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Updated: 18.12.2012 16:09

Tarifeinheit als Selbstzweck?

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Bedrohtes Streikrecht. Die Koalitionsfreiheit für Spartengewerkschaften soll gekippt werden. Betroffene Organisationen wehren sich dagegen

Unternehmerverbände und Politiker von CDU/CSU, FDP und SPD drängen weiter auf eine Einschränkung des Streikrechts. Gewerkschaften lassen sich davon nicht einschüchtern…“ Artikel von Rainer Balcerowiak in Neues Deutschland vom 27.07.2012 externer Link

Brüssel greift Tarifautonomie an. IG BAU warnt EU-Kommission vor Beschneidung des Streikrechts

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnt die EU-Kommission davor, das Streikrecht anzutasten. "Mit Sorge verfolgen wir die seit Jahren von den EU-Gerichten und der EU-Kommission gefahrene Linie, Unternehmerinteressen über die der Arbeitnehmer zu stellen", sagte der IG BAU-Bundesvorsitzende Klaus Wiesehügel. "Die neueste EU-Initiative geht zu weit. EU-Präsident Manuel Barroso muss seine Behörde zurückpfeifen. Die Pläne zur Verwässerung des Rechts auf Streik berühren die Grundrechte der Arbeiter in ihrem Kern. Das werden wir nicht akzeptieren." Die EU-Kommission schlägt vor, die Rechtmäßigkeit von Tarifforderungen und Streiks davon abhängig zu machen, ob sie verhältnismäßig sind. Gerichte sollen dies prüfen…“ Pressemitteilung vom 21.03.2012 externer Link

Gesetzentwurf: Arbeitskampf in der Daseinsvorsorge

Vorschläge einer gesetzlichen Regelung von Streik und Aussperrung in Unternehmen der Daseinsvorsorge bei angemessenem Interessenausgleich zwischen den Tarifvertragsparteien und der Allgemeinheit bei. Ein Gesetzentwurf im Auftrag der Carl Friedrich v. Weizsäcker Stiftung, erarbeitet von Prof. Dr. Martin Franzen (Lehrstuhl für deutsches, europäisches, internationales Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht Universität München), Prof. Dr. Gregor Thüsing (LL.M. (Harvard), Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit Universität Bonn), Prof. Dr. Christian Waldhoff (Lehrstuhl für Öffentliches Recht Universität Bonn).  Gesetzentwurf bei der Carl Friedrich v. Weizsäcker Stiftung externer Link. Aus dem Text: „… Eine Arbeitskampfmaßnahme ist nur zulässig, wenn die Arbeitskampfpartei ihre Arbeitskampfmaßnahme vier Tage vor ihrem geplanten Beginn gegenüber der anderen Arbeitskampfpartei ankündigt. (…) Die Arbeitskampfparteien haben die für die Sicherstellung der Grundversorgung erforderlichen Arbeitnehmer von Arbeitskampfmaßnahmen auszunehmen. (…) Eine Arbeitskampfmaßnahme ist nur zulässig, wenn die Arbeitskampfparteien über den Umfang der Grundversorgung einig sind (…) Eine gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahme ist unzulässig, wenn sie auf den Abschluss eines Tarifvertrags gerichtet ist, der bezogen auf seinen angestrebten räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich weniger als 15% der Arbeitsverhältnisse erfassen würde…“ Siehe dazu:

  • Kein Eingriff ins Streikrecht bei der Daseinsvorsorge
    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat Vorschläge mehrerer Rechtsprofessoren im Auftrag der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Stiftung zur Einschränkung des Streikrechts in Bereichen der Daseinsvorsorge scharf zurückgewiesen. „Es ist geradezu abenteuerlich, dass ausgerechnet  Jura-Professoren auf die Idee kommen, allgemeine Grundrechte sollten für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und der öffentlichen Daseinsvorsorge eingeschränkt werden, sagte Dina Bösch, ver.di-Bundesvorstandsmitglied für Rechtspolitik und Rechtschutz. Ein Zwei-Klassen-Streikrecht ist völlig inakzeptabel, betonte Bösch…“ ver.di-Pressemitteilung vom 20.03.2012 externer Link

  • MB: Professorenvorschlag beseitigt Parität im Arbeitskampf
    "„Es darf kein Streikrecht erster und zweiter Klasse geben. Die heute bekannt gewordenen Forderungen einer Gruppe von Rechtsprofessoren nach gesetzlichen Einschränkungen von Arbeitskämpfen sind mit den in unserer Verfassung verankerten Grundrechten tarifmächtiger Gewerkschaften unvereinbar“, kommentierte Armin Ehl, Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes, die Überlegungen der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung für einen Gesetzentwurf zur Regelung von Arbeitskämpfen in der Daseinsvorsorge. „In kaum einem anderen westlichen Industrieland wird so wenig gestreikt wie in Deutschland. Auch das verstärkte Auftreten von tariffähigen Berufsgewerkschaften in den vergangenen Jahren hat daran nichts geändert..." Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 19. März 2012 externer Link

Hände weg von der Tarifautonomie!

Es ist wie das sagenumwobene „Ungeheuer von Loch Ness“: Seit das Bundesarbeitsgericht die Tarifeinheit, und damit das Prinzip ein Betrieb eine Gewerkschaft, in seinem Urteil vom 23.6. 2010 aufgehoben hat, wird in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen nach dem Gesetzgeber gerufen: Die Tarifeinheit soll wieder hergestellt und damit die Zersplitterung der Tarifpolitik verhindert werden. Dabei gibt es wechselnde Allianzen zwischen Arbeitgeberverbänden sowie einem Teil der Gewerkschaften und der Politik…“ – Ein Gastbeitrag von Ursula Engelen-Kefer vom 11. März 2012 im Blog von Thorsten Hild externer Link

Tarifeinheit: Ökonom warnt Politik vor Verfassungsbruch

Die Angst vor Spartengewerkschaften hat den Ruf nach gesetzlichen Regelungen zur Tarifeinheit wieder lauter werden lassen. Das Thema ist heikel. Und die Politik könnte sich dabei die Finger verbrennen…“ Kommentar von Dietmar Neuerer im Handelsblatt online vom 03.03.2012 externer Link. Aus dem Text: … „Ein Zwang für Minderheiten, sich der Mehrheitsgewerkschaft anzuschließen oder das Verhandlungsmandat zwangsweise aufzugeben, wäre kaum grundgesetzkonform, da es die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie verletzen würde. Diese gilt nämlich auch für Minderheiten“, sagte Haucap Handelsblatt Online. Auch die Rechte von Kleinstgewerkschaften müssten geschützt werden, betonte der Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf. Wer nicht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) mitmachen wolle, dürfe auch nicht dazu gezwungen werden… „Es ist zu überlegen, eine Kontrolle dieser Monopolmacht einzuführen, zum Beispiel indem das Streikrecht für Spartengewerkschaften angepasst wird“, sagte Haucap. Hier gehe es darum, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Ein Streik müsse immer verhältnismäßig sein, wobei auch der Schaden zu berücksichtigen sei, der unbeteiligten Dritten bei einem Streik entsteht. „Denkbar wäre auch, eine explizite Missbrauchskontrolle einzuführen“, fügte Haucap hinzu. „Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Verbraucher oder andere unbeteiligte Dritte bei einem Streik keine Ausweichmöglichkeiten haben.“… Die Lösung für Verdi könne aber nicht darin liegen, so Haucap, „die Politik zu bitten, anderen Gewerkschaften das Leben schwer zu machen, damit Verdi wieder attraktiver wird“. Hier seien auch die etablierten Gewerkschaften selbst gefordert, wieder attraktiver für eine Mitgliedschaft zu werden.“

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt:  „Das Streikrecht zu ändern ist realitätsfern“

Die Arbeitgeber verlangen von der Politik ein Gesetz zur Tarifeinheit. Gelten soll nur noch der Vertrag der größten Gewerkschaft. Der Flughafenstreik verleiht dieser Forderung neuen Schwung. Interview von Henrike Roßbach in der FAZ online vom 01.03.2012 externer Link. Zum Hintergrund siehe Branchen > Dienstleistungen: Transportwesen > Luftverkehr allgemein: Streik der Vorfeldkontrolleure bei der Gewerkschaft der Flugsicherung (GDF) am Flughafen Frankfurt

Tagung: Hände weg vom Streikrecht! Für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit

  • Erfolgreiche Konferenz für gewerkschaftliche Aktionsfreiheit
    "Am 10. September fand in Kassel ein bemerkenswertes Ereignis statt - eine gewerkschaftsübergreifende Konferenz zum Thema Tarifeinheit. Eingeladen hatte die Initiative "Hände weg vom Streikrecht - für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit". Da noch nicht alle Protokolle vorliegen, können wir an dieser Stelle z.T. nur Stichpunkte wieder geben." Bericht vom 18.09.11 bei der fau externer Link

  • "Kasseler Erklärung" zum Ausstieg des DGB aus der DGB/BDA Initiative zur "Tarifeinheit"
    "Kasseler Erklärung" pdf-Datei, einstimmig angenommen auf der Tagung der Initiative "Hände weg von Streikrecht! - Für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit." Kassel, den 10.09.2011. Aus dem Text: ".Sozialpartnerschaftliche Praktiken stehen einer konsequenten Durchsetzung der Interessen der KollegInnen entgegen. Standortideologie - ob auf betrieblicher, Konzern- oder nationaler Ebene - lehnen wir ab. Wir brauchen stattdessen übergreifende Solidarität gegen die Macht des Kapitals. Darüber hinaus wollen wir:
    - Ausweitung statt Einschränkung des Streikrechtes! Das Recht auf politischen Streik bis hin zum Generalstreik- müssen wir uns nehmen!
    - Gemeinsam gegen Dumping-Politik der UnternehmerInnen und deren Pseudo-Gewerkschaften statt jeder für sich (DGB und Spartengewerkschaften).
    - Solidarische Aktionen über alle Gewerkschaftsgrenzen hinweg statt sich gegenseitig zu blockieren!
    "

  • Zur Tagung am 10. September 2011 in Kassel wurde eine Seite eingerichtet, mit Infos und Kontaktdaten: http://tagungtarifeinheit.wordpress.com/ externer Link
  • Siehe dazu auch: Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken > Veranstaltungen der Initiative

Bundesregierung streitet weiter über Gesetz zur Tarifeinheit

Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber dringen gegenüber Schwarz-Gelb auf eine Gesetzesänderung. Noch hält die FDP dagegen: Denn es geht um Ärzte, Piloten und leitende Angestellte, die zu ihrer Klientel zählen. Artikel von Dorothea Siems und Stefan von Borstel in Die Welt vom 05.04.2011 externer Link. Aus dem Text: ".Weil das Justizministerium verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gesetzespläne des Arbeitsministeriums hat und auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) das Vorhaben skeptisch sieht, wurde das strittige Thema kurzfristig von der Agenda des heute tagenden Koalitionsausschusses genommen. "Wir sind noch nicht so weit", hieß es. Deshalb setzt man sich für einen Kompromiss erneut auf untergeordneter Ebene zusammen. "Der Vorschlag von BDA und DGB wird nicht eins zu eins umgesetzt, sondern modifiziert", sagte der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe im Bundestag, Peter Weiß. Die Neuregelung müsse einerseits verhindern, dass künftig immer mehr einzelne Berufsgruppen ihre strategische Position ausnutzen, um Einzeltarifverträge auszuhandeln. Andererseits müsse aber auch das Recht der Minderheitengewerkschaften und ihrer Mitglieder auf Schutz ihrer Interessen gewährleistet bleiben. Für die FDP ist das Thema heikel. Denn die Spartengewerkschaften vertreten viele, die zu ihrer Klientel zählen - Ärzte, Piloten oder leitende Angestellte.."

Emnid-Umfrage: Drei Viertel der Deutschen gegen Einschränkung des Streikrechts. Große Mehrheit für berufsspezifische Tarifverträge

"Für die Forderung nach gesetzlich vorgeschriebenen Einheitstarifverträgen gibt es in Deutschland keine Mehrheit. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag des Marburger Bundes (MB) sind 56 Prozent der Deutschen dafür, dass in einem Betrieb auch verschiedene Tarifverträge für verschiedene Berufsgruppen gelten können. Nur 40 Prozent sind dagegen, vier Prozent machten keine Angabe." Pressemitteilung des Marburger Bundes vom 4.4.2011 externer Link

Ohne Tarifeinheit steigt die Zahl der Arbeitskämpfe"

Kommunale Arbeitgeber liefern Erkenntnisse aus der Praxis für Diskussion um Tarifeinheit / VKA wendet sich an Bundeswirtschaftsminister
"Die aktuelle Diskussion um die Tarifeinheit wird häufig theoretisch geführt. Die kommunalen Arbeitgeber liefern in einem Schreiben an den Bundeswirtschaftsminister Erkenntnisse aus der Praxis und kommen zu dem Schluss: Mit der Aufgabe der Tarifeinheit steigen die Konflikte in einem Betrieb - und die Arbeitskämpfe." VKA-Pressemitteilung vom 25.3.2011 externer Link. Ein Stück Hoffnung.

RWI-Studie: Aufhebung der Tarifeinheit bisher nahezu folgenlos

"Das BAG-Urteil zur Aufhebung der Tarifeinheit vom Juni 2010 hat bisher weder zu vielen Neugründungen von Spartengewerkschaften noch zu vermehrten Arbeitskämpfen geführt. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen RWI-Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Statt der von BDA und DGB geforderten gesetzlichen Rückkehr zur Tarifeinheit sollte daher die Tarifpluralität eine Bewährungschance erhalten. Exzessive Streiks könnten durch Änderungen im Arbeitskampfrecht vermieden werden." Pressemitteilung vom 09.03.2011 externer Link. Siehe dazu:

  • Projektbericht "Empirische Analyse der Auswirkungen der Tarifpluralität auf das deutsche Tarifvertragssystem und auf die Häufigkeit von Arbeitskämpfen"
    Endbericht vom Februar 2011 externer Link pdf-Datei zum Projekt des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi)

Arbeitgeber warnen vor höheren Löhnen oder Tarifeinheit garantiert Lohnzurückhaltung

"das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) - der Argumentelieferant der BDA - warnt davor, dass Berufsgewerkschaften einen schlechten Einfluss auf DGB-Gewerkschaften haben könnten. Obwohl die jüngsten Abschlüsse von Berufsgewerkschaften wie Cockpit, MB und GDL "meist im tarifpolitisch üblichen Rahmen" geblieben seien, bestünde doch die Gefahr, dass sie "angesichts des Konjunkturaufschwungs wieder auf kräftige Lohnerhöhungen pochen". "Dies würde auch Branchengewerkschaften wie ver.di zu einer expansiveren Lohnpolitik zwingen, um weitere Abspaltungen zu verhindern. Ein solcher Lohnwettlauf könnte am Ende viele Arbeitsplätze gefährden", schreibt Dr. Hagen Lesch, IW-Tarifexperte im Informationsdienst "IWD" des Instituts." Aus einer Zuschrift an die Redaktion. Siehe dazu:

  • Tarifeinheit. BDA und DGB mit einer Stimme
    Artikel von Hagen Lesch im Gewerkschaftsspiegel des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 3/2010 externer Link pdf-Datei (Seite 1). Aus dem Text: ". Die Konkurrenz zwischen Berufs- und Branchengewerkschaften kann zu sich gegenseitig hochschaukelnden Lohnforderungen führen. Zum einem könnten die einzelnen Berufsgewerkschaften versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Zum anderen droht eine weitere Fragmentierung: Erzielen Berufsgewerkschaften bessere Abschlüsse als Branchengewerkschaften, wollen weitere Berufsgruppen eigene Tarifverträge durchsetzen. Um Abspaltungen solcher Gruppen zu verhindern, wären Branchengewerkschaften gezwungen, höhere Löhne durchzusetzen und aggressiver in die Tarifverhandlungen zu gehen. Damit droht eine Zunahme von Arbeitskämpfen. Zwar dürfte die Zahl gut organisierter, durchsetzungsstarker, homogener und damit streikfreudiger Berufsgruppen vorerst überschaubar sein. Aber schon die bisherigen Gewerkschaftsrivalitäten haben die Frage nach einer gesetzlichen Regelung aufgeworfen. Schließlich konnten die Berufsgewerkschaften ihre Eigenständigkeit durchsetzen, obwohl Tarifeinheit galt."

Das leise Ende einer Errungenschaft? Die Zukunft des Tarifvertrages - Gegenwehr ist entscheidend

isw-information von Marcus Schwarzbach vom August 2010 externer Link pdf-Datei

Anhörung: Die Tarifeinheit spaltet die Fachwelt

"Am Dienstag las der frühere Präsident des Verfassungsgerichts den Bundesarbeitsrichtern die Leviten. Einig war man sich nur darüber dass die Politik im Notfall das Tarifsystem schützen dürfte - nicht aber ob diese Gefahr tatsächlich besteht." Artikel von Dietrich Creutzburg im Handelsblatt online vom 08.09.2010 externer Link. Aus dem Text: ".Bei einer Anhörung im Arbeitsministerium kam es darüber gestern regelrecht zum intellektuellen Gefecht zwischen dem BAG und Hans-Jürgen Papier, der bis März immerhin Präsident des Bundesverfassungsgerichts war. Annähernd einig sind sie sich zwar, dass Politik das Tarifsystem notfalls auch durch gesetzliche Regeln vor einer "Selbstzerstörung" durch Zersplitterung schützen dürfte. Strittig ist aber, ob diese Gefahr wirklich besteht - und wem es zusteht, sie einzuschätzen. Der zuständige BAG-Richter Klaus Bepler urteilt etwa so: Die von DGB & Co. beschworene Gefahr sei real gar nicht absehbar. Und falls doch, habe sie weniger mit dem Ende der Tarifeinheit zu tun als etwa mit Problemen des Streikrechts. Folglich drohe ein unzulässiger Eingriff in die Koalitionsfreiheit zulasten von Berufsgewerkschaften, sollte die Politik die Tarifeinheit gesetzlich neu fixieren. Papier wirft dem BAG dafür, wenn auch etwas vornehmer formuliert, glatte Amtsanmaßung vor: Eindeutig habe der Gesetzgeber im Tarifrecht große Beurteilungsspielräume - nur habe es sich das BAG offenbar bereits angewöhnt, "sich die Gedanken des Gesetzgebers zu machen", so der Ex-Verfassungsgerichtspräsident.."

Gesetzliche Tarifeinheit. Vom Versuch, Tarifautonomie und Streikfreiheit zu halbieren

Beitrag von Detlef Hensche aus Blätter für deutsche und internationale Politik externer Link, Heft 8 / 2010, dokumentiert bei ver.di Berlin, FB 8

Tarifeinheit und Tarifautonomie

"Für die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen gibt es eine weitere Hängepartie: Den gemeinsamen Vorstoß von BDA und DGB zur gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil zur Aufhebung der Tarifeinheit am 23. Juni 2010 erheblichen Wirbel verursacht. Danach wurde mit dem bisher geltenden Grundsatz gebrochen: Ein Betrieb- eine Gewerkschaft. Damit ist das bisherige Prinzip nicht mehr gültig, dass in einem Betrieb für vergleichbare Arbeitsverhältnisse nur einheitliche Tarifverträge angewendet werden. Politik und Gesetzgeber ist anzuraten, den konkurrierenden Spartengewerkschaften nicht die Luft abzudrehen. Ohne die Möglichkeit zu Tarifverträgen mit den erforderlichen Arbeitskampfmaßnahmen wären die im Grundgesetz verankerte Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie als Eckpfeiler unseres Sozialstaates und unserer Demokratie nicht durchzusetzen." Artikel von Ursula Engelen-Kefer bei den Nachdenkseiten vom 23. August 2010 externer Link

Tarifeinheit im Betrieb?! Ja, aber wo, für wen, mit wem? zum Urteil des BAG

"Das Bundesarbeitsgericht hat seine jahrzehntelange, 1957 freihändig, d.h. ohne rechtliche und gesetzliche Grundlage, geschöpfte Rechtsprechung zur Tarifeinheit in Betrieben und Unternehmen aufgegeben. Ab sofort können demnach mehrere Tarifverträge in einem Betrieb gelten. Geklagt hatte ein Arzt. Er begehrte 2005 als Mitglied des Marburger Bundes Leistungen aus einem mit diesem abgeschlossenen Tarifvertrag. Der Arbeitgeber wendete jedoch einen für den Arzt ungünstigeren und den Arbeitgeber günstigeren ver.di-Tarifvertrag an. Nach fünf Jahren bekam der Kläger nun Recht. Die Begründung ist einfach und gerade dadurch erstaunlich: Nach 50 Jahren anderslautender Rechtsprechung erklärte das BAG, es gebe im Tarifvertragsgesetz keine Hinweise oder gar Regelungen, dass eine Tarifeinheit im Betrieb geboten sei. Auch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes - aus dem Jahre 1949 - stehe der bisherigen Rechtsprechung entgegen. Das Grundgesetz garantiert ausdrücklich auch für alle Berufe die Koalitionsfreiheit, d.h. die Möglichkeit, sich nach Berufsgruppen gewerkschaftlich zu organisieren und zu engagieren." Artikel von Anton Kobel, erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 7/2010

Tarifverträge: Grundgesetz stört nicht

"Das Grundgesetz steht einem Erhalt des Prinzips "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag" nach Einschätzung des Verfassungsrechtlers Rupert Scholz nicht im Weg.
Die Koalition habe freie Hand, um mit einem einfachen Gesetz "englische Verhältnisse" mit permanenten Streiks von Spartengewerkschaften und Massenaussperrungen zu verhindern, sagte Rupert Scholz (CDU). Der ehemalige Verteidigungsminister hat dazu für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ein juristisches Gutachten erstellt
." Artikel von Markus Sievers in der Frankfurter Rundschau online vom 29. 7. 2010 externer Link

Stichwort Recht: Tarifeinheit

Artikel von Lutz Seybold (Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin) in junge Welt vom 27.07.2010 externer Link. Aus dem Text: "... Befolgt man konsequent das erwähnte Prinzip der Tarifeinheit, so fallen die Mitglieder der Gewerkschaften, deren Tarifverträge aufgrund des genannten Prinzips verdrängt werden, auf den Status von Nichtorganisierten. Für sie gilt kein Tarifvertrag. Sie sind daher gezwungen, entweder die Gewerkschaft zu wechseln oder ohne tariflichen Schutz auszukommen. Dieser Mißstand wurde nunmehr durch den 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts korrigiert. Bedauerlicherweise besteht nunmehr der DGB mit den maßgeblichen Arbeitgeberverbänden darauf, das Tarifvertragsgesetz entsprechend zu ändern. Wir vertreten jedoch die Auffassung, daß eine derartige Änderung ebenfalls gegen die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit verstoßen und insoweit verfassungswidrig sein dürfte."

Endgültiges Ende einer sehr erfolgreichen Gewerkschafts-Ära in Deutschland - jetzt nur gerichtlich "beglaubigt". Gibt es weitere Perspektiven - oder nur "gefangen" in der Abwärtsspirale der Löhne?

Kommentierte Presse- und Literaturschau von Volker Bahl vom 12.7.2010

Wider die Tarifeinheitsfront. Vom Versuch, Tarifautonomie und Streikfreiheit zu halbieren

Kommentar von Detlef Hensche in NRhZ-Online externer Link - Neue Rheinische Zeitung - Online-Flyer Nr. 258 vom 14.07.2010. Aus dem Text: ".Die Legitimation des Tarifvertrages wurzelt in der frei gewählten Mitgliedschaft und der durch den Mitgliederwillen bestimmten Gewerkschaft. Die gesetzlich dekretierte Tarifeinheit beschneidet dagegen diese Freiheit der kollektiven Selbstbestimmung über die eigene Arbeit.
Vollends zeigt sich der Eingriffscharakter im geplanten Streikverbot. Was verharmlosend als Ausdehnung der Friedenspflicht etikettiert wird, erweist sich für die nachrangige Gewerkschaft als Streikverbot. Doch auch die Streikfreiheit ist Bestandteil des Koalitionsgrundrechts. Ohne die Chance, die individuelle Unterlegenheit durch gemeinsam ausgeübten wirtschaftlichen Druck mittels Arbeitseinstellung zu kompensieren, wäre der Einsatz zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nichts anderes als "kollektives Betteln", wie das BAG treffend formuliert hat. Die Friedenspflicht ist legitim, soweit sie sich auf den von der Gewerkschaft selbst abgeschlossenen Tarifvertrag und dessen Laufzeit bezieht. Gewerkschaften und ihre Mitglieder dagegen (gleich einem Vertrag zu Lasten Dritter) unter das Joch fremdgesetzter Friedenspflicht zu stellen, nimmt ihnen die Chance, gegen die Arbeitgeber eigene Gegenmacht zu entwickeln
."

Tarifeinheit per Gesetz

"Die Bundesregierung will die vom Bundesarbeitsgericht gekippte Tarifeinheit per Gesetz wieder herstellen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, der soziale Frieden in Deutschland sei ein hohes Gut. "Es ist wichtig, dass nicht durch permanente Streiks Unternehmen lahm gelegt und wichtige Güter nicht mehr produziert werden können."." Artikel in FR online vom 28.06.2010 externer Link

Union Dynamite: Ohne Kontrollverluste keine starke Gewerkschaftsbewegung - Zum Mythos der zentralen Einheitsgewerkschaft

Artikel von Holger Marcks in Direkte Aktion 198 vom März/April 2010 externer Link. Aus dem Text: "... Der Vorwurf der Aufspaltung verdient es, ernster genommen werden, zumal er historisch-emotional stark aufgeladen scheint. Immer wieder wird ins Feld geführt, die Einheitsgewerkschaft sei eine Konsequenz aus der Erfahrung mit dem Faschismus. Es ist wahr, dass viele GewerkschafterInnen im Nachkriegsdeutschland (angefangen bei den Buchenwald-Überlebenden), die Einheitsgewerkschaft in diesem Sinne vorantrieben. Allerdings ist die dahinterliegende Grundannahme, das Versagen der deutschen Arbeiterbewegung sei ein Resultat ihrer Zerstrittenheit gewesen, eben nur eine Annahme, die angezweifelt werden kann, ja muss. Vor allem scheint sie im Gewerkschaftsbereich fragwürdig, da der sozialdemokratische ADGB schon während der Weimarer Republik die Dominanz besaß und tendenziell so etwas wie eine Einheitsgewerkschaft darstellte. Auch zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern, wie Spanien und Frankreich, wo dem Faschismus konsequenter entgegengetreten wurde, dass dies kaum die Frage einer einheitlichen Organisierung ist..."

Bundesarbeitsgericht: Urteil über Tarifeinheit

  • »Empörung über BAG-Urteil nicht gerechtfertigt«
    Tarifeinheit wurde vor 20 Jahren ohne Rechtsgrundlage erfunden. Ein Gespräch mit Wolfgang Däubler. Interview von Daniel Behruzi in junge Welt vom 25.06.2010 externer Link. Aus dem Text: ". Die Einigung zwischen BDA und DGB besagt, daß der Vertrag derjenigen Gewerkschaft gelten soll, die die meisten Mitglieder im Betrieb organisiert. Das hätte zur Folge, daß die Minderheitenorganisation zwar eine Gewerkschaft ist, aber keine Möglichkeiten mehr hat, sich des wichtigsten gewerkschaftlichen Mittels zu bedienen. Zudem hat man offenbar nicht bedacht, daß die DGB-Gewerkschaften keineswegs in allen Betrieben in der Mehrheitsposition sind. (..) Alle Erfahrungen sprechen dafür, daß gewerkschaftliche Einheit sinnvoll ist. Die kann man aber nicht administrativ herstellen, indem man die Minderheit vernichtet. Wenn man eine gute, praktische Gewerkschaftsarbeit macht, erledigt sich das Minderheitenproblem von alleine."

  • Grundsatz der Tarifeinheit
    "Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich der vom Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Anfragebeschluss vom 27. Januar 2010 dargelegten Rechtsauffassung zur Tarifeinheit (vgl. Pressemitteilung Nr. 9/10) angeschlossen. Auch nach Auffassung des Zehnten Senats gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, für Beschäftigte kraft Koalitionsmitgliedschaft nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar. Dies wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für den Betrieb kraft Tarifbindung des Arbeitgebers (Verbandsmitgliedschaft oder eigener Abschluss des Tarifvertrags) mehr als ein Tarifvertrag Anwendung findet, wenn für den einzelnen Arbeitnehmer jeweils nur ein Tarifvertrag gilt (sog. Tarifpluralität). Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können." Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 10 AS 2/10 - und - 10 AS 3/10 - Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 27. Januar 2010 - 4 AZR 537/08 (A) - und - 4 AZR 549/08 (A). Pressemitteilung Nr. 46/10 des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt vom 23.06.2010 externer Link
  • Michael Sommer: Tarifeinheit gesetzlich regeln
    "Zur Entscheidung des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt zum Grundsatz der Tarifeinheit erklärte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer am Dienstag in Vancouver: "Die heutige Entscheidung zur Tarifeinheit hat sich abgezeichnet. Wir befürchten infolge dieser Entscheidung eine Zersplitterung der Tariflandschaft mit negativen Auswirkungen für Beschäftigte und Unternehmen. Aus Sicht der Gewerkschaften muss die Tarifeinheit im Betrieb jetzt gesetzlich geregelt werden. Hierzu haben DGB und BDA in einer gemeinsamen Initiative Eckpunkte vorgelegt." DGB-Pressemitteilung vom 23.06.2010 externer Link
  • Bundesarbeitsgericht kippt Tarifeinheit
    "Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner Pressemitteilung vom 23. Juni klargestellt, dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge zu Anwendung kommen können und damit den Grundsatz der Tarifeinheit aufgehoben ist. Ein Nachteil für die IG Metall entsteht dadurch nicht. Allerdings löst der Beschluss des BAG nicht das Problem der Interessenaufsplittung im Betrieb durch Spartengewerkschaften." Stellungnahme des Justiziariats der IG Metall vom 23.06.2010 externer Link
  • »Eine einheitliche Regelung in der Fläche«. Der Jurist Jochen Homburg über das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifeinheit
    Interview von Jörg Meyer im ND vom 24.06.2010 externer Link. Aus dem Text: "... Es ist natürlich richtig, dass eine Erosion des Flächentarifvertrages stattgefunden hat. Bei uns vielleicht nicht in gleichem Maße, wie in anderen Tarifgebieten. Das ist aber vor allen Dingen deshalb so, weil die Arbeitgeber es so betrieben haben - nicht die Gewerkschaften. Wir haben ja nicht gesagt, den Flächentarifvertrag brauchen wir nicht mehr. Ganz im Gegenteil, wir brauchen eine einheitliche Regelung in der Fläche, die verbindlich für alle bestimmte Niveaus in der Bezahlung und in den Arbeitsbedingungen regelt. Es kann aber sicher jetzt schon gesagt werden, dass es dort, wo Auseinandersetzungen mit mehreren Gewerkschaften stattfinden, schwieriger sein wird, eine Einigung zu finden."
  • Tarifeinheit gekippt: Bundesrichter beenden Vormachtstellung des DGB
    "Das Bundesarbeitsgericht hat die Tarifeinheit gekippt und lässt damit mehr Konkurrenz unter den Gewerkschaften zu. Die Entscheidung ist von großer Tragweite, zumal DGB-Gewerkschaften nun mit härterer Konkurrenz rechnen müssen. Doch auch die Arbeitgeberseite muss Nachteile befürchten." Artikel im Handelsblatt vom 23.06.2010 externer Link
  • Angst vor Dauerstreiks: CDU will für Tarifeinheit Verfassung ändern
    "Das Bundesarbeitsgericht hat das Prinzip "ein Betrieb - ein Tarifvertrag" aufgekündigt, die Politik will es wieder einführen. Koalition und SPD sind sich in dieser Frage einig - sogar eine Grundgesetzänderung ist möglich.." Artikel in FTD vom 23.6.2010 externer Link
  • Das Gespenst der britischen Verhältnisse. Fragen und Antworten zur Tarifeinheit
    "Das Bundesarbeitsgericht hat die Tarifeinheit gekippt und lässt mehr Konkurrenz unter den Gewerkschaften zu. Das könnte künftig zu weiteren Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen. Drohen nun ständige Streiks? Die FR beantwortet die wichtigsten Fragen." Artikel von Eva Roth in der FR vom 23.06.2010 externer Link
  • Unsere Hoffnung zum Thema:
    "Da wird dann nur noch gestreikt"
    Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs (CDU), zitiert in " Tarifeinheit gekippt" - Artikel von Daniela Vates und Eva Roth in der FR vom 23.06.2010 externer Link
  • Bundesarbeitsgericht: Urteil über Tarifeinheit steht bevor
    "Das Bundesarbeitsgericht wird an diesem Mittwoch über den Fortbestand der Tarifeinheit in den Betrieben entscheiden. Der Vierte Senat hatte bereits zu Jahresbeginn die Abkehr von dem jahrzehntelangen Grundsatz "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag" angekündigt (4 AZR 549/08(A))." dpa-Beitrag in der FR online vom 21.06.2010 externer Link. Aus dem Text: ". Geben die obersten Arbeitsrichter die Tarifeinheit auf, müssten die DGB-Gewerkschaften künftig mit einer härteren Konkurrenz durch kleinere Spartenorganisationen rechnen, die bislang unter anderem bereits bei der Deutschen Bahn oder der Lufthansa mit am Verhandlungstisch sitzen. Die Arbeitgeber befürchten indes Dauerstreiks. Arbeitgeber und Gewerkschaften unternahmen daher gemeinsam einen Vorstoß für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und anderen Spitzenpolitikern erhielten die Dachverbände bereits positive Signale."

  • Fragen und Antworten zur Tarifeinheit: Was bringt die geplante Änderung der Rechtsprechung?
    "Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat angekündigt, seine Rechtsprechung zur Tarifeinheit zu ändern. Dabei geht es um die Frage, ob in einem Betrieb mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften nebeneinander gelten können. Welche Auswirkungen hat das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Angesichts des Organisationsprinzips deutscher Gewerkschaften "Ein Betrieb - eine Gewerkschaft" sowie der dominanten Stellung der DGB-Gewerkschaften kam es bisher selten zur Überschneidung mehrerer Tarifverträge. Allerdings nimmt die Zahl solcher Fälle in jüngerer Zeit zu, was der Frage, ob in einem Betrieb Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften nebeneinander gelten können, Aktualität verleiht." Info der IG Metall vom 13.04.2010 externer Link

Keine Zauberei - Sind Einheitsgewerkschaften den Spartengewerkschaften vorzuziehen? Nicht immer, meint Mike Parker

"Was ist besser - Berufsgewerkschaften oder industrielle Branchengewerkschaften? Die Debatte ist so alt wie die Arbeiterbewegung selbst, und sie widersetzt sich einer einfachen Beantwortung. So genannte Berufs- oder Spartengewerkschaften organisieren Beschäftigte entlang professioneller Linien, während Einheitsgewerkschaften alle, die für einen Arbeitgeber oder in einer Branche bzw. Industrie arbeiten, in einer gemeinsamen Gewerkschaft organisieren. Der Streit taucht in der Debatte zwischen der Service Employees International Union (SEIU) und der California Nurses Association (CNA) wieder auf. Während die SEIU versichert, der einzige Weg, es mit den riesigen Krankenhauskonzernen aufzunehmen, sei die Organisierung aller Beschäftigten in einer gemeinsamen Gewerkschaft, vertritt die CNA die Ansicht, nur eine Gewerkschaft von und für Krankenschwestern könne sich in der erforderlichen Weise auf deren Bedürfnisse konzentrieren. In ähnlicher Weise haben sich erst kürzlich bei United Airlines die Teamsters und die Aircraft Mechanics Fraternal Association (AMFA) bekämpft. Die Teamsters erhoben dabei den Vorwurf, die AMFA sei als Berufsgewerkschaft nur an Mechanikern interessiert, nicht aber an Reinigungskräften oder Gepäckverladepersonal." Artikel von Mike Parker in einer Übersetzung von Anne Scheidhauer, erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 9/08

Spartengewerkschaften und das Streikrecht

  • Arbeitnehmervertreter: Politik soll Splitter-Gewerkschaften verbieten
    "Der Tarifkampf der Lokführer gegen die Deutsche Bahn hat gezeigt, welche Schlagkraft auch kleinste Gewerkschaften haben können: Mit effektiven Streiks und überzogenen Forderungen lehren sie sowohl Arbeitgeber das Fürchten als auch Gewerkschaftsgrößen wie Ver.di. Doch mit den Zwergenaufständen könnte es bald vorbei sein." Artikel von Stefan von Borstel und Flora Wisdorff externer Link in Die Welt vom 13. August 2008

  • Spartengewerkschaften: Der Gesetzgeber ist gefordert
    "Nach dem Bodenpersonal sind wieder einmal Piloten bei der Lufthansa für 36 Stunden in den Ausstand getreten. Anfang nächsten Jahres könnte Ufo das Kabinenpersonal zum Arbeitskampf aufrufen. Der Gesetzgeber sollte dem bedrohlichen Gewerkschaftswettbewerb Einhalt gebieten, sonst drohen Lufthansa, Bahn und Krankenhäusern die britischen Zustände der Vor-Thatcher-Ära. Die Tarifautonomie und das damit verbundene Streikrecht können kein Selbstzweck sein. Wo rivalisierende Gewerkschaften zum Arbeitskampf aufrufen, bedarf es eines rechtlichen Ordnungsrahmens. Denkbar wäre, einem Streik eine Schlichtung vorzuschalten oder Streiks einer konkurrierenden Gewerkschaft bei geltendem Tarifvertrag für unzulässig zu erklären." Pressemitteilung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom 7. August 2008 externer Link
  • Deutschland steuert dieses Jahr auf neuen Streikrekord zu
    "Im ersten Halbjahr sind bis zu 250 000 Arbeitstage wegen Streiks ausgefallen, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Zudem seien allein bei der Lufthansa und ihren Töchter seit Anfang Juli 25 000 Streiktage ausgefallen, sagte der IW-Tarifexperte Hagen Lesch der "Welt am Sonntag". Damit sind bereits jetzt fast so viele Streiktage erreicht wie im Vorjahr. Damals registrierte die Bundesagentur für Arbeit nach offizieller Zählung 290 000 Streiktage. Allerdings untertreibt die offizielle Statistik die Streikaktivitäten. Denn gezählt werden nur Arbeitskämpfe, die mindestens acht Stunden dauern oder bei denen insgesamt mindestens 100 Tage ausfallen. Viele kurze Warnstreiks oder kleine Streiks werden deshalb gar nicht erfasst. Insgesamt würden die Arbeitskämpfe in Deutschland durch das Auftreten kleiner Berufsgewerkschaften wie der der Lokführer oder Piloten immer aggressiver, sagte Lesch. Er forderte angesichts der zunehmenden Streiks ein Eingreifen der Politik." Artikel in Welt am Sonntag vom 10. August 2008 externer Link
  • Tarifkonkurrenz rechtfertigt keine Eingriffe in das Streikrecht. Widersprüchliche Entwicklung zwischen Über- und Unterbietung
    "Die aktuellen Tarifauseinandersetzungen bei der Lufthansa rechtfertigen keine gesetzlichen Eingriffe in das Streikrecht. Die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie lässt auch konkurrierende Gewerkschaften zu. Die daraus resultierenden Konflikte müssen die Tarifvertragsparteien selbst regeln. Darauf macht das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung aufmerksam. In einer aktuellen Studie hat das WSI die Entwicklung der Tarifkonkurrenz der vergangenen Jahre analysiert." HBS-Pressemitteilung vom 11.08.2008 externer Link. Aus dem Text: ".Der problematischste Aspekt tarifpolitischer Alleingänge durchsetzungsstarker Berufsgewerkschaften liege in der Aufkündigung der Solidarität gegenüber den Gesamtbelegschaften, so die Forscher. Ob auf Dauer die Überbietungskonkurrenz für die betroffenen Beschäftigtengruppen tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt, sei durchaus strittig, bisherige Abschlüsse zeigten keinen klaren Trend. Immerhin: "Das tarifpolitische Signal, das von diesen Abschlüssen ausgeht, geht nicht in Richtung Unterbietung. Die Erosion von Tarifstandards nach unten wird eher erschwert", stellen Bispinck und Dribbusch fest. Für die Stabilität des Tarifsystems sei deshalb die Unterbietungskonkurrenz durch Gewerkschaften ohne Durchsetzungskraft die größere Gefahr.."
  • Siehe dazu im LabourNet Germany:

DGB-Gewerkschaften: Bündnisse der Starken

"Dick, fett und unbeweglich: Für die im DGB organisierten Gewerkschaften gab es lange Jahre keine Konkurrenz, deshalb sind die Organisationen träge geworden. Kleine Interessensvertretungen bringen nun wieder Bewegung in den Wettbewerb um potentielle Mitglieder - die DGB-Gewerkschaften müssen die Leistungsträger wiedergewinnen." Ein Kommentar von Sibylle Haas externer Link in der Süddeutschen Zeitung vom 12.3.08

Die Kirche der Einheit. Der Arbeitskampf der Lokführer und die Frage der Gewerkschaftseinheit. Ein Exkurs

"Endlich ist sie entbrannt, die Debatte um gewerkschaftliche Einheit und die Strukturen der deutschen Gewerkschaften. Gott sei Dank, ist man verleitet zu sagen. Und dennoch, als Syndikalist betrachtet man diese Debatte mit einem lachenden und einem weinenden Auge. So begrüßenswert es ist, dass der heiligen Kuh der Einheitsgewerkschaft endlich mal Beine gemacht wird, so traurig ist es, wie schwerfällig man sie vorantreibt. Da bedarf es erst des praktischen Beispiels einer kämpferischen Spartengewerkschaft, damit einige GewerkschafterInnen beginnen, die vorherrschenden Strukturen kritisch zu hinterfragen, und langsam und müßig zu Erkenntnissen gelangen, die im Syndikalismus seit eh und je zu den Binsenweisheiten gehören. Nutzen wir die Debatte um die GDL und die Einheitsgewerkschaft für einen Exkurs über syndikalistische Positionen dazu." Artikel von Holger Marcks aus Direkte Aktion Januar/Februar 2008 - wir danken die die Freigabe

Tarifeinheit ade

"Man ist im seit vielen Monaten schwelenden Tarifstreit zwischen Bahn und Lokführern vor Überraschungen nicht gefeit. Eine abschließende Bewertung der Auseinandersetzung ist daher erst möglich, wenn die Tinte unter den Verträgen trocken ist. Allerdings deutet mittlerweile viel darauf hin, dass sich die Gewerkschaft GDL mit ihrer wichtigsten Forderung durchsetzen wird: Sie bekommt einen Tarifvertrag, der das Prädikat "eigenständig" tatsächlich verdient. Die Folgen reichen weit über den Tarifstreit bei der Bahn hinaus." Kommentar von Klaus Stratmann im Handelsblatt externer Link vom 10.01.2008

Zitat zum Thema

"Die Einzelgewerkschaften des DGB sind in der Pflicht, sich den Herausforderungen auch von Seiten der Gewerkschaften außerhalb des DGB zu stellen und sich zu fragen (im Sinne einer notwendigen Selbstkritik), warum Beschäftigte sich in anderen Organisationen offenbar besser vertreten fühlen und wie hier Kolleginnen und Kollegen überzeugt werden können, die Solidarität innerhalb der breiteren Struktur der DGB-Gewerkschaften auszuüben.
Diese Überzeugung kann nur erreicht werden durch praktisches und offensives Handeln und nicht durch Taktiererei.
Wir fordern die Einzelgewerkschaften des DGB auf, sich aktiv und offensiv in diese Diskussion einzubringen und öffentlich zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
Wir erwarten auch konkrete Antworten von den DGB-Gewerkschaften auf die Frage, warum es Ihnen nicht gelungen ist, Partikularinteressen einzelner Berufsgruppen im Interesse eines gemeinsamen Kampfes um bessere Arbeitsbedingungen mit zu berücksichtigen
"
Aus dem Brief an Ver.di und DGB der Betriebsgruppe im Bezirksamt Hamburg-Harburg vom August 2007

Streiten lernen. Das deutsche Tarifkartell bröckelt

Eine Herausforderung für die Firmen. In Großbritannien lässt sich beobachten, was auf die Arbeitgeber zukommt. Artikel von Henrik Müller im Manager Magazin vom 03.12.2004 externer Link

Specials

Tarifeinheit: Wenn Streikbrecher sozialpartnerschaftlich zusammenarbeiten

DGB und BDA wollen Streikrecht einschränkenupdated: Gemeinsamer Vorstoß für gesetzliche Regelung gegen Spartengewerkschaften

siehe auch

Fachgewerkschaften: Spalter oder Dammbrecher? unter Diskussion > Gewerkschaftsstrategien > Debatten der real existierenden Gewerkschaften in Deutschland

Streikrechtdebatte am Beispiel des GDL-Bahn-Konfliktes 2007

(neuer und alter) Streik unter Diskussion > Gewerkschaft > (intern.) Erfahrungen > Kampfform

Tarifdumping über Gewerkschaftskonkurrenz bei der Eisenbahn. Siehe Hintergründe und Protestaufruf unter Branchen / Dienstleistungen / Transport / Bahn


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