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Kairo, 11.-13.12.2003
Ein Bericht von Judith Dellheim
Die Konferenz wurde ausgetragen vom Center for Trade Union and Workers Services (CTUWS) das ägyptische Service-Zentrum für Gewerkschaften und Arbeitnehmer. Sie wurde finanziell unterstützt durch die niederländische NGO NOVIB, die allerdings auf eine Teilnahme verzichtete. Etwa 100 Menschen, vorrangig Aktivisten der ägyptischen Gewerkschaftsbewegung, kamen zusammen. Frauen waren in deutlicher Minderheit. Sie gehören in erster Linie CTUWS und der jüngeren Generation an. Die ausländischen Gäste reisten an aus Marokko, dem Libanon, aus den USA, aus Südafrika, Spanien, Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland. Sie waren zumeist von Gewerkschaften delegiert oder von NGO bzw. Netzwerken, die sich um die Kooperation mit Gewerkschaften bemühen.
Die Konferenz konzentrierte sich auf Probleme der ägyptischen bzw. arabischen Gewerkschaftsbewegung, die mit der Globalisierung entstehen bzw. anwachsen. Die Hauptprobleme sind die wirtschaftliche Entwicklung und Privatisierung im staatlichen Sektor, die politische Orientierung auf billige Arbeitskraft als Standortvorteil, die mit anhaltender bzw. anwachsender Arbeitslosigkeit drastisch expandierende Armut und soziale Segregation. In der ägyptischen Privatwirtschaft gibt es keine Gewerkschaften, im Staatssektor wurden sie einst vom Staat geschaffen und bleiben durch diesen kontrolliert. Der Einfluss und die Mitgliederstärke der Gewerkschaften schwinden in Folge von Privatisierungsprozessen und wirtschaftlichem Niedergang. Selbstorganisation von Arbeiterinnen und Arbeitern wird sowohl seitens des Staates als auch seitens der privaten Arbeitgeber mit Repression beantwortet und bekämpft.
Interessant waren zum einen die konkreten Analysen, zum anderen Berichte über - trotz aller Schwierigkeiten - erfolgreiche Akte der Selbstorganisation von Arbeitnehmer/innen, zum dritten die ständigen Versuche, Analogien in der internationalen Gewerkschaftsbewegung aufzuzeigen sowie internationale Erfahrungen kundzutun und auszuwerten. Die Gäste aus dem Ausland betonten mehrfach, dass Gewerkschaften bzw. Gewerkschafter/innen die Kooperation mit neuen sozialen Bewegungen suchen sollten.
Die Konferenz mündete einen Arbeitszusammenhang von Aktiven aus sechs arabischen Zentren für Arbeitsnehmer/innen-Rechte, um eine regionale Organisation zur Demokratisierung der Gewerkschaftsbewegung zu schaffen. "Demokratisierung der Gewerkschaftsbewegung" meint vor allem die Verwirklichung des Rechts der Arbeitnehmer/innen auf freie Assoziation und die Entwicklung einer tatsächlich unabhängigen Gewerkschaftsbewegung.
Am Tag nach der Konferenz wurde bereits formell die "Arabische Organisation für Arbeiterbildung" gegründet. Beteiligt waren kollektive Akteure aus Ägypten, Palästina, aus dem Libanon, Jordanien und Marokko. In naher Zukunft sollen Initiativen im Irak, auf Kuwait, in Bahrain, im Jemen, in Tunesien und Mauretanien für eine Mitarbeit gewonnen werden. Die Gründer haben ein Exekutivkomitee aus fünf Mitgliedern gebildet, das eine Satzung ausarbeiten und eine Generalversammlung für das Jahr 2004 vorbereiten soll. Sie hoffen auf das Interesse weiterer Organisationen und ihre Mitgliedschaft als Sektion Mittlerer Osten in der Internationalen Föderation von Arbeiterbildungsassoziationen IFWEA. Die Sektion soll über ein Büro für ihren Koordinator und eine Bildungseinrichtung verfügen.
Die neue Organisation sieht ihre Aufgabe darin, Arbeitnehmer/innen über ihre Rechte und die ILO aufzuklären, Demokratisierungsbestrebungen in den Gewerkschaften zu unterstützen und zu initiieren, soziale und juristische Beratungen für Arbeiter/innen dann zu erweisen, wenn Gewerkschaften dies verweigern oder nicht können. Die angelaufene Arbeit wird koordiniert durch den Direktor von DWRC der palästinensischen Schwester von CTUWS -, Hassan Barghouthi.
Am Rande der Konferenz diskutierten die ausländischen Gäste ihre Möglichkeiten, Aktivitäten der ägyptischen bzw. arabischen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Sie vereinbarten:
1) die Unterstützung von Informations- und Kommunikationsprozessen durch
2) die Schaffung eines Alarmsystems, um bei Streiks, anderen Kampfaktionen und einsetzenden Repressionen internationale Unterstützung für die Betroffenen zu mobilisieren,
3) den Ausbau internationaler Kontakte zu arabischen Gewerkschaften bzw. Gewerkschafter/innen und Arbeitnehmer/innen-Initiativen durch
4) die Entwicklung von Beziehungen zu den Zentren für Arbeitnehmer/innen-Rechte in der arabischen Region,
5) die Unterstützung für CTUWS bei der Schaffung einer Gewerkschaftsschule.
Nach 60 Tagen wollen sich die ausländischen Gäste gegenseitig über ihre konkreten Aktivitäten informieren. Während des WSF in Mumbai soll ein Treffen stattfinden.
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