Allianz gegen Gewerkschaftsgesetz 35/1976 gebildet
Die Egyptian Federation of Independent Trade Unions (EFITU) und der Egyptian Democratic Labor Congress (EDLC), sowie diverse linksorientierte Organisationen wie Egyptian Social Democratic Party, Egyptian Communist Party, Tagammu Party, Karama Party, Socialist Popular Alliance Party, Constitution Party, Adl Party, und die Egyptian Socialist Party sowie weitere haben am vergangenen Montag eine Allianz für eine neues Gewerkschaftsgesetz geschlossen. Dies ist, nach der Spaltung der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung in zwei Föderationen, die erste große gemeinsame Aktivität der gesellschaftlichen Linken. Das alte Gewerkschaftsgesetz, noch aus Sadats Zeiten stammend, soll gestrichen werden und stattdessen ein neues erreicht, das Gewerkschaftsfreiheit und Streikrecht garantiert, sowie eine Grenze der Einkommensspreizung auf maximal 15:1. Die Pressekonferenz nach der Tagung wurde von dem zeitweisen Arbeitsminister Ahmad Hassan al-Borai geleitet, der in seiner Amtszeit einen Kurzentwurf für ein solch neues Gesetz hatte ausarbeiten lassen. "Independent unions declare new alliance" von Jano Charbel am 15. Oktober 2012 im Egypt Independent.
Anderthalb Jahre danach: Gewerkschaften in der Auseinandersetzung
Eine Bilanz der Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung Ägyptens in den rund anderthalb Jahren nach dem Sturz Mubaraks versucht der Artikel "Who speaks for Egypt's workers?" von Dina Bishara am 06. September 2012 bei Foreign Policy zu ziehen. Die Zusammenarbeit verschiedener konservativer Kräfte mit dem staatstragenden pro-Mubarak Verband ETUF hat ebenso dazu beigetragen, dass die Gewerkschaftsbewegung nicht jene Kraft entwickeln konnte, die viele erwartet hatten - und die angesichts verschiedenster Streikwellen potenziell immer noch vorhanden ist - wie die Spaltung der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung in zwei Verbände...
Gewerkschaften, Bruderschaft und Militärrat - eine Zwischenbilanz
In einem Parlament, wo die Partei der Bruderschaft 235 Sitze hat - wie sieht es da mit den Bestrebungen der ArbeiterInnen aus? Mehrheitlich eine Bewegung, die keine Kritik an Mubaraks neoliberaler Orientierung übte, höchstens daran, dass Korruption ihre Umsetzung behindere, die nach der Verstaatlichung der Gewerkschaften durch Nasser 1957 in ihren damaligen Zeiten durchaus als Streikbrecher eingesetzt wurde? In dem ausführlichen Artikel "Labor Woes in an Islamist Parliament" lässt Autor Aaron Ross am 12. März 2012 in Business Today Egypt Gewerkschafter und linke Aktivisten zu Wort kommen.
Siehe dazu auch: "Egypt’s labour movement increases in intensity" von Marwa Hussein am 09. März 2012 in Ahram Online - der einen neuen Aufschwung der Arbeiterproteste in den ersten Märztagen 2012 feststellt.
Sowie: "Celebrating the first Anniversary of Declaration of Trade Union Freedom" eine Presseerklärung des CTUWS zum Jahrestag der Gewerkschaftsfreiheit am 12. März 2012 in der auch eine grobe aktuelle Bilanz gezogen wird.
Solidarität mit Kamal Abbas
Am 8. April 2012 wird die Berufung des CTUWS Koordinators Kamal Abbas verhandelt, der zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, weil er bei der ILO Tagung 2011 einem Mubarak-Mann nicht erlauben wollte, für die ägyptischen Gewerkschaften zu sprechen. Unter der Überschrift "8th of April, 2012 to look at Kamal Abbas' opposition on the verdict that has been issued in absentia by the Misdemeanor court in Helwan to six months imprisonment" gibt CTUWS den Termin bekannt und hat bei dieser Meldung auch eine schnelle Möglichkeit, Solidaritätsmails zu schicken eingebaut.
Signal für Attacke?
Das Urteil eines Helwaner Gerichts gegen Kamal Abbas, den Generalkoordinator des Center for Trade Union and Workers Services (CTUWS) - LabourNet berichtete - stösst auf einhellige Empörung und auf breiten Protest. Das CTUWS war ein wesentlicher Ausgangspunkt der neuen unabhängigen Gewerkschaften in Ägypten, schon vor dem Sturz Mubaraks - und seine angeblich Beleidigung bestand ja darin, dass er einem Topfunktionär der Mubarak-Gewerkschaft bei der ILO-Tagung das Recht absprach, für Ägyptens Gewerkschaften zu sprechen. Deswegen verstehen auch alle Kritiker dieses Urteil als ein Signal für die Attacke auf die neuen Gewerkschaften. Der Aufruf des Internationalen Gewerkschaftsbundes "Egypt: ITUC Call to Drop All Charges Against Kamal Abbas" vom 01. März 2012 macht diese Haltung deutlich.
Siehe dazu auch: "Ägypten: Urteil gegen Kamal Abbas aufheben!" die Act now! Labourstart Kampagne zur Solidarität mit Kamal Abbas.
Sowie: "Egypt: UK trade union leaders and MPs condemn attacks on workers’ movement" auf der englischen MENA-Solidaritätsseite, worin neben diesem Urteil auch mehrere nahezu zeitgleiche Vorfälle berichtet werden: Das Vorgehen der Behörden gegen streikende Justizangestellte in Suez, die Messerattacke auf Kollegen der Unabhängigen Gewerkschaft im öffentlichen Nahverkehr - wobei Funktionäre der alten Gewerkschaft im Verdacht stehen - und anderes mehr, was signalisiert, dass es durchaus keine Einzelfall ist, wenn ein eigentlich lächerliches Urteil gesprochen wird...
Kamal Abbas verurteilt: Internationale Solidarität für unabhängige Gewerkschaften
Am 26. Februar 2012 wurde vor einem Gericht in Helwan der Generalkoordinator des Center for Trade Union and Workers Services CTUWS, Kamal Abbas zu sechs Monaten Haft verurteilt - wegen Beleidigung eines Amtsträgers...Was zunächst skurril erscheinen mag, ist in Wirklichkeit hochpolitisch - denn dieser "Amtsträger" war niemand anderes als Ismail Ibrahim Fahmy, der amtierende Vorsitzende des noch bestehenden (einst, bis zuletzt) mubaraktreuen Gewerkschaftsbundes ETUF. Ort der angeblichen Beleidigung: Die ILO Tagung in Genf im Juni 2011, während der Kamal Abbas dem ehrenwerten Herrn Fahmy das Recht absprach, für die ägyptischen Gewerkschaften zu reden. In der Pressemitteilung "A judgment in absentia has been issued on Kamal Abbas, CTUWS general coordinator, of six months imprisonment" vom 29. Februar 2012 unterstreicht das CTUWS, dass es für diese Verurteilung keine klare gesetzliche Grundlage gibt, und dass dies erst recht darauf verweise, dass es sich um einen politischen Akt gegen die neue Gewerkschaftsbewegung handele.
Siehe dazu: "ITUC Call to Drop All Charges Against Kamal Abbas" - der Aufruf des Internationalen Gewerkschaftsbundes vom 01. März 2012 zur Solidarität und für die bedingungslose Rücknahme des Urteils und der Anklage.
Militärpolizei gegen Streikende am Flughafen: Gewerkschaftsbund unterstreicht Streikrecht
Während die Militärpolizei gegen streikendes Bodenpersonal von Egypt Air am Kairoer Flughafen gewaltsam zu Werke ging werden zahlreiche andere Streiks einstweilen unbehelligt fortgeführt, neue angekündigt und andere wiederaufgenommen. "Die 22.000 Textilarbeiter der Spinnerei von Mahalla haben gesagt, daß sie dies Gesetz nicht beachten werden und es sie nicht davon abhalten wird, um für ihre Ziele zu streiken. Ab dem 10. September wollen sie für einen höheren Mindestlohn, für 200% Prämienaufschlag, verstärkte Investitionen und die Bereitstellung von Rohmaterialien zur Aufrechterhaltung der Produktion streiken" - zitiert aus der Erklärung "Hunderttausende vor Massenstreiks" des Verbandes unabhängiger Gewerkschaften Ägyptens, die am 07. September 2011 in deutscher Übersetzung bei der Linken Zeitung publiziert wurde.
Siehe dazu auch: "Military police break up workers' strike at Cairo Airport" von Youssef El-Aumi am 07. September 2011 bei Al Masry Al Youm.
Gewerkschaften in Gründung
„Die Arbeiterbewegung in Ägypten ist im Aufbruch und weiß noch nicht genau wohin. In Ägypten formieren sich Woche für Woche mehr und mehr unabhängige Gewerkschaften. Die Umstände dieser Gründungen sind schwierig, schließlich verbieten die noch geltenden Gesetze eigentlich freie Gewerkschaften. Doch die Bewegung ist nicht mehr aufzuhalten. Der DGB will sie unterstützen, denn ohne unabhängige Gewerkschaften ist kein demokratischer Staat zu machen…“ Artikel von Gesa von Leesen im Neues Deutschland vom 15.07.2011 . Aus dem Text: „(…) All das war auch Thema bei einem Besuch ägyptischer unabhängiger Gewerkschafter in Berlin. Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung und des DGB besuchten sie Betriebe, trafen deutsche Gewerkschafter und auch den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer. Der versprach Hilfen – von Beratung bis zum Kopiergerät werde schließlich alles mögliche benötigt. Madiha Morsy von der Grundsteuerbehörden-Gewerkschaft bittet in Berlin vor allem um politische Unterstützung. Mit Blick auf die Toten vom Tahrirplatz sagt er: »Es ist schwer vorstellbar, was die Vertreter des ETUF uns angetan haben. Es ist wichtig, dass Sie uns helfen, damit die ETUF verboten wird.« Das könnte schwierig für den DGB werden. Eine machtvolle Demonstration auf dem Tahrirplatz dürfte die derzeit Mächtigen da eher beeindrucken…“
- DGB hilft beim Aufbau freier ägyptischer Gewerkschaften
"Auf Einladung von Friedrich-Ebert-Stiftung und DGB hat eine Delegation von Vertretern unabhängiger Gewerkschaftsorganisationen aus Ägypten Deutschland besucht. Die KollegInnen informierten sich über die betriebliche Organisation und die Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen. Bei einem Pressegespräch versprach der DGB-Vorsitzende Michael Sommer Unterstützung beim Aufbau eines unabhängigen ägyptischen Gewerkschaftsbundes..." Meldung bei DGB vom 27.06.2011
Mubaraks Gewerkschaft sucht die Flucht nach vorne...
Anfang Juni tagte in Genf, wie jedes Jahr, die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Dabei stand auch die Lage in Ägypten auf der Tagesordnung. Als der Vertreter der ETUF das Wort ergriff, wurde er von dem Vertreter der unabhängigen Gewerkschaften unterbrochen, mit dem Argument, der ETUF könne nicht als ägyptische Gewerkschaft reden. Eine Organisation, die im Laufe ihrer ganzen Geschichte nie auf Seiten der Arbeiter, sondern immer auf Seiten der Regierung gestanden habe, habe diesen Anspruch nicht nur verwirkt, sondern nie erfüllt.
- Die Attacke von ETUF
"ETUF threatens strike against manpower minister" von Tamim Elyan am 12. Juni 2011 bei Daily News Egypt fasst die Attacken des amtierenden ETUF-Vorsitzenden Ismail Fahmy (der eigentliche sitzt im Knast) gegen den Arbeitsminister zusammen, weil der Minister eben die Bildung unabhängiger Gewerkschaften befürwortet...
- Die Antwort
"In Response to the Allegations of the Egyptian Trade Union Federation" vom 14. Juni 2011 ist die Antwort der CTUWS auf diese Attacke und die Auseinandersetzungen während der ILO-Tagung, in der nochmals unterstrichen wird, dass ETUF keinerlei Recht hat, sich als Gewerkschaft ägyptischer Arbeiter aufzuführen.
"The same procedure as every year?"
Der Arbeitsminister der ägyptischen Übergangsregierung hat entschieden, dass der Vorstand der Gewerkschaftsföderation ETUF die ägyptischen Gewerkschaften bei internationalen Zusammenhängen vertreten sollen - dagegen hat die Föderation unabhängiger Gewerkschaften heftig Protest eingelegt und erneut auf die, gelinde gesagt, unrühliche Rolle des ETUF im Mubarak-Regime hingewiesen. Die Antwort des Ministeriums war der Hinweis auf die Gewerkschaftswahlen im November 2011. Die Situation wird beschrieben in dem Beitrag "Independent labor union rejects minister decision on representation" von Hisham Yas am 20. Mai 2011 in AlMasry AlYoum.
RETA: Erste Unabhängige Gewerkschaft anerkannt
Erstmals seit mehr als 50 Jahren gibt es mit der RETA - Gewerkschaft der kommunalen Finanzangestellten - eine, seit dem 21. April, offiziell zugelassene unabhängige Gewerkschaft: Ergebnis einer der längsten der vielen Streikbewegungen der beiden letzten Jahre. Am 24. April wurde sie in die PSI aufgenommen, der Internationale der öffentlichen Dienste im ITUC. Die Erklärung "PSI Confirmed" des CTUWS vom 24. April 2009.
Unabhängige Steuergewerkschaft will Gewerkschaftsbund nicht beitreten
Im Dezember 2008 wurde - nach dem langen, erfolgreichen Streik der Angestellten der Finanzbehörden - die erste unabhängige Gewerkschaft Ägyptens seit mehr als 50 Jahren gegründet. Wie ernst die Herrschenden diese Gründung nehmen, zeigte sich Anfang März bei einem bisher nicht nur unbekannten, sondern beinahe auch undenkbaren Vorgehen: Der Vorsitzende des staatstragenden Gewerkschaftsbundes EFTU, Hussein Megawer lud die neue Gewerkschaft ein, seinem Verband beizutreten. Jetzt hat der Vorstand der unabhängigen Steuergewerkschaft diese Einladung abgelehnt - man wolle nicht Bestandteil des vom Staat kontrollierten Gewerkschaftsbundes werden, vermeldet in "Free union refuse to join state-controlled federation" Per Bjorklund in seinem Blog "Egypt and beyond" am 17. März 2009.
CTUWS: Urteil revidiert - Freispruch für Kamal Abbas
Letztes Jahr war der Koordinator des gewerkschaftsoppositionellen Netzwerks CTUWS, Kamal Abbas aufgrund einer Privatklage eines Abgeordneten (im Rahmen allerdings der Hetzkampagne staatlicher Medien und des Gewerkschaftsbundes ETUF) zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Um bis zur Berufung in Freiheit zu bleiben, musste er Kaution bezahlen - in dieser Berufung nun allerdings legten seine von der demokratischen Bewegung gestellten zahlreichen Anwälte dermaßen viel konkretes Material über den klagenden Abgeordneten bzw seine Geschäfte vor, dass die Richter nicht anders konnten, als Abbas freisprechen. Die (englische) "Erklärung" des CTUWS zum Freispruch vom 28. Februar 2008.
Trotz koordinierter Antikampagne weiterhin erfolgreich aktiv - die Basisgewerkschaftsbewegung
Eine Art Jahresbilanz für 2007 - ein Jahr, in dem die sozialen Auseinandersetzungen im Lande regelrecht explodiert sind, was Zahl, Umfang und Intensität betrifft, zieht das CTUWS in seiner Pressemitteilung "A March of struggle" vom 4. Dezember 2007.
Der Kampf um
die Zulassung des CWTUS
Als eine der Reaktionen auf die nach den vielen Streiks
der letzten Monate geradezu panischen Repressionsversuchen gegen
das CWTUS hatte dieses am 13. Juni diesen Jahres einen Antrag auf
amtliche Registrierung als Nichtregierungsorganisation gestellt
- erst zum Ablauf der maximal 60tägigen Frist wurde bekanntgegeben,
dass dieser Antrag abgelehnt wurde - aufgrund der Bedenken der Sicherheitsbehörden...Und
dies nachdem die Dokumente monatelang mit zuständigen Ministerien
diskutiert worden waren. Dazu die (englische) Presseerklärung
"Insistence
to Continue Oppression on The Center for Trade Union and Workers
Services (CTUWS)" vom 14. August 2007, inklusive eines
Solidaritätsaufrufs.
Auch mit geschlossenen Büros geht die Arbeit
weiter
Was sich in allen möglichen Ländern dieser
Welt Gewerkschaftsbürokraten aller Art nicht vorstellen können:
Da kriegst Du Dein Büro geschlossen, und die Arbeit geht einfach
weiter...Ganz so einfach ist es nicht - aber dass die Arbeit der
CTUWS auch nach der koordiierten Attacke der Staatsmacht und ihrer
Gewerkschaft weitergeht, ist selbst der Mainstreampresse Ägyptens
aufgefallen. In dem (englischen) Bericht "Workers
remain undaunted"
von Faiza Rady in Al Ahram Weekly vom 3. Mai 2007 wird die konkrete
Weiterarbeit ausführlich geschildert - es geht eben auch ohne
großen Apparat...
ITUC protestiert gegen die Verfolgung des CWTUS
Die Proteste gegen die koordinierten Attacken von
Mubaraktreuen Gewerkschaften und Behörden gegen die Gewerkschaftsopposition
in Ägypten werden breiter - nach zahlreichen ägyptischen
Nichtregierungsorganisationen protestiert jetzt auch der Internationalöe
Gewerkschaftsbund. In dem (englischen) offenen Brief "Egypt:
labour NGO Shut Down by Administrative Decision"vom 20.
April 2007 protestiert der ITUC gegen die Repression der Behörden
gegen das CWTUS.
Verbot des CTUWS in Mahalla
Nach den erheblichen Problemen der staatstragenden
Gewerkschaftsbürokratie der ETUF bei den Gewerkschaftswahlen
und der Hetzkampagne die die "obersten Gewerkschaftsführer"
über regimenahe Medien starteten, kommt es nicht überraschend:
jetzt gibt es erneut ein Dekret zur Auflösung einer regionalen
Gliederung des gewerkschaftsoppositionellen CTUWS - in Mahalla,
der zweite Ort, wo das passiert, zumindest in einem weiteren Ort
"liegt es in der Luft". Dazu die aktuelle Materialsammlung
"Mundtot machen?"
vom 19. April 2007
Amoklauf eines Bürokraten
Die jüngsten Streiks und die sichtbare Unzufriedenheit
immer größerer Teile der ägyptischen (Textil-) ArbeiterInnen
lassen Mubaraks Gewerkschaftsbürokraten im ETUF offensichtlich
hypernervös werden - und nicht klüger. Weil die oppositionelle
Al Wafd Zeitung das Statement der zivilgesellschaftlichen Organsationen
über den Angriff der ETUF-Häuptlinge gegen das CTUWS abdruckte,
attackierte der Gewerkschaftsbundobere nun einen Journalisten -
und handelte sich Ärger mit der Journalistengewerkschaft ein.
Die (englische) Pressemitteilung "CRISIS
ESCALATION BETWEEN “ETUF” AND THE JOURNALISTS SYNDICATE"
des CTUWS vom 18. Februar 2007.
Gemeinsam gegen die Hetzkampagne der Gewerkschaftsbürokratie
Der Auftritt des Sekretärs des Gewerkschaftsbundes
ETUF im Fernsehen hat, mit seinen Hetztiraden, eine regelrechte
Medienkampagne gegen das Gewerkschaftsoppositionelle CTUWS ausgelöst
- bzw eingeleitet. Und dem Center auch viel Macht zugebilligt: Es
sei der Drahtzieher hinter den gegenwärtigen neuerlichen Textilarbeiterstreiks.
Nun haben sich 24 politische Organisationen und Initiativen in einer
gemeinsamen Erklärung mit dem CTUWS solidarisch erklärt
und eine Erweiterung statt einer Verengung der demokratischen Spielräume
in Ägypten gefordert. Dabei verweisen sie auf die peinliche
Situation der Gewerkschaftsbürokratie: Reihenweise beachten
streikende Belegschaft die gerade eben - angeblich stets mit grossen
Mehrheiten - gewählten betrieblichen Gewerkschaftskomitees
nicht... Die (englische) Erklärung "OUR
SOCIETY NEEDS TO EXPAND AND NOT TO SHRINK THE SPACE AVAILABLE FOR
THE CIVIL SOCIETY" vom 14. Februar 2007.
Mubaraks Gewerkschaftschef attackiert BasisgewerkschafterInnen
Die Streiks in immer mehr Bereichen haben wohl das
Nervenkostüm angekratzt - erst recht die damit immer öfter
verbundene Abwahl betrieblicher Gewerkschaftskomitees, die doch
offiziell erst jüngst gewählt worden sein sollen. Jetzt
hat der ETUF Vorsitzende über das Fernsehen eine heftige Attacke
gegen das CTUWS geritten: Auslandsfinanziert, die Nation schädigend
und das übliche Arsenal mit dem Polizeiaktionen vorbereitet
werden. Dagegen wurde auf einer Pressekonferenz von 15 Organisationen
der Zivilgesellschaft protestiert. Die (englische) "Declaration
of the Non Governmental Organizations Participating in the Conference"
vom 7. Februar 2007.
Staatlich kontrollierte Gewerkschaften - ein Grundproblem?
Im Zusammenhang mit dem grossen (und erfolgreichen)
Textilarbeiterstreik von Ende 2006 wird in dem (englischen) Beitrag
"Egypt
and the Problem of Government-Controlled Labor Movements"
vom 23. Januar 2007 beim Global Labour Blog das prinzipielle Problem
Staat - Gewerkschaften in einem historischen Abriss der ägyptischen
Gewerkschaftsbewegung behandelt, in dem auch Kamal Abbas, Direktor
des Center for Trade Union and Workers’ Services zu Wort kommt.
Wahlen angezweifelt - strafversetzt...
Bei den Gewerkschaftswahlen in Ägypten gab es
zahlreiche "Unregelmässigkeiten". Was einem passieren
kann, der zu den - ebenfalls vielen - gehört, die dies anprangerten,
erlebt der Gewerkschaftsfunktionär Mohamed Abu Samra bei der
Alexandria Seaport Authority. Dazu der (englische) Bericht und Solidaritätsaufruf
"Repercussions of
the Trade Union Elections Arbitrary Transfer Decision of the Board
Chairman of Alexandria Seaport Authority Against the Trade Union
Leader Mohamed Abu Samra" des CTUWS von Anfang Dezember
2006.
Gewerkschaftswahlen - gar nicht so anders...
Seit Oktober werden in den Gewerkschaften Ägyptens
betriebliche und regionale Gewerkschaftswahlen organisiert. In ausführlichen
täglichen Berichten dokumentiert das "Center of Trade
Union and Workers Services" (CTUWS) zahlreiche Vorfälle,
in denen Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen wurden, Belegschaften
nur zum Teil wählen durften und viele andere "kleine"
Vorkommnisse mehr. Wie anderswo auch, sind Gewerkschaftswahlen solange
demokratisch, bis oppositionelle Bestrebungen sichtbar werden. Eine
(englische) Zusammenfassung der täglichen "Ctuws
Elections Report" Ausgaben 1 bis 12 mit dem Stand vom 14.
November 2006.
Protest gegen Verhinderung freier Gewerkschaftswahlen
Noch im Jahre 2006 finden in Ägypten die Gewerkschaftswahlen
statt, die die Funktionen bis zum Jahre 2011 bestimmen sollen. Aus
diesem Anlass hat der Generalsekretär des Ägyptischen
Gewerkschaftsbundes Mohammed Mursi ein Schreiben an alle Gewerkschaften
und ihre Komitees verschickt, in dessen zweitem Absatz gefordert
wird, dass jeglicher Antrag auf eine Kandidatur sozusagen über
seinen Schreibtisch gehen müsse. Gegen diesen Willkürakt
protestiert das CENTER FOR TRADE UNION & WORKERS SERVICES in
dem (englischen) offenen Brief "Preliminary
Arrangements for Interfering in the Upcoming Syndicate Elections"
vom 14. September 2006.
Betriebliches Gewerkschaftskomitee bildet neuen
Vorstand - Wahlen "vergessen"
Die Gewerkschaftsvertretung bei der Upper Egypt Dredgers'
Company hat eine neue Leitung - deren Einsetzung vom bisherigen
Vorsitzenden (dem die Komiteemehrheit das Vertrauen entzogen hatte)
und dem Vorstand der Allgemeinen Gewerkschaft der Landarbeiter betrieben
wurde. Damit ist eine krisenhafte Entwicklung an ihren Höhepunkt
gelangt. Der (englische, mit kurzer deutscher Zusammenfassung) Bericht
"TRADE UNION
CRISIS IN UPPER EGYPT DREDGERS COMPANY" des Center for
Trade Union and Workers Services vom 28. November 2005
Vor den Wahlen der Journalistengewerkschaft
Etwas über 4.000 Mitglieder hat die ägyptische
Journalistengewerkschaft - und ihre Vorstandswahlen waren bis 2001
eines der langweiligsten Ereignisse: Ein Kandidat der Regierung,
der gewann, einer der Opposition, der sich mehr oder weniger achtbar
hielt. 2003 kam die Wende: Erstmals gewann ein oppositioneller Nasserist
die Wahl. Sein Programm waren damals neben besseren Einkommen vor
allem Veränderungen - spricht Liberalisierung - des Pressegesetzes,
denn die zunehmend kritische Stimmung im Land schlug auch teilweise
auf die Zeitungen durch, und die Zahl der Verfahren gegen Journalisten
explodierte seit 2000. Diesen entscheidenden Punkt aber konnte der
neue Vorstand bis jetzt nicht durchsetzen, trotz Versprechungen
von Regierungsseite. So gibt es diesmal mindestens ein halbes Dutzend
Kandidaten für die Wahl am 2.Oktober, von denen mindestens
vier eine Chance haben. Darunter auch die Kandidaten der Linken
und der Muslim-Bruderschaft, die jeweils etwa 500 Stimmen sicher
haben. Eine wichtige Wahl - für die Gewerkschaftsbewegung und
für das politische Klima im Lande. Der (englische, hiermit
kurz zusammengefasste) Beitrag "The
deadline approaches"
von Shaden Shehab in der Auslandswochenausgabe der Zeitung "Al-Ahram"
vom 22.-28. September 2005.
Zerbrecht euere Ketten - jetzt!
Unter diesem Motto fand am 13.Juni 2005 eine grosse Versammlung oppositioneller Gewerkschafter im Kairoer Anwaltsverein statt, unter anderem in aktiver Anwesenheit zweier Parlamentsabgeordneter. Da sich in Ägypten gegenwärtig die Stimmung für Veränderung entwickele sei es gerade jetzt nötig, unabhängige Gewerkschaften zu haben, betonten die Konferenzteilnehmer und forderten die Abschaffung des Gewerkschaftsgesetzes von 1976. Die (englische) Pressemitteilung des CWTUS vom 16.Juni 2005
"Kefaya" auch in der Gewerkschaftsbewegung?
"Kefaya" - "Es reicht!" war das repräsentative Schlagwort für die Bewegung die erstmals seit langer Zeit öffentlich Widerstand gegen die Regierung Mubarak - und deren Verfassungsrefrendum - organisierte, und auch mit wilder Polizeirepression nicht eingeschüchtert wurde. Trotz des nicht überraschenden hohen Siegs beim Referendum sieht sich das ägyptische Herrschafts-Establishment in den Mai und Junitagen mit einer wahren Explosion der Bildung neuer oppositioneller Gruppierungen konfrontiert: Neben den Frauenorganisationen und linken Gruppierungen haben jetzt Wissenschaftler, Literaten und Journalisten jeweils öffentlich "Gruppen für Veränderung" geschaffen - die Journalisten verlangen beispielsweise freie Arbeitsbedingungen und die Wahl der Chefredakteure, die bisher von der Regierung (und nicht wie in Europa von den Besitzern) eingesetzt werden. In diesem Prozeß ist jetzt auch die Gründung einer Gruppe "Workers for Change" angekündigt worden, die laut ihrem Sprecher beabsichtigt, einen landesweiten Kongress zur Bildung einer neuen Gewerkschaft zu organisieren, da die bestehenden nur ein Arm der Regierung seien. Der (englische) Bericht "Reformist groups mushroom in Egypt" von Mona Salem vom 6. Juni 2005 bei "Middle East Online".
Können diese Gewerkschaften reformiert werden?
"Reform" ist das im Jahr 2005 am meisten gebrauchte Schlagwort in Ägypten. Mubaraks erneute Kandidatur und der Protest gegen den Präsidenten auf Lebenszeit haben dies ausgelöst. Die Gewerkschaftsbewegung ist davon unberührt: Sayed Rashed, Vorsitzender der "General Federation of Trade Unions" (GFTU) betonte in seiner Pressekonferenz zum 1.Mai 2005, die ägyptischen Arbeiter seien Mubaraks festestes Bollwerk. In dem Artikel "May Day and the absent actor" von Fatemah Farag in der (englischen) Wochenausgabe von "Al-Ahram" vom 28.April 2005 wird die Frage gestellt, ob der Reformwunsch auch in den Gewerkschaften Platz hat - dabei kommt auch Kamal Abbas vom "Centre for Trade Union and Workers Services" (CTUWS) zu Wort.
Gewerkschaftsvorstand erlässt Aktionsverbot für Betriebskomitee
Wenn der Vorstand einer Gewerkschaft - wie hier der ägyptischen Stahlarbeiter - den von der Belegschaft gewählten Vertretern Aktionsverbot erteilt, muss das nichts mit Unvereinbarkeitsbeschlüssen zu tun haben, sondern kann auch ganz normal Ergebnis von "Regierungsnähe", Korruption und Bürokratie sein. Eine (englischer, mit kurzer deutscher Zusammenfassung) Presseerklärung des CTWUS-Komitees vom 15.Februar 2005.
Das Drama der Gewerkschaftswahlen
Gewerkschaftswahlen in Ägypten sind demokratisch - man kann jeglichen Kandidaten wählen. Das "Problem" liegt noch nicht einmal darin, Kandidat zu werden. Sondern: Kandidat zu bleiben. Arbeitsministerium, Gewerkschaftsbürokratie und Polizei entfernten Hunderte von Kandidaten aus den Wahllisten der Gewerkschaftswahlen 2004. Ein speziell für die "Säuberung" eingerichtetes Komitee, bestehend aus Gewerkschaftsvorsitzendem und Arbeitsminister erklärte, es würden aus polizeilichen Gründen ungefähr 500 Kandidaten landesweit entfernt. Der (englische) Bericht "The Tragedy of the Trade Union Elections in Egypt" von einem Aktivisten vom 24.Oktober 2004 bei "In Defense of Marxism"
Youssef Darwish: Der Mut, weiter zu machen
Ein (englisches) Lebensprofil des heute 94jährigen kommunistischen Arbeitsrechtlers, der Anwalt und Rechtsberater von 67 ägyptischen Gewerkschaften war und bis heute aktiv ist - die meiste Lebenszeit arbeitete er für die Textilgewerkschaft. Mitbegründer erster kommunistischer Gruppen in Ägypten lernte er sowohl die Gefängnisse des Königs Faruk, als auch - und wie er sagt: erst recht - die seiner Ansicht nach wesentlich schlimmeren des Gamal Abdel Nasser kennen. Wie überhaupt dieser Lebenslauf genügend Stoff bietet zum nachdenken darüber, was passiert und wie sinnvoll es ist, wenn Gewerkschaften und Linke "unter der Führung" einer nationalistischen Bewegung arbeiten. "The courage to go on" - ein Profil eines Mannes und dadurch einer gewerkschaftlichen Bewegung von Faiza Rady in der internationalen Ausgabe "Al Ahram Weekly" vom 2. - 8. Dezember 2004
Conference on Labor Standards in an Era of Globalization (Arabische Konferenz demokratischer GewerkschafterInnen)
Von 11.-13 Dezember 2003 fand in Kairo eine arabische Konferenz demokratischer GewerkschafterInnen statt - mit Beteiligung aus Europa, USA und Südafrika, bei der als praktisches Ergebnis ein regionales Netzwerk zur Arbeiterbildung beschlossen wurde.
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