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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Vor dem Euro-Finale? Am deutschen Wesen soll Europa genesen, bis zum bitteren Ende (eine Fortsetzung noch zu "Eurozone vor der Implosion?" www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl14.html) Am Schluß dieses vorausgehenden Textes schrieb ich: "...und so rücken vor dem Treffen am Donnerstag (24.11.11) immer mehr EU-Partner von der deutschen Kanzlerin ab - und sie steht allein in Europa. Und wird damit nicht zuletzt den Untergang des Euro riskieren." Hier gilt es jetzt wieder anzuknüpfen, um die Fortsetzung dieses Dramas um den Euro um und nach diesem stark inszenierten EU-Minigipfel in Paris zu skizzieren. Das ökonomische "Narrativ" der Deutschen Dabei erleben wir sowohl, dass das ökonomische Narrativ der Deutschen seine Kohärenz verliert , als auch, dass die Deutschen mit einer "Nibelungen-Treue" an diesem "Narrativ" gerade gegenüber Europa festhalten. Dabei bringt die Krise in ihrem Verlauf es immer mehr an den Tag, dass dieses ökonomische Narrativ - oft auch Neoliberalismus genannt - seine scheinbare Kohärenz verliert. Nirgendwo ist es so klar wie in der Ökonomie, dass sie "Weltbilder" erschafft, durch die dann auch das Handeln - ganz besonders das politische - bestimmt wird. Es geht hier auch nicht um eine "Versuchsanordnung" - sozusagen Szenarien der Möglichkeiten -, die immer wieder - mit "trial and error" - empirisch überprüft werden - und damit auch geändert werden kann. Nein, dieses "Weltbild" tritt als vollkommen "kohärentes Narrativ" auf, auch wenn diese Kohärenz immer mehr im Angesicht der Wirklichkeit in sich zerbröselt und zunehmend Unstimmigkeiten aufweist. Nehmen wir uns doch dazu einmal ein bedeutendes Gremium von Ökonomen vor, das diese Weltsicht für Deutschland so "nachhaltig" prägt: den Sachverständigenrat für Wirtschaft (kurz SVR), dem auch jetzt, wo das Absacken des Wachstums bevorsteht, auch wieder nicht mehr einfällt, als dass "am deutschen Wesen Europa genesen soll" (Wolfgang Lieb: www.nachdenkseiten.de/?p=11252 Die Wirtschaftsweisen leiden wie Suchtkranke schon seit Jahren unter dem Tunnelblick ihres "Konsolidierungs-Dogmas". Ihr Sichtfeld ist eingeschränkt auf die Schock-Therapie der "Chicago-Boys": "Hungert den Staat aus!" und "Legt die Gewerkschaften bei den Löhnen an die Leine". Und so wird ganz auf der Linie der Kanzlerin - oder umgekehrt sie immer auf der Linie dieser Ökonomen mit dem Tunnelblick -, die "Führungsrolle der deutschen Politik" zur Eindämmung der Krise in den höchsten Tönen gelobt. Lediglich der Wirtschaftsweise Peter Bofinger stellt sich bewußt mit einer "Alternativen Meinung" außerhalb dieses dogmatisch vorherrschenden Narrativs. (vgl. den letzten Link auf der Siete 2 - ab der Mitte) Aber das herrschende Narrativ wird brachial weiter gegen jede Wirklichkeit abgeschirmt - und bleibt damit "immun" gegen die tatsächlichen Abläufe in der Ökonomie. So bleiben sie ihrem Motto treu: Auch wenn alles schlechter wird, unser Kurs ist richtig und die Schuld, dass alles schlechter wird, liegt immer bei den anderen - oder bei unkalkulierbaren Einflüssen. (Ein sehr ähnliches Weltbild konnten wir schon beim untergegangenen "realen Sozialismus" erleben!) Statt einer neuen Rezeptur wird daher wieder nur einmal die Erhöhung der Dosis der alten Rezeptur gefordert - und wenn es schief läuft, dann war nicht ihre Medizin falsch, sondern schuld sind "die allgemeine Verunsicherung der Investoren" und "steigende Risikoprämien" (der Markt kann ja nicht irren). Mit dieser Schuldverlagerung