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Updated: 18.12.2012 16:22 |
Liebe KollegInnen, Neu im LabourNet Germany am Freitag, 10. September 2010: I.Internationales / Mosambik Massenproteste erzwingen Rücknahme der Erhöhung des Brotpreises Am (bisherigen) Ende gab die Regierung nach: Die Erhöhung des Brotpreises hatte zu solch massiven Proteste sowohl in Maputo als auch quer durch das ganze Land geführt, dass die Maßnahme, auf Verlangen des einschlägig berüchtigten Internationalen Währungsfonds getroffen, zurückgenommen werden musste. Weil diese Ereignisse das Land an einem Scheideweg zeigen, weil diese selbstorganisierten Proteste angesichts neuer Teuerungswllen in verschiedenen Ländern wieder aufflackern und auch, weil sie ein afrikanisches Land so ganz anders zeigen, als diese üblicherweise in den Kommerzmedien präsentiert werden, eine umfangreiche und kommentierte aktuelle Materialsammlung "Kommando zurück" vom 09. September 2010. II.Internationales / Südafrika / Arbeitskämpfe Streik ausgesetzt - was heisst das? Eine intensive Mitgliederbefragung über das neue Angebot der Regierung führte am vergangenen Wochenende dazu, dass eine Pressekonferenz zur offiziellen Reaktion der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mehrfach verschoben werden musste. Es gab allerdings auch verschiedene Quellen, die besagten, es handele sich nicht um eine Befragung der Mitglieder, sondenr um deren Bearbeitung, ihren Widerstand gegen die Akzeptanz des neuen Angebots aufzugeben. Das Angebot lag mit 7,5% Lohnerhöhung um ein halbes Prozent über dem ersten - und 1,1% unter der Forderung. Was aus der Ferne aussehen mag, als wäre der Unterschied gar nicht so gross, ist ganz offensichtlich für viele Gewerkschaftsmitglieder ein doch ganz wesentlicher Unterschied, weil die Einkommen niedrig sind und die Preise steigen. Es gab auch mehrere Stimmen in den Presseveröffentlichungen, die die Absage des Solidaritätsstreiks anderer COSATU-Gewerkschaften, die Generalsekretär Vavi in letzter Minute verkündete, dafür verantwortlich machten, dass die Gewerkschaften dem gesellschaftlichen Druck schwer standhalten konnten. a) Offizielle Stellungnahmen aus verschiedenen Gewerkschaften werden in dem Artikel "Union leaders keen to end strike" von Sne Masuku, Anna Majavu, Sipho Masombuka und Namhla Tshisela im Sowetan vom 06. September 2010 zusammengetragen, darunter auch die erwähnte Kritik an Vavi. b) Exemplarisch für die komplizierte Lage - aber auch dafür, dass aussetzen trotz aller Beteurungen logischerweise beenden heisst - ist die Pressemtitteilung der Lehrergewerkschaft SADTU vom 06. September 2010 "The strike is suspended". c) Die offizielle gemeinsame Begründung aller im Independent Labour Caucus zusammengefassten Gewerkschaften aller Verbände hat denselben Titel "The strike is suspended" ist ebenfalls vom 06. September 2010 und zählt ausschliesslich die Erfolge der streikbewegung auf - ausgehend davon, dass im ursprünglichen Haushaltsansatz der Regierung eine Lohnerhöhung um 5,3% vorgesehen war und keine Erhöhung der Mietbeihilfen - so war auch das allererste Angebot gewesen. d) In dem ausführlichen Artikel "South African strike: Political watershed?" von Leonard Gentle (von der International Labour and Research Information Group) in der Ausgabe vom 09. September 2010 des Online-Magazins Pambazuka wird eine erste Bewertung des Streiks versucht, die insbesondere deswegen lesenswert ist, weil er diesen gesamtgesellschaftlich verortet: Die Entschlossenheit der Streikenden, die sowohl der Regierung und allen sie stellenden Kräften, als auch der Gewerkschaftsführung einiges Kopfzerbrechen verursacht hat und es noch tut verortet Gentle dort, wo es sich um eine Generation von Menschen handele, die lange Zeit durchaus sich selbst als sozial aufsteigend wahrgenommen hätten, denn Stellen im öffentlichen Dienst waren ihren Eltern noch verwehrt gewesen; die Gesamtentwicklung des ÖD hätten sie alle lange auf die persönlichen Kreise bzw politische Strömung des früheren Präsidenten Mbeki zurückgeführt und erst jetzt würden sie die Probleme dem ANC insgesamt zuschreiben - Probleme, die nicht nur in der Regierungspolitik neoliberalen Einschlags lägen, sondern auch in deren Ergebnissen - nämlich, dass neben den Oberklassen auch wichtige Teile der (neuen) Mittelklasse einen öffentlichen Dienst gar nicht mehr brauchen, hätten sie doch in ihren gated communities alles, was sie brauchen. Und Gentle führt auf der anderen Seite die Veränderung der Gewerkschaftsbewegung an: beispielsweise habe heute ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder einen höheren Schulabschluss und die Mehrheit der COSATU seien keine Produktionsarbeiter mehr... III.Internationales / Pakistan Proteste fordern Schuldenstreichung statt neuer Kredite In mehreren Städten Pakistans kam es Anfang September zu Protesten - die sich zunehmend nicht nur gegen die eigene Regierung wenden, sondern auch die neuen Geschäfte, die sich abzeichnen werden kritisiert, neue Kredite abgelehnt und stattdessen die Streichung der auslandsschuld verlangt. Exemplarisch dafür der Beitrag "Pakistan needs debt cancellation, not new IMF loans" von Nuria Molina vom 26. August 2010 gespiegelt bei der Mailingliste Socialist Pakistan News. IV.Internationales / Indien / Arbeitskämpfe 100 Millionen im Generalstreik Rund 100 Millionen ArbeiterInnen und Angestellte beteiligten sich am eintägigen Protest-Generalstreik aller grossen Verbände gegen Teuerung, Entlassungen und Privatisierungen. Die Teilnahme am Streik war vor allem in jenen Bundesstaaten ganz massiv, in denen die CPI(M) regiert - die Partei hatte ebenfalls zur Beteiligung aufgerufen. Landesweit war es vor allem der Bankensektor, in dem der Streik am meisten befolgt wurde - die Bankangestellten protestierten auch gegen die Reduzierung der Rolle der öffentlichen Banken zugunsten des Privatkapitals. Da in Indien fast alle Gewerkschaftsföderationen verschiedenen Parteien mindestens sehr nahe stehen, war es auch naheliegend, dass weder der INTUC (der der regierenden Kongresspartei nahesteht) noch der rechtsorientierte Verband BMS sich an dem Streik beteiligten. a) "Eight trade unions backing call for strike tomorrow" die Meldung über den streikaufruf der acht Verbände vom 06. September 2010 im Portal der Gewerkschafter des öffentlichen Dienstes. b) "INTUC not to participate in Sept 7 nationwide strike" im selben Portal die Meldung vom 02. September 2010 dass der INTUC nicht zum Streik aufruft. c) Die parteiunabhängige Gewerkschaftsföderation NTUI legt in ihrer Pressemitteilung "One million Contract and Informal workers on Strike today" ihren Schwerpunkt auf die massive Beteiligung der Beschäftigten im informellen Sektor, die noch nie dagewesen Ausmaße erreichte. V.Internationales / Irak So geht Demokratie: Gewerkschafter werden als Terroristen behandelt... Während die Koalitionäre der USA ihre Besatzung des Landes privatisieren, handelt die grosse Errungenschaft demokratische Regierung ganz im Sinne ihrer Ziehväter und ihres irgendwann in Ungnade gefallenen Vorgängers: Gewerkschaftsaktivität wird nach der Terrorgesetzgebung verfolgt - ganz offiziell. Die Büros der Elektrikergewerkschaft von Basra wurden mit dieser Festlegung gestürmt und auf Weisung des Energieministers geschlossen, der Vorsitzenden der Gewerkschaft dabei mitgeteilt, jeder Protest gegen diese repressive Politik würde ebenfalls nach dem Antiterrorgesetz von 2005 bestraft. Einen aktuellen Einblick in die Lage der Gewerkschaftsbewegung im Irak gibt der Beitrag "Is the US Pulling the Plug on Iraqi Workers?" von David Bacon in Truthout vom 27. August 2010. VI.Internationales / Frankreich / Streiken für die Rente Zugeständnisse der vorbereiteten Art - Protest soll weitergehen "Es war ein spannender Schlagabtausch versprochen worden, es wurde ein müdes Abfrageinterview. Am gestrigen Donnerstag Abend befragte die TV-Moderatorin Arlette Chabot im öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Premierminister François Fillon zur Renten"reform", die derzeit in der französischen Nationalversammlung debattiert wird. Fillon erklärte, er schlösse "weitere Zugeständnisse" nach jenen, die am Vortag durch Präsident Nicolas Sarkozy verkündet worden waren (s.u.), kategorisch aus. Chabot, die bislang im Visier von Sarkozys Medienpolitik stand - er wollte sie aus der Sendeanstalt verdrängen -, stellte keine einzige halbwegs kritische Nachfrage. Sie scheint sich die Beibehaltung ihres Plätzchens redlich verdienen zu wollen. Am Mittwoch, vorgestern, hatte Sarkozy nach der wöchentlichen Kabinettssitzung seine - seit längerem vorbereiteten - "Zugeständnisse" an die Protestierenden verkündet. Diese sind dreierlei Art..." so beginnt der Beitrag "Premierminister François Fillon verweigert « weitere Zugeständnisse » bei der Renten« reform » - 62 % der Französinnen und Franzosen wünschen lt. Umfrage einen Fortgang der Protestmobilisierung" von Bernard Schmid vom 10. September 2010. ...bis bald, Helmut LabourNet Germany: http://www.labournet.de/ |