Serbiens ArbeiterInnen im Kampf gegen die Privatisierungspläne ihrer Regierung
"...Vor mehr als neun Jahren kamen in Serbien neoliberale Kräfte an die Macht und versprachen eine radikale Umwandlung von Wirtschaft und Gesellschaft. Bis Ende 2009, so das selbst gesteckte Ziel der serbischen Regierung, sollten alle bislang öffentlich, bzw. in Belegschaftshand geführten Unternehmen privatisiert sein. Druck, die Privatisierung zu beschleunigen, erhielt die Regierung jüngst vom IWF, der die Zahlungen eines weiteren Milliardenkredits an das Land davon abhängig macht, dass die öffentlichen Ausgaben überprüft und reduziert werden. Geschätzte 30'000 ArbeiterInnen aus 30 Unternehmen tragen zurzeit die Proteste. Sie fordern einen Stopp der Enteignungen durch die Privatisierung, Zuschüsse für insolvente Unternehmen, die Auszahlung ausstehender Löhne oder Insolvenzgelder - aber auch die Übernahme und den Erhalt "ihrer produktiven Kapazitäten". (...) Anfangs März halten VertreterInnen verschiedener serbischer Streikkomitees in Deutschland, Österreich und der Schweiz Vorträge:
28.02.2010 in Wien: 16.00 Uhr, Restaurant Lazar, 1150, Vogelweidplatz 4
02.03.2010 in Berlin: 19.00 Uhr, Haus der Demokratie, Greifswalderstr.4
03.03.2010 in Hamburg: 18.30 Uhr, im Curiohaus, Rothenbaumchaussee 15, Hofdurchgang
04.03.2010 in Bremen: 19.00 Uhr, im Konsul-Hackfeld-Haus, Birkenstraße 34
05.03.2010 in Zürich: 19.30 Uhr, Volkshaus, Grüner Saal
Weitere Infos auf der Seite des Solidaritätskomitees
»Wild at heart«, Serbiens wilder Weg in den Westen
Der Beitritt Serbiens in der nächsten Erweiterungsrunde der EU ist umstritten, gilt aber als unvermeidbar. Serbiens Regierung hat einen Aufnahmeantrag gestellt und tut alles, um dabei zu sein. Dazu gehört ein Privatisierungsprogramm, das einen radikalen Bruch mit bisherigen Formen von staatlichem und Belegschafts-Eigentum darstellt und entsprechend soziale Verwerfungen nach sich zieht. Über das »Koordinierungskomitee für den Widerstand der ArbeiterInnen«, das die zahlreichen Proteste gegen diese Entwicklung zu verbinden sucht, hatten wir im letzten express berichtet. Im Folgenden eine kurze Geschichte des sozialen Kahlschlags, zu dessen Folgen auch Verzweiflungstaten wie die Selbstverbrennungsaktion der TextilarbeiterInnen aus Novi Pazar gehören. Artikel von Anna Leder & Peter Haumer, erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/10. Siehe dazu auch:
- Body Count - Selbstverbrennungsversuch im serbischen Novi Pazar
Artikel von Anna Leder & Peter Haumer, erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/10
- Im LabourNet Germany unter Internationales > Jugoslawien/Serbien > Arbeitskämpfe: "Selbstverbrennungsversuch streikender Arbeiterinnen in Novi Pazar, Serbien"
Die Reichtumsversprechen der Privatisierung. Die Realität der Armut
" .Das postsozialistische Serbien ist geprägt von erschreckender Armut. Vor der letzten Parlamentswahl im Mai 2008 hatte der Vorsitzende der marktradikalen pro-westlichen Partei G17 Plus, Mladjan Dinkic, der Bevölkerung soziale Zuwendungen in Aussicht gestellt, angeblich finanziert durch umfassende Privatisierungen. Konkret sollte jeder Bürger eine Summe von 2000 Euro erhalten. Nach den Wahlen wurde Dinkic Wirtschaftsminister und verlor die Erinnerung an sein Versprechen. Statt dessen wurde nun zum orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Januar mit der Auszahlung von 1700 Dinar für jeden Bürger begonnen, das sind umgerechnet 17 Euro. Außerdem soll jeder Aktienanteile an den privatisierten Konzernen im Wert von 2500 Dinar, also 25 Euro, erhalten. Obwohl diese Beträge nicht mehr als einen symbolischen Wert haben, zeigt der Andrang der Menschen an den Auszahlungsstellen, wie viele auf die Almosen angewiesen sind. Allein am ersten Tag haben sich 300000 Menschen in die Schlangen eingereiht..." - so beginnt der Artikel "Anstehen nach Almosen" von Cathrin Schütz in der jungen Welt vom 15. Januar 2010, in dem Versprechungen und Realität gegenübergestellt werden.
Vorsicht, Terrorismus! Die IWF Bande ist da...
Eine Delegation des Internationalen Währungsfonds hält sich gegenwärtig in Belgrad auf, um den serbischen Staatshaushalt 2010 mit der Regierung zu diskutieren - wobei man sich in den Grundzügen einig ist, es wird den üblichen weltweit bekannten Raubzug geben. Von den zweierlei Arten öffentlichen Eigentums, die es nach dem NATO-Krieg immer noch gab wurden zuerst jene Unternehmen privatisiert, die sich in Belegschaftseigentum befanden, jetzt sollen die allerletzten davon versteigert werden. Staatseigene Betriebe endgültig abzuwickeln wird noch etwas länger dauern - da gibt es auch mehr Verflechtungen von Interessen... Interessant insbesondere dass die Privatisierungsagentur kund gibt, die privaten Unternehmen wirtschafteten schlechter als der jeweilige Branchendurchschnitt. So nachzulesen in "Devastating "Free Market" Reforms Imposed on Serbia" von Gregory Elich, am 28. Oktober 2009 bei Globalresearch.
Betriebliche Streikkomitees bilden Koordination
Die Streikbewegungen in Serbien gehen ungebrochen weiter - der Teil, dessen Kampf sich gegen Privatisierungen richtet nimmt weiter zu - und vertieft sich: Jetzt haben fünf betriebliche Streikkomitees quer durchs Land eine gemeinsame Koordination gebildet. Nach 8 Jahren Erfahrungen mit Privatisierungen verbreitet sich die Meinung, deren Auswirkungen seien in etwa mit jenen der NATO-Bombardierungen zu vergleichen. Die Regierung setzt auf "sozialen Dialog" mit den Gewerkschaftsvorständen, die schon lange das Vertrauen Vieler verloren haben. Die Koordination fordert, als Vertretung der Streikenden anerkannt zu werden. Das ausführliche Interview "Anti-Privatization Protests in Serbia" mit Milenko Sreckovic, Sprecher des Koordinationskomitees, am 11. September 2009 veröffentlicht in "The Bullet".
Die treuen Hände Serbiens: Privatisierung und Betrug
Neue Reichtümer sind keine Spezialität Russlands - das deutsche "Geld zu Geld gesellt sich gern" auch keine teutonische. Serbien kennt jede Art von der Stammbegleitung der Privatisierung, die zumeist Korruption genannt wird. Von 1800 Privatisierungsverträgen mussten rund 400 wieder rückgängig gemacht werden: Die Unternehmer waren verschwunden, im Knast, hatten nie existiert und was anderes Gechäftsgebaren mehr ist. Neben der serbischen Streikwelle wegen nicht ausbezahlter Löhne, die weitergeht, gibt es jetzt eine zunehmende weitere Bewegung von Protesten, die sich gegen die Privatisierung direkt richten - sei es, sie solle rückgängig gemacht werden, oder an jemand anderes verkauft. Der Artikel "Privatisations en Serbie : les « nouveaux entrepreneurs », des mafieux protégés par l'État ?" von Dimitrije Boarov bei Vreme wurde am 4. September 2009 beim Courrier des Balkans in französischer Übersetzung veröffentlicht und wirft einige Schlaglichter auf die nationale Ausprägung einer weltweiten Erscheinung.
Belegschaften übernehmen Betriebe: wie?
In Zrenjanin, einem klassischen Industriezentrum des früheren Jugoslawien beträgt heute die offizielle Arbeitslosenquote etwa 35%. Da das serbische Privatisierungsgesetz vorsieht, dass eine Aktienminderheit bei der Belegschaft verbleiben muss, ist es eine verbreitete Taktik der neuen Hauptaktionäre, die Firmen in den Konkurs gehen zu lassen, um dann neu, ohne lästige Behinderungen anzufangen. Die Belegschaften wehren sich dagegen - auf ihre Weise. Die Medizinfabrik Jugoremedija ist seit März 2007 im Besitz der Belegschaftsaktionäre, nun sind zwei weitere Firmen von ihren Belegschaften besetzt worden. Wie auch immer die Aussichten dieses Widerstands sein mögen, er ist real - und worum es ihnen geht, versuchen sie in ihrem offenen Brief an alle "Workers-shareholders of Zrenjanin factories Bek and Shinvoz" von Anfang Januar 2008 klar zu machen.
"Privatization in Serbia"
Ein (englischer) Beitrag von Radio B 92 vom 17.Juli 2004 über den aktuellen Stand der Privatisierung in Serbien und dadurch auftretende Finanzprobleme im "All4all" Portal
"Tafelsilber - zwischen den Fronten"
Ein zwar schon älterer (dank Leserhinweis gefunden) Beitrag von Stefan Tenner bei "Telepolis" vom 31.Oktober 2003 - der aber dennoch sehr lesenswert ist: Wie die serbische Stahlindustrie unter den Hammer kam... |