Zwanzig Jahre nach der Privatisierung der Bundespost - Arbeitspolitische Trends in der Briefbranche
"Das Logistikgeschäft gilt, obwohl arg gebeutelt durch die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise, als Zukunftsbranche. In aktuellen Studien werden dem Zulieferverkehr zwischen Unternehmen, der Optimierung von Lieferketten, dem interkontinentalen Containertransport und der weltumspannenden Beförderung von Luftfracht beachtliche Wachstumsraten prognostiziert. Das sorgt für geradezu euphorische Stimmung an der Spitze der Deutschen Post, denn der Bonner Konzern gehört zu den Großen in der globalen Logistik - dank DHL. Auf diese Konzernsparte kommt der Post-Vorstandsvorsitzende besonders gern zu sprechen. Frank Appel geht davon aus, dass die "Erfolgsmarke DHL" für Image und Rentabilität der Deutschen Post immer entscheidender wird. Appels Begeisterung für Seecontainer, Frachtflugzeuge und Hochregallager sollte allerdings nicht dazu führen, das klassische Kerngeschäft der Deutschen Post zu ignorieren. Trotz des viel beschworenen Logistikbooms stammt die Hälfte des gesamten Konzerngewinns nach wie vor aus dem deutschen Briefgeschäft. Und nach wie vor verzeichnet die Briefsparte des "Gelben Riesen", die für die Sortierung und Zustellung von Briefen und Paketen zuständig ist, eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen. Über 160.000 Postlerinnen und Postler kommen in diesem Unternehmensbereich zum Einsatz. Grund genug also, das Augenmerk auf arbeitsstrukturelle Entwicklungen im Briefdienst der Deutschen Post zu richten." Artikel von Geert Naber (Oldenburg) vom September 2010
Schöne neue Briefwelten? Über lohn- und arbeitspolitische Perspektiven im liberalisierten Postsektor
"Anfang 1998 trat die Postreform III in Kraft. Dieses Gesetzeswerk schuf den rechtlichen Rahmen für eine schrittweise Liberalisierung und Deregulierung des deutschen Postsektors. Seither wurde der Monopolbereich der Deutschen Post mehrfach eingeschränkt. Vor der dritten Stufe der Postreform kontrollierte der »Gelbe Riese« fast den kompletten Briefmarkt. Konkurrenzunternehmen durften nur in einigen Marktnischen agieren. Davon kann heute, knapp zehn Jahre nach der Postreform III, nicht mehr die Rede sein. Etwa die Hälfte des deutschen Briefmarktes ist mittlerweile für den Wettbewerb geöffnet. Konkurrenten der Deutschen Post ist es nicht nur erlaubt, Briefe mit einem Gewicht von über 50 Gramm zu befördern. Sie können außerdem innerhalb des verbliebenen Monopolbereichs aktiv werden: Wer Brief-Zusatzleistungen bietet, wie das Abholen der Post beim Absender oder die Zustellung am selben Tag, darf auch Sendungen unterhalb der 50-Gramm-Grenze transportieren." Artikel von Geert Naber, erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 09/2007
Erneuerung gewerkschaftlicher Konfliktfähigkeit? Postlerinnen und Postler gegen die Deregulierung des Briefmarktes
"Im Bereich der Briefsortierung und -zustellung ist der "Wohlfahrtskapitalismus" in arge Bedrängnis geraten. Die Deutsche Post AG, hervorgegangen aus der sozialpartnerschaftlich geprägten Bundespost, hat in ihrer Briefsparte zahlreiche Arbeitsplätze abgebaut. Teilweise konnte diese Schrumpfung kompensiert werden - durch einen Zuwachs an Beschäftigten bei konkurrierenden Briefdienstleistern. Charakteristisch für das Gros dieser neuen Arbeitsplätze ist freilich ein prekäres Potenzial. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind bei den neuen Anbietern am Briefmarkt kaum anzutreffen. Es herrschen Arbeitsverhältnisse vor, die durch ein hohes Maß an Unsicherheit, Instabilität und Abhängigkeit gekennzeichnet sind. Viele Beschäftigte haben sich mit befristeten Arbeitsverträgen, Minijobs und mit ausgesprochen niedrigen Löhnen zu begnügen. Oftmals erzielen deshalb selbst Vollzeitkräfte bei den Konkurrenten der Deutschen Post kein existenzsicherndes Einkommen und müssen ihr Gehalt durch Arbeitslosengeld II aufstocken." Artikel von Geert Naber (Oldenburg), Mai 2007
Postmoderne Zustände
Ökonomen warnen vor verschärftem Dumpingwettbewerb nach Fall des Briefmonopols. Bundesregierung will trotzdem an Plänen festhalten. Artikel von Ralf Wurzbacher in der jungen Welt vom 19.05.2007. Aus dem Text: "Sollte Anfang des kommenden Jahres wie geplant das Monopol der Deutschen Post AG auf die Auslieferung von Briefen unter 50 Gramm fallen, droht in der Branche ein massiver Verdrängungs- und Unterbietungswettbewerb zulasten der Beschäftigten. Zu dieser Einschätzung gelangen Torsten Brandt, Thorsten Schulten und Kathrin Drews vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in einem aktuellen Beitrag für die WSI-Mitteilungen. Angesichts der bei den neuen Postunternehmen verbreiteten prekären Arbeitsverhältnisse lasse sich eine Verschärfung der Situation nur verhindern, wenn die vollständige Liberalisierung des Briefmarktes durch eine wirkungsvolle Regulierung bei Löhnen und Arbeitsbedingungen flankiert werde, schreiben die drei Ökonomen."
Die Liberalisierung des Postsektors in der Europäischen Union: Wer zahlt für den Brief?
"Die Europäische Union plant zum 1. Januar 2009 die vollständige Liberalisierung des Postmarktes. Welche Folgen die vor zehn Jahren begonnene Marktöffnung für die im Postsektor Beschäftigten hat und ob der normale Bürger bei Umfang, Qualität und Preis von der Liberalisierung profitiert, ist in ersten Ansätzen zu erkennen." Artikel von Claus Zanker in bewegen Mai 2007
Postler demonstrieren in Berlin "Gegen Liberalisierung ohne Sachverstand"
"Mehr als 20.000 Postbeschäftigte aus ganz Deutschland demonstrieren am 14. Mai in Berlin für eine zeitgleiche Marktöffnung der Postdienste in allen Ländern der EU. Weiterhin fordern sie die Einführung eines Mindestlohns und verbindliche Sozialstandards als Bedingung für die Vergabe von Lizenzen zur Bearbeitung von Briefsendungen. Unter dem Motto "Gegen Liberalisierung ohne Sachverstand" ruft die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die Postler zum Protest gegen eine einseitige und vorschnelle Öffnung des deutschen Postmarktes und dem damit verbundenen drohenden Verlust von bis zu 32.000 Arbeitsplätzen auf. Die Kundgebung findet um 12 Uhr am Potsdamer Platz statt." Pressemitteilung von ver.di vom 09.05.2007
Wenn der Postmann nicht mehr klingelt
"Noch hofft Post-Chef Klaus Zumwinkel auf einen Aufschub, aber nach den bisherigen Plänen soll Anfang 2008 das Briefmonopol fallen - und den Markt für die Konkurrenz öffnen. Die hofft auf lukrative Geschäfte. Kritiker befürchten jedoch Dumpinglöhne und dass entlegene Gegenden auf der Strecke bleiben." Artikel von Susanne Amann (Hamburg) in der FTD vom 21.03.2007
Hurra, hurra, die Post ist da?! Die Liberalisierung der Postdienstleistungen in Deutschland vernichtet tausende von Arbeitsplätzen und belastet die Arbeitslosen- und Rentenkassen. Ein Beitrag aus dem "Guckloch", Februar 07 , der Betriebszeitung des TEAM UTE (Unabhängig Transparent Ehrlich) bei BOSCH-REXROTH Mechatrons GmbH in Schweinfurt veröffentlicht bei wobblies - internationale gewerkschaft vom 26.02.2007
Briefträger mit Armutslöhnen
Ver.di-Studie zur Liberalisierung des Briefmarktes zeigt: Private Zusteller setzen auf prekäre Beschäftigung. Mindestlöhne und verbindliche Standards gefordert. Artikel von Mirjam Neebe in der taz vom 27.1.2007. Siehe dazu:
- Liberalisierung und Prekarisierung - Beschäftigungsbedingungen bei den neuen Briefdienstleistern in Deutschland
Die Studie von der Input Consulting GmbH im Auftrag von ver.di, vom Dezember 2006
"Lass' meinen Briefträger in Ruhe!"
Die täglichen Dienste der Briefträger/innen sollen zum 1. Januar 2009 dem Wettbewerb preisgegeben werden. So will es die Europäische Kommission. Die Annahme dieser Pläne brächte jedoch den Verlust vieler Arbeitsplätze, höhere Preise und den Ausschluss "unrentabler Kunden". Die europäischen Gewerkschaften appellieren an das EU-Parlament, den Richtlinienentwurf der Kommission abzulehnen und haben dazu einen Protestmailer auf einer Sonderseite eingerichtet.
Auflagen für den Postmarkt: Ver.di fordert fairen Wettbewerb und soziale Standards
„Die Gewerkschaft ver.di warnt vor schrankenloser Liberalisierung im Dienstleistungssektor.Während am Mittwoch im Europaparlament die neue Dienstleistungsrichtlinie mehrheitlich verabschiedet wurde, ludt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu einer Betriebsräteversammlung der Deutschen Post AG ins Berliner Estrel-Hotel. Über 700 Gewerkschafter drückten in einer Resolution an die Bundesregierung ihre Sorge über die Folgen der Liberalisierung des Postmarktes aus…“ Artikel von Peter Nowak im Neues Deutschland vom 16.11.2006
UNI-Europa widersetzt sich der von der Kommission geplanten vollständigen Liberalisierung des Postmarktes
"UNI-Europa Post, die über 1 Million Postbeschäftigte in Postgewerkschaften in allen EU-Mitgliedstaaten vertritt, fordert den Ministerrat und das Europaparlament dringend auf, den Vorschlag der EU-Kommission für eine vollständige Marktöffnung der Postdienste für den Wettbewerb im Jahre 2009 nicht zu billigen. Der Vorschlag steht in Widerspruch zum Hauptziel einer neuen Postrichtlinie - der Bereitstellung eines Universalpostdienstes, der die Inanspruchnahme qualitativ hoch stehender Postdienste flächendeckend und zu erschwinglichen Preisen für alle garantiert - ein Recht, das von den EU-Bürgern/innen, Kunden sowie Klein- und Mittelunternehmen hoch geschätzt und noch nie von einer Regierung, politischen Partei oder europäischen Institution, einschließlich der Kommission, angefochten wurde." Pressemitteilung der UNI vom 19.10.2006 |