Home > News > Freitag, 09. März 2012 | |
Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, neu im LabourNet Germany am Freitag, 09. März 2012: I. Internationales / USA / Arbeits- und Lebensbedingungen / Deepwater Horizon Entschädigt. Oder nicht? Was bedeuten 7,8 Milliarden Dollar? Nicht vor Gericht wurden die Schadensersatzansprüche gegen BP verhandelt - und eine Einigung wurde erzielt, die ausgesprochen unterschiedlich bewertet wird. "Nach Ölkatastrophe: BP einigt sich mit Klägern auf Milliarden-Zahlung" lautet die Meldung der Frankfruter Rundschau vom 03. März 2012, worin es heisst: "Nach zähem Ringen außerhalb der Gerichte wird der Ölkonzern BP Privatleuten und Firmen 7,8 Milliarden US-Dollar an Entschädigungen für die Ölpest im Golf von Mexiko zahlen. Allein 2,3 Mrd Dollar gehen in die Fischereibranche. Das ist das Ergebnis einer Übereinkunft mit einem Steuerkreis von über 100 000 Klägern, die gegen den Ölgiganten vor Gericht ziehen wollten, wie der Konzern am frühen Samstagmorgen in London mitteilte..." Aber ganz anders wird die Bedeutung der Einigung beurteilt, wenn in erster Linie darauf verwiesen wird, dass BP eben keinerlei Strafe erfährt, obwohl Lug und Betrug im Wortsinne auf der Hand liegen - abgerundet dadurch, dass die US-Regierung BP verpflichtet hatte, mindestens 20 Milliarden zurückzulegen für Strafe und Entschädigung - so wird es in dem Beitrag "BP Settlement Sells Out Victims – Buries Evidence of Oil Company’s Willful Negligence" von Greg Palast am 04. März 2012 in "The Mudflats" unterstrichen. Palast hatte für die BBC eine vierteilige Fernsehserie über BP gemacht und sieht Unternehmen und Rechtsanwälte als Sieger des privaten Deals - viele Betroffene, die Umwelt und die Wahrheit als Verlierer... II. Internationales / Brasilien / Arbeitsbedingungen Bosch Brasilien: Arbeitssicherheit öffentlich diskutieren? Verboten! Bosch Campinas (in der Nähe von Sao Paulo) wird einmal mehr umstrukturiert - und da stören Stimmen aus der Belegschaft, die das kritisch sehen. Deswegen soll nach Willen des Unternehmens jetzt ein Strafbefehl von rund 45.000 Euro an drei Mitglieder und vier ehemalige Mitglieder der CIPA erlassen werden. Die CIPA ist nach brasilianischen Arbeitsgesetzen nach wie vor (obwohl es inzwischen zahlreiche Betriebsräte mit ähnlich eingeschränkter Funktion wie in der BRD gibt) die einzige im Betrieb gewählte Vertretung der Belegschaft und für Arbeitssicherheit und -gesundheit verantwortlich. Grund der Verfolgung: Die Betriebszeitung "Cipeiros de Luta", die die Verfolgten herausgeben, habe Betriebsgeheimnisse verraten und vor allem verleumdet, was die Belegschaft, zumindest die Mehrheit der 5.000 Beschäftigten, offensichtlich anders sieht. Der Lagebericht "Bosch, autopeças alemã, ataca grupo de cipeiros de Campinas (SP)" vom 28. Februar 2012 (den wir hiermit kurz zusammengefasst haben) auf der Seite von CSP-Conlutas, samt Solidaritätsaufruf. III. Internationales / Südafrika Landesweiter Streik gegen Leiharbeit: Schluss mit dem Sklavenhandel! Einen landesweiten Kampftag gegen Zeitarbeit hatte der Gewerkschaftsbund COSATU für den vergangenen Mittwoch ausgerufen. Zeitarbeit bedeutet auch und erst recht in Südafrika: Weniger Geld für dieselbe Arbeit. Mit anderen Worten: Armut. Breite Streikbeteiligung und grosse Demonstrationen machten klar, dass hiermit ein großes Problem angesprochen wurde. Aber auch andere Forderungen wurden massiv vertreten, wie etwa die Nichteinführung von Benutzungsgebühren für Schnellstraßen - und die Kampagne gegen Korruption. Die Kommentatoren waren sich weitgehend einig, dass es sich um eine Demonstration der Stärke der COSATU gehandelt habe, was auch die Absicht gewesen sei, Präsident ist Jacob Zuma schliesslich nicht zuletzt wegen des massiven Einsatzes der COSATU für ihn geworden. In Johannesburg, bei der größten Kundgebung, an der rund 50.000 Menschen teilnahmen kam es dabei zu einem Politikum, als die Demonstranten in massiven Sprechchören Rederecht für Julius Malema forderten, der gerade aus dem ANC ausgeschlossen worden war, wird in dem Bericht "Cosatu protest a mirror of class inequalities" von MATUMA LETSOALO & SAPA am 07. März 2012 beim Mail und Guardian unterstrichen. Siehe dazu auch: "South Africans protest against exploitative labour" von Crystal Van Wyk am 07. März 2012 in The Africa Report - ein Beitrag in dem vor allem die Hintergründe dieses Streiks und der Proteste, also die soziale Lage von Zeitarbeitern behandelt wird. Sowie: "South African Workers Protest Against Labour Broking" eine Artikelsammlung bei allafrica über den Streiktag, wobei auch Berichte aus kleineren Orten enthalten sind. Schliesslich: "COSATU NW congratulates members and the community for their participation in the national strike" die offizielle Presseerklärung der COSATU vom 08. März 2012 in der unterstrichen wird, dass ein Kampftag sicher nicht genug sei, um den Menschenhandel zu beenden... IV. Internationales / Ägypten / Gewerkschaften Signal für Attacke? Das Urteil eines Helwaner Gerichts gegen Kamal Abbas, den Generalkoordinator des Center for Trade Union and Workers Services (CTUWS) - LabourNet berichtete - stösst auf einhellige Empörung und auf breiten Protest. Das CTUWS war ein wesentlicher Ausgangspunkt der neuen unabhängigen Gewerkschaften in Ägypten, schon vor dem Sturz Mubaraks - und seine angeblich Beleidigung bestand ja darin, dass er einem Topfunktionär der Mubarak-Gewerkschaft bei der ILO-Tagung das Recht absprach, für Ägyptens Gewerkschaften zu sprechen. Deswegen verstehen auch alle Kritiker dieses Urteil als ein Signal für die Attacke auf die neuen Gewerkschaften. Der Aufruf des Internationalen Gewerkschaftsbundes "Egypt: ITUC Call to Drop All Charges Against Kamal Abbas" vom 01. März 2012 macht diese Haltung deutlich. Siehe dazu auch: "Ägypten: Urteil gegen Kamal Abbas aufheben!" die Act now! Labourstart Kampagne zur Solidarität mit Kamal Abbas. Sowie: "Egypt: UK trade union leaders and MPs condemn attacks on workers’ movement" auf der englischen MENA-Solidaritätsseite, worin neben diesem Urteil auch mehrere nahezu zeitgleiche Vorfälle berichtet werden: Das Vorgehen der Behörden gegen streikende Justizangestellte in Suez, die Messerattacke auf Kollegen der Unabhängigen Gewerkschaft im öffentlichen Nahverkehr - wobei Funktionäre der alten Gewerkschaft im Verdacht stehen - und anderes mehr, was signalisiert, dass es durchaus keine Einzelfall ist, wenn ein eigentlich lächerliches Urteil gesprochen wird... V. Internationales / Japan / Tsunami-Fukushima Ein Jahr danach... Am Sonntag jährt sich der GAU von Fukushima - und immer noch werden jede Woche neue Fakten über das Zustandekommen der Katastrophe und die Haltung der Verantwortlichen und Betreiber vor und nach dem Erdbeben ans Licht gebracht, die die übelsten Vorstellungen übertreffen. "Ich stamme aus Fukushima-City in der Präfektur Fukushima. Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Seit dem 11. März 2011 wünsche ich mir, nicht sagen zu müssen woher ich komme, wenn ich jemanden zum ersten Mal treffe. Und das obwohl Fukushima, meine einzige, schöne Heimat ist und eine reiche Natur und schöne Landschaft hat. Sie ist wegen der Explosion des Atomkraftwerks bekannt geworden. Die Region ist zum Synonym für die Atomkatastrophe geworden. Hier in Deutschland, 9.000 km von Japan entfernt, fühlt sich für mich das Unglück vor etwa einem Jahr wie ein Ereignis aus der Vergangenheit an. Oder sogar als sei es eigentlich gar nicht passiert. Solange ich hier bin, kann ich es vielleicht verdrängen. Aber das atomare Unglück ist Realität, man kann es nicht mehr ändern. Egal wie viel Zeit verstreichen wird, wie sehr ich meine Augen davon abwenden und vergessen möchte, die Realität ist da" - so beginnt der persönliche Bericht "Die