Verfolgungsbetreuung plus
"Während die Öffentlichkeit mit den mutwillig verursachten Verfassungsproblemen der ARGE - Organisation unterhalten wird , wird zielorientiert und weitgehend unbeobachtet an der Entrechtung der Arbeitslosen in Richtung Kontrolle und Überwachung aus einer Hand gearbeitet. Es handelt sich um die sog. Sofortangebote, § 15 a SGB II,. die im Rahmen eines "Fortentwicklungs"gesetzes unauffällig eingefügt wurden, um den Menschen über 25 Jahren, die nicht bereits aus dem Leistungsbezug kommen und es wagen einen Antrag auf Arbeitslosengeld II zu stellen ( z.B. Hochschulabsolventen, bedürftige Selbständige, Hausfrauen, Kurzzeitbeschäftigte, Wohnsitzlose ), sofort und noch bevor der Leistungsantrag überhaupt bearbeitet und ausgezahlt ist, mit einer Maßnahme oder einem Ein- Euro- Job (zwangs-) zu beglücken. Bei Ablehnung kann die Leistung sofort ganz effektiv gekürzt werden. Die Tendenz der Projekte geht dahin, möglichst noch weitere Antragsteller, etwa aus der Arbeitslosenversicherung, und private Leiharbeitsfirmen in diese Sofortbetreuung einzubeziehen. Beschäftigungsträger und Wohlfahrtsverbände spielen bei diesen Projekten bedenkenlos mit, wobei nicht zu ermitteln ist, wie viel sie daran verdienen. Die Persönlichkeitsanalysen und Psychotechniken, die eingesetzt werden, bleiben genauso im Dunkel wie die Frage, welche Lösungen für die Betroffenen gefunden werden und warum man sie nicht selber Arbeit suchen lässt. Verklemmt als fürsorgliche Hilfe angepriesen, um den pauschal als persönliche Versager Eingestuften möglichst rasch ihre Vermittlungshemmnisse zu nehmen, erscheint rasch das Ziel der sofortigen Überprüfung der Arbeitsbereitschaft in allen Arbeitshilfen.
DIE LINKE hat mit einer kleinen Anfrage ( BT.- Drucksache. 16/5192 ) schon im letzten Jahr versucht Licht ins Dunkel zu bringen, was aber durch die nicht überschaubare örtliche Experimentierfreudigkeit begrenzt blieb, die von der Bundesregierung wohlwollend geduldet zu werden scheint. Ein anschauliches Beispiel zu dem Verfahren gibt ein Bericht über das Sofortangebot in Stuttgart vom 11.3.2008. Einen ersten Überblick über weitere Projekte gibt Michael Wolf: "Reform der Hartz IV Reform: Verfolgungsbetreuung plus" in: Utopie kreativ Juli/ August 2008 S. 594 , 605 f." Wir danken Helga Spindler für diese Info! Siehe dazu:
Treibjagdsaison auf Hartz IV Betroffene eröffnet. Unternehmensberatung Roland Berger krempelt ARGEN um
"Geht es nach dem Willen der Unternehmensberatung ,Roland Berger', sollen zukünftig nur noch effiziente Erwerbslose zwischen 25 - 40 Jahre und abgeschlossener Ausbildung umfassende Beratung und Betreuung durch die Argen erhalten. Dies geht aus einem internen Arbeitspapier der Kölner ARGE hervor, das dem Erwerbslosen Forum Deutschland vorliegt. Die Kölner Arge gilt als ein Modellprojekt der Bundesagentur für Arbeit. Die Unternehmensberatung erstellt zurzeit in der Arge Köln Konzepte um Geschäftsprozesse zu optimieren, die dann auf weitere Hartz IV-Behörden übertragen werden können. Eine Handlungsmaxime des Papiers lautet: ,Treiber statt Getriebener'." Meldung vom 11.10.2006 beim Erwerbslosen Forum Deutschland
- Das erwähnte Arbeitspapier der Kölner ARGE ist beim Erwerbslosen Forum Deutschland dokumentiert
- Siehe dazu auch: "Roland Berger" zum Auszug aufgefordert. ARGE von Erwerbsloseninitiativen überrascht
"Zahlreiche Mitglieder von Kölner Erwerbsloseninitiativen und dem Erwerbslosen Forum Deutschland überraschten am Donnerstagmorgen die ARGE Köln, indem sie den sofortigen Auszug der Unternehmensberatung Roland Berger aus der ARGE Köln forderten. Anlass war ein dem Erwerbslosen Forum Deutschland zugespieltes internes Papier der Unternehmensberatung, welches der Optimierung von Geschäftsprozessen in der ARGE dienen soll." Bericht vom 12.10.2006 beim Erwerbslosen Forum Deutschland
Schwere Vorwürfe gegen Bundesagentur für Arbeit. Vertraulicher Prüfbericht des Bundesrechnungshofes: "Handlungsprogramm" zu Jobvermittlung ungesetzlich
- "Der Bundesrechnungshof erhebt nach einem Bericht des ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ schwere Vorwürfe gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA). In einem vertraulichen Prüfbericht vom 05.07.2006 zu den sogenannten Handlungsprogrammen der BA bezweifelt der Bundesrechnungshof die Rechtmäßigkeit der Vermittlungspraxis von Arbeitslosen durch die Arbeitsagenturen in Deutschland. Wörtlich heißt es in dem 27-seitigen Prüfbericht, der REPORT MAINZ vorliegt: "Der Bundesrechnungshof hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Handlungsprogramme für Arbeitnehmer soweit diese dazu führen, dass Marktkunden keine Vermittlungsleistungen erhalten und Betreuungskunden aus dem Erwerbsleben "abgedrängt" werden." Und weiter: "Für rechtlich bedenklich halten wir auch die Zielsetzung mit Betreuungskunden "den Rückzug aus dem Erwerbsleben zu vereinbaren"." Presseinformation REPORT MAINZ vom 25.September 2006
- Zum Hintergrund siehe das Handlungskonzept beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- "Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln"
Eine Ergänzung der LabourNet-Redaktion vom 28.9.06, basierend auf Informationen aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen
Auslese: Was ein Arbeitsloser wert ist
"Nach dem Grundgesetz soll die Bundesregierung eigentlich die Menschenwürde achten und schützen (GG Art.1). Wie aus der Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Drucksache 16/1085 (1)) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht, hat man bei Arbeitslosen diesen Grundsatz längst aufgegeben und ordnet Menschen in Kategorien mit unterschiedlichen Behandlungsformen ein." Artikel von Armin Kammrad vom 30.04.2006
Ins Aus gestellt. Gutachten: Langzeitarbeitslose werden bei Arbeitsvermittlung gezielt diskriminiert. Profiteur ist Bundesagentur für Arbeit
"Die Bundesagentur für Arbeit (BA) saniert sich offenbar zu Lasten von Langzeitarbeitslosen. So lautet das Ergebnis eines aktuellen Gutachtens der Firma Jobcenter Consulting, die sogenannte Optionskommunen und Arbeitsgemeinschaften (ARGE) bei der »Verbesserung der Arbeitsmarktintegration« berät. Der Studie zufolge sind die von der Nürnberger Behörde in jüngerer Vergangenheit erzielten Milliardenüberschüsse maßgeblich auf die erfolgreiche Vermittlung von Kurzzeitarbeitslosen bei gleichzeitig vernachlässigter Betreuung von Empfängern des Arbeitslosengeldes II (ALG II) zurückzuführen. Leidtragende sind die als »schwer vermittelbar« klassifizierten geringqualifizierten und älteren Arbeitslosen sowie die Steuerzahler." Artikel von Ralf Wurzbacher in junge Welt vom 25.4.06 . Aus dem Text: ".Glaubt man den Gutachtern, dann wurde die »Abschreibung« der Betroffenen von langer Hand geplant. »Die Software der BA verhindert, daß Langzeitarbeitslose vermittelt werden«, behauptet Firmendirektor Schreibert."
"Produkteinsatzlogik". Auszug aus dem Arbeitsmarktprogramm 2006 (SGB III) einer (beliebigen) Arbeitsagentur:
"Um durch den Einsatz der finanziellen Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik (Produkteinsatz) einen effizienten und effektiven Beitrag zur Zielerreichung in den o.g. Aufgabenbereichen zu erzielen, werden die Produkte grundsätzlich nur an Kunden vergeben, bei denen eine Verkürzung der Dauer des Kundenkontaktes erzielt wird und die Wirkung des Produkteinsatzes mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Übertritt in den SGB II-Bereich erfolgt. Dabei ist grundsätzlich auf den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten vermittlungsrelevanten Handlungsbedarf abzustellen:
- Kaum Handlungsbedarf = geringer Produkteinsatz
- Nach Ausgleich eines Handlungsbedarfs ist das Ziel der Integration erreichbar = signifikanter Produkteinsatz
- So großer Handlungsbedarf, dass eine Integration mittelfristig kaum oder nicht erreicht werden kann = geringer Produkteinsatz"
Entnommen aus der Ergänzung des Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) zur BIAJ-Kurzmitteilung "4,2 Milliarden Überschuss in den 12 Monaten von April 2005 bis März 2006" vom 24.4.06
Dies deckt sich mit den uns vorliegenden Informationen, wonach den Arbeitsvermittlern intern eine Unterscheidung nach guten und schlechten „Kunden“ vorgeschrieben wird: Marktkunde (keine besondere Förderung, findet selbst was), Beratungskunde aktivieren (Aktivierung, Druck machen, ggfls zu Perspektivwechsel veranlassen - "als Chefsekretärin wirds nichts mehr, wie wärs mit Sachbearbeiterin bei der ZAF sowieso...") Beratungskunde fördern (muss noch eine FBW haben, ist danach vermittelbar) und Betreuungskunde (keine Förderung). Druck wird letztlich auf alle Gruppen ausgeübt, aber eben differenziert.
Bundesagentur erzielt Überschuss von 1,7 Milliarden Euro - auf Kosten von Langzeitarbeitslosen?
Kommentar auf den NachDenkSeiten vom 24.04.2006
Hartz IV-Software: IT-Inkompetenz hat auch Vorteile
Heise-Meldung vom 23.04.2006 . Aus dem Text: ".Dem Gutachten zufolge hängen die Überschüsse mit der sich weiter öffnenden Schere zwischen den Kurzzeitarbeitslosen (ALG-1, von der BA zu zahlen) und den Langzeitarbeitslosen (ALG-2, vom Bund zu zahlen) zusammen. "Jeder abgebaute ALG1-Bezieher wird teuer mit zwei ALG2-Beziehern erkauft, und das sind die wesentlich teureren Arbeitslosen - nur eben nicht für die BA", heißt es in dem Gutachten, das sich auf eine Auswertung der Statistikdateien von 12 Städten stützt. So seien etwa die ALG-2-Bezieher in Berlin um 24,4 % angestiegen, während die ALG-1-Bezieher um sensationelle 27,3 % gesenkt werden konnten.."
Arbeitsagentur: Keine Zeit für die Schwachen
"Die Bundesagentur für Arbeit wird seit Hartz III auf Effizienz getrimmt. Arbeitsabläufe haben sich verbessert, bei der Vermittlungsstrategie aber verschärft sich der Widerspruch zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialem Auftrag. Das geht zu Lasten von schwer vermittelbaren Arbeitslosen, so eine Studie." Böckler Impuls 06/2006 . Aus dem Text: ". Die Bundesagentur orientiert sich seit der Reform stärker an einer "betriebswirtschaftlich geprägten Versicherungslogik". Dadurch, beobachten die Forscher, verschärft sich der Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialpolitischem Auftrag, der weiterhin im Gesetz verankert ist. Mit begrenztem Aufwand soll die BA die Zahl der leistungsberechtigten Arbeitslosen möglichst rasch senken. Der so genannte Aussteuerungsbetrag erhöht den Druck: Für jeden Arbeitslosen, der keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld I hat und von dieser Versicherungsleistung zum steuerfinanzierten Arbeitslosengeld II übergeht, muss die BA fast 10.000 Euro an den Bund zahlen. Für die Bundesagentur birgt das ein erhebliches Haushaltsrisiko - und es ist ein Ansporn, diese Klippe möglichst zu umschiffen. Die BA konzentriert daher ihre Qualifizierungs- und Vermittlungsangebote auf Arbeitsuchende, die zwar nicht aus eigener Kraft eine Stelle finden, aber noch vergleichsweise leicht zu vermitteln sind. Weit weniger Aufmerksamkeit bekommen die so genannten "Betreuungskunden" - jene Arbeitslose, die bei der Jobsuche erhebliche Hilfe benötigen. Deren Eingliederung ist kostspielig und damit "nicht rentabel". Volker Hielscher vom iso-Institut: "Faktisch werden Betreuungskunden, für die noch im Bericht der Hartz-Kommission die intensivste Unterstützung vorgesehen war, in Nicht-Betreuungskunden verwandelt."." |