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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 8. Januar 2010: I. Internationales / Indien / Arbeitsbedingungen und Arbeitskämpfe "Fröhliche Weihnachten" - wie streikende indische Frauen nordamerikanische Weihnachten verdarben... Die gesamt zweite Dezemberhälfte streikten im Großraum Delhi rund 20.000 Mandel-Arbeiterinnen. Für zwei Arbeitsgänge werden die in Nordamerika geernten Mandeln nach Indien geflogen, um dort von zahlreichen, beieinander gelegenen Kleinunternehmen bei Delhi verarbeitet zu werden. Damit sich solcher Wahnsinn lohnt, müssen die Löhne entsprechend sein. So sah auch der Forderungskatalog der selbst neu gegeründeten Gewerkschaft Badaam Mazdoor Union aus: Die dort am 15. Dezember 2009 aufgelisteten 5 Punkte sind allessamt Forderungen deren Erfüllung - eigentlich - von den indischen Arbeitsgesetzen vorgeschrieben sind. Am 31. Dezember endete der Streik mit einem Kompromiß - nachdem in den ersten Tagen Schlägergruppen von den Verbundunternehmen angeheuert worden waren; nachdem die aber ohne Wirkung blieben, und auch einige Unternehmer mit derselben Form von Auseinandersetzung überrascht wurden, die sie zunächst für ihre Seite favorisiert hatten, kam Bewegung in die Sache, erst recht als auch das Eingreifen der Polizei nicht die gewünschte Wirkung zeigte. Mindestlohnerhöhung von 50 auf 70 Rupien je Sack geschälte Mandeln war die Forderung, der Kompromiß liegt nun bei 60 Rupien/Sack. Das Ergebnis ist ein Kompromiß, aber einer, der von den streikenden Frauen als sieg gefeiert wurde: Nicht nur, dass sie überhaupt in der Lage waren, als informelle Beschäftigte einen 15 tägigen Streik zu organisieren war ein Erfolg, sondern erst recht, dass der Streik gegen den Terror von Privatgangs und Polizei durchgehalten wurde machte ihn zu einem Ereignis für die gesamt indische Öffentlichkeit. Der Bericht "15-Day long Almond Workers' Strike in Delhi comes to conclusion" bei Radical Notes vom 1. Januar 2010 unterstreicht nochmals die politische Bedeutung dieses Kampfes in einem Land in dem die gewerkschaftliche Tradition eigentlich nur in dem kleineren formellen Bereich existiert. II.Internationales / Russische Föderation / Gewerkschaften Valentin Urusov: 6 Jahre Zwangsarbeit. Offiziell: Wegen Drogenbesitzes. Reell: Wegen Gewerkschaftsgründung... Russlands ferner Osten ist innovativ: Erstmals seitdem die UdSSR aufgelöst ist, wurde ein Gewerkschafter in Jakutien zu Zwangsarbeit verurteilt - Valentin Urusov soll diese gleich 6 Jahre lang leisten. Während er 2008 in Untersuchungshaft saß, fanden Polizisten in seiner Wohnung Drogen - er war Anfang September 2008 festgenommen worden, zwei Tage bevor ein Verhandlungskomitee mit den Vertretern der neu gegründeten Betriebsgewerkschaft bei der staatlichen Diamantenmine Alrosa (Eigentümer ist die Provinzregierung Jakutiens) die Forderungen der Belgeschaft verhandeln sollte. Valentin Urusov war der Sprecher der festgelegten Gewerkschaftsdelegation für dieses Komitee. Ein Regionalgericht im Bezirk Mirinsky verurteilte ihn im Dezember 2008 wegen Drogenbesitzes - der Landesgerichtshof der Provinz Jakutien kassierte dieses Urteil am 12. Mai 2009 und verlangte eine Wiederaufnahme des Verfahrens, Urusov kam einstweilen frei. Im darauf folgenden Wiederaufnahmeverfahren bekräftigte das Bezirksgericht sein erstes Urteil von sechs Jahren Zwangsarbeit. Zahlreiche russische Gewerkschaftsorganisationen und Menschenrechtler organisieren seitdem eine Kampagne, die seit Dezember 2009 auch international geführt wird: Die britische Gewerkschaft der Bergarbeiter, die NUM, organisiert die transnationale Solidarität. Zur Kampagne "Free Valentin Urusov" bei facebook. III.Internationales / USA / Arbeits- und Lebensbedingungen Krankenschwester-Gewerkschaft: Gesundheitsgesetz stärkt Versicherungsunternehmen Die zweite große Mogelpackung (nach dem Friedensnobelpreis - aber der war ja ohnehin allerspätestens seit Kissinger entwertet) sei die Health Care Bill, sagen radikalere Kritiker, während viele meinen, Druck wurde an dem Gesetz noch etwas ändern. Und Druck wurde und wird in der Tat gemacht - auf der Straße von christlichen Fundis, in den normalen Kanälen von der Unternehmen der Versicherungsbranche. Und da deren Mitarbeiter nicht in ihrer Gewerkschaft sind, kann die neugegründete National Nurses Union, die 160.000 Krankenschwestern organisiert hat, deutlich Stellung beziehen. In einer 10 Punkte Kritik weist die Gewerkschaft immer wieder darauf hin, welche neuen zusätzlichen Möglichkeiten die Versicherungsunternehmen mit diesem Gesetz bekommen - unter anderem wird der Traum vieler "Experten" verwirklicht, die Menschen zur Gesundheit zu zwingen. Unsterblich werden sie dadurch zwar nicht, entgegen mancher darauf zielender Behauptung, aber sie dürfen dann mehr bezahlen, wenn sie bestimmte "Wellness"-Programme versäumen...Die Stellungnahme der Anfang Dezember 2008 durch Fusion dreier Gewerkschaften entstandenen NNU "Health care bill gives away too much to insurance companies" vom 22. Dezember 2009. IV.Internationales / Philippinen Ein Clan, der morden läßt. Der der Präsidentin viele Stimmen "eingebracht" hat, und Partner im Kampf gegen "muslimischen Terror" ist... Am 23. November 2009 wurden in Maguindanao 50 Menschen ermordet - AktivistInnen sozialer Bewegungen, Journalisten und Regierungsbeamte - im Zentrum aller Verdachtsmomente steht der Grundbesitzerclan der Ampatuan. Dieser Clan ist nicht nur der wichtigste Wahlhelfer von Präsidentin Arroyo in der Provinz Mindanao gewesen - auf ihrem Herrschaftsanwesen wurden auch zahlreiche hochmoderne Waffen der Armee gefunden, offiziell sind sie Regierungspartner im Kampf gegen den Terrorismus (was die Waffenfunde trotzdem keineswegs legal macht). Die philippinische Labor Party fordert nicht nur Aufklärung der konkreten Mordfälle, sondern auch eine Ende der Herrschaft der Warlords in mehreren Provinzen. Die Erklärung "Justice for the Victims of V.Internationales / Schweden Die Regierung findet Krebskranke zu teuer - wer findet die Regierung zu krank? Die konservative schwedische Regierung kann immerhin beanspruchen, im Rahmen der generellen Angriffe auf soziale Sicherungssysteme einmal etwas originelles zustandegebracht zu haben: Der offene Generalangriff auf Langzeitkranke. Was anderswo scheibchenweise vorangebracht wird, wollen diese ehrenwerten Herren mit einem Mal vollziehen: "Ihr seid zu teuer, ihr kriegt nichts mehr" heisst die neueste Parole dieser Vereinigung. 17.000 Menschen sollen zwangsweise zurück auf den Arbeitsmarkt - und es könnten in nächster Zeit noch mehr werden. Während selbst Ärztevereinigungen drastische Worte für diese Politik finden, ist es jedermensch klar, dass sie nicht arbeiten können, selbst wenn sie es könnten - wer wird sie schon beschäftigen. Diese Regierung habe eine moralische Niederlage erlitten meint in dem (aus dem "Aftonbladet" beim Courrier International ins Französische übersetzten) Artikel "La défaite morale du gouvernement" Olle Svenning am 4. Januar 2010. VI.Internationales / Türkei / Privatisierung und Widerstand a) Ein Pol für Marginalisierte: Tekel Die kämpfenden Tekel-Beschäftigten sind laut ihrer Gewerkschaft ein Pol für alle Marginalisierten geworden. "»Die Tekel-Arbeiter sind zu einer Plattform für alle Menschen in diesem Land geworden, die ausgeschlossen, unterdrückt und ignoriert werden. Wichtig ist insbesondere, daß die Widerstand leistenden Arbeiter zu einem Zeitpunkt aufgestanden sind, zu dem Erdogan jedermann Angst einjagt und einschüchtert«, betonte der Generalsekretär der kemalistisch ausgerichteten Tabak-, Alkohol- und Lebensmittelarbeitergewerkschaft Tek Gida-Is, Macit Amac" - einer der Kernsätze des Berichts "Tabakarbeiter streiken weiter" von Nick Brauns in der Jungen Welt vom 8. Januar 2010. b) Tekel-Belegschaft will weiter kämpfen Genau 8.180 beschäftigte Gewerkschaftsmitglieder der Tekel-Lager und Verteilungsstätten (die Produktionsstätten des einstigen staatlichen Tabak und Alkoholherstellers wurden bereits vor einiger Zeit privatisiert) beteiligten sich an einer gewerkschaftlichen Urabstimmung über die Fortsetzung der Proteste Anfang Januar, nach 23 Streiktagen. Nur 30 stimmten gegen die Fortsetzung. Die Regierung versucht, die Lage mit minimalen Zugeständnissen unter Kontrolle zu bekommen: Ausdehnung einer Beschäftigungsgarantie (zu reduzierten Löhnen) von 10 auf 11 Monate und ähnliche soziale Heldentaten bewirkten allerdings nichts. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Auseinandersetzung ist der Artikel "Tekel workers decide to continue demonstrations" vom 7. Januar 2010 in "Todays Zaman". c) Solidarität von der IUF organisiert Da der Kampf unter anderem schon viel länger dauert, als abzusehen war und viel breiter als je zuvor ist, kommt es eben auch auf finanzielle Unterstützung an. Der Aufruf dazu bei der IUF "UPDATE on TEKEL Workers Protest in Ankara" vom 22. Dezember 2009. VII.Internationales / Republik Kongo Grüne Energie - und die Folgen... Bitumensand und Biodiesel - die italienische ENI verfolgt gleich mehrere Großprojekte im Kongo und weist darauf hin, dass der Dow Jones Bewertungsindex die ENI als jene Öl und Gasgesellschaft bezeichnet, die am weitesten vorangeschritten in der Praxis nachhaltigen Wirtschaftens sei. Dass die Bitumengewinnung aus Sand etwa in Kanada im Zentrum heftigster Kritik steht - nicht zuletzt wegen der in der jweiligen Umgebung signifikant erhöhten Rate an Krebserkrankungen wird dabei weniger betont - ebensowenig wie der Umstand, dass es in der Republik Kongo gegenwärtig kein einziges gültiges Umweltgesetz gibt. Von Biodiesel könnten etwa brasilianische Bauern auch vieles berichten, was der jeweiligen Regierungspolitik keineswegs entspricht. Beim belgischen Cetri gibt es den ausführlichen Beitrag "Les impacts environnemenaux et socioéconomiques de la production d'énergie "verte"" vom 31. Dezember 2009. VIII.Internationales / Frankreich / Gewerkschaften / SUD Staatsrat stellt Rechte der SUD wieder her - Regierung muss dem Beschluss folgen Am 30. Dezember hat der französische Staatsrat der Gewerkschaftsföderation SUD gleich in zwei Beschwerden gegen die Regierung Recht gegeben und diese zu einer jeweiligen Politikrevision verpflichtet. So war SUD 2008 von den staatlichen Finanzzuschüssen für die landesweiten Gewerkschaftswahlen in den Betrieben ausgeschlossen worden und die Gewerkschaft wurden von der Beteiligung an den zentralen und regionalen Wirtschafts- und Sozialräten ausgeschlossen. Beides muss nun rückgängig gemacht werden unterstreicht die SUD in der Pressemitteilung "Le Conseil d'Etat rétablit les droits de Solidaires face à deux injustices" vom 6. Januar 2010. IX.Internationales/ Algerien / Arbeitskämpfe Aufruhrpolizei gegen streikende Arbeiter Seit Wochen gibt es Streiks an Schulen und Krankenhäusern, gegen die verschiedenste repressive Maßnahmen ergriffen wurden, welche bisher ohne Wirkung blieben. Von amtlicher Repression zu offener Gewalt - dieser Schritt wurde jetzt getan, denn die Gefahr besteht akut, dass die Streikbewegung auf die Industrie übergreift. Jetzt wurde eine Demonstration streikender Arbeiter in einem Industrievorort von Algier mit massiver Polizeigewalt gestoppt. Der Bericht "Algerian riot police clash with protesting workers" von Omar Ouali von der ap am 7. Januar 2010 macht deutlich, dass die Empörung über Korruption ebenso groß ist, wie der Bedarf an Lohnerhöhung wegen der Inflation. X.Internationales / China / Arbeitsbedingungen 152 Arbeiter von Osram-Zulieferer mit Quecksilbervergiftung Bei der Foshan Electrical and Lighting Co, in Foshan, die mit rund 1000 Beschäftigten größter Leuchtmittelhersteller Chinas ist, häuften sich die Klagen der ArbeiterInnen über gesundheitliche Probleme - so sehr, dass amtsärtzliche Untersuchungen eingeleitet wurden, nachdem erste Fälle von vermutlicher Quecksilbervergiftung festgestellt wurden. Dabei wurde jetzt festgestellt dass bereits 152 Arbeiter solche Vergiftungssymptome aufweisen. Die Xinhua Meldung "Tests show 152 Chinese workers have suspected mercury poisoning" vom 7. Januar 2010 bei Chinaview. Der bessere Vorsatz 2010: Kapitalismus weg statt Kilos weg. Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |