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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, heute ein Spezialupdate zu unserem Thema "Demokratisieren statt privatisieren" - unter anderem mit Verweisen auf Auseinandersetzungen, die keine Abwehrkämpfe sind, sondern tradierte privatwirtschaftlich organisierte Grundversorgung ändern wollen - und auf Auseinandersetzungen, in denen sich neue Formen gesellschaftlicher Einflußnahme entwickeln. Aus Aktualitätsgründen vorweg Neues zum "Amazonaskrieg" in Peru. Neu im LabourNet Germany am Mittwoch, 10. Juni 2009: 0.Internationales / Peru Dekret 1090 suspendiert - aber nicht aufgehoben... Präsident Garcia schäumt: Die Bewohner der Amazonasregion seien keine wirklichen Bürger - solche Aussagen, kurz nach militarisierter Polizeirepression, die auf heftigen Widerstand stiess sind Drohungen - und überhaupt sei an allem nur der Präsident des benachbarten Bolivien Evo Morales schuld...Dennoch: Das Parlament hat das Dekret 1090 für 90 Tage suspendiert. Zwar ein erstes Zeichen des Nachgebens, aber keineswegs im Sinne des Widerstands - die entsprechende Allianz fordert weiterhin die Aufhebung der Regierungsdekrete zur wirtschaftlichen Erschliessung des Amazonas, mit denen die diversen Freihandelsabkommen beschleunigt umgesetzt werden sollen. Am gestrigen Donnerstag gab es in mindestens 15 Städten Perus große Protestdemonstrationen gegen die Regierung und für ihren Rücktritt aufgrund des "Massakers von Bagua" sowie für die Anerkennung der AIDESEP als Gesprächspartner, Vertretung für die Allianz einer Vielfalt amazonischer Gruppierungen (vor dem Hintergrund dass Alberto Pizango, der Sprecher der Allianz, sich in die Botschaft Nicaraguas flüchten musste, um sicher zu sein). Die größte Aktion in der Hauptstadt Lima, wo sich mehr als 30.000 Menschen beteiligten. Dazu die Pressemitteilung "CONTUNDENTE JORNADA EN RESPALDO A LOS AMAZÓNICOS Y POR EL CESE DEL GABINETE MINISTERIAL" des Gewerkschaftsbundes CGTP vom 11. Juni 2009. I.Internationales / USA / Privatisierung und Widerstand Ein anderes Konzept von Krankenversicherung: UE will keine privaten Profite auf Kosten der Gesundheit "Healthcare", Krankenversicherung ist (neben dem neuen Gewerkschaftsgesetz) eine der beiden zentralen Fragen, an denen sich soziale und Gewerkschaftsbewegung der USA nach der Wahl Barack Obamas positive Veränderungen versprechen - entsprechender Druck vorausgesetzt. Die unabhängige Gewerkschaft UE hat nun ihre Stellungnahme zu der gesellschaftlichen Debatte veröffentlicht, die gegenwärtig sich um die Krankenversicherung entwickelt. Die UE unterstreicht, dass dies in der Tat ein ganz brennendes soziales Problem in den USA ist, das gar nicht in Zahlen zu fassen sei, weil niemand erfassen kann, wer nicht zum Arzt geht. Die Schulden durch Behandlungskosten aber sind der grösste Einzelgrund für private Insolvenz in den USA, was bereits darauf hindeutet, welche enormen Profite hier mit der Gesundheit der Menschen gemacht werden. UE unterstreicht dabei, dass sie jede noch so kleinen Fortschritt in der Frage begrüßen und unterstützen, aber die Position vertreten, es müsse eine Einheitsversicherung geben - deren Einführung die gesamten Kosten des Sektors um mindestens ein Drittel senken würde. Das "GEB STATEMENT ON HEALTHCARE" vom 15. Mai 2009. II.Internationales / Bolivien / Privatisierung und Widerstand Nach dem Wasserkrieg - die permanente Herausforderung Cochabamba ist im weltweiten Widerstand gegen Privatisierung der Grundversorgung ein Symbol - die Massenbewegung, die als erste die Geschäftemacherei mit dem Wasser verhindert hat. In den Jahren nach dem Sieg wurde deutlich, dass die erfolgreiche Koalition verschiedener sozialer Kräfte durchaus nicht stabil ist, dass Widersprüche auftreten, die Versorgung in peripheren Stadtteil nicht recht vorankommt. Die einen waren mit dem Erreichten zufrieden, die anderen hatten noch gar nichts erreicht, so könnte man, etwas sehr vereinfacht, die Quelle des Widerspruchs benennen. Aber: rund um das nun wieder kommunale Wasserwerk (in dessen "Aufsichtsrat" die Bevölkerung massiv vertreten ist) haben sich alleine in den innerstädtischen Bereichen rund 270 selbstorganisierte Wasserkomitees gebildet, die zehntausende von AnwohnerInnen organisieren, um die Wasserversorgung kontinuierlich zu verbessern und - vor allem - zu verbreiten, denn die Alternative bleibt privat verkauftes Wasser: Teuer und dubios, in Tankwagen angeliefert. In dem Artikel "Cochabamba De la guerra a la gestión del agua" von Raul Zibechi, der am 28. Mai 2009 beim Cetri veröffentlicht wurde, wird diese massenhafte Selbstorganisation genauer analysiert. III.Internationales / Indien / Privatisierung und Widerstand Erfahrungen aus Kerala Eine langjährige Massenbewegung die das Schlagwort von der dezentralisierten Planung mit autonomen Lebensgeistern füllte - davon handelt ein Buch, das Marta Harnecker herausgegeben hat. Seit rund 10 Jahren wird im südindischen Bundesstaat Kerala versucht, die staatliche Planung - die Landesregierung wird seit langem vor allem von der KP gestellt - anders zu betreiben: Von unten. Das mag ähnliche Begrenzungen haben, wie die Haushaltsbeteiligungen von Porto Alegre, die eines der Modelle waren, die in Kerala diskutiert wurden - auch dort umfasst die "Volksbeteiligung" nur etwa 35% der Haushaltsgelder. Immerhin etwa 35% mehr als in der ach so demokratischen BRD. Und immer wieder wurde bei diesem Entwicklungsprozeß deutlich, dass er sozusagen per se mit Privatisierungen unverträglich ist. Das kleine spanische Buch "Estado Kerala (India): Una experiencia de planificación participativa descentralizada" von Richard W. Franke, Marta Harnecker, Andrés Sanz Mulas und Carmen Pineda Nebot wurde am 6. Mai 2009 bei rebelion.org publiziert. IV.Internationales / Thailand / Privatisierung und Widerstand Die Grüne Revolution - und die Entrechtung der Bauern Staudammbau und Saatrevolution qua Gentechnik - das sind die Echpfeiler der Agrarpolitik aller thailändischen Regierungen gewesen und sind es noch. Aus Anlaß einer südostasiatischen Tagung von Via Campesina veröffentlichten die TeilnehmerInnen ein Statement zu Thailand, in dem gefordert wird, dass die Schritte zurückgenommen werden, die die Bauern vom Wasser und anderen Ressourcen trennen: Die Nahrungsfrage sei keine, die von der Privatwirtschaft gelöst werden könne, auch nicht von agrarkapitalistischen Großbetrieben und industriellen Lebensmittelproduzenten wird in "The Rights of Peasants of South East and East Asia" vom 29. Mai 2009 unterstrichen.V.Internationales / Türkei / Privatisierung und Widerstand Wasser - ein Kampf in der Mitte der Gesellschaft Aus Anlaß des sogenannten Weltwasserforums in der Türkei im März bildeten sich mehrere Protestnetze, von denen am Ende zwei übrig blieben, die zahlreiche Aktionen organisierten. Jenes Widerstandsforum, in dem zahlreiche Einzelgewerkschaften und andere soziale Organisationen die Arbeit prägten veröffentlichten eine Plattform, die nicht nur in der Frage des Wassers gegen die Privatisierung Stellung bezieht, sondern auch die gesamte Bedeutung der Wasserfrage, und alles, was damit zusammenhängt, bis hin zur Nahrungserzeugung analysiert und für die autonome Selbstorganisation zentraler gesellschaftlicher Bereiche Position bezieht. Die Plattform "No to the commercialization of water" in Englisch publiziert im April 2009. VI.Internationales / Lateinamerika / Privatisierung und Widerstand Der kontinentale Gipfel indigener Völker: Gegen Privatisierung, gegen Kapitalismus - für Autonomie In Lago Mama Qota Titikaka versammelten sich 6.500 Delegierte sozialer Organisationen der indigenen Völker von Abya Yala - von den Europäern Amerika genannt - zu ihrem vierten Gipfeltreffen. Das bisher mit Abstand in jeder Beziehung größte Treffen dieser Art wurde unter anderem deshalb so groß, weil in Peru, Chile, Bolivien und auch den anderen amerikanischen Ländern gegenwärtig enorme Mobilisierungen stattfinden. Und die Themen und Erfahrungen, die dort diskutiert wurden, waren davon geprägt: Erschliessung zum Bergbau und der Widerstand dagegen, Erfahrungen mit diversen politischen Parteien und die Losung der Autonomie, pluriethnische Gesellschaften und politische Selbstverwaltung für alle, in Verteidiung der Mutter Erde gegen die Privatisierung durch den Staat und weitere aktuelle Fragen standen im Mittelpunkt. Auseinandersetzungen gab es auch: Um die Aufnahme der Losung wirtschaftlicher Netzwerke gegenseitigen Nutzens als eine entwickelbare Alternative beispielsweise. Die "Declaración de Mama Quta Titikaka" vom 1. Juni 2009 bei clajadep-LaHaine. VII.Internationales / Chile / Privatisierung und Widerstand Das Meer. Soll jetzt den Lachsfabriken gehören... Lachsfarmen - besser: Lachsfabriken - waren einmal einer der wirtschaftlichen Schlager Chiles (im übrigen lange Zeit von der Journaille als ein tolles Beispiel wirtschaftlichen Aufschwungs gefeiert, mit einem paar kleinen Wermutstropfen durch Pinochets Blutbäder). Vorbei. Und was nun kommt, ist keineswegs typisch chilenisch: Unternehmer und Regierung wollen etwas für die vielen Tausend erwerbslosen ArbeiterInnen tun, die einst in diesen Fabriken gearbeitet haben. Und wenn das so gesagt wird, ist höchste Wachsamkeit angebracht. So auch hier: Zwar gibt es ein Fischereigesetz von 1991, das die Gewässer lediglich zur Pacht (an "Handwerksbetriebe") zuläßt - aber genau das soll jetzt geändert werden, die Lachsfirmen endlich Herren des Meeres werden. Die Red de Prensa de los Pueblos de Chile hat nun eine Gegenkampagne gestartet, die sich vor allem die konkreten Betreiber dieses Gesetzesprojekts "vor die Brust" nimmt und darauf zielt, die regionalen Kooperativen zu stärken. Dazu der Bericht "Denuncian privatización del mar" in der linken Zeitschrift Correo Semanal vom 04. Juni 2009. VIII.Internationales / Venezuela Belegschaft und Bevölkerung betreiben Sardinenfabrik Monatelang war die Sardinenfabrik La Gaviota geschlossen - bis am 1. Mai die Belegschaft sich Zugang verschaffte und beschloss, sie selbst weiter zu führen - inklusive der Fangflotte. Sie apellierte an die Regierung, ein Verstaatlichungsdekret zu erlassen und entwickelte das Konzept, das Unternehmen als ein öffentliches, demokratisches zu führen, in Zusammenarbeit mit den kommunalen Räten des Bundesstaates Sucre. dazu der Bericht "Presidente Chávez: Planta La Gaviota estará en manos de consejos comunales y trabajadores" bei apporea.org vom 30. Mai 2009. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |