Russischer Gouverneur folgt dem chinesischen Vorbild
Mit Steuervergünstigungen und Industrieparks schaffte die südlich von Moskau gelegene Region Kaluga den Sprung in die moderne Massenfertigung. Gewerkschafter klagen über Drangsalierungen und Überfälle. Artikel von Ulrich Heyden auf Telepolis vom 01.11.2012 .Aus dem Text: "(.) Bei der Auswahl der Arbeitskräfte nimmt sich VW Zeit. Man holt die Arbeiter nicht direkt von der Straße, sondern stellt Leute ein, die sich vorher ein halbes Jahr als Leiharbeiter bewährt haben. Nach der offiziellen Einstellung müsse die Mitarbeiter nochmal eine dreimonatige Probezeit absolvieren. Gegen die starke Position der Leiharbeitsfirmen und die erheblichen Lohnunterschiede zwischen Festangestellten und Leiharbeitern protestiert die "Interregionale Gewerkschaft der Automobilarbeiter" (MPRA), die bei Volkswagen 1.200 Mitglieder hat, bisher jedoch ohne wirklichen Erfolg. (.) Die 2006 bei Ford in St. Petersburg gegründete Gewerkschaft MPRA spielt in Russland eine Pionier-Rolle in den zahlreichen neuen Unternehmen ausländischer Automobilfirmen. 2007 konnte die Gewerkschaft, die eine wesentlich aktivere Politik macht als die staatsnahe FNPR bei einem Streik im Ford-Werk bei St. Petersburg eine Lohnerhöhung von ca. 20 Prozent durchsetzen."
Täglicher Kampf ums Recht der Arbeiter
“Für Marx” – Der Film erzählt, wie die Gewerkschaften im heutigen Russland sich für ihre Arbeiter einsetzen. Ein Thema, das ungern in den Nachrichten auftaucht – und vielleicht gerade deshalb seit Juni Diskussionen auslöste. Bislang war die russische Regisseurin Svetlana Baskova für ihre Underground-Filme bekannt. Nun begibt sie sich auf hochexplosives Terrain. “Die Gewerkschaften sind für mich das Symbol, wie Menschen ihre Würde verteidigen. Auch wenn sie oft noch nicht können, sie wollen es”, sagt Boskova. “Sie sind bereit, viel zu riskieren: Ihre Stellung, ihren Job. Es ist die einzige Organisation, der sie vertrauen.” Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 erlebten die Gewerkschaften ein “dunkles Jahrzehnt”: Massenhaft verloren sie ihre Mitglieder. Vor allem aber waren sie nicht in der Lage, die Rechte der Arbeiter zu verteidigen: Ein neues Rechtsstaatssystem und damit auch faire Arbeitsbedingungen musste erst wachsen. Ausstehende Löhne waren an der Tagesordnung -landesweit gingen die Arbeiter auf die Straßen. Heute wächst die russische Gewerkschaftsbewegung wieder. Es gibt immer mehr unabhängige Arbeitervertretungen. In den Unternehmen steht eine neue Generation in den Chefetagen; immer Arbeiter bekommen ein Gefühl dafür, ihre Rechte zu verteidigen. Heute gibt es selbst eine Partei namens “Union Arbeit”…“ Eine Reportage auf Euronews-Reporter vom 20.07.2012 inklusive Video
Valentin Urusov: 6 Jahre Zwangsarbeit. Offiziell: Wegen Drogenbesitzes. Reell: Wegen Gewerkschaftsgründung...
Russlands ferner Osten ist innovativ: Erstmals seitdem die UdSSR aufgelöst ist, wurde ein Gewerkschafter in Jakutien zu Zwangsarbeit verurteilt - Valentin Urusov soll diese gleich 6 Jahre lang leisten. Während er 2008 in Untersuchungshaft saß, fanden Polizisten in seiner Wohnung Drogen - er war Anfang September 2008 festgenommen worden, zwei Tage bevor ein Verhandlungskomitee mit den Vertretern der neu gegründeten Betriebsgewerkschaft bei der staatlichen Diamantenmine Alrosa (Eigentümer ist die Provinzregierung Jakutiens) die Forderungen der Belgeschaft verhandeln sollte. Valentin Urusov war der Sprecher der festgelegten Gewerkschaftsdelegation für dieses Komitee. Ein Regionalgericht im Bezirk Mirinsky verurteilte ihn im Dezember 2008 wegen Drogenbesitzes - der Landesgerichtshof der Provinz Jakutien kassierte dieses Urteil am 12. Mai 2009 und verlangte eine Wiederaufnahme des Verfahrens, Urusov kam einstweilen frei. Im darauf folgenden Wiederaufnahmeverfahren bekräftigte das Bezirksgericht sein erstes Urteil von sechs Jahren Zwangsarbeit. Zahlreiche russische Gewerkschaftsorganisationen und Menschenrechtler organisieren seitdem eine Kampagne, die seit Dezember 2009 auch international geführt wird: Die britische Gewerkschaft der Bergarbeiter, die NUM, organisiert die transnationale Solidarität. Zur Kampagne "Free Valentin Urusov" bei facebook.
Eisiges Klima
Rigide Gesetze, arrogante Unternehmer, staatliche Repression und eigene Passivität haben den Einfluß der russischen Gewerkschaften fast auf Null reduziert. Artikel von Raoul Rigault in der jungen Welt vom 22.12.2009
Solidarität mit der Gewerkschaft der Automobilarbeiter
Auch in Russland ist Innovation angesagt: So haben die Staatsanwaltschaften eine "Abteilung zur Prävention des Extremismus" geschaffen, die sich der Verfolgung beispielsweise gewerkschaftlicher Aktivität widmet. Gewerkschaftsflugblätter werden dann auch schon mal in die Liste der "Beispiele extremistischer Propaganda" aufgenommen. Ein Gericht in Tver bestätigte - ohne Gewerkschaftsvertreter vorzuladen - dass das Material extremistisch sei, Aktivisten der Region wurden ausführlich über Organisationsstrukturen der Gewerkschaft befragt. Zahlreiche weitere Fälle werden kurz angerissen in dem "Brief an J. Rayna" (Generalsekretär des Internationalen Metallarbeiterbundes" von Anfang Dezember 2009, den Alexei Etmanov, Mitvorsitzender der Autogewerkschaft ITUA geschrieben hat.
Zusammenschluss zweier Gewerkschaftsföderationen geplant
Die Allrussische Gewerkschaftsföderation und die Russische Gewerkschaftsföderation, zweit und drittgrößter Verband des Landes, wollen sich zusammenschließen. Auf einer Pressekonferenz unterstrichen die beiden Vorsitzenden, der Diskussionsprozeß der mitgliedschaft sei noch im Gange, das Ergebnis aber bereits eindeutig. Die Allrussische Föderation hat ihre stärksten Gewerkschaften bei den Stahl- und Autoarbeitern, Nahrungsmittelindustrie, Dienstleistungen, bei Ärzten und Lehrern, während die Russische Konföderation vor allem in sämtlichen Transportsektoren recht stark organisiert ist. Näheres in dem Bericht "Labor Groups Seek Strength Through Merger" von Anatoly Medetsky, am 1. Dezember 2009 in der "Moscow Times".
Neue Gewerkschaften: Eine Zwischenbilanz
Zwanzig Jahre ist es her: 1989 wurde, noch in der Sowjetunion, die erste unabhängige Gewerkschaft organisiert, die der Bergarbeiter. Die "erste Hälfte" dieses Zeitraumes, die mit der Massenbewegung der Zugblockaden im Kampf um ausstehende Lohnzahlungen 1998 Höhepunkt und auch ihr Ende fand, und die allmähliche Wiederbelebung nach Jahren des Rückgangs, die "zweite Hälfte" gekennzeichnet durch die Gründung der überregionalen unabhängigen Automobilarbeitergewerkschaft 2007. Diese Entwicklung wird in die gesamtpolitische Entwicklung des Landes eingeordnet in dem Beitrag "The Class Struggle in Post-Soviet Russia" von Boris Kagarlitsky in der Ausgabe Sommer 2009 von "New Politics".
Keine Antwort von VW
"Der Automarkt boomt, aber in ihren russischen Werken unterlaufen westliche Automobilfirmen viele arbeitsrechtliche Standards. «Tretet in die Gewerkschaft ein. Es ist die einzige Kraft, die eure Interessen schützt», ruft Pjotr Podiwilow über eine selbstgebaute Lautsprecheranlage. Der 33-jährige Qualitätskontrolleur steht vor dem Werk von Renault Moskau, das die ArbeiterInnen gerade nach Schichtende verlassen. Seit einem Jahr versucht er im Betrieb eine unabhängige Gewerkschaft aufzubauen, 200 Leute hat er schon zusammen. Doch die Unternehmensleitung legt ihm Steine in den Weg. ArbeiterInnen, die an einer Kundgebung vor dem Werk teilnehmen, riskieren ihre Kündigung." Artikel von Ulrich Heyden, Moskau, in der WOZ vom 10.04.2008
Zeit für Gewerkschaften - In den russischen Niederlassungen internationaler Konzerne formiert sich neuer Widerstand.
"Als das neue Arbeitsgesetzbuch im Februar 2002 in Kraft trat, glaubten viele, daß damit das Ende für die alternativen Gewerkschaften gekommen sei. Das Gesetz legte fest, daß die Belegschaft einer Firma nur durch eine Gewerkschaft vertreten werden darf. Es war deshalb nicht überraschend, daß die Föderation unabhängiger Gewerkschaften Rußlands (FNPR), ein konservatives Überbleibsel aus der sowjetischen Ära und ein enger Verbündeter der Regierungspartei »Vereintes Rußland«, das neue Gesetz als einen historischen Sieg feierte." Artikel von Boris Kagarlitsky in junge Welt vom 28.03.2006
A Time for Trade Unions
Das neue Arbeits-Gesetz von 2002 schadet anscheinend eher der alten FNPR - dem regierungstreuen Dachverband der Gewerkschaften in Russland - und Streiks sollten eigentlich unmöglich gemacht werden, doch es kam anders. Gerade in Firmen von ausländischen Inverstoren wie Ford oder Heineken entsteht eine neue Form von Gewerkschaften, so Boris Kagarlitsky, Direktor des Instituts für Globalisierungsstudien in Moskau. (Englischer) Artikel von Boris Kagarlitsky in TheMoscowTimes vom 09.03.2006. (Kostenlose Registrierung erforderlich!!) Aus dem Text: "When the new Labor Code went into effect in February 2002, many believed that it spelled the end of alternative trade unions. The code stipulated that only one union could represent the employees of any given enterprise. It therefore came as no surprise that the Federation of Independent Trade Unions of Russia, or FNPR, a conservative holdover from official Soviet-era trade unions and a close ally of the United Russia party, hailed the new code as an historic victory.". Siehe dazu:
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Arbeitnehmer und Gewerkschaften - Putins Systemreform - Reaktionen 2
Weitergehende Texte zur Geschichte und Entwicklung der Gewerkschaften in Russland in Russlandanalysen 40 vom 8.10.2004
Unabhängige Hafenarbeitergewerkschaft gegen Unterdrückung
Die Hafenarbeiter von Kaliningrad hatten 1995 eine eigene unabhängige Gewerkschaft gegründet (englisch: Russian Union of Dockworkers, russisch RPD), die 1997 einen größeren Streik für die Gleichbehandlung mit anderen Häfen führte - der verloren ging, auch wenn spätere Mobilisierungen dazu führten, den Streik als rechtmässig von der Justiz beurteilt zu bekommen. Seitdem wird viel getan, um den Willen der Mitgliedschaft zu brechen - inklusive solcher Bestimmungen des Managements, dass alle RPD Mitglieder nur noch zum fegen eingesetzt werden. Der (englische) Bericht über den Kampf der RPD gegen Sozialpartnerschaft und Unterdrückung "Independent Union Struggles Against Partnership Schemes And Union-Busting on Russia’s Docks" von Liz Vladeck in der Ausgabe Februar 2005 der Zeitschrift "Labornotes".
Verhaftung eines Gewerkschafters in Russland
"Am 20.08. um 9.00 morgens, eine Stunde vor dem Beginn einer Kundgebung der Staedtischen Konfoederation der Arbeit (GKT) von Anzhero-Sudzhensk gegen die kommunale Wohnungsreform und die scharfe Verschlechterung der Lebensbedingungen der ArbeiterInnen, wurde der Sekraetaer der Sibirischen Konfoederation der Arbeit (SKT) Vladimir Prokhorovich Vorobyov verhaftet...." Wir dokumentieren den Solidaritätsaufruf samt Protestadressen
Gewerkschafter beim Russland-EU Gipfel geschlagen. Über zwei Dutzend verhaftet, viele verletzt
Ein Bericht der "International Solidarity with Workers in Russia" vom 30.Mai über die Moskauer Gewerkschaftsproteste beim Gipfeltreffen, das Russland die "Anerkennung als Marktwirtschaft" einbrachte.... In deutscher Übersetzung und Original samt Musterprotestbrief und Adressen
Neoliberale Mastkur. Paternalistische und alternative Gewerkschaftspolitik in der russischen Automobilindustrie
Beitrag aus Le Messager Syndical vom 16. Januar 2002, übersetzt von Anne Scheidhauer, erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 3/02
Monatlicher Rundbrief über Gewerkschaften in Rußland
ausgearbeitet von einem französischen Forscher vom dortigen CNRS. Der Rundbrief liegt vor
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auf Französisch: LE MESSAGER SYNDICAL. Bulletin d'information sur le mouvement ouvrier en Fédération de Russie.
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auf Englisch: THE RUSSIAN UNION MESSENGER. Monthly news on the Russian labour movement.
Die Sibirische Konföderation der Arbeit (SKT)
Die Sibirische Konföderation der Arbeit (SKT) ist eine syndikalistische Gewerkschaft, die 1995 von Mitgliedern der damals in Auflösung begriffenen Konföderation der AnarchosyndikalistInnen (KAS) gegründet wurde. Zur Zeit hat die SKT Mitgliedsföderationen in den Städten Omsk, Tomsk, Sjeversk und seit 1998 auch in Anshero-Sudshensk, deren Mitglieder im Sommer 1998 an der mehrtägigen Blockade der wichtigen Transsibirischen Eisenbahn beteiligt waren.
Probleme und Perspektiven der russischen Arbeiterbewegung
Artikel von David Mandel in der SoZ-Bibliothek Nr. 8/9 vom 13.4.2000 |