Selbstverständlichkeit des Alltags ist verschwunden" von Naho Dietrich Nemoto in der Graswurzelrevolution Ausgabe März 2012. Siehe dazu auch: "Doro Chiba Quake Report Nr 40" vom 08. März 2012, mit einer Erklärung des Gewerkschaftsvorsitzenden Yasuhiro TANAKA zu den Demonstrationen zum Jahrestag und vielen konkreten Fakten zum keineswegs skandalösen, sondern völlig normalen Gang der atomaren Verbrechensdinge... VI. Internationales / Kolumbien / Gewerkschafter in Lebensgefahr Der Tod des Luciano Romero endlich vor Gericht? "Ein kolumbianischer Gewerkschafter hätte 2005 vor einem internationalen Tribunal gegen den Lebensmittelkonzern Nestlé aussagen sollen. Wenige Tage zuvor wurde er mit fünfzig Messerstichen zu Tode gefoltert. Jetzt soll eine Strafanzeige gegen Peter Brabeck und weitere Manager sowie gegen Nestlé klären, ob diese eine Mitverantwortung tragen" so beginnt der Artikel "Die Ermordung des Gewerkschafters Luciano Romero" von Toni Keppeler am 08. März 2012 in der WoZ. VII. Internationales / El Salvador / Arbeitskämpfe Lehrerstreik unter besonderen Bedingungen Die linke Regierung, die keiner braucht: Wenn sie den neoliberalen Kurs fährt, wie die von Funes in El Salvador - wobei sie wahrlich nicht alleine auf der Welt steht. Um die Auflagen des IWF zu erfüllen (Verschuldung senken, versteht sich) sollen die vorgesehenen Erhöhungen der Lehrergehälter ausfallen. Die Lehrergewerkschaft Simeduco hat dagegen zum ersten landesweiten Streik aufgerufen - dem Aufruf folgten etwa 12.500 der über 43.000 Lehrer und Lehrerinnen des Landes, vor allem in ländlichen Gebieten und den Vorstädten, dort, wo diese unabhängige Gewerkschaft stärker ist als im Zentrum der Städte. Während das Kulutusministerium öffentlich den Streikenden vorwarf, das Recht der Kinder auf Schulbildung zu verletzen, werden nun intern Verfahren gegen rund 180 Streikaktivisten eingeleitet... Die Pressemitteilung "COMUNICADO DE PRENSA SIMEDUCO BALANCE DE SUSPENSIÓN DE CLASES 5 Y 6 DE MARZO" der Simeduco vom 07. März 2012. VIII. Internationales / Kenia Streik im Gesundheitswesen eigenständig fortgesetzt - alle entlassen ? Die kenianischen Krankenschwestern (vor allem) haben das zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber am vergangenen Sonntag nach zwei Streiktagen ausgehandelte Abkommen nicht angenommen und ihren Streik fortgesetzt. Das Abkommen sah vor: Dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die Grundlagen für ein Abkommen erarbeitet... Versprechungen und Vertröstungen hätten sie bereits genug gehabt, betonten viele Krankenschwestern in den Medien. "Kenya: Health Workers Strike Called Off" von Ramadhan Rajab vom 06. März 2012 im Nairobi Star (gespiegelt bei allafrica) berichtet auch über die Probleme vor denen die beiden Gewerkschaften Kenya Health Professionals Society und Union of Kenya Civil Servants dabei stehen, ihre Mitglieder wieder an die Arbeit zu rufen... Siehe dazu auch: "Die kenianische Regierung entlässt 25.000 Krankenschwestern im Streik" - AFP Meldung vom 08. März 2012 auf deutsch übersetzt vom Afrika News Archiv und auf dessen Seite. IX. Internationales / Litauen Bier ist lebenswichtig. Streikverbot bei Carlsberg Streiken wollte die Belegschaft von Carlsberg Bier - daran wurden sie per Gerichtsverfügung gehindert. Erst nach diesem Vorgang wurde der Grund dafür bekannt: Die Unternehmensleitung hatte mit den Behörden einen Deal abgeschlossen, nach dem Bierbrauen wie Strom und Wasser ein Grundbedürfnis befriedigt, weshalb für die Beschäftigten Streikverbot gilt...So wird es in dem kurzen Bericht "Carlsberg re-classified as an ‘essential service’ to prevent workers from striking" vom 05. März 2012 bei libcom.org festgehalten. Siehe dazu auch: "Carlsberg Lithuania - 'worst excuse in the world' for union busting" ein Überblick vom 06. März 2012 über die Entwicklung bei Carlsberg von und bei der IUF - dort gibt es auch eine Mailkampagne zur Solidarität. X. Internationales / Estland Nahverkehr: Solidaritätsstreik mit Lehrern Am Donnerstag, den 8. März organisierten die Gewerkschaften des öffentlichen (Nah)verkehrs etwas, das in der BRD verboten wäre: Solidaritätsstreiks mit den streikenden Lehrern, die nicht nur um Gehaltserhöhungen kämpfen, sondern auch gegen eine Novellierung der Arbeitsgesetze, die vor allem prekäre Beschäftigung vereinfachen würde. In Tallinn ruhte der Nahverkehr fast ganz und auch zahlreiche Züge fuhren nicht, wird in dem Beitrag "Transport workers start support strike in Tallinn" von Juhan Tere am 08. März 2012 beim Baltic Course berichtet. Siehe dazu auch: "Teachers' Strike, Day 2" ein kurzer Bericht von Erkki Sivonen am 08. März 2012 beim öffentlichen Rundfunk ERR. XI. Internationales / Frankreich / Politik und Wirtschaft a) Deutsches Vorbild? ""Modell Deutschland" - unter Helmut Schmidt dereinst ein politischer Werbeslogan in der BRD, der durch Linke heftig kritisiert wurde - lautet für einen Teil der politischen Elite Frankreichs offenkundig die Devise. Eingekeilt zwischen der vermeintlich krisenfesten Ökonomie des deutschen Exportweltmeisters einerseits und den südeuropäischen "Krisenländern" und "Schuldenstaaten" andererseits, orientiert die aktuelle Regierung voll auf die Annäherung an das vermeintliche "Modell" östlich des Rheins. Allerdings unter gesamtwirtschaftlichen Voraussetzungen, die höchst ungleich ausfallen" - so beginnt "Modell BRD" von Bernard Schmid vom 09. März 2012. b) Wahlhetze gegen Juden und Moslems "Wahlkampf nicht mit inhaltlichen Vorhaben, sondern auf dem Rücken und auf Kosten von Minderheiten - eine alte Masche, die doch immer wieder verfängt. Dies dachten sich ganz offenkundig Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und einige seiner führenden Gefolgsleute in den letzten Wochen. Nunmehr protestieren sowohl jüdische als auch muslimische Verbände heftig gegen seinen Wahlkampf" - so beginnt "Frankreich: Wahlkampf der Regierungsrechten spitzt sich auf Moslems & Juden zu" von Bernard Schmid vom 09. März 2012 c) Soziale Demagogie der Rechten... "Wird die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen bei der bevorstehenden französischen Präsidentschaftswahl von Ende April und Anfang Mai dieses Jahres dabei sein? Am Vormittag des 29. Februar 12 kündigte sie jedenfalls gegenüber der Presse an, "natürlich, zum Glück" sei sie dabei, sich der Anzahl von 500 Unterstützungsunterschriften gewählter Mandatsträger "zu nähern". Mindestens 500 solche "Patenschaften" von Bürgermeistern, Regional- oder nationalen Parlamentariern oder Europaparlamentsabgeordneten sind erforderlich, um als Präsidentschaftskandidat oder -kandidatin antreten zu können" - so beginnt "Die extreme Rechte vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen: Soziale Demagogie aus allen Rohren" von Bernard Schmid vom 09. März 2012. d) Linke ungefährlich... "Auch so kann man, wenn man als Kandidat zu einer wichtigen Wahl antritt, um Sympathien für sich werben: I'm not dangerous, erklärte der aussichtsreiche französische Präsidentschaftskandidat François Hollande - der Bewerber der Sozialdemokratie für das höchste Staatsamt - am Mittwoch, den 29. Februar 12 in London demonstrativ vor Kameras und Blitzlichtern. Ungefährlich, das wollte er dabei betonen, sei er vor allem für die Kapitelvertreter. Darunter jene der Finanzbranche, die seit den Weichenstellungen der Regierung Margaret Thatchers in den achtziger Jahren eine ihrer internationalen Hochburgen in der City of London besitzt" - so beginnt ",Trotzdem gefährlich' Frankreich: Sozialdemokratie, etablierte Linke und Gewerkschaften im Wahlkampf - zwischen Ankündigung eines neuen Spitzesteuersatzes und sozialpolitischer Resignation" von Bernard Schmid vom 09. März 2012 ...bis nächsten Freitag, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |