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Updated: 18.12.2012 16:00
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Massenproteste erzwingen Rücknahme der Erhöhung des Brotpreises

Am (bisherigen) Ende gab die Regierung nach: Die Erhöhung des Brotpreises hatte zu solch massiven Proteste sowohl in Maputo als auch quer durch das ganze Land geführt, dass die Maßnahme, auf Verlangen des einschlägig berüchtigten Internationalen Währungsfonds getroffen, zurückgenommen werden musste. Weil diese Ereignisse das Land an einem Scheideweg zeigen, weil diese selbstorganisierten Proteste angesichts neuer Teuerungswllen in verschiedenen Ländern wieder aufflackern und auch, weil sie ein afrikanisches Land so ganz anders zeigen, als diese üblicherweise in den Kommerzmedien präsentiert werden, eine umfangreiche und kommentierte aktuelle Materialsammlung "Kommando zurück" vom 09. September 2010.

Kommando zurück: Die Erhöhung des Brotpreises zurückgenommen...

Es ist nicht das erste Mal, dass der neueste Lieblingsschüler von IWF und Weltbank, die Regierung von Mosambik nachgeben muss: Bereits 2008 hatten massive Proteste eine beschlossene Erhöhung des Benzinpreises verhindert, die die Transportkosten etwa der Passagiere von Bussen und Sammeltaxis gewaltig erhöht hätten - auch damals wurde zuerst geschossen, gab es Tote.

In dem Bericht "Tote bei Unruhen in Mosambik" externer Link von Dirk Bathe, am 02. September 2010 bei der Deutschen Welle wird nicht nur die rücksichtslose Vorgehensweise der Repressionskräfte deutlich, sondern auch die Qualität einer Regierung, deren Wirtschaftsminister im Angesicht der Todesopfer zu sagen wagt, Ruhe sei die erste Bürgerpflicht - und das auch noch bei der Armutsbekämpfung...

"Subventioniertes Brot gegen den Protest" externer Link heisst dann beispielsweise der Beitrag von Gloria Fernandez in der jungen welt vom 09. September 2010, worin über die Rücknahme der Brotpreis-Erhöhung (durch Abschaffung der Subvention) berichtet wird, und festgehalten: "Die Entscheidung des von der ehemaligen Befreiungsbewegung Frelimo gestellten Kabinetts erfolgte spät. Seit dem 1. September, als die Preise für Brot um 22 Prozent angehoben wurden, starben bei aufstandsähnlichen Unruhen 13 Menschen. 175 wurden verletzt. Vor allem in der Hauptstadt und dem nahegelegenen Matola, aber auch in verschiedenen Orten Zentral­mocambiques, darunter in der Hafenstadt Beira und in Chimoio an der Straße nach Simbabwe, zogen tagelang Tausende und Abertausende Demonstranten durch die Zentren, bauten Straßenblockaden auf und stürmten unter anderem 66 Läden. Es kam zu 286 Verhaftungen, die entstandenden Sachschäden liegen bei etlichen Millionen Dollar".

Noch kurz vor Beginn der Proteste schrieb in der Reportage "Zwischen Blackberry und Ziegen in Maputo" externer Link Armin Osmanovic am 28. August 2010 im Neuen Deutschland: "Ganze Stadtviertel haben in den letzten Jahren ihr Gesicht geändert. Vor allem zum Meer hin sind neue Wohnviertel entstanden. Die Neureichen Mosambiks, die vor allem vom seit Jahren anhaltenden hohen Wirtschaftswachstum profitieren, blicken von weit oben von ihren marmorbepflasterten Terrassen auf die azurblaue Bucht des Indischen Ozeans. An der darunter gelegenen Uferpromenade, der Avenida Marginal, deren Gehweg und Sitzbänke in einem bemitleidenswert schlechten Zustand sind und die man nicht nur am Abend als Spaziergänger auf einigen Teilen meiden sollte, entsteht unweit des Holiday-Inn Hotels ein neues Vorzeigeprojekt Maputos: Zwei mehrstöckige Hotel- und Bürotürme der Radisson-Gruppe. Angrenzend, wo früher eine staubige Armensiedlung stand, reihen sich entlang einer Teerstraße schon neue Einfamilienhäuser mit großen umzäunten Gärten und Parkraum für die Wagen der Hausbesitzer. Noch sind nicht alle Armen der Stadt, die in Strandnähe wohnen, verdrängt worden. Doch die Menschen, die hier vor ihren Hütten und kleinen Häusern, zahlreich auf der Straße unterwegs sind, werden wohl nicht mehr lange hier leben und auf den bunten Märkten einkaufen. »Die Menschen, die hier wohnen, können so gute Preise bei den Investoren für ihre Grundstücke erzielen, dass sie sich draußen vor der Stadt ein anständiges Haus kaufen können«, meint Diamantino".

Derselbe Autor in derselben Zeitung schreibt am 06. September 2010 in seinem Artikel "Megaprojekte für Mosambiks Wirtschaft"externer Link :"Mosambiks Wirtschaft zählt seit Jahren zu den dynamischsten Volkswirtschaften Afrikas. Seit dem Jahr 2000 lag das Wachstum pro Jahr im Schnitt bei 8 Prozent, im Krisenjahr 2009 wuchs die Wirtschaft um 6,1 Prozent. Bei den Gebern von Entwicklungshilfe, die über 50 Prozent des Staatshaushaltes finanzieren, zählt das Land zu den afrikanischen Erfolgsfällen. Angetrieben wird Mosambiks Wachstum durch Megaprojekte im Bergbau. Ausländische Investoren sind vor allem an der Ausbeutung der Kohle-, Erz- und Gaslagerstätten interessiert. Der brasilianische Bergbaugigant Vale und das australische Unternehmen Riversdale Mining investieren 1,3 bzw. 1 Milliarde US-Dollar in den Kohleabbau. Zu den Investoren zählt auch das Indische Staatsunternehmen Coal India und der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto, der den Abbau von Mineralerzen im Süden der Gaza Provinz plant. Im Rovuma Becken an der Grenze zu Tansania meldete die US-amerikanische Firma Anadarko Anfang 2010 die Entdeckung einer großen Gaslagerstätte. Südafrikas Energiekonzern Sasol pumpt seit Jahren Gas über eine neu errichtete 865 Kilometer lange Pipeline aus Mosambik nach Südafrika" - um dann in den letzten drei Absätzen Proteste zu erwähnen und dass es auch Kritiker gäbe.

Ganz anders sieht dies etwa bei einer Aufstellung der mosambikanischen Zeitung "A verdade" (Die Wahrheit) aus, die unter der Sammelrubrik "Manifestações em Moçambique 2010" externer Link über 150 Protestberichte aus den ersten Septembertagen dokumentiert - mit Berichten (und Gerüchten) über scharf schiessende Polizei, über brennende Autos, geplünderte Läden und endlosen Spontandemonstrationen.

Diamantino Nhampossa, Koordinator der União Nacional de Camponeses Moçambique - der nationalen Kleinbauernvereinigung, die der Via Campesina angeschlossen ist - wird von Raj Patel in dem Artikel "Mozambicans know which way the wind blows" externer Link in links vom 08. September 2010 mit den Worten zitiert: "Diese Proteste werden wieder vorübergehen - aber sie werden stets wiederkehren, denn das ist das Geschenk, das das hier verfolgte Entwicklungsmodell mit sich bringt..."

Modellwechsel

Das hier verfolgte Entwicklungsmodell - war früher ein anderes. Von all jenen Befreiungsbewegungen, die in Afrika den Kampf gegen den europäischen Kolonialismus gewonnen haben - vor gar nicht langer Zeit gewonnen haben - hatte die Frelimo zum einen das vielleicht anspruchvollste Ziel der Gesellschaftsveränderung anvisiert. Und es aus einer Reihe von Gründen verfehlt, von denen der Krieg gegen die vom Apartheidregime Südafrikas beförderte Renamo nur einer war, wenn auch ein ganz entscheidender. "Mozambique: Not Then But Now" externer Link heisst der ausführliche Beitrag von John S. Saul im e-zine der africafiles Ausgabe Juli 2010. Darin zeichnet er den Weg der Frelimo von der Befreiungsbewegung hin zu einer Partei, die "die Armen vergessen hat" (wie es im UNESCO Nachrichtendienst Irin in dem Beitrag "MOZAMBIQUE: Urban poor ignored" externer Link am 07. September 2010 bezeichnet wurde) nach, und analysiert die beiden Grundpfeiler dieser Entwicklung: Gigantische Auslandsinvestitionen in Megaprojekte rund um den Bergbau (inklusive Staudämme usw) - vor allem angeführt vom brasilianischen Multi Vale do Rio Doce und des öfteren von diesem in Kooperation mit chinesischen Unternehmen und, als zweiten Pfeiler, die Rolle als Musterschüler der neoliberalen Ideologen, die ebenfalls vieles mit sich bringt.

Eine ebenfalls sehr ausführliche Analyse, die sich nicht zuletzt mit den Gründen für die "Wut der Armen" befasst, ist das ausgesprochen lesenswerte Papier "Mozambique: The War Ended 15 Years Ago, but We are Still Poor" externer Link von Joseph Hanlon von der Wiltonpark-Konferenz 2007 - geschrieben aus der sicht von jemand, der lange Jahre in Solidarität mit Emanzipationsaktivitäten in Mosambik aktiv ist.

In der dokumentierten Übersicht über mosambikanische Blogs "Mozambique: Violent Unrest, Frustration in Maputo" externer Link von Janet Gunter am 02. September 2010 bei GlobalVoices online kommen, wie es in der Natur solcher Dokumentationen liegt, ganz unterschiedliche Ansichten zum tragen - die aber fast alle durch eine grundsätzliche Kritik an Präsident Guebuza geeint sind, dessen erwähntes Entwicklungsmodell eben eines ist, das von einem der reichsten Geschäftsleute des Landes, was er schon bei seiner ersten Wahl 2002 war, erwartet wird. Das wird ebenfalls deutlich, wenn man die zahlreichen Angaben nachprüft, die bei twitter unter "Echtzeit-Ergebnisse für #maputo" externer Link zu finden sind.

Und natürlich gehört zu diesem neuen Modell der Frelimo auch die Meldung "Mozambican radio: 9 who call for protests arrested" externer Link worin Emanuel Camillo am 06. September 2010 bei deseret news über die Festnahme von "Organisatoren" berichtet. In "Causas e características das manifestações em Maputo e Matola" externer Link - einer Reihe von Beiträgen über die Proteste, ihre Ursachen und ihren Verlauf - unterstreicht der Soziologe Carlos Serra sowohl die Spontaneität der Aktionen, als auch ihre Entwicklungspotenziale, in jede Richtung.

Abschliessend: Wenn jetzt jemand vermisst, einen Hinweis auf die Gewerkschaften Mosambiks - da war nichts zu finden, keine Stellungnahme - geschweige denn Aktivität - irgendwo vermeldet, die Webseite des grösseren Verbandes, der Frelimo-nahen OTM externer Link ist "vorübergehend desaktiviert" (Stand am 10. September 2010), die kleinere 1998er Abspaltung Consilmo gar nicht erst vertreten.

Zusammengestellt von hrw


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