Feiertag für die Arbeiter
Auf den Tag genau sechs Jahre nach der Verstaatlichung der Öl- und Gasvorkommen hat die bolivianische Regierung am 1. Mai auch die Kontrolle über die Stromverteilnetze des südamerikanischen Landes übernommen. Artikel von André Scheer in der jungen Welt vom 03.05.2012
Private Stromversorgung? - ENDE!
"Die Grundversorgung, so Präsident Morales, dürfe nicht in der Hand der Privatwirtschaft liegen Der bolivianische Präsident Evo Morales setzt die unter seiner Regierung begonnene Verstaatlichung der Bodenschätze und der nationalen Grundversorgung fort, die meist erst in den 90er Jahren privatisiert worden waren. Nach der Verstaatlichung der Unternehmen des Öl- und Gassektors, der Telekommunikation und des Bergbaus hat die Regierung nun die letztes Jahr angekündigte Verstaatlichung von vier Energieunternehmen angeordnet, die vom Staatskonzern Empresa Nacional de Electricidad (ENDE) verwaltet werden und die Verhandlungen mit den ehemaligen Eigentümern durchführen soll. Als Entschädigung wurden mehr als 12 Millionen Euro in Aussicht gestellt" - aus dem Artikel "Bolivien verstaatlicht Stromkonzerne" von Florian Rötzer am 04. Mai 2010 bei telepolis.
Nach dem Wasserkrieg - die permanente Herausforderung
Cochabamba ist im weltweiten Widerstand gegen Privatisierung der Grundversorgung ein Symbol - die Massenbewegung, die als erste die Geschäftemacherei mit dem Wasser verhindert hat. In den Jahren nach dem Sieg wurde deutlich, dass die erfolgreiche Koalition verschiedener sozialer Kräfte durchaus nicht stabil ist, dass Widersprüche auftreten, die Versorgung in peripheren Stadtteil nicht recht vorankommt. Die einen waren mit dem Erreichten zufrieden, die anderen hatten noch gar nichts erreicht, so könnte man, etwas sehr vereinfacht, die Quelle des Widerspruchs benennen. Aber: rund um das nun wieder kommunale Wasserwerk (in dessen "Aufsichtsrat" die Bevölkerung massiv vertreten ist) haben sich alleine in den innerstädtischen Bereichen rund 270 selbstorganisierte Wasserkomitees gebildet, die zehntausende von AnwohnerInnen organisieren, um die Wasserversorgung kontinuierlich zu verbessern und - vor allem - zu verbreiten, denn die Alternative bleibt privat verkauftes Wasser: Teuer und dubios, in Tankwagen angeliefert. In dem Artikel "Cochabamba De la guerra a la gestión del agua" von Raul Zibechi, der am 28. Mai 2009 beim Cetri veröffentlicht wurde, wird diese massenhafte Selbstorganisation genauer analysiert.
Soziale Bewegungen fordern Vergesellschaftung der Lebensmittelproduktion
Wie in vielen anderen Ländern auch, gibt es in Bolivien aktuell eine Teuerungskrise bei Grundnahrungsmitteln, in deren Zentrum hier konkret Speiseöl steht, das durch wachsenden Export zusätzlich verteuert wurde: Knappheit am Markt. Die Regierung hat darauf reagiert, indem sie eine Verfügung erliess, die für eine bestimmte Frist den Export von Speiseöl einschränkt. Die Reaktionen auf diese Maßnahme konnten unterschiedlicher nicht sein: Während die Unternehmerverbände sich wie immer in solchen Fällen plötzlich Sorgen um Arbeitsplätze machen (hier sollen es konkret 300.000 sein), haben sich zahlreiche soziale Organisationen mit Stellungnahmen an die Öffentlichkeit gewandt, in denen die Nationalisierung der Produktion von Grundnahrungsmitteln gefordert wird. dies wird von der Federación de Juntas Vecinales (Fejuve) den Nachbarschaftsvereinigungen von La Paz ebenso gefordert, wie von der Landarbeitervereinigung Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia (CSUTCB), der Handwerkerorganisation Federación de Trabajadores Gremiales Artesanos, Comerciantes Minoristas y Vivanderos, der Indigenenkoordination Central de Pueblos Indígenas de la Amazonía del Departamento de La Paz (CPILAP) und der Landlosenbewegung MST, wird in dem ABI-Bericht "Movimientos sociales piden la nacionalización de empresas productoras de alimentos" vom 25. März 2008 bei "Rebelion.org" ausgeführt.
Verstaatlichung, Demagogie - und getrennte Demonstrationen
Am 1. Mai verkündete Präsident Evo Morales ein Dekret, das in den diversen Erzeugnissen der Medienwirtschaft als "Verstaatlichungsdekret" gehandelt wurde - und im benachbarten Brasilien beispielsweise veröffentlichten nahezu alle grossen Zeitungen und TV-Stationen Bilder bolivianischer Soldaten vor den Toren der Petrobras-Raffinerien in Bolivien. Die bolivianische Gewerkschaftszentrale COB bezeichnete das Dekret als "demagogisch", da es in Wirklichkeit nur eine Ausführungsbestimmung zu eben jenem Gesetz 3058 sei, mit dem die radikal abgewählte frühere neoliberale Regierung den bolivianischen Energiesektor marktgerecht gestalten wollte. Vor dem Hintergrund der Versuche der Regierung, die sozialen Bewegungen des Landes und die Gewerkschaften unter ihrer Führung neu zu gruppieren gewinnen diese Kritiken neue Dimensionen - wie sie auch im Maiaufruf der Regierungspartei MAS deutlich werden, der ausgesprochen gegen den Maiaufruf des COB gerichtet war und zu getrennten Demonstrationen in La Paz führte. Eine kleine aktuelle Materialsammlung "Morales gegen COB" vom 4. Mai 2006.
Aufruf der Mediengewerkschaft von La Paz
Auch in Bolivien ist die Medienwirtschaft integraler Bestandteil des herrschenden Systems und die Art Medien zu machen ist dementsprechend. Gerade in den gegenwärtig erneut eskalierenden Auseinandersetzungen um die Forderungen nach Verstaatlichung von Öl- und Gasvorkommen, Förderung und Verteilung sind Behauptungen wie "von Chavez gesteuert" (früher war es Castro) an der Tagesordnung - ebenso wie auch ständige Überlegungen zur Spaltung des Landes unter dem Motto "Autonomie". Die "Federación de Trabajadores de la Prensa de La Paz" (FTPLP) in der Journalisten, Kaneraleute und Fotografen usw organisiert sind hat einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie sich scharf von Chefredakteuren, Kommentatoren und Nachrichtensprechern abgrenzen, für die Einheit der Arbeiter und Bauern im Kampf für die Verstaatlichung und eine neue Regierung ausspricht, und jeglicher Überlegung einer Militärregierung eine Absage erteilt. Der (spanische, hiermit kurz zusammengfeasste) Aufruf der FTPLP "Por la unidad de obreros y campesinos" vom 26.Mai 2005.
Neue Wasser-Revolten in Bolivien
"Nachdem im Jahr 2000 die Wasserkriege in Cochabamba zu trauriger Berühmtheit gelangten, gibt es neue Auseinandersetzungen wegen der Wasserversorgung in El Alto und La Paz." So die Einleitung eines (leicht gekürzten) aktuellen Beitrags "Neue Wasser-Revolten in Bolivien" vom 25.März 2005, den uns das "Stuttgarter Wasserforum" zugesandt hat und in dem auch die Rolle der GTZ bei der Kampagne zur Wasserprivatisierung in Bolivien untersucht wird.
"NO HAY NACIONALIZACION EN EL REFERENDUM DE MESA"
(In Mesas Referendum gibt es keine Verstaatlichung) 81% aller BolivianerInnen sind laut Umfragen für die Verstaatlichung von Erdöl und Erdgas. Da die Auseinandersetzung um diesbezügliche Auslandsverträge ein zentraler Grund für den Sturz des damaligen Präsidenten Losada und seine Ersetzung durch Vizepräsident Mesa war, war die Volksabstimmung eine zentrale Versprechung des neuen Präsidenten gewesen. Und auch ein Grund für die "gemässigte Opposition" - etwa des MAS von Evo Morales - Mesa Ruhe für die volle Amtszeit zu versprechen. Jetzt, da der Text für das Referendum bekannt gegeben wurde schlagen die Wogen hoch: Ausgerechnet die wesentliche forderung der Mehrheit der Bevölkerung ist gar nicht zur abstimmung gestellt...Ein (spanischer) Artikel der Nachrichtenagentur Econoticias Bolivia vom 20.Mai 2004 beim Nachrichtenportal "Argenpress".
Zinnmine wieder verstaatlicht
Ein Erfolg für die traditionsreiche Gewerkschaftszentrale COB: Eine privatisierte Zinnmine wurde wieder der staatlichen Bergbaugesellschaft eingegliedert. Die Bergarbeiter hatten - unter anderem - die wichtigste Autobahn des Landes tagelang blockiert. Ein (englischer) Kurzbericht aus dem "Weekly update on the Americas" Newsletter 645 vom 9.Juni 2002:
BOLIVIA: MINERS REVERSE PRIVATIZATION
On June 7 some 500 Bolivian miners lifted blockades on the roads leading to Peru and Chile after the government agreed to transfer the Huanuni tin mine and the Vinto foundry back to control of the state-run Bolivian Mining Company (Comibol). The mine and foundry were partially privatized in February 2000 in a joint venture between Comibol and the British company Allied Deals [see Updates #545, 593]. The miners blocked the country's main highway near the communities of Caracollo and Cayhuasi, in Oruro department, on June 6; the same day, unions and civic organizations in the city of Oruro supported the miners by declaring an open-ended civic strike.
Zivilgesellschaft fordert ein öffentliches Verfahren in der Klage von Bechtel gegen Bolivien
25 Millionen Dollar möchte die Bechtel Corporation vom ärmsten Land Südamerikas abkassieren - als Entschädigung für entgangene Profite durch die per Massenwiderstand verhinderte Wasserprivatisierung. Der Vertrag war unterschrieben als im Frühjahr 2000 eine unerwartet breite Volksbewegung gegen die Vergabe der bolivianischen Wasserversorgung an Bechtel erfolgreich war ("Das Wasser gehört uns - Verdammt" war die Losung). Jetzt klagt Bechtel bei der zuständigen Instanz der Weltbank auf Entschädigung - in nichtöffentlichem Verfahren. Über 300 Organisationen aus 41 Staaten haben letzte Woche gegen die Geheimverhandlung protestiert und eine öffentliche gefordert. (englischer) Bericht bei "Earth Justice" vom 29.08.2002: Civil Society Calls on Secret World Bank Trade Court to Open Up Be
Ausnahmezustand in Bolivien
In Bolivien haben Militaer und Polizei nach der Verhaengung des 90tägigen Ausnahmezustandes mindestens zwei Demonstranten erschossen, ca. 30 Personen verletzt und mehrere Dutzend Gewerkschaftsfunkionäre festgenommen. Ein Gewerkschaftsführer in La Huachaca ist von der Polizie getötet worden. Wie es aus der Hauptstadt La Paz heißt, konnten die Soldaten bisher nur einen Teil der zahlreichen Strassenblockaden auf Fernstrassen des Landes beseitigen. Damit hatten protestierende Bauern den Verkehr in den vergangenen Tagen fast völlig lahm gelegt. Die Landbevölkerung wehrt sich gegen steigende Kosten der Wasserversorgung durch die Privatisierung und verlangt Eigentumsrechte an ihrem Land. Die politische Opposition in Bolivien und Menschenrechtsgruppen kritisierten den Ausnahmezustand als Beweis fuer das Scheitern der Regierung von Praesident und Ex-General Hugo Banzer (Quellen Deutsche Welle, BBC News) Siehe englischsprachigen Bericht mit Hintergründen und Protestadresse an das US-amerikanische Wasserunternehmen von Jim Shultz, The Democracy Center, 9. April 2000 |