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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der "Krieg am Ende der Welt": 31 Tote durch Polizeirepression Der Konflikt um die Amazonasregion Perus ist nicht neu: neu ist der heftige, organisierte Widerstand gegen die Regierungspolitik. Politisches Thema ist die "Erschließung des Amazonas" spätestens seit den 1920er Jahren - damals noch ohne einen Gedanken an die indigene Bevölkerung der Region zu verschwenden. Einzelne Widerstandsaktionen wurden querbeet durch alle politischen Richtungen als Gräuelaktionen von "Wilden" verstanden. Aktuell ist die Frage wieder brisant geworden durch die Entwicklungspolitik der Regierung Garcia - deren Kern die Unterzeichnung von Freihandelsabkommen ist. Zu Beginn des Jahres 2007 wurden solche Abkommen unterzeichnet - und das Parlament gab der Regierung den gewünschten Freibrief: per Dekret sollte sie ein halbes Jahr alle Maßnahmen zur schnellen und flexiblen Schaffung der Bedingungen für die Verwirklichung der Abkommen treffen können. Insgesamt wurden 2007 rund 100 solche Dekrete verabschiedet, 10 davon stehen im Mittelpunkt des indigenen Widerstands. Dazu gehören solche Erlasse wie jener, der den Verkauf von Gemeinschaftsland erleichtern sollte. Die ausführliche kommentierte Materialsammlung "Der Amazonaskrieg" vom 09. Juni 2009. Der Amazonaskrieg a) Aktuelles und Hintergrund Zum generellen Hintergrund der letzten Jahre, inklusive der peruanischen Auseinandersetzungen um die Menschenrechtsverletzungen vor allem der letzten 25 Jahre leistet der Beitrag "Alte Wunden, neue Konflikte" von Mathias Hohmann, in der Septemberausgabe 2008 der Lateinamerikanachrichten. Zu den aktuellen Ereignissen bietet der (englische) Artikel "The Rainforest's Cry: Amazon Uprising and Opposing Perspectives of Development in Peru" von Irene Arce Claux, der am 03. Juni 2009 bei upsidedownworld erschien sehr viele nützliche Informationen, inklusive mehrerer Links zu den Dekreten, um die die Auseinandersetzung geht. "Die Indianergemeinschaften beklagen, dass bereits jetzt rund 70% des peruanischen Amazonasgebiets für die Öl- und Gas-Exploration konzessioniert ist, die das Leben der Menschen und der Artenvielfalt des Amazonas gefährden. Demonstranten haben den Pumpbetüberrieb der Erdölpipeline der staatlichen Ölfirma gestoppt. Perus Präsident Alan Garcia antwortete darauf, dass "kleine Gruppen" nicht der "Entwicklung" des Amazonasgebiets im Wege stehen dürfen. Am 9. Mai hat die peruanische Regierung den Notstand für 60 Tage ausgerufen. Militär-und Sondereinheiten der Polizei wurden entsendet, um die friedlichen Proteste gewaltsam zu unterdrücken und die Interessen der überwiegend großen Unternehmen aus dem Ausland zu schützen. Mehrere Fälle von Gewalt gegen indigene Demonstranten waren zu verzeichnen" - so beginnt der Überblick "Indianeraufstand gegen Ausbeutung des Amazonas-Regenwalds" mit dem die Initiative Rettet den Regenwald zu einer Protestaktion gegen die peruanische Regierung aufruft, die Ende Mai bereits über 10.000 UnterzeichnerInnen gefunden hatte. Der Beitrag "Massaker an demonstrierenden Ureinwohnern in Peru" von Harald Neuber, publiziert am 06. Juni 2009 bei amerika21.de gibt einen kurz gefassten aktuellen Überblick. Ausführlicher zur aktuellen Lage: Der Beitrag "Widerstand indigener Völker gegen Zerstörung ihrer Lebensräume" von Kind der Nacht auf Indymedia.de vom 08. Juni 2009. b) Die politische Auseinandersetzung in Peru Die peruanischen Regierungsparteien verteidigen ihr repressives Vorgehen vor allem mit zwei Argumentationslinien, die miteinander verwoben sind. Zum einen sei die Erschliessung neuer Investitionsmöglichkeiten sowohl ein genereller Beitrag zur nötigen Modernisierung des Landes, wie auch aktuell ein Ausweg aus der aktuellen kapitalistischen Krise für das Land. Zum anderen könne es nicht angehen, dass zufällig in einer Region wohnende Menschen diese Entwicklung blockierten - zum Schaden aller Peruaner (und die indigene Koordination sei eine bloße NGO unter vielen, die diktatorisch versuche, ganz Peru ihre privaten Ansichten aufzuzwingen). Im übrigen wird versucht, die polizeiliche Schießorgie als Reaktion auf Angriffe der Protestierenden darzustellen. Tatsache ist, dass insbesondere in Bagua Grande und Bagua Chica die DemonstrantInnen sich zur Wehr setzten: Dort war es aber auch deutlich, dass Scharfschützen von den Dächern das Feuer eröffneten - wie auch ein eingesetzter Kampfhubschrauber. Ein Video "Enfrentamiento entre poblacion y policia en Bagua" bei indymedia Peru am 06. Juni 2009 eingestellt unterstreicht diesen Sachverhalt, der nicht zur Regierungspropaganda passt. Ebenso der aktuelle Augenzeugenbericht "Blood at the Blockade: Peru's Indigenous Uprising" von Gerardo Rénique vom 08. Juni 2009 beim North American Congress on Latin America. Dem hält die Zeitung "Correo" - das konservative Blatt des Landes schlechthin, voll auf Linie mit der sozialdemokratischen Regierung - entgegen, dass die dummen Indianer natürlich von Kadern der oppositionellen Parteien aufgehetzt worden seien, so in dem namentlich nicht gezeichneten Artikel "Legisladores nacionalistas azuzaron a los nativos" vom 09. Juni 2009. Denn jene Kräfte, an die die Regierung appelliert sind genau dieselben, die überall auf der Welt verbreitet sind. Die nichts respektieren - ausser der Obrigkeit. Einblick in die innerperuanischen Debatten gibt auch der Beitrag "Responsibility for the Casualties in Amazon Conflict" von Juan Arrellano am 08. Juni 2009 bei Global Voices publiziert. Insgesamt gibt die Klammer "PERU" bei Global Voices einen Einblick in pro und contra. Auch in dem Beitrag "Todo para imponer el TLC" von Andrés Sallari am 09. Juni 2009 bei rebelion publiziert, werden Stimmen der "Ordnungsrufer" dokumentiert. Zeugenaussagen - etwa von den Beschäftigten zweier Krankenhäuser in Bagua - die besagen, dass die Polizei sich mit Gewalt die Leichen beschafft hat, und weitere, die versichern, dass Hubschrauber Leichen in den Fluß geworfen hätten lassen seit allerjüngster Stunde wiederum wenig Glaubwürdigkeit für die Argumentation von Regierung und bürgerlichen Kommerzmedien, wie in dem Bericht "Peru Police Accused of Disposing of Dead Indigenous to Cover Up Death Toll" von Gregor MacLennan, am 09. Juni 2009 bei amazonwatch festgehalten wird. Die Position der indigenen Koordination werden auf der Seite der AIDESEP kontinuierlich aktualisiert. Indymedia Peru hat eine ausführliche Zusammenstellung von rund 30 (spanisch, natürlich) Beiträgen und Berichten unter dem Titel "MASACRE EN LA AMAZONIA" am 08. Juni 2009 zusammengestellt. c) Die Haltung der Gewerkschaften Der Versuch der APRA war klar: Über die Argumentation Wirtschaftswachstum bedeutet mehr Arbeitsplätze versuchen, wie es zumindest in anderen ländern so oft gelang, die Gewerkschaften mit ins Modernisierungsboot zu kriegen. Was im Falle der CGTP aber nicht gelang. Und sei es nur, weil Peru schon jahrelang recht hochprozentiges Wirtschaftswachstum verzeichnet, ohne dass auch nur das geringste davon durchtröpfeln würde, weder zu den ärmsten Teilen der Bevölkerung, noch zu den ArbeiterInnen - die Teppichhändlertheorien sind dieselben, wie weltweit. noch am blutigen Freitag selbst verbreitete der Gewerkschaftsbund die Erklärung "CGTP CONDENA MATANZA DE NATIVOS AMAZÓNICOS" mit der klar und eindeutig Stellung bezogen wurde: Schuld trage einzig und allein die Regierung Garcia. Auch die Bergarbeiter und Metallarbeiterföderation "Federación Nacional de Trabajadores, Mineros, Metalúrgicos y Siderúrgicos del Perú" hat entsprechend Stellung bezogen. d) Transnationale Solidarität Neben inzwischen beinahe schon zahllosen Protesten verschiedenster Art - Botschaften und Konsulate Perus erleben dieser Tage unruhige Zeiten - gilt es, vor allen Dingen zwei Bereiche hervorzuheben. Zum einen dokumentiert die CGTP Solidaritätsadressen und -aktivitäten einer Reihe lateinamerikanischer Gewerkschaften in "ORGANIZACIONES INTERNACIONALES CONDENAN MASACRE DEL GOBIERNO APRISTA" vom 08. Juni 2009, dabei besonders zu erwähnen die kontinentale Föderation der Bauarbeiter (gerade weil Baugewerkschaften sehr oft auf der Seite sogenannter Modernisierer stehen) und der Gewerkschaftsbund UST aus dem fernen Guatemala, wo es ja auch eine sehr große indigene Bevölkerung gibt. Und der andine Koordinationsrat indigener Organisationen caoi hat eine Solidaritätsadresse publiziert und zu Protesten aufgerufen - ein Ergebnis des jüngst stattgefunden kontinentalen Forums indigener Organisationen. Aber auch Alan Garcia steht keineswegs allein. Ob alles zutrifft, was bei "What does it mean" spekuliert wird, sei dahingestellt - auf jeden Fall ist auch ein Artikel wie "Obama Issues Order For "Extermination" Of Amazon Indians" vom 09. Juni 2009 ein Hinweis auf intensive (nicht nur) amerikanische Bemühungen, der Regierung Garcia - und den Freihandelsabkommen, versteht sich - zu Hilfe zu kommen. Zusammengestellt von hrw |