, manche würden sagen: Der Teufel. Und zwar in Gestalt des Volkes. Busse werden von Tausenden blockiert, Busbahnhöfe demoliert - Und jetzt gewinnt dieser Teufel auch noch die erste Runde! Die Preiserhöhung im Busverkehr, um die die Auseinandersetzungen gingen - und weiter gehen werden - ist erst einmal für einen Monat zurückgenommen! Dazu muss man wissen, dass in der Stadt nicht nur die einzelnen Buslinien, sondern auch die gesamte Organisation des Nahrverkehrs privatisiert ist. Und die haben dementsprechend ein Preissystem eingeführt, das anders ist, als in vielen brasilianischen Städten, wo es Einheitspreise auf jeder Linie gibt - hier gilt: je weiter, desto teurer. Und je weiter weg, desto ärmer die Vororte - auch das ist wahr, die Fahrt in den Norden oder Süden der Insel (auf der Florianopolis liegt) ist am teuersten. Also treffen die hohen Preise die ärmeren Schichten umso mehr, was es möglicherweise an besseren Jobs in der Innenstadt gäbe, wird durch den teueren Transport wieder weggefressen - deswegen ziehen es viele vor, irgendwas zwischen StrassenhändlerIn, StrandverkäuferIn oder SchwarzhändlerIn von CDs und DVDs zu machen, draussen in den Vororten.

Aber es ging doch mit den Schülern los oder nicht?

Ja, da gibt es schon lange eine Bewegung für kostenlosen Transport zur Ausbildungsstätte, und daraus ist dann letzte Woche - die Preiserhöhung trat am 28.Juni in Kraft - durch massiven Polizeieinsatz die Sache eskaliert, denn, im Gegensatz zur Propaganda der Präfektur, sind diese Initiativen der Jugendlichen ja nicht isoliert, es sind ja ihre Eltern, die die Preise zahlen müssen, und die sind diesmal um 15.6% durchschnittlich verteuert worden. Enorm, zumal wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung der PT den elenden Mindestlohn gerade mal um 8% erhöht hat. Es gibt viele Familien, die bis zu einem Drittel ihres Einkommens für Transport ausgeben müssen - aber es gibt auch sehr viele, bei denen dieser Anteil noch viel höher liegt - ich meine, im teuersten Fall, bei 3 Reais (ca 0,85 Euro) pro Fahrt, wenn man über 50 mal im Monat fahren muss, sind das bald 75% eines Mindestlohns...

Und der Bürgermeister, die Präfektur, die stehen voll auf der Seite der Busunternehmen?

Sie stehen voll auf ihrer Seite - Du weisst doch, sie gehören dazu. Reicht es Dir zu sagen, dass der Bürgermeister eine Bürgermeisterin ist, die auf den Famimiliennamen Amin hört?

Die Tochter des Exgouverneurs?

Seit mehreren Wahlperioden ist sie schon Bürgermeisterin, und diese Familie Amin, die im Kern der traditionellen Oligarchie sitzt, gehört zu den Mitgesellschaftern des grössten Busunternehmens, der Transcol.

Und wie verhält sich die Landesregierung? Ich meine, sie wird ja von der PMDB gestellt, und nicht von PP und PFL, wie die Präfektur, soweit ich weiss?

Nun, die Landesregierung sagt: Über die Erhöhung kann man diskutieren, man kann auch dagegen sein, aber das öffentliche Eigentum muss geschützt werden. Wir haben von der CUT aus dazu gesagt: "Ja". Das öffentliche Eigentum muss geschützt werden - vor den Privatisierern, denn am örtlichen Nahverkehr ist nichts öffentlich - auch die Busbahnhöfe gehören einer Verwaltungsgesellschaft, die zu fast 90% den grössten privaten Busunternehmen gehört...

Ein Wort noch zur offiziellen Begründung der Preiserhöhung, die ich gerade während des Gesprächs auf der homepage der Präfektur lese - der Fahrgastrückgang, stimmt das?

Ach, das ist doch völlig uninteressant, da würde ich mich auf keine Debatte einlassen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es stimmt - die Zahlen stammen ja alle von den Unternehmen, und was die mit Zahlen machen, brauche ich nicht zu erklären. Aber selbst, oder gerade wenn es stimmt: Dann ist es doch Hinweis darauf, dass immer mehr Menschen sich den Bus nicht mehr leisten können - und dann kann es ihnen auch egal sein, wenn die Busse brennen.

 


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