auf "irgendwelche" Faktoren von außen lässt sich die falsche Ideologie so vortrefflich von der Wirklichkeit abschotten. Und alle Einwände, dass am deutschen Wesen eben Europa nicht genesen kann, müssen dann wie an einem Panzer abprallen (www.spiegelfechter.com/wordpress/2162/am-deutschen-wesen-kann-europa-nicht-genesen Ein Rückgriff auf die Geschichte dieses "Narrativs" - letztlich doch ohne Kohärenz - Der "Durchbruch der Finanzmärkte" seit rund 40 Jahren Ihren Siegeszug trat dieses "Narrativ" weltweit in den siebziger Jahren mit dem sog. "Ende von Bretton Woods" an (vgl. aktuell vom "Weltcasino zu einem neuen Bretton Woods" mit Stephan Schulmeister und Heiner Flassbeck www.vidc.org/index.php?id=899 Die Konflikte zwischen den "nationalökonomischen Interessen" der USA am Einsatz des Dollar im Dienste einer US-Wirtschaftspolitik und den "globalökonomischen Interessen" des globalisierten Wirtschaftssystems bereiteten in der Folge den Boden für eine ganze Reihe von internationalen Krisen angefangen bei den Ölpreisschocks der 70-er Jahre bis zum Anschwellen der Auslandsverschuldung der USA. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das zentrale Moment - auch für die ab dieser Zeit wachsende Bedeutung der Finanzmärkte - die Freigabe der Wechselkurse war. Damit fand der Kampf von Milton Friedman gegen die festen Wechselkurse sozusagen ihr "siegreiches" Ende. (Vgl auch Heiner Flassbeck zu Milton Friedman www.flassbeck.de/pdf/2006/20.12.2006/Milton%20Friedman.pdf Als "Manifest" dieses Weltbildes gilt in Deutschland dann das sog. "Lambsdorff-Papier", das dann auch als "Scheidungspapier" für die sozial-liberale Koalition in die Geschichte einging. (Vgl. dazu die Vorstellung des Papieres durch Wolfgang Lieb www.nachdenkseiten.de/?p=346 So sehr die Spekulation in dieser Konstellation zum allgemeinen "vorherrschenden" Phänomen wurde, so sollte doch auch nicht übersehen werden, dass dieser "Durchbruch der Finanzmärkte" zunächst über die Währungen und die Freigabe der Wechselkurse erfolgte. Und jetzt, wo ganz im Mittelpunkt das "Verlernen" dieses Narrativs stehen müsste, erleben wir eine so schreckliche "Lernschwäche" der Ökonomen (www.faz.net/-gsh-6mkya Dabei hat die "finanzkapitalistische Spielanordnung" (Schulmeister) in ihrer Phase es vor allem "fertig gebracht", dass das Zinsniveau laufend über dem Wachstum liegt ( Zins-Wachstums-Differential ), was das realwirtschaftliche Wachstum sehr stark verhindert - und die Arbeitslosigkeit erhöht. Deshalb ist es auch wichtig zu erfahren, dass auch dieses "Narrativ" keine ewige Wahrheit ist, sondern aus einer bestimmten Konstellation heraus erst seine "Geburt" erfahren hatte - auch wenn es allzu vielen heute in einer Zeit , wo das neoliberale Narrativ zum zentralen "Glaubensbekenntnis" auch des medialen Blickes auf die Wirtschaft geworden ist - wie eine "immerwährende" Wahrheit erscheinen mag. Und wie Lernschwächen überwunden werden konnten in den 50-er und 60-er Jahren, dafür gibt der Historiker Eric Hobsbawm noch ein weiteren Grund an: "Es war die größte Nettowirkung der russischen Revolution, den Kapitalismus systematisch zur Wohlfahrt zu bekehren" - wenigstens solange der reale Sozialismus noch eine gewisse Ausstrahlung besaß. (Vgl. das Interview mit Hobsbawm "Über Marx und Keynes - Die Linke ist zu schwach": www.berliner-zeitung.de/kultur/ueber-marx-und-keynes-die-linke-ist-zu-schwach,10809150,11156884.html Und deshalb ging dann in den 90-er Jahren ff. jeder noch verbliebene Rest an sozialer Scham verloren - und die "finanzkapitalistische Spielanordnung" gelangte so zu ihrer vollen Blüte, dem sich dann auch die Sozialdemokratie nicht mehr zu entziehen wagte. Und mit der totalen Entfesselung der Finanzmärkte wurde dann auch schon das Scheitern in dieser größten "Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren" vorbereitet. Und weiter in der aktuellen Geschichte der Eurokrise - Ein Mini-Gipfel am 24.11.11 So erhellend dieser Rückblick sein kann - sozusagen "wie alles anfing" - so entlässt uns das doch nicht aus der Erklärung für die jetzige Situation um den Euro, der auf sein mögliches Ende zusteuert - einfach weil sich ein Ende auch leichter mit seinem Anfang verstehen lässt. Wenn wir auch feststellen konnten, dass dieses bisher (!) durch die Märkte privilegierte Deutschland sich von den übrigen Ländern im Euro-Raum entfernt hält - Deutschland in Europa allein - so scheint doch auch jetzt noch, wo die Märkte die Interessen - zuletzt auch von Frankreich - in der Eurozone auseinander treiben, es weiterhin politisch zu klappen, dass Deutschland - jedenfalls im Augenblick - in seine Führungsrolle, die von den deutschen Ökonomen angemahnt wurde, hineinwächst - ganz vehement zum Nachteil der "anderen". Dass auf der Bühne des EU-Mini-Gipfels irgendein "Interessengegensatz" nach außen auftrat ist jedenfalls nicht ersichtlich - jedoch die Tatsache, dass in diesem Europa - auch wenn es für viele immer schädlicher wird - der "Rest" ziemlich widerstandslos der deutschen Agenda des Sparens und Lohnsenkens folgt. Lediglich Barroso platzte doch noch der Kragen - und warf der Kanzlerin einfach Respektlosigkeit vor (www.taz.de/Streit-um-Eurobonds-gegen-die-Krise/!82443/ Eine Gemeinsamkeit unter den durch steigende Staatsschulden geschädigten Ländern - bis jetzt zu guter Letzt doch auch noch Frankreich - scheint es nicht zu geben. So inszenierten sich Merkel und Sarkozy wieder als "Europa-Paar in Aktion" (www.fr-online.de/meinung/leitartikel-merkel-und-sarkozy--europa-paar-in-aktion,1472602,11214710.html Nichts davon ließ aber Sarkozy nach außen dringen - und ließ die Inszenierung einer Machtdemonstration "Arm in Arm" mit der Bundeskanzlerin Merkel - selbst gegen einen "natürlichen Bundesgenossen" wie den italienischen Premier Monti gegen die immer teureren Staatsschulden zu, so dass der Eindruck entstand,"Merkel und Sarkozy laden Italiens Ministerpräsident Monti zum Rapport" (www.fr-online.de/politik/merkel--sarkozy-und-monti-in-strassburg-drei-sind-einer-zu-viel,1472596,11214748.html Aber Barroso oder Monti, sie sollten alle mit ihren der Krise angemesseneren Lösungen kaltschnäuzig abgewiesen werden - von Deutschland. Ja, wie meinte der Kommentator über die Kanzlerin mit der Nibelungentreue gegenüber der "Freier-Markt-Effizienz-Doktrin": "Doch für Merkel zählen nur Disziplin und Gehorsam". Dass immer mehr Ökonomen davon überzeugt sind, dass sich die Krise nur mit beidem - gemeinsamen Anleihen (Eurobonds genannt) und durch die Stützungskäufe der EZB - bewältigen lässt, scheint diese "eiserne Kanzlerin" zu ignorieren. Zurecht weisen all diese Forderungen - vor allem aus dem Ausland - darauf hin, es möge doch bitteschön bei den Deutschen die Einsicht wachsen, dass eben nicht die anderen das Problem sind, sondern dass gerade sie mit den exzessiven Exportüberschüssen ein Teil des Problems sind. Auch wenn es Wolfgang Münchau m.E. ziemlich akkurat auf den Punkt bringt: "Es ist die Politik, Dummkopf!" Nur die Politik kann Europa vor einer Katastrophe retten. Doch die lässt ihre letzte Chance verstreichen. Und das Hauptproblem: Die Regierungen der Eurozone sitzen alten deutschen Lügen auf (www.nachdenkseiten.de/?p=11406#h02 In den Tagen nach dem Wahlsieg der spanischen Konservativen unter ihrem zukünftigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy knallten die Zinsen kräftig in die Höhe, weil die Märkte jetzt genau dieses bei ihm befürchten. Die Finanzmärkte verstehen die Logik der Krise besser als die Politiker! A llen voran unsere Kanzlerin! Die entsprechenden Mahnungen zu EZB (IMK: "Lösung der Krise im Euroraum nur mit aktiver Rolle der EZB": www.boeckler.de/2728_38246.htm Nein ganz im Gegenteil: Deutschland lässt seine krisenverschärfende Rolle auch noch ein "wegbeschließen" in der EU (www.nachdenkseiten.de/?p=11368#h01 Dabei kann man zu dieser so offensichtlichen Dialektik auch bei der gegenwärtigen Krisenbewältigung schön auf Bertolt Brecht verweisen und ihn zitieren, der ein aufmerksamer und sehr scharfsinniger Beobachter der letzten großen Weltwirtschaftskrise war: Da sagt der arme Mann zum Reichen: "Wär` ich nicht arm, wärst du nicht reich." Aber es kann auf der Welt nicht mehr Überschüsse als Defizite geben - außer die Deutschen fangen an ihre Maschinen auf den Mond zu schicken. Empört schreibt deshalb Thomas Fricke: "Europa lernt schlechtes Deutsch - ein trügerischer Erfolg, der den Deutschen am meisten schaden könnte (www.ftd.de/politik/europa/kolumne-thomas-fricke-europa-lernt-schlechtes-deutsch/60133830.html Es ist und bleibt ein gefährlicher Denkfehler in dem "alten Glauben" zu verharren, allein durch Sparen der Öffentlichen Hand und Lohnsenkungen ausgerechnet die "Wettbewerbsfähigkeit" steigern zu können, ohne dass Deutschland auch seine permanenten und gewaltigen Exportüberschüsse als Problem sieht. (Vgl. die Grafik bei Fricke = letzter Link) Und dieses "Um-die-Wette-Schrumpfen" bringt immer noch kein Wachstum (www.freitag.de/politik/1146-um-die-wette-schrumpfen Ausgerechnet eine Kanzlerin, die aus dem für so totalitär-gehaltenen Osten Deutschlands stammt, wird nun Schritt für Schritt ein neuer Totalitarismus des Marktes durchgesetzt - was schon angesichts des erzwungenen Rücktrittes von Papandreou den deutschen Philosophen Habermas zu einer Intervention zur Rettung der Würde der Demokratie veranlasst hatte (www.faz.net/-gqz-6uv53 Nur hat die Demokratie in Europa schon längst keine Würde mehr, denn Wahlen können ausgehen, wie sie wollen, die Politik verordnet immer nur weiter "more of the same" aus der alten Rezeptur (www.nachdenkseiten.de/?p=11437 Ein sozialpolitischer Skandal, der eigentlich zum Himmel schreit! Und voller Zorn hat der Wiener Georg Kreissler diesen nur allzu zynischen politischen Zustand - noch vor seinem Tod - charakterisiert: "Der Abstand zwischen Kapitalismus und Kannibalismus wird von Tag zu Tag kürzer" - je weiter die Krise fortschreitet. Der sozialpolitische Kürzungs-Skandal als gesamteuropäischer - und ein vorläufiger "Gewinner" Dieser Skandal wird also noch deutlicher, wenn man ihn gesamteuropäisch erweitert und darauf schaut, wie in diesem Prozess Griechenland durch die knallhart aufgezwungene Konsolidierung auf der einen Seite wirtschaftlich und sozial in die Knie gezwungen wird, ohne dass es dafür ein Entrinnen gibt (www.boeckler.de/impuls_2011_18_1.pdf Auf der anderen Seite ist das Leid von Griechenland auch Deutschlands Freud: Schäuble spart beim Schuldenmachen und Griechenland zahlt ihm Strafzinsen. Dann wird die Bundesbank noch Gewinn einfahren und die Anleger gieren nach den besser "situierten", weil als sicherer geltenden deutschen Anleihen (www.taz.de/!79106/ Auch ein Manko der politischen Aufklärung in Deutschland! Sollte es daran liegen, dass keiner mehr den Überblick hat? Die "Märkte" wenden sich nun auch gegen Deutschland - oder meutern "Merkels Kettenhunde" gegen die Politik? Wir mussten ja schon vor dem Eurobond-Vorschlag feststellen (= der vorangegangene Text), dass die "Investoren" diese "heilige Kuh" als Schiedsrichter über die Politik immer mehr insgesamt die Eurozone meiden, und nicht mehr Deutschland priviligieren mit immer niedrigeren Zinsen. Jetzt müssen wir aber feststellen, dass die "Märkte" sogar Deutschland einen "Schuss vor den Bug geben", indem sie bei einer Auktion von Bundesanleihen die schlechteste Anleiheemission seit der Einführung des Euro nur noch zustande bringen. Die Kanzlerin ist wohl so erschrocken, dass sie diesen Tatbestand in der laufenden Haushaltsdebatte nicht einmal der Erwähnung wert findet (www.fr-online.de/politik/haushalts-debatte-kuehle-worte-gegen-nervoese-maerkte,1472596,11208802.html Ja, es wird nun die Frage werden, ob dies für die Regierung noch ein rechtzeitiger Schuss vor den Bug gewesen sein kann - und sie langsam nach dieser "Lektion durch die Märkte" begreifen, dass die Eurokrise nicht nur das Problem der anderen ist, sondern auch das der Deutschen (www.ftd.de/finanzen/maerkte/anleihen-devisen/:bundesanleihen-ein-hoffentlich-rechtzeitiger-schuss-vor-den-bug/60133207.html Das ist ein Desaster, die Finanzbranche ist tief besorgt. Erstmals meldet die Finanzagentur, dass es Probleme gibt, Käufer nun auch für die deutschen Staatspapiere zu finden. Ja, die Anleger fangen an, auch deutsche Anleihen zu verschmähen (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mitten-im-streit-ueber-euro-bonds-anleger-verschmaehen-deutsche-anleihen-1.1197526 Aber wie stellte schon Münchau fest, er sei überhaupt nicht überrascht, dass die "Finanz-Märkte" nichts mehr fürchten als diese immer weiteren "Schrumpfungsorgien" - und erweisen sich damit wieder als klüger als die dogmatisch bornierte Politik nebst ihren ökonomischen Ratgebern. Bringt der "Schuss vor den Bug" doch noch mehr EZB und auch Eurobonds? Oder nur noch ein "Finale" für die Eurozone? Bleibt also die Kanzlerin als herausragende Akteurin dem "alten Narrativ" der deutschen Ordnungspolitik treu, obwohl es immer mehr zerbröselt? Oder wird sie in der Lage sein, mit der Krise zu lernen? Dabei geht ein Gespenst um in der Welt: Eine Euro-Krise ohne Ende oder gar ein Zerfall der Eurozone - aufgebrochen durch die Finanzmärkte - würde Europa und die Welt in eine Finanz- und Wirtschaftskrise stürzen, in der die ökonomischen "Turbulenzen" noch weit stärker alle Volkswirtschaften angreifen und runterziehen würden als die Lehman-Pleite in den USA. Es gibt dazu eine ganz interessante Diskussion, die auch eine Einschätzung der Person der Bundeskanzlerin ist. So drückt Ulrike Herrmann in der TAZ ihre Hoffnung bezüglich einer Wende der Politik mit einer - zumindest vorläufigen - Zähmung der Finanzmärkte folgendermaßen aus: "Man kann nur hoffen, dass Merkel nicht ernsthaft glaubt, es würde reichen, nur zu sparen - sondern dass sie gewohnt taktiert. Und einfach nur wartet, bis die Krise groß genug ist, damit auch ihre Wähler verstehen , dass jetzt Notmassnahmen der EZB und ein Eurobond zwingend sind" (www.taz.de/Kommentar-Minigipfel-zur-Eurokrise/!82536/ Sozusagen die weitere Verschärfung der Krise als ein taktisches Vehikel, um die in der Bevölkerung ungeliebten Maßnahmen doch noch durch´s Ziel zu bringen? Ganz bewußt schon heute einkalkuliert! Mit dem gleichen Ergebnis, aber doch letztendlich "gezwungen" durch die Krise selbst sieht es eine Wissenschaftlerin, die auch von einer Notwenigkeit von Eurobonds für eine langfristige Überwindung der Eurokrise ausgeht. "Es ist auch nicht im (wirtschaftlichen) Interesse Deutschlands, wenn sich seine Partner wirtschaftlich ruinieren. Sie brauchen eben neben Sparauflagen auch den Zugang zu erschwinglichen Krediten - und deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass es Eurobonds geben wird. Deutschland will eben statt Zuckerbrot und Peitsche nur die Peitsche - und das kann auf Dauer nicht funktionieren (www.fr-online.de/schuldenkrise/-europaexpertin-ulrike-gu-rot--deutschland-will-kein-zuckerbrot--nur-die-peitsche-,1471908,11215328.html Diese pragmatische politische Rationalität, die auch weitgehend bei der Opposition im Bundestag vorherrschte, wird bei der Bundeskanzlerin nicht zutreffen. Geht man nämlich von den bisherigen Maßnahmen aus - bis hin zum EFSF-Rettungsschirm - dann bewegten sich gerade diese Maßnahmen für die Merkel noch in "ihrem" Finanzmarkt-Paradigma. Den Finanzmärkten blieb weiter "ungezügelt" ihr "Spielfeld" - und auch wenn die "Finanzmärkte" jetzt anfangen , dem Spielfeld selbst nicht mehr zu trauen, so wird die Kanzlerin und ihr Beraterstab das übersehen - und einfach ihrem "Narrativ" als einem für sie wenigstens noch kohärent-"erscheinenden" weiter folgen. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman bezweifelt dagegen, dass es sich beim Bewegen in solch einem dogmatischen "Gehäuse" überhaupt um ein "Narrativ handeln kann: "As far as I can tell, European policy makers aren`t even thinking about scenarios. They are just repeating the old slogans about stable prices and fiscal responsibility, with no narrative at all about how pursuing those virtues can be consistent with European recovery..." (siehe Paul Krugman Ziff. 2.a bei www.nachdenkseiten.de/?p=11443#h02 Und im Prinzip muss Paul Krugman recht gegeben werden, denn der Neoliberalismus "zerstört" geradezu ein Denken in Zusammenhängen, was schon den Faust bei Goethe so brennend Interessiert, "was diese Welt im innersten zusammenhält". Nein, das ist nicht Sache dieser Ideologie, sondern es bleibt nur ein "Häppchen-Denken" übrig, das zu keinerlei Verständnis mehr taugt. Aber ein Verständnis des "Gesamtzusammenhanges" braucht ja bei dieser Weltsicht auch kein Mensch mehr, da der Markt "alles" effizient "regelt". Wird die Bundesbank nebst der Bundesregierung mit dem Beharren auf deutscher Ordnungspolitik in die Geschichte als Zerstörer des Euro eingehen? Was bestärkt mich in dieser Auffassung? Es gibt dazu ein sehr informatives Interview mit dem Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, das das strikte Festhalten an dem "altgewohnten Weltbild" bestätigt: Robert von Heusinger und Stephan Kaufmann (FR) bringen es mit ihren Fragen ziemlich deutlich auf den Punkt: Generell möchte der Bundesbankpräsident festgestellt wissen "Wir wollen die D-Mark nicht zurück. Das ist doch absurd". Ob diesem allgemeinen Bekenntnis auch eine ökonomische Strategie folgt, die dem Rechnung trägt, können wir dann sehen: "So sollen Eurobonds erst am Ende eines Integrationsprozesses (stehen) .. Aber eigentlich braucht man dann Eurobonds nicht mehr, weil die bessere Archtitektur der Währungsunion und ihr Regelwerk die Investoren überzeugen. Und wie soll das aussehen? Auf den Einwurf "bis es soweit ist, vergehen doch Jahre. Dann gibt es den Euro doch gar nicht mehr", kontert Weidmann: "Das sehe ich ganz anders. Wenn die Politik glaubwürdig ankündigt, in Richtung einer Fiskalunion zu gehen oder den Stabilitätspakt stärkt, und gleichzeitig die Regierungen glaubhafte Konsolidierungs- und Reