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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Mittwoch 22. Juni 2011: I. Internationales / Spanien 400.000 Menschen auf den Straßen - democracia real! Beeindruckend sind weniger die enormen Zahlen der TeilnehmerInnen an den Protesten des 19. Juni etwa in Madrid oder Barcelona, beeindruckend sind noch viel mehr solche Zahlen: 10.000 Menschen in Murcia, 6.000 in Huelva, 8.000 in Vigo - massenhafte Teilnahme quer durchs Land, in einer ganzen Reihe von Mittelstädten die größten Demonstrationen entweder seit jeher oder seit langem. Die Zahl der Menschen, die diesen Kapitalismus nicht mehr wollen, ist regelrecht explodiert. Eine ganz ausführliche Dokumentation über aufrufe, Ereignisse, Ablauf und weitere Aktivitäten in ganz Spanien bei kaosenlared unter "Decenas de miles de "Indignados" en las calles para defender la libertad y la democracia real frente al capital" wozu auch Videos etwa von Teneriffa und anderswo gehören und die chronologisch weiter geführt wird. Siehe dazu auch: Krise der Repräsentation "Der spanische Soziologe César Rendueles versucht, die Krise der Repräsentation zu erklären. Und sagt, dass der ständige Verweis auf die sozialen Netzwerke, die politischen Inhalte schwächt" - Das Interview "Das hat es noch nie gegeben" von Raul Zelik in der TAZ vom 20. Juni 2011 Und: "Asambleas abiertas, no-violencia, no-representación. La diferencia del 15 M" von Aurelio Sainz Pezonaga am 21. Juni 2011 bei rebelion.org, ein Versuch insbesondere eben die Vertretung durch große Organisationen und die grundlegende Kritik daran durch die Bewegung theoretisch zu erkunden. Die andere Seite: "Span. Staat: Hexenjagd auf 15M-Bewegung" von Mark Turm am 20. Juni 2011 bei indymedia, über die systematischen Repressionsversuche gegen die Bewegung, ein Beitrag, in dem auch zu Veranstaltungen in Berlin und München aufgerufen wird. Sowie: Forderung nach Generalstreik... "Die Empörten setzen nun als Perspektive einen Generalstreik auf die Tagesordnung, "der das Land stilllegen wird." Sie wollen sich damit dagegen wenden, dass die Kosten für Krise der einfachen Bevölkerung aufgebürdet würden, während man die Verursacher des Desasters, die Banken, mit Milliarden stütze. In einem Kommunique wurde auf der Abschlusskundgebung in Madrid nahe des Parlaments angekündigt, "dass die Kommissionen der Arbeiter und der Stadtteile schon damit begonnen haben, einen Generalstreik vorzubereiten, der einen gesellschaftlichen Wandel ermöglichen wird", der von der Bewegung angemahnt wird. In einer Nachricht "an die Mächtigen" wurde es abgelehnt, dass Löhne und Renten beschnitten werden. Gemeint ist dabei die Erhöhung des Rentenalters, das Einfrieren der Renten und zudem die Abkopplung der Lohnentwicklung von der Inflation, womit weiter fallende Reallöhne erwartet werden.Andererseits soll begleitend ein Referendum organisiert werden, um die Bevölkerung im Land über diverse Reformen abstimmen zu lassen. Geplant ist, die Menschen am 15. Oktober an die Urnen zu rufen..." Aus "Empörte bereiten Generalstreik in Spanien vor" von Ralf Streck auf Telepolis news vom 20. Juni 2011 Schliesslich: Zeit der Verhandlungen, des sozialen Dialogs... ...sagen die beiden großen Gewerkschaftszentralen als Antwort auf die Generalstreik - Bestrebungen der 15M Bewegung, was den Sakkoträgern der Arbeiterbewegung in Beiträgen wie "UGT y CCOO descartan convocar una huelga general y piden diálogo social" am 21. Juni 2011 bei kaosenlared heftige Kritik einbringt... II.Internationales / Ägypten / Gewerkschaften Mubaraks Gewerkschaft sucht die Flucht nach vorne... Anfang Juni tagte in Genf, wie jedes Jahr, die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Dabei stand auch die Lage in Ägypten auf der Tagesordnung. Als der Vertreter der ETUF das Wort ergriff, wurde er von dem Vertreter der unabhängigen Gewerkschaften unterbrochen, mit dem Argument, der ETUF könne nicht als ägyptische Gewerkschaft reden. Eine Organisation, die im Laufe ihrer ganzen Geschichte nie auf Seiten der Arbeiter, sondern immer auf Seiten der Regierung gestanden habe, habe diesen Anspruch nicht nur verwirkt, sondern nie erfüllt. Die Attacke von ETUF "ETUF threatens strike against manpower minister" von Tamim Elyan am 12. Juni 2011 bei Daily News Egypt fasst die Attacken des amtierenden ETUF-Vorsitzenden Ismail Fahmy (der eigentliche sitzt im Knast) gegen den Arbeitsminister zusammen, weil der Minister eben die Bildung unabhängiger Gewerkschaften befürwortet... Die Antwort "In Response to the Allegations of the Egyptian Trade Union Federation" vom 14. Juni 2011 ist die Antwort der CTUWS auf diese Attacke und die Auseinandersetzungen während der ILO-Tagung, in der nochmals unterstrichen wird, dass ETUF keinerlei Recht hat, sich als Gewerkschaft ägyptischer Arbeiter aufzuführen. III. Internationales / Ägypten / Arbeitskämpfe Warnschüsse bei Kanalarbeiterstreik Gleich zweimal, in Suez und Ismailia, haben Armeeeinheiten mit Warnschüssen versucht, streikende Kanalarbeiter einzuschüchtern. Die Arbeiter hatten ihren Streik im April beendet, mit der Zusage, ab Juni würden ihre Forderungen erfüllt sein. Es geht dabei vor allem um die Übernahme eines wesentlichen Anteils des Jahresbonus in den Festlohn. Nachdem Mitte Juni immer noch nichts von einer Erfüllung der forderungen zu bemerken war, haben die Belegschaften aller Tochterunternehmen des Suezkanals zunächst Warnstreiks organisiert, dann richtige - und dabei eben erstmals direkt durch den Kanal fahrende Schiffe bestreikt. In Suez sollten die Warnschüsse die Arbeiter daran hindern, die Büros des Managements zu besetzen - erfolglos, berichtet in "Army's warning shots fail to end Suez Canal strike" Ahemd Feteha am 19. Juni 2011 bei Al Ahram Online. IV. Internationales / Palästina / Arbeitsbedingungen und Proteste Unabhängige Gewerkschaft organisiert Streik Seit dem 16. Juni befindet sich der Großteil der Belegschaft von Salit Quarry (Steinbruch) im Streik. "Nur" 35 Arbeiter, trotzdem von einiger Bedeutung: Weil es eine Aktion in einer illegalen siedlung in der Westbank ist, weil es eine Aktion einer unabhängigen Organisation - WAC-Maan - ist, weil es der Geschäftsleitung nicht gelingt den Streik zu stoppen, obwohl sie ganz darauf setzt, durch die Beziehungen zu einigen Arbeitern mit gewissen Privilegien zu brechen, und schliesslich weil es einfach um Grundrechte arbeitender Menschen geht, wie das Recht auf kollektive Vertretung und Selbstorganisation. Siehe dazu den Artikel "Workers organized in WAC- Maan insist: No work without an agreement" vom 19. Juni 2011, in dem die aktuelle Lage berichtet wird. Siehe dazu auch: "Salit Quarry: Palestinians working in insufferable conditions demand fair employment terms" ebenfalls bei WAC - Maan am 19. Juni 2011, in dem Hintergrund und Vorgeschichte der Auseinandersetzung beschrieben werden. Sowie: Solidaritätsaufruf mit den Streikenden "Salit Quarry workers need your support" vom 19. Juni 2011. V. Internationales / Bahrein Die Repression wird weiter verschärft: Gewerkschaftsvorstand soll "zurücktreten" Nicht etwa unzufriedene Mitglieder stellen die Forderung nach Rücktritt des Vorstandes des bahreinischen Gewerkschaftsbundes General Federation of Bahrain Trade Unions, sondern unzufriedene Geschäftsleute - zuviele Gewerkschaftsmitglieder haben sich an den Protesten gegen die Khalifagang beteiligt... In einer Pressemitteilung der Vereinten Nationen "Bahraini Union Leaders Called to Resign or Face Legal Action" vom 21. Juni 2011 (hier beim neuseeländischen scope) bezeichnet der Vorsitzende der ILO Somavia das Ultimatum der Khalifaprotegés an den Gewerkschaftsbund (Rücktritt oder Prozeß) zu Recht als Erpressung - seine Alternative "sozialer Dialog" wurde allerdings bereits von saudischen Militärstiefeln beantwortet. Siehe dazu auch: "Bahrain: ein Königreich für die Wahrheit.." von Thomas Pany am 21. Juni 2011 bei telepolis, in dem zu Recht (wieder einmal) Paralellen gezogen werden, diesmal zwischen Bahrein und Syrien. Und wie immer naheliegend, zwischen den so unterschiedlichen wie verlogenen Reaktionen von Regierungen (EU und USA) und Berichterstattungen der Medien... VI. Internationales / Indien / Arbeitskämpfe und Arbeitsbedingungen a) Grüner Kapitalismus. Kotzgrüner... Holcim, mit Sitz in der Schweiz (und zwei Tochterfirmen in der BRD) gehört weltweit zu den größten Zementherstellern und ist in rund 70 Ländern tätig. Bemüht, sich als grüner Konzern zu profilieren mit dazugehöriger "Sustainability-Stiftung" mag der Konzern in Indien aber keinesfalls umweltverträglich erscheinen - zumindest nicht für die Umwelt der Beschäftigten. Seit Monaten kämpfen die Kontraktarbeiter von Chattisgarth um ihre einfachsten Rechte: Normale Beschäftigung, Mindestlohn, Organisationsfreiheit. Rund 1200 Menschen arbeiten in dieser Holcim Niderlassung, davon etwa 300 festangestellte Arbeiter, alle anderen sind Zeitarbeiter. Seit dem 3. April haben sie Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen, seit dem 18. Mai ist einer der führenden Gewerkschaftsfunktionäre deswegen in Haft. Jetzt wird landesweit zur Solidarität aufgerufen - siehe dazu "1st july - come to express solidarity with struggling contract workers of chhattisgarh" des Gewerkschaftskomitees chhattisgarh mukti morcha vom 20. Juni 2011. Dabei wird auch vorbereitet, internationale Solidaritätsaktionen zu organisieren, zumal bereits Gewerkschaftsinternationale gegen Holcims vorgehen in Indien protestiert haben. Siehe dazu auch: Als zusammenfassende Hintergrundinformation kann der Beitrag "Chhattisgarh - Update on contract workers' indefinite dharna at ACC-Holcim" von den Friends of Chhattisgarh Mukti Morcha am 01. Mai 2011 bei sanhati gelesen werden. b) Suzuki - Kompromiss Nach 13 Streiktagen ist die Auseinandersetzung im kleineren der beiden indischen Suzukiwerke beendet. Die 11 entlassenen Gewerkschaftsaktivisten wurden wieder eingestellt. Die eigene Betriebsgewerkschaft, die die Belegschaft gefordert hatte, erreichte sie nicht - darüber soll ein sozialer Dialog geführt werden, berichtet in "Maruti Suzuki workers in India call off 13-day strike" berichtet am 18. Juni 2011 die japanische Zeitung Mainichi Daily News. VII. Internationales / Iran / Gewerkschaften Endlich frei! Gleich über mehrere Freilassungen von Gewerkschaftern kann in den "Arbeiter-News 45" aus dem Iran berichtet werden. VIII. Internationales / USA / Arbeitskämpfe Wisconsin - wird daraus eine landesweite Bewegung? In jedem anderen Jahr, zu jeder anderen Zeit wäre es als eine Sensation betrachtet worden: Ende Mai kamen über 10.000 Menschen zu einer Demonstration gegen Wisconsins konservativen Gouverneuer Walker unter der Parole "Es ist nicht vorbei!". Jetzt wurde es beinahe schon als Selbstverständlichkeit bewertet, trotz geringer Größe des Bundestaates, fehlender Tradition und einer ersten Niederlage in der Auseinandersetzung - wichtig aber war für alle Kommentatoren die Hauptparole, die sehr deutlich eine weitere Auseinandersetzung signalisiert. Inwieweit diese die Chance hat, eine landesweite zu werden untersucht in dem Beitrag "Sowing the seeds: Can Wisconsin uprising grow nationwide movement?" Pat Schneider am 15. Juni 2011 in der Capital Times. IX. Internationales / USA / Arbeits- und Lebensbedingungen Das interessante an Herrn Strauss-Kahn? Die Arbeitsbedingungen im Hotelgewerbe (nicht nur der USA)... "Das Leben von Reinigungskräften in Hotels ist nicht leicht: Die Palette der Zumutungen reicht von verbalen Beschimpfungen über zweideutige Angebote bis hin zum Hygieneverhalten mancher Gäste, das einen Schimpansen beschämen würde. Aber dank der Aufmerksamkeit, die der Berufsstand durch den Fall des ehemaligen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn erhalten hat, könnte ihre Situation sich zum Besseren wenden… - so beginnt der Artikel "Na hör mal!" von Dominic Rushe in einer Übersetzung von Holger Hutt in Der Freitag vom 15. Juni 2011 X. Internationales / Tschechien Streik gegen Privatisierung des Sozialsystems erfolgreich "Am Donnerstag dem 16. Juni blockierte ein landesweiter Transportarbeiter-Streik die Züge des gesamten Landes. In Prag war nur eine von sieben Straßenbahnen und einer von 15 Bussen in Betrieb. Außerdem schlossen sich zum aller erstem mal seit dem Jahr 1989 die U-Bahn-Arbeiter einem Streik an. In den Regionen der Hauptstädte Brünn (Südmähren, Olomouc, Nordmähren), Usti und Labem (Nordböhmen) herrschte nur noch eingeschränkter Betrieb. Der Streik wurde aus Protest gegen die geplanten Reformen des Pensions-, Gesundheits-, Sozial- und Steuersystems ausgerufen. Die rechtsgerichtete Regierung plant Pensionsfonds zu privatisieren, die Krankenkassenbeiträge zu erhöhen, und die Steuern für die Reichsten und für Unternehmen zu senken..." - aus dem Artikel "Erfolgreicher Streik der Transportarbeiter" von Jan Májíček auf Linkswende vom 17. Juni 2011 XI. Internationales / Rumänien Von der "Elite" zum aggressiven Haufen... ...so etwa kann man die Entwicklung der gesellschaftlichen Betrachtung der Bergarbeiter in Rumänien knapp, aber keineswegs unzutreffend zusammenfassen. Der Beitrag "Workers in Neocapitalist Romania" von Simona C. Wersching, im Juni 2011 im im H-Net Reviews publiziert (und unter dem genannten Titel beim Mzine reproduziert), ist eine Buchbesprechung ( David A. Kideckel: "Getting Bye in Postsocialist Romania: Labor, the Body, and Working-Class Culture") in der es bereits einiges Erelichterndes zum Verständnis des Alltagslebens zu lesen gibt - in dem positiv besprochenen Buch offensichtlich erst recht. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |