"Warum es schwerer ist, in ehemaligen Staatsbetrieben eine gewerkschaftliche Organisation zu haben..."
Man kann sich darüber streiten, ob es beschönigend ist, oder aber: ehrlicher. Wenn es nämlich statt Privatisierung "Systemwechsel" genannt wird. Das Unternehmen Tonghuasheng Company war einst Bestandteil eines großen Staatsbetriebs. Wie sich der Widerstand gegen die Privatisierung entwickelte, wie es zu den Versuchen kam, eine Betriebsgewerkschaft zu gründen, warum die Belegschaft forderte, Anteilseigner zu werden und die Gründe, warum es schwerer ist, in ehemaligen Staatsbetrieben eine gewerkschaftliche Organisation zu gründen als in transnationalen Unternehmen - all das ist Gegenstand des Beitrags "Workers Challenge Privatization for the Elite" vom 09. Mai 2010 bei den China Labour News Translations die zwei Beiträge des betrieblichen Aktivisten Liu Rongli übersetzt haben.
Die Bedeutung des Widerstands der Tonghua-Stahlarbeiter
Der Kampf der Tonghua Belegschaft gegen die Privatisierung des Stahlwerks wurde vor allem dadurch Gegenstand westlicher Medien, weil ein Manager zu Tode kam. Was dieser Protest in bezug auf gewerkschaftliche Organisationsabsichten, Entfaltung und Organisierung von Solidarität zwischen Beschäftigten und schon Entlassenen und damit für einen Eindruck über das Bewußtsein der Belegschaften bedeutet ist Gegenstand des vergleichenden Beitrags "Anti-privatization protests at Tonghua Steel" vom 04. März 2010 bei den China Labour News Translation. Dabei wird Tonghua verglichen einmal mit dem Liaoning-Kampf vor einigen Jahren, aber auch mit den kurz danach stattgefundenen Auseinandersetzungen bei Linzhou Steel.
Wenn Krankenversicherung ein gesellschaftliches Dauerthema wird - weil so viele keine haben...
China und die USA, so beginnt der Artikel, auf den wir hier verweisen, haben mehr gemeinsam, als man denken mag: beispielsweise ein Gesundheitssystem, das diesen Namen nicht verdient. Das Durchschnittseinkommen in China ist in den letzten 20 Jahren um etwa 20% gestiegen - die Kosten für die Gesundheitsversorgung um rund 130%. Die Lage ist seit langem so schlecht, dass es schon seit 10 Jahren erneut Regierungspolitik für diesen Bereich gibt - ohne wesentliches zu verändern. Jetzt wird wieder einmal eine Reform angekündigt, die nun auch das in den 80er Jahren eingeführte "Gebühren für Leistungen" Prinzip aufheben soll - dessen wesentliches Ergebnis der Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung auf dem Lande war. Mehr dazu in dem Artikel "China's De-Socialized Medicine" von Veronica M. Valdez, bereits im Juni 2009 bei Foreign Policy publiziert.
Wasserprivatisierung alternativlos?
Es sind keineswegs nur Abertausende staatlicher Produktionsbetriebe, die in China in den beiden letzten Jahrzehnten privatisiert wurden. Ganz im Stile des Kapitalismus weltweit, wird auch die Versorgung menschlicher Grundbedürfnisse dem privaten Profitstreben unterworfen. Und so, wie es beispielsweise auch Privatschulen gibt, so ist auch etwa die Wasserversorgung vielerorts privatisiert worden. Vor dem Hintergrund von Wassermangel im Norden des Landes und der existentiellen Verschmutzung der Flüsse im Süden wird dies in der Regel als alternativlos dargestellt. Wenn überhaupt Alternativen in den Medien behandelt werden, dann zumeist beschränkt auf die Fragestellung, ob die Versorgung mit Wasser nicht in die Häne einheimischer Privatunternehmen gelegt werden sollte - denn die grossen Akteure sind normalerweise dieselben, wie in vielen anderen Ländern auch - Veolia beispielsweise bekam mehrere Verträge, deren Zustandekommen immerhin Gegenstand der einen oder anderen Nachfrage waren. Das sind einige der Befunde, die in dem (englischen) Arbeitspapier "Reform of the Urban Water Supply in Southern China - Water Privatization in China" dokumentiert werden, das der Globalization Monitor Ende März 2009 veröffentlichte.
Hinweis:
Die deutsche Übersetzung einer Studie von Ge Yun und Hu Yujiao ist unter dem Titel "Wasser auf Abwegen. Die Privatisierung der Wasserversorgung in China auf dem Prüfstand" bei unserem Arbeitswelten Projektpartner Asienhaus in Essen erschienen (84 Seiten). Die Broschüre ist zum Preis von 7,50 Euro (plus Versandkosten) u.a. zu beziehen über vertrieb@asienhaus.de . In der Ankündigung heißt es: "Wer kontrolliert die Trinkwasserversorgung? Diese Frage stellt sich auch in China. Die vorliegende Studie stellt dar, wie dieser Bereich öffentlicher Dienstleistungen immer stärker unter die Kontrolle chinesischer und internationaler Unternehmen gerät. Sie beschreibt, welche Folgen sich aus dieser Politik der chinesischen Regierung für die Bevölkerung ergeben. Schließlich werden in der Studie Vorschläge für einen Kurswechsel entwickelt. Dabei wird deutlich, wie eng Wasserprivatisierung und gesellschaftliche Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen miteinander verknüpft sind. Die Studie wurde von der chinesischen Nichtregierungsorganisation "Xinjiang Conservation Fund" erstellt und gibt von daher einen Einblick in die Diskussion innerhalb der chinesischen Zivilgesellschaft."
Eifler, Ulrike: Neoliberale Globalisierung und die Arbeiterbewegung in China
Mit den erfolgreichen Protesten gegen die Welthandelskonferenz 1999 in Seattle geriet das neoliberale Globalisierungsprojekt unter dem Druck einer weltweiten Kritik zunehmend in die Krise. Die Demokratiebewegung in China zehn Jahre zuvor war weit weniger erfolgreich. Ihre blutige Niederschlagung brachte den Neoliberalismus in China erst in die Offensive. Privatisierung, Prekarisierung, Informalisierung sind die brutalen Geheimwaffen des chinesischen Booms. Doch den Widerstand dagegen kann mittlerweile selbst die chinesische Regierung nicht mehr wegdiskutieren. 87.000 Streiks allein 2005 sind Ausdruck einer enormen sozialen Unzufriedenheit. Und die Auseinandersetzungen werden zunehmend militanter. Siehe dazu:
- Verlagshomepage
Das Buch hat 180 Seiten, ist als Paperback erschienen mit der ISBN 978-3-89821-748-4 und kostet 24,90 €
- Inhaltsverzeichnis
- Die Arbeiterprotest der Gegenwart
Exklusiv im LabourNet Germany: Ein Auszug aus dem Kapitel „Die chinesische Arbeiterbewegung“: 3. Die Arbeiterproteste der Gegenwart . Wir danken dem Verlag und der Autorin.
Neues Eigentumsgesetz festig Besitzverhältnisse
Mit der Einführung des neuen Eigentumsgesetzes durch den Nationalen Volkskongress am 16.3.2007 ist der vorletzte Schritt zur Durchsetzung des Privateigentums als vorherrschende Eigentumsform im kapitalistischen China getan. (…) Lediglich Grund und Boden kann noch nicht vollständig in Privateigentum übergehen, sondern wird vom Staat verpachtet. Darin wird von Kritikern unterschiedlichster Herkunft vor allem eine Benachteiligung der Bauern. Die aktuelle Diskussion aus den unterschiedlichsten Ländern in einer Zusammenstellung von Peter Franke, Asienhaus, 04/2007
Verfassungsdebatte - Fehlanzeige
Nicht nur in Deutschland werden Verfassungen nebenbei verändert. Die Explosion von Privatisierungen und ausländischen Investitionen in China verlangt nach ökonomischer Sicherheit - weswegen ein neues Eigentumsgesetz her muss. Zum Schutze des Privateigentums, versteht sich. Dass dieses Gesetz ein Verstoss gegen die immerhin noch geltende Verfassung ist (Papier ist eben in jedem Sinne geduldig) wird in dem (englischen) Beitrag "A Property Law (Draft) that violates the constitution and basic principles of socialism" des Rechtsprofessors an der Uni Beijing, Gong Xiantian vom August 2005 deutlich, den Eva Cheng für die Ausgabe Nummer 29 von "Links - an international journal of socialist renewal" vom August 2006 übersetzt und kommentiert hat, vorab gespiegelt bei der Mailingliste "Greenleft-Discussion".
»An Gesetzen kein Mangel« - Seit den Privatisierungen haben sich die Arbeitsbedingungen in China extrem verschlechtert
"Robin Munro leitet in Hongkong das China Labour Bulletin (CLB), das über Arbeitsbedingungen in der Volksrepublik China recherchiert und Betroffenen Rechtshilfe anbietet. Über 14-Stunden-Schichten, mysteriöse Silikose-Erkrankungen und fehlende Normenkontrolle - aber auch über das steigende Selbstbewusstsein der chinesischen Arbeiter sprach Jutta Blume für ND mit ihm." Interview in Neues Deutschland vom 26.05.2006
Streik gegen Umstrukturierung
Chinas Industrialisierungschub schafft nicht nur neue, arbeitsintensive Industrien, sondern hat erhebliche „Umstrukturieungen“ von alten Staatsbetrieben zur Folge. Betroffen sind hier die schon lange in den Betrieben arbeitenden und in den Städten ansässigen ArbeiterInnen, die bisher verhältnismäßig gut sozial abgesichert waren. In einer großen Textilfabrik in Kunming im Südwesten des Landes streikten 3000 bis 4000 de Beschäftigten wegen geplanter Umstrukturierungsmaßnahmen, an deren Gestaltung die ArbeiterInnen nicht beteiligt waren berichtet CLB in "Thousands of workers strike, protesting Yunnan Textile's restructuring" vom 16. März 2006
Todesopfer bei StahlarbeiterInnen-Protest
Einst hatte das Stahlwerk von Chongqing rund 18.000 Beschäftigte - die meisten von ihnen waren über die Jahre hinweg "abgebaut" worden. Im Juli erklärte der betrieb seine Pleite und liess über 2.000 ArbeiterInnen ohne Lohn oder Abfindung auf der Strasse. Diese forderten nun gerade mal 2.000 Yuan Entschädigung pro Kopf. Dafür verbarrikadierten sie am 12. August die wichtigsten Strassen von Chongqing und setzten ihren Protest über zwei Monat mit diversen Aktionen fort. Bei einem Protest-Sit-In vor dem Sitz der obersten Behörde Chongqings kam es dann am 7. Oktober zu einem massiven und brutalen Einsatz von etwa 400 Polizisten, der mit dem Tod von zwei Frauen, 50 und 70 Jahre alt endete - 24 Verletzte und die Festnahme der "Anführer" waren weitere "Ergebnisse". Der (englische, hiermit kurz zusammengefasste) Bericht "Two Women Reportedly Killed, and Three Workers' Leaders Detained" vom 16. Oktober 2005 beim "China Labour Bulletin".
Zunehmenden Widerstandsaktionen in Betrieben
Ende Oktober 2004 setzen nicht nur die rund 7000 Textilarbeiterinnen und -arbeiter im Norden Chinas ihren Streik gegen die Privatisierungsverträge der China Resources fort - bereits in der siebten Woche: In der Provinz Anhui streiken und protesieren ebenfalls TextilarbeiterInnen - dort sind es 10.000 Beteiligte, die sich vor allem gegen die niedrigen Renten für Entlassene wehren. Zur selben Zeit gibt es mindestens ein halbes Dutzend grössere Streiks - und rigide Urteile gegen Streikorganisatorinnen. Der wachsende Widerstand richtet sich insgesamt gegen die Pläne und Schritte der chinesischen Regierung und KP, 190.000 Staatsbetriebe zu privatisieren und 190 Grossbetriebe zu "restrukturieren". Siehe dazu:
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"Labour unrest is growing". Ein (englischer) Bericht von Allen T. Cheng beim Nachrichtenportal Bloomberg vom 27. Oktober 2004 , gespiegelt bei "Asian Labour News"
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"5 labour protestors convicted". Eine (englische) Zusammenstellung von "Asian Labour News" vom 1.November 2004 aus Berichten der "Southern China Morning Post" und der (US - NGO) China Labor Watch über einen Prozeß gegen 5 Arbeiterinnen der (taiwanesischen) Schuhfabrik-Kette Stella International (die für diverse bekannte Marken produzieren) - sie sollen im April 2004 "Eigentum zerstört" haben... und erhalten dafür sozialistische zwei bis dreineinhalb Jahre Gefängnis...Die "geringste Strafe" erhielt die 16jährige Arbeiterin Chen Suo - 2 Jahre Gefängnis auf 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Über 4000 Textilarbeiter im Streik
Die Arbeiter der „Tianwang textile factory“ in Xianyang City protestieren seit dem 14. September gegen die Verschlechterung der Arbeitssituation infolge der Privatisierung der Fabrik. Durch die Übernahme des Werkes durch „China Resources Co. Ltd.“ vor drei Jahren verloren die Textilarbeiter (hauptsächlich Frauen) eine Reihe von Ansprüchen und Sicherheiten, jetzt geht es um eine komplette Umstrukturierung der Arbeitsverträge, welche
massive Lohnsenkungen und Kündigungen mit sich bringen wird. Keine der Gewerkschaften vor Ort fühlt sich für die Belange der streikenden Textilarbeiter zuständig. Siehe „Thousands of Textile Factory Workers Enter 4th Week of Strike in Xianyang City Against Unfair Contracts Imposed after Buy-out by Hong Kong Conglomerate” Artikel im China Labour Bulletin vom 7. Oktober 2004
Marktsozialismus. Arbeiter in Chinas Staatsbetrieben kämpfen gegen Entlassungen und Korruption
"Die Industriegebiete im Nordosten-Chinas sind seit Wochen das Zentrum von Arbeiterprotesten. In der Stadt Liaoyang in der Provinz Liaoning demonstrierten im März täglich Tausende Textilarbeiter gegen ihre Entlassung. Die sich im Hongkonger Exil befindende unabhängige Gewerkschaft um Han Dongfang schätzt, daß derzeit in China die größten Arbeiterdemonstrationen seit der Bewegung vom Platz des himmlischen Friedens 1989 stattfinden...." Artikel von Anton Pam in Junge Welt vom 22.05.2002
Massenproteste entlassener Minenarbeiter in China
Nachricht aus Partisan.net vom 3.4.2000 |