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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Für eine Renaissance der Gewerkschaften - und des Sozialen Der Streik und die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften"aus eigener Kraft" Ausgerechnet jetzt, wo die Gewerkschaften und mit ihnen das Soziale über die Hartz-Kampagne des Westerwelle & Co. in eine schon bald aussichtslose Lage geraten sind. (www.nachdenkseiten.de/?p=4558 Ausgerechnet jetzt also, wo die Gewerkschaften dazu sich auch in ihren Tarifkonflikten - der Königsdomäne der Einzelgewerkschaften - in sehr bescheidenem Rahmen bewegen http://www.labournet.de:80/diskussion/gewerkschaft/tarifpolitik/krise2010_bahl.html - ausgerechnet in diesen Krisenzeiten willst du über eine Renaissance der Gewerkschaften sprechen. Ja, sage ich, den Mut dazu geben mir zwei Willy-Brandt-Enkel, nämlich der Gerhard Schröder und der Oskar Lafontaine. Wie kommt das? Nun der erstere ließ als "Reformkanzler" sein großartiges Projekt "Eigenverantwortung" mit Hartz als Ruine in der Landschaft stehen - weshalb ihm Heribert Prantl zu Recht das Etikett verpasste, als von den Willy-Brandt-Enkeln der Brutalste gewesen zu sein. Nun diese so zynisch unvollendet gebliebene Baustelle zur "Eigenverantwortung" gilt es weiterzubauen. Nun Oskar Lafontaine, den der gleiche Heribert Prantl als den genialsten Brandt-Enkel uns vorstellt, träumt angesichts der Hartz-Arbeitsmarkt-"Reformen" immer noch vom Generalstreik gegen dieses Gesetzesvorhaben. Und dem anderen möglichen europäischen Vorbild für eine Renaissance der Gewerkschaften hatte ich mich ja schon bei dem "Nordischen Modell" genähert www.nachdenkseiten.de/?p=3737 . Heute will ich deshalb den Blick Oskar Lafontaines nach Frankreich aufnehmen. Nun weiß ich nicht, ob du schon einen solchen "dicken Brocken" erträgst wie es doch der - auch politisch mögliche - Streik, wie in Frankreich, darstellt? Aber trotz der deutlichen Hindernisse, die ihm bisher im Weg liegen, muss man ihn wohl sehr genau ansehen, wenn man nicht will, dass die Gewerkschaften - und allen voran die deutschen! - in Europa zu "potemkischen Dörfern" verkommen sollen - nur noch einfach existierend aber für die soziale Gestaltung aus "eigener Kraft" bedeutungslos. Und es werden viel Phantasie, wissenschaftlicher "Unterstützungs-Sachverstand" sowie auch politische Mehrheiten (Gesetze u.a. ) erforderlich sein, um diesen Weg letztlich erfolgreich zu einem Ende bringen zu können - hin zu einer "Waffengleichheit" für die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften in Europa. (aber beim "Nordischen Modell" wird es sicher auch nicht einfacher!) Aber ich finde, um die Gewerkschaften und ihren gestaltenden sozialen Einfluss zu erhalten, sollte man keine Mühe scheuen. Und es "schwehlt" eine Diskussion in den Gewerkschaften. So haben sich z.B. die Kollegen aus Schweinfurt auf der DGB-Bezirkskonferenz in Bayern 2010 sehr gut "reingehängt", um diese Thematisierung gegen alle Widerstände auch für den politischen Streik voranzubringen - und eine weitere Etappe ist mit der Annahme des dortigen Antrages 53 gewonnen! Angeregt durch diese und weitere Diskussionen (z.B. IG BAU ) habe ich einmal versucht, die Problemlage aus deutscher Sicht darzustellen und vor dem ökonomischen Hintergrund nachvollziehbar zu machen. Die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften Das Spannende an der Antragsberatung und Diskussion auf dieser DGB-Bezirkskonferenz 2010 waren mit Blick auf den DGB-Bundeskongress in diesem Jahr die Anträge 1 (und 3 als Material) zur geplanten neuerlichen Organisationsreform des DGB (Satzungsänderung) - sowie der Antrag 53 zum politischen Streik (auch angenommen in einer "Kampf"abstimmung - ohne Weiterleitung an den DGB-Bundeskongress). Beide Anträge beschäftigen sich mit diesem Problem, wie können die Gewerkschaften mehr Durchsetzungskraft für ihre so berechtigten Forderungen entwickeln. Beide Ziele überlappen sich, berühren die Fähigkeit Druck auszuüben - aber anerkannt scheint in der aktuellen gewerkschaftlichen Diskussion derzeit nur die erste "Schiene" - dass der politische Streik dazu gehören könnte, war allenfalls als diffuse Ahnung vorhanden. Zusammen diskutiert wurde es keinesfalls (davon später). Die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften "aus eigener Kraft" - und der politische Streik - Die Ursache der Diskussion: die Hartz-Gesetze Für die jetzt stattfindende Diskussion um den politischen Streik, kann man als "Urmutter" die Arbeitsmarktreformen der Hartz-Gesetzgebung bemerken.Oskar Lafontaine, der letzte politsch aktive der Enkel Willy Brandts, hat kürzlich in einem Gespräch mit Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung noch einmal seinem Ärger Luft gemacht, dass die Gewerkschaften damals nicht in der Lage waren, "Hartz" durch einen Generalstreik zu verhindern. Lafontaine wird dabei als Saarländer immer wieder von den Franzosen inspiriert, die eigentlich harmlosere Eingriffe in den Arbeitsmarkt - wie z.B. die CPE-Gesetze in mehreren Streikwellen vom Tisch der Regierung fegten - der französische Wirtschaftsbürger als Souverän in voller "Eigenverantwortung". www.labournet.de/internationales/fr/junge20.html - sowie allgemein: Um das Bild für Deutschland zu vervollständigen, muss man sich vor Augen rufen, dass es mit diesen Arbeitsmarktreformen beabsichtigt war einen großen Niedriglohnsektor durchzusetzen - und wir haben den größten in Europa erreicht! www.nachdenkseiten.de/?p=4480 sowie Durch diese politischen Maßnahmen hin zu Niedriglöhnen wurden die Gewerkschaften für ihre ureigenste Aufgabe der Lohngestaltung noch zusätzlich unter Druck gesetzt. Dieser enormen Niederlage für die gewerkschaftliche Gestaltungskraft konnten die Gewerkschaften nichts entgegensetzen. Es ist ziemlich interessant den Blick von Heiner Flassbeck "Wohin führt uns die Agenda 2010" (damals 1998-1999 Staatssekretär bei Lafontaine im Finanzministerium )aus dem Jahr 2003/04 sich noch einmal anzuschauen, um zu verstehen, inwieweit dieser Diskussionsstrang einfach ausgeklammert wurde - wie nicht vorhanden u.a. für die SPD. www.nachdenkseiten.de/?p=4477#h17 Die Partei - der "zerbrochene" politische Arm Nach dem allgemeinen Verständnis der Gewerkschaften in Deutschland war der DGB die politische Dachorganisation gegenüber dem "Verbindungsglied" Partei in den Parlamenten, wo die Interessen der Beschäftigten dann ihren Ausdruck fanden. Mit Hartz war dieses Verständnis zerbrochen, da die SPD gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen in ekklatantem - und auch nicht ökonomisch begründbaren - Sinne verstoßen hatte (außer natürlich nach den neoliberalen Glaubenssätzen!). Und so begann nicht nur angeregt durch diese enorme politische Niederlage das Vorbild Frankreich mit der Möglichkeit seiner politischen Streiks zu glänzen - dort lag es eben gerade in der Eigenverantwortung der Bürger (auch ohne Streikgeld!). Hier sah man die Möglichkeit unabhängig von den politischen Parteien sich auch gegenüber der Politik zur Wehr setzen zu können - zumal wenn die Artikulation dieser Interessen über die Parlamente wegggefallen war. Und an dieser Stelle bekommt die "Eigenverantwortung" der Arbeitnehmer ihren Sinn! Außer Hartz die weiteren Angriffe auf die gewerkschaftliche Lohngestaltungsmacht : Lohnangleichung-Ost und die Auflösung des Flächentarifvertrages Diese Schaffung eines enormen Niedriglohnsektors zur Schwächung der Gewerkschaften durch den "Basta"-Kanzler Schröder war aber nicht der erste Angriff. In den 90-er Jahren wurden die Gewerkschaften beim Schultern der Lohnangleichung-Ost von der Regierung Kohl (CDU) allein gelassen - und durch den damit "falschen Lohn" in der Folgezeit der Flächentarifvertrag immer weiter richtig zerbrökelt. Aber es muss gesagt sein, auch hier war die SPD schon kein "opponierender Faktor" gegen die Kohl`sche Devise, die Gewerkschaften auf diese Art mit ihrem Flächentarifvertarg ökonomisch vor die Wand fahren zu lassen. (vgl. dazu Heiner Flassbeck, in: "Gescheitert", Der falsche Lohn, S. 46 ff.) Im Drama der Lohnangleichung - mit seinen schlimmen Folgen der Auflösung des zentralen Instrumentes des Flächentarifvertrages - waren die Gewerkschaften, der in die Falle gelaufene Tölpel - wie Heiner Flassbeck festellt. Diese Auflösung des Flächentarifvertrages - durch ein Wegtauchen der Politik für diese Aufgabe - nebst der Schaffung eines gewaltigen Niedriglohnsektors waren für die Gewerkschaften ein ziemlicher Ruin. Durch die Politik wurde so ein Stück bundesdeutscher Erfolgsgeschichte - funktionierende und vernünftige Gewerkschaften - einfach auf`s Spiel gesetzt. Wurde damit nicht auch das alte Modell der deutschen Gewerkschaften, das so lange gut funktioniert hatte - nebst dem deutschen Arbeitskampfrecht, das Michael Kittner noch so preist, - einem Ende zugeführt? Und so kam der politische Streik ins Spiel Nicht nur Oskar Lafontaine, sondern auch einzelne Gewerkschaften sahen im politischen Streik eine Lösung des Problems des hilflosen "Ausgeliefertseins". Allen voran ist hier die IG BAU zu erwähnen, die den politischen Streik in ihrer Satzung verankerte. Nur "darf" man in Deutschland politisch streiken? Ganz im Gegensatz zu Frankreich! Um es auf eine kurze Formel zu bringen : Der Franzose hat das Recht - und der Deutsche begeht beim Streik eine unerlaubte Handlung. Oder um es allgemein zu formulieren, in Deutschland gilt der Arbeitnehmer-Bürger als ein gefährliches Wesen, dem man misstrauen und möglichst weitgehend unter Kontrolle halten muss. In Frankreich ist der Arbeitnehmer als selbstständiger Wirtschaftsbürger akzeptiert. Aber bleiben wir nicht allgemein, sondern steigen in die Geschichte des deutschen (politischen )Streikrechtes ein. Leider versagen hier die allgemeinen Gewerkschaftsgeschichten - mit einem wohl daraus resultierenden Gewerkschaftsverständnis. So steht in der "Kleinen Geschichte der Gewerkschaften" von Michael Schneider nur, dass 1957 das Gesetz zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfalle im Bundestag verabschiedet wurde - kein Wort zu dem langen ,langen Streik in Schleswig - Holstein, der dieses erreichte - als politischer Streik. Dies ist jedoch inzwischen wunderbar nachzulesen in dem Buch von Michael Kittner "Arbeitskampf" - ein leider nur auf das deutsche Recht beschränktes Werk. War der politische Streik der IG Metall damals auch politisch ein voller Erfolg - so schnürte die Rechtsprechung der Gewerkschaft den finanziellen Atem ab. Das deutsche Trauma beim politischen Streik: die Schadensersatzforderung! Sosehr dieser Streik zu den politischen Erfolgen der IG Metall gehört, so sehr fügte dieser Streik auch den Gewerkschaften ein Trauma zu - unrechtmäßig zu handeln mit der Folge von enormen Schadensersatzforderungen (38 Millionen sollten es damals werden)(siehe dazu Michael Kittner, "Arbeitskampf", Streik um die Lohnfortzahlung in Schleswig-Holstein 1956/57, S. 633 ff.) Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes unter ihrem Präsidenten Nipperdey war für die deutschen Arbeitnehmer ein Streikrecht geschaffen worden, das ich den "Nipperdeyschen Käfig" zu nennen pflege (siehe zu den Details der rechtlichen Konstruktion dieses "Nipperdeyschen Käfigs", Michael Kittner, "Arbeitskampf", S.605 ff.) Grob gesagt, begeht der/die deutsche ArbeitnehmerIn, wenn sie zu streiken beabsichtigt, eine "unerlaubte Handlung" wegen des Eingriffes in einen Gewerbebetrieb. Und gegen den Gesetzgeber darf sich ein Streik nicht richten, weil er damit nicht "sozialadäquat" ist. Damit kann nur ein Streik - sozusagen als Ausnahme - erlaubt sein, wenn er von Gewerkschaftsvorständen in einem strikt vorgesehenen Verfahren durchgeführt wird - sonst droht die Sanktion hoher Schadensersatzpfli-chten, die die Gewerkschaften vernichten können. Somit kommt es bei uns auch zu dem seltsamen "Konstrukt" der "wilden" Streiks , da der Deutsche "kein Recht" hat - wie der Franzose. Ein politischer Streik - wie z.B. gegen Hartz IV - hätte angesichts dieser eingeschliffenen richterlichen Rechtsetzung, die keine(r)in Frage zu stellen wagte, den vollkommenen finanziellen "Untergang" der deutschen Gewerkschaften bedeuten können. Deshalb habe ich - zugegebenermaßen etwas grob - einmal die TAZ "auseinandergenommen" als auch sie wieder einmal ohne Kenntnis dieser Sachlage, einfach einen politischen Streik forderte - ein wenig den Zeitgeist aufgreifend - und ich fand eine so "platte" Diskussion führt die Gewerkschaften nicht weiter - sondern eventuell schnell vor die berühmte Wand: Ich muss jedoch zugeben, die von mir beabsichtigte Provokation in Richtung TAZ ist mir nicht gelungen. Ich hatte mir vorgestellt, dass die erfahrenen und versierten Redakteure der TAZ sich bei der Ehre gepackt fühlen - und gerade auch mit ihren Kontakten nach Frankreich (Stichwort "Liberation" und "Monde-diplomatique") einen den Verhältnissen angemessenen "Diskurs" über die jeweiligen Bedingungen der gewerkschaftlichen Durchsetzungsfähigkeit in Deutschland und Frankreich "weiterführen" würden. Nun das war eine Fehleinschätzung eines kleinen Gewerkschafters. Dennoch: Die Notwendigkeit des politischen Streiks - in europäischer Perspektive unter dem gemeinsamen Dach des Euro Es wäre jetzt eine wirklich fatale Geschichte, wenn die deutschen Gewerkschaften unter diesem "Diktat" des Bundesarbeitsgerichtes mit diesem "Nipperdeyschen Käfig" - auch wenn wir uns in Deutschland so sehr daran gewöhnt haben, dass die "höhere demokratische Vernunft" bei den Gerichten liegt - einfach den politischen Streik zu den Akten legen würden : geht halt nicht , also machen wir keinen. Dazu muss man erwähnen, es gab ja noch einen weiteren roten Faden auf dieser DGB-Konferenz, nämlich dass immer wieder betont wurde , man dürfe sich nicht nur in Details verlieren, sondern man müsse immer auch das Gesamte in den Blick nehmen. Also hier würde das bedeuten, es darf auf keinen Fall nur eine Diskussion stattfinden, dürfen wir politisch streiken oder nicht - wollen wir politisch streiken oder nicht. Ich möchte das hier - außer den dort genannten Bildern und Notwendigkeiten - noch mit einem "Bild" des französischen Schriftstellers Antoine d`Saint Exupery ergänzen: Er zog die Geschichte vom Bau eines Schiffes heran - und meinte, wenn du ein Schiff bauen willst, dann denke nicht vor allem an die Nägel, Bolzen und Bretter für die Planken, sondern mache den Leuten klar, wie herrlich es ist über die Weite der herrlichen Meere aufzubrechen und an fremden, fasziniernden Gestaden zu landen. Der Rest ergibt sich dann von selbst - es werden dann die besten Bretter und Bolzen gesucht und das bestmögliche Schiff gebaut werden. Bei der Organisationsreform des DGB zeichnet sich die desaströse Tendenz bei den Einzelgewerkschaften ab, wegen der immer mehr dahingeschwunden Gestaltung bei der Lohnfindung - die früher so machtvolle Domäne der Einzelgewerkschaften - sucht jede für sich einen Kontakt zur politischen Ebene in den Parteien (z.B. IG Metall schmiedet zur Leiharbeit ein "Bündnis" mit dem Land Rheinland-Pfalz (Kurt Beck) - gescheitert im Bundesrat u.a.). So wird der DGB immer weniger als die gemeinsame Ebene zur Findung und Durchsetzung der gewerkschaftspolitischen Anliegen gesehen, sondern allenfalls als Hilfsfunktion für die dahingegangene eigene Durchsetzungsmacht - und nicht zuletzt als der Prügelknabe für den erlittenen und weiter zu erleidenden Frust der eigenen Machtlosigkeit. (Vgl. dazu Eckpunkte-Papier der Vorsitzenden zur DGB-Organisationsreform sowie den Satzungs-Entwurf für den DGB-Kongress - wogegen der Antrag 1 und ff. der DGB-Bezirkskonferenz Bayern Stellung bezieht) Das Ganze kommt einem vor als würden "einstürzende Altbauten" die Lösung im - wohl eher leeren - "Himmel" der Parteien und Parlamente zu greifen suchen - anstatt die eigenen Fundamente erst einmal ordentlich zu festigen. Der Ansatz zum politischen Streik - mit dem zu schaffenden Recht dazu - greift jedoch tiefer - ist aber für Deutschland nur längerfristig zu realisieren. Der Export als das alleinige wirtschaftliche Standbein für Wirtschaftswachstum durch Lohndumping - speziell unter dem Dach des gemeinsamen Euro. Die Absicht von Bundeskanzler Schröder einen großen Niedriglohnsektor zu schaffen - siehe die obige Rede in Davos - war ja verbunden mit dem Willen Deutschland zur starken Wirtschaftsnation zu machen - eben zum Exportweltmeister letztendlich - dabei die Binnennachfrage sträflich vernachlässigend und mit diesem "ökonomischen Ungleichgewicht" die Grundlage für diese spezielle Krisenanfälligkeit zu legen. Der Vorschlag von Heiner Flassbeck (siehe unten den vorletzten Link), die Gewerkschaften mögen doch den stark gesamtlohnsenkenden Einfluss von Hartz durch eine "Deal" mit der Bundesregierung aufheben, indem sie im Gegenzug versprechen eine vernünftige Lohnpolitik zu betreiben - wann taten sie das schon nicht ? Aber eine Regierung die die Gewerkschaften mit ihren Maßnahmen dermaßen an den "Kanthaken" bekommen hat , wird keinen Deal aus ökonomisch höherer Vernunft suchen - es sei denn - und damit stoßen wir wieder auf die Durchsetzungsfähigkeit mit einem besseren Streikrecht - nebst einem politischen Streik - diese Gewerkschaften sind in der Lage von sich aus genügend Druck aufzubauen - wie eben in Frankreich. Lafontaines Bedauern über den nicht stattgefundenen Generalstreik gegen die Hartz-Gesetze kam man "umdrehen": Frankreich steht bei einer Lohnsenkenden Politik im nationalen Wettbewerb schlechter da, weil es den "Hartz-Weg" der Deutschen nicht so beschreiten kann - und somit die Deutschen mit der politischen Schwächung der Gewerkschaften ökonomisch im Wettbewerbsvorteil sind - und bleiben. Und so bleiben die deutschen Arbeitskosten im europäischen Vergleich niedrig www.boeckler.de/show_product_imk.html?productfile=HBS-004558.xml ,
während Frankreich eine ganz andere "Performance" bei der Lohnfindung hat - mit einer deutlich stärkeren Kaufkraft - oder hier wurden die "Lohnverteilungsspielräume" ökonomisch ziemlich optimal ausgenutzt. Nur bin ich anders als die IMK-Leute nicht der Ansicht, dass diese stärkere Kaufkraftbildung durch die Gewerkschaften allein auf den französischen Mindestlohn zurückzuführen ist. Ich würde eher umgekehrt sagen, auch der Mindestlohn ist ein Ergebnis der in Frankreich doch immerhin noch starken Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer mit ihren Gewerkschaften ist - auf Grund eines viel "besseren" Streikrechtes. Man hört bei uns auch immer wieder das Argument, dass die deutschen Gewerkschaften dennoch in den Ergebnissen gegenüber ihren ausländischen - insbesondere den französischen Kollegen - nicht schlechter dastehen.
Das ist nur insoweit richtig als es für Prosperitätsphase in der Bundesrepublik bis Ende der sechziger Jahre und in der Zeit vor der neoliberalen Wende Anfang der siebziger Jahre gilt, wo der Finanzkapitalismus noch keine solche Rolle spielte. (Siehe oben in dem TAZ-Labournet-Link z.B. den Link zur Parlamentsbeilage: Horn u.a zu "68") Zwar bekamen dann alle Gewerkschaften Schwierigkeiten - jedoch die deutschen fielen eben am stärksten zurück. (Vgl. zu dieser mit der neoliberalen Ideologie entstehenden neuen Formation des Finanzkapitalismus den österreichischen Ökonomen Stepan Schulmeister http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/zeit_96.pdf und das war 1996 (!) - sowie für die Arbeiterkammer"Die neue Weltwirtschaftskrise" ( 2009 ) http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/ Und Stephan Schulmeister war nicht nur ein Ökonomen,der ganze DGB-Konferenzen mit seinen Darlegungen mitreißen konnte, vielleicht weil er sich schon am längsten damit beschäftigt hatte,sondern der auch am plastischten die Finanzmärkte erklären konnte und der daher zur besseren Kontrolle der Dynamik der Finanzmärkte, die so destruktiv wirkte, auf eine allgemeine Finanztransaktionssteuer hinarbeitete So gehört Schulmeister nächst dem ehemaligen Chef der US-Fed, Paul Volcker zu den anregendsten Finanzmarktgestaltern -
zu Paul Volcker : www.nachdenkseiten.de/?p=4402#h02 , www.nachdenkseiten.de/?p=4405#h02 ,www.nachdenkseiten.de/?p=4477#h02 ,www.nachdenkseiten.de/?p=4498#h15 , www.heise.de/tp/blogs/8/146742 , www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27803/1.html ,www.nachdenkseiten.de/?p=4479#h09
und auch www.nachdenkseiten.de/?p=4475#h05
und wie die Banken bei uns den Staat ausplünderten siehe z.B. Nur jetzt gibt es auf diesem Gebiet - vielleicht wegen der breiten Mobilisierung über alle Parteigrenzen hinweg ( siehe www.steuergegenarmut.de ) - eine Annäherung zwischen SPD und der Linken Lohndumping als moderne Form des nationalen Protektionismus Angesichts der "Griechenland-Krise" 2010 stellt der französische Star-Ökonom Fitoussi auf die Frage, ob nicht gerade Deutschland - aber dann auch Frankreich - mit ihrer starken "Lohnzurückhaltung", um die Exporte anzukurbeln, zum "Griechenland-Problem" beigetragen hätten, fest : "Natürlich können die Regierungen der Eurozone weder die Geld- noch die Wechselkurspolitik ( durch Auf- und Abwerten ) national bestimmen, und wegen des Stabilitätspaktes ist auch ihr Budget-Spielraum eingeschränkt. Als einziges bleibt ihnen der Sozial- und Fiskalwettbewerb - und damit auch der Druck auf die Löhne. Diese moderne Form des Protektionismus ist eine neue Waffe der großen Staaten Europas Die Bundesregierung hat für das europäische Lohndumping die "Pole-Position" inne Dabei hat wegen der geringer durchsetzungsfähigen deutschen Gewerkschaften Deutschland so etwas wie die beste Ausgangsstellung für das Vorantreiben dieser Lohndumping-Abwärtsspirale für die EU eingenommen. Es wurde bei der Durchsetzung dieser steigenden ökonomischen Ungleichgewichte dann mit dem "Exportweltmeister" - jedenfalls für lange Zeit "belohnt" - auf Kosten eines immer größeren Teiles der Arbeitnehmer, die lohnmäßig immer mehr ins Abseits gerieten (siehe auch die letzten beiden Links). Der Reallohnverlust und die Misere der Sozialversicherungen. Die Auswirkungen dieser politisch initiierten Lohn"drückerei" hat aber nicht nur Folgen für die Beschäftigten, sondern zieht auch die deutschen Sozialversicherungssysteme immer weiter dem Abgrund zu - sozusagen "hausgemachtes Defizit" www.blaetter.de:80/archiv/jahrgaenge/2010/februar/hausgemachtes-defizit Die europäischen Institutionen "verewigen" diesen Abwärtstrend Der DGB-Vorsitzende Sommer hat angesichts von drei Urteilen des EuGH kritisiert: "Drei jüngere EuGH-Urteile verschieben die Balance zwischen Marktfreiheit und Arbeitnehmerrechten noch weiter zu Ungunsten der Beschäftigten... Eine solche EU tritt Arbeitnehmerrechte mit Füßen" Kräftige Worte - nur wie wird diese Balance wieder hergestellt? Wissenschaftler sprechen deshalb von einer "negativen Integration" (Fritz Scharpf ). Das bedeutet ,das jeweils Schlechtere für die Arbeitnehmer ist das Ziel - und die Unternehmensfreiheit walzt alle Arbeitnehmer-Grundrechte wie die Tarifautonomie aus dem Wege. Martin Höpner spricht daher schon von einer "Integration durch Usurpation" (siehe: Martin Höpner,Armin Schäfer Hg. "Die Politische Ökonomie der europäischen Integration" auch: www.boeckler.de/119_95758.html mit: www.boeckler.de/32014_94475.html sowie den diesbezüglichen Abschnitt in den letzten beiden Links unten am Schluß - ja, zur weiteren Vertiefung vielleicht auch noch www.labournet.de/diskussion/eu/sopo/bahl3.html - nebst dem Buchstaben d.) "Ein sozialeres Europa: Wir brauchen den Druck der Stasse" www.nachdenkseiten.de/?p=3986#h10 Vorsichtig beginnt deshalb auch in den Gewerkschaften eine Diskussion über dieses Europa - und ob es überhaupt sozial sein kann. Vorsichtig deshalb, weil es natürlich den Gewerkschaften schwerfällt zu begreifen, dass sie bisher bezüglich Europa auf dem falschen Bein "Hurra" geschrieen haben. Dazu schrieb IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Urban unter dem Titel "Zeit für eine Neuorientierung: Die Gewerkschaften und die Hoffnung auf ein soziales Europa" in IPG-Heft 4/ 2009 www.fes.de/ipg/sets_d/arc_d.htm oder genau http://library.fes.de/pdf-files/ipg/ipg-2009-4/4-09_urban_d.pdf Nur unser Bundesverfassungsgericht hat die Hoffnung auf ein "Soziales Europa" auf dem Wege des Verfassungsgerichts in seinem jüngsten "Lissabon-Urteil" erst einmal zunichte gemacht, indem es einfach diese Rechtsetzung in der EU - schon richtig in Orwell`schem "New-Speak" - umdefinierte als den "neuen Sozialstaat". Fazit: Wir haben gesehen, dass es schwierig sein wird, die Gewerkschaften in eine angemessenere und einigermaßen "ausgewogene" Durchsetzungsposition zu bringen, aber wenn man die Gewerkschaften nicht als bloße Bittsteller auf dem Teppich der Politik betrachten will, gibt es nur: Die Notwendigkeit des politischen Streiks, um die institutionelle Balance in Europa wiederherstellen zu können - bleibt die einzige Schlussfolgerung - allein um gewerkschaftliche Chancengleichheit in Europa herzustellen Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 14.2.2010 P.S.: Es sei noch einmal daran erinnert, dass das Bundesarbeitsgericht durchaus in früheren Zeiten, als Maßstab für die Gewerkschaften festgestellt hatte, dass sie in der Tarifautonomie nicht bloße Bittsteller sein dürften |