Totgesagte leben länger
Mit einem erfolgreichen Streik könnten die Lehrer Chicagos der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung neues Leben einhauchen und die Arbeitskämpfe weltweit beflügeln. Artikel von Richard Seymourin einer Übersetzung von Holger Hutt in Der Freitag vom 19.07.2012 . Aus dem Text: „(…) Grundlage der Auseinandersetzung ist eine sogenannte Schulreform. Hinter diesem harmlosen Begriff verbirgt sich in Wahrheit allerdings ein Prozess der Privatisierung und der Zurückdrängung der Gewerkschaften. Chicago ist seit den Neunzigern ein Labor für diese Art von Reformen, die später dann auf das ganze Land ausgeweitet werden. Das Programm genießt sowohl die Unterstützung der demokratischen Führung als auch die von Leuten wie Obama-Unterstützer Davis Guggenheim, der mit seinem Film Waiting for Superman einen langatmigen Angriff auf die Lehrergewerkschaften fuhr und ein Plädoyer für Privatschulen hielt. Chicago will im Laufe der kommenden fünf Jahre 60 neue privatisierte „Mietschulen“ eröffnen, die öffentliche Einrichtungen ersetzen sollen. In diese „Charter“-Schools sollen 76 Millionen Dollar investiert werden, die bei den öffentlichen eingespart werden. Die neue CTU-Führung fährt eine Kampagne, um gegen die chronische Unterfianzierung der öffentlichen Schulen vorzugehen und die Stundenpläne auszuweiten. Sie beschreibt das System als das einer „schulischen Apartheid“ und verlangt einen gewählten Schulausschuss, der die Bedürfnisse der Bevölkerung widerspiegelt…“ Siehe dazu:
Profite statt Bildung
USA: »Reform«-Programme treiben Privatisierung von Schulen voran. Lehrer unter Druck. Artikel von Mumia Abu-Jamal in junge Welt vom 17.09.2011
Bericht aus dem neoliberalen Lila-Lula-Land
"Wer kennt sie nicht, die Geschichten aus 1001 Privatisierung? Jene Geschichten, die uns in verkrusteten bürokratischen Strukturen erstarrten Deutschen zeigen, wie das dynamische Volk der Amerikaner es mit life, liberty and pursuit of hapiness immer wieder schafft, ohne Kündigungsschutz den homo oeconomicus zum Vorschein zu bringen? Eine Glanzgeschichte aus dieser Gegend liegt nun aus dem US-Bundesstaat Tennessee vor, wo ein Haus Opfer der Flammen wurde, nachdem der anwesende Enkel Müll verbrannt hat. Gut, möchte man sagen, solcher Mist passiert eben; dafür gibt es ja eine Versicherung und die Feuerwehr. Tja, nicht in dieser Ecke von Tennessee. In dieser Gemeinde fehlt nämlich seit 20 Jahren das Geld für eine Feuerwehr. Deswegen muss jeder Haushalt jährlich 75$ abdrücken, wenn er bei Brand das Haus gelöscht bekommen will. Um es in den Worten des örtlichen Bürgermeisters zu sagen: "If you don't pay, you're out of luck." (Wenn sie nicht bezahlen, haben sie Pech gehabt)." Artikel von Stefan Sasse vom 6. Oktober 2010
Ein anderes Konzept von Krankenversicherung: UE will keine privaten Profite auf Kosten der Gesundheit
"Healthcare", Krankenversicherung ist (neben dem neuen Gewerkschaftsgesetz) eine der beiden zentralen Fragen, an denen sich soziale und Gewerkschaftsbewegung der USA nach der Wahl Barack Obamas positive Veränderungen versprechen - entsprechender Druck vorausgesetzt. Die unabhängige Gewerkschaft UE hat nun ihre Stellungnahme zu der gesellschaftlichen Debatte veröffentlicht, die gegenwärtig sich um die Krankenversicherung entwickelt. Die UE unterstreicht, dass dies in der Tat ein ganz brennendes soziales Problem in den USA ist, das gar nicht in Zahlen zu fassen sei, weil niemand erfassen kann, wer nicht zum Arzt geht. Die Schulden durch Behandlungskosten aber sind der grösste Einzelgrund für private Insolvenz in den USA, was bereits darauf hindeutet, welche enormen Profite hier mit der Gesundheit der Menschen gemacht werden. UE unterstreicht dabei, dass sie jede noch so kleinen Fortschritt in der Frage begrüßen und unterstützen, aber die Position vertreten, es müsse eine Einheitsversicherung geben - deren Einführung die gesamten Kosten des Sektors um mindestens ein Drittel senken würde. Das "GEB STATEMENT ON HEALTHCARE" vom 15. Mai 2009.
"The Gangs of New York"
Eine Gang sei das, so die lokale Pressereaktion nach der ersten New Yorker Hausbesetzung seit längerer Zeit. Picture the homelessness heisst die Gruppe selbstorganisierter Obdachloser, die diese logische Konsequenz angesichts der aktuellen Situation und des akuten Leerstandes gezogen hat. Die aktuelle Krise beschleunigt nur die Prozesse, die die offizielle Stadtplanung längst eingeleitet hat. Demzufolge heisst einer der zahlreichen Berichte über diese Aktion auch "They say gentrify...we say occupy" - im Blog von Shannon Moriarty am 19. M ärz 2009 publiziert.
"Wanted: Alive". Kopfprämien an Richter
So weit ist es (noch?) nicht: Dead or alive werden sie noch nicht gesucht, die "Kunden" der privaten Gefängnisbetreiber oder sonstige Opfer monetarisierter Rechtssprechung. Aber die zumindest aus Hollywood bekannten Kopfprämien gibt es schon: Im Bundesstaat Pennsylvania sind zwei Richter geständig, etwa 5.000 Urteile gefällt zu haben, die ihnen insgesamt rund 2,5 Millionen Dollar einbrachten. Was mehrfach als Skandal berichtet wurde, ist so weit vom normalen Funktionieren des Justizsystems nicht entfernt: Familiengerichte und Jugendgerichte bekommen, für jeden Dollar, den ihre Urteile kosten, zwei zurück. Mehr dazu, wie das funktioniert in Larry Hollands Blogbeitrag "Pennsylvania Judicial Corruption: What About Judges Jailing Parents for Cash" vom 12. Februar 2009.
Siehe dazu auch:
-
"Gefängnisstrafen für Jugendliche gegen Geld" von Florian Rötzer bei telepolis am 24. Februar 2009
"Take back the housing "
40.000 Häuser haben die Banken im Bezirk miami 2008 an sich gerissen. Aber immer mehr Betroffene gehen vom Trauern zum Widerstand über: Sie machen das Naheliegende. Leere Häuser besetzen. Die Kampagne "Take back the land" spielt dabei eine wichtige Rolle: "The Peoples' Bailout- Take Back the Housing" heißt ihre aktuelle Aktivitätenreihe wie in dem Bericht vom 26. November 2008 deutlich wird.
San Francisco: Das andere Modell rassistischer Stadtplanung
New Orleans ist das Modell Schocktherapie: was die Flut nicht kaputt gemacht,wird jetzt abgerissen - die Rede ist von dem, was in Deutschland einmal sozialer Wohnungsbau hiess. Auf der anderen Seite der USA gab es keinen Katrina: Aber auch im als liberal geltenden San Francisco produziert eine Stadtplanung deren Grundpfeiler "Events" und Shopping Malls sind, rassistische Diskriminierung. Natürlich "nebenbei": Die monatliche Durchschnittsmiete beträgt 2.200 Dollar. Die afroamerikanische Bevölkerung besteht aus rund 40.000 Menschen - vor dreissig Jahren waren es noch 100.000. Den Stadtteil Fillmore, einst "Harlem des Westens" genannt, gibt es nicht mehr. Der letzte mehrheitlich afroamerikanische Stadtteil Hunters Point wird jetzt gerade "modernisiert". "BLACK FLIGHT" von Ahimsa Porter Sumchai ist eine Analyse dieser Entwicklung für einen Vortrag an der Universität von San Francisco, die am 5. Februar 2008 über die Mailingliste Labor-L verbreitet wurde und die wir hiermit dokumentieren.
Die Pädagogik der Handschellen
Die Heimat der "zero tolerance" Politik ist New York, und die öffentlichen Schulen stehen oft unter dem Regime von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten. Da werden dann Fünfjährige mit Handschellen an den Stuhl gefesselt, Zehnjährige im Schulbus, es herrscht eben Ordnung im Land. Einzige Voraussetzung: Die Kinder müsten schon schwarz oder Latinos sein. Für die deutsche Debatte um Erziehungscamps (erzogen sind sie ja schon, also ist es eine Umerziehung, und Camp heisst auf deutsch schlicht Lager - man debattiert also über Umerziehungslager, nachdem man mit Schuluniformen begonnen hat) sind diese Erfahrungen aus fortgeschritteneren demokratischen Zuständen ausgesprochen lesenswert: "Children handcuffed in school; what is going on?" im Blog der NYC Public School Parents von Leonie Hamson am 27. Januar 2008 gepostet und mit bissigen Kommentaren versehen...
Medizinische Apartheid
Daß es einen Arzt gab mit Namen James Marion Sims, der einst medizinische Experimente an Sklaven übte - das mag noch generell unter der Überschrift "unmenschliche Sklaverei" eingeordnet (und damit "abgeheftet") werden können, weil, was länger her ist..Wie auch die sogenannten Tuskogee-Experimente über Syphilis. Aber daß in den 90er Jahren (in den 1990er wohlgemerkt) in dem der Sklaverei kaum verdächtigen New York 100 Kinder zum Test des inzwischen verbotenen Präparats "fenfluramine" (wg Hyperaktivität) herangezogen wurden, die allesamt entweder Afroamerikaner oder Latinos waren, weist (als eine von vielen vergleichbaren Geschichten) auf die Kontinuität rassistischer Medizin hin. Sie wurden ausgewählt, weil sie Geschwister im Strafvollzug hatten...Eine (englische) Buchbesprechung von Margaret Kimberley der Publikation "The Dark History of Medical Experimentation on Black Americans from Colonial Times to the Present" von Harriett Washington im "Black Agenda Report" vom 14. Februar 2007.
Die Niederlage von Detroit
Was 1999 nicht gelang - diesmal ging es, wenn auch knapp. Die Detroiter LehrerInnen haben nach rund zweiwöchigem Streik das vorläufige Abkommen, dass die DFT unterzeichnet hatte mit knapper Mehrheit gebilligt - und leisten damit "Verzicht" in einem Gesamtumfang von etwa 60 Millionen Dollar. Wie die Gewerkschaftsbürokratie die Opposition abzubügeln versucht und diesen weiteren (auch ihren) Selbstmordversuch der Gewerkschaften als Erfolg verkaufen möchte, welchem Terror streikende LehrerInnen ausgesetzt waren und wie sie keine Solidarität bekamen, wird in dem (englischen) Bericht "Detroit teachers vote narrowly to end strike" vom 14. September 2006 von Joe Kay und Lawrence Porter auf der "World Socialist Website" berichtet.
"On the road again" - Detroiter Lehrer wieder im Streik
Seit 1999, als die LehrerInnen in Detroit mit einem "wilden" Streik grössere Erfolge erzielten - damals neben Lohnerhöhung auch im Kampf um kleinere Klassen - , spielen sie in den Debatten der US-Gewerkschaftsbewegung eine bedeutende Rolle. Jetzt - am 27. August - haben 9.000 LehrerInnen nahezu einstimmig für einen erneuten Streik gestimmt: Die Schulbehörde des Bundesstaates Michigan - der seit einigen Jahren die Verwaltung der Detroiter Schulen übernommen hat - wollte von jedem Lehrer und jeder Lehrerin der Stadt eine faktische Verzichtserklärung auf 10.000 Dollars pro Kopf und Jahr. Das bundesstaatliche Schoolboard, zusammengesetzt vor allem aus Ideologen des Neoliberalismus inklusive ehemaliger Manager von Pleitefirmen wie Chrysler, hat immer wieder Tagungen unter dem Schutz bewaffneter Einheiten durchgeführt und sich nicht gescheut, Schülerinnen zusammenknüppeln zu lassen. Der Hintergrund all dieser Auseinandersetzungen ist der kontinuierliche Niedergang der Stadt, die von einst 2 Millionen EinwohnerInnen auf rund 800.000 gesunken ist, als Ergebnis des Niedergangs der klassischen Industrien - und zu einer Stadt geworden ist, die von der weissen Mittelklasse gemieden wird. Polizeieinsätze als Schuljahresauftakt sind nahezu zur Regel geworden: Proteste wegen fehlender Schulbücher werden ebenso niedergeknüppelt wie winterliche Proteste in den zahlreichen Schulen, die nicht beheizt sind. Dennoch: dieser Streik unterscheidet sich von dem 99er Kampf, der damals in offener Konfrontation mit der Gewerkschaftsbürokratie begann und erfolgreich beendet wurde. Diesmal ruft die Gewerkschaft zum Streik - wobei in ihren Verlautbarungen allerdings bereits durchscheint, dass sie sich auf einen "kleineren Verzicht" wohl einlassen würde, wird in dem (englischen, hiermit sehr kurz zusammengefassten) Beitrag "Resisting Racism, Opportunism and Profiteering" von Rich Gibson (langjähriger Aktivist der Gewerkschaft DFT) vom 29. August 2006 bei "Counterpunch" berichtet.
Frisco Umsonst!
"Ab dem 1. September 2005 kann der öffentliche Nahverkehr in San Francisco kostenlos genutzt werden. Jedenfalls von allen, die am Muni Fare Strike teilnehmen.
Zum zweiten mal seit 2003 erhöht die San Francisco Municipal Railway, kurz MUNI, in diesem Herbst die Fahrpreise. 1,50 USD statt 1,25 USD sollen die NutzerInnen der öffentlichen Busse und Straßenbahnen in Frisco zukünftig für eine Fahrt zahlen. RentnerInnen, Behinderte und Kinder müssen immerhin 15 Cent pro Ticket drauflegen. Der Preis für das berühmte Cable Car wird gar auf 5 USD verdoppelt. Gleichzeitig sollen Beschäftigte entlassen und die Fahrttaktung gesenkt werden. (.) Doch ein buntes Bündnis aus Stadtteilorganisationen und Bürgerinitiativen, darunter etwa das St. Peter's Housing Committee, das Day Labor Program und die Gray Panther, ruft auf zum Streik: "Riders, don't pay! Drivers, don't collect!" Fahrgäste sollen die Busse und Straßenbahnen umsonst nutzen, die FahrerInnen auf's Abkassieren verzichten." Artikel von Henrik Lebuhn auf linksnet vom 30.08.2005. Siehe dazu auch: Muni Social strike - Die (englische) Streikseite mit allen weiteren Informationen, Downloads usw.
Los Angeles: Aufruhr wegen billiger Wohngelegenheit
"Das waren verzweifelte Menschen mit der Mentalität eines Mobs" sagte LA Police Department Captain Michael Downing Mitte Februar 2005, als er und seine Einheiten für "Ruhe und Ordnung" sorgen mussten - weil 3.000 Menschen um eine billige Wohnmöglichkeit in LA Schlange standen und unzufrieden wurden. Der Hausbesitz-Bubble in Südkalifornien steht kurz vor dem Platzen - hat aber das Leben von Hunderttausenden an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Das ist der Tenor in Mike Davis (englischem) Artikel "Riotous Real Estate" bei "Truthout" vom 19.April 2005.
Demonstration für sozialen Wohnungsbau in New York
Die grösste Demonstration zur Wohnungsfrage seit Jahrzehnten in New York - an ihr beteiligten sich am 2.Februar 2005 rund 8.000 Menschen. Die Aktion, die von dem Bündnis "Housing Here and Now" organisiert wurde und das Ziel hatte, die Wohnungsfrage zum Thema im New Yorker Bürgermeister-Wahlkampf dieses Jahr zu machen, wurde von allen als Erfolg betrachtet, weshalb auch Bürgermeister Bloomberg unterstreichen liess, sein Wohnungsbauprogramm sei das grösste der Geschichte New Yorks. Ungefähr 200.000 Menschen, so die offizielle Schätzung, benötigen in der Stadt billigen Wohnraum. Der (englische) Bericht "Thousands Rally to Demand Low-Income Housing in City" von David W. Chen in der "New York Times" vom 3.Februar 2005, gespiegelt auf der Seite der "industrial Workers of the World".
Privatsache. USA: Top-Gesundheitswesen für Reiche. Millionen Armen bleibt die Wohlfahrt oder gar nichts
Artikel von Karl Unger in junge Welt vom 27.10.2003
Alles gegessen? USA: Lebensmittelsicherheit und starke Gewerkschaften bedingen einander
Artikel von Kurt Stand in junge Welt vom 10.09.2002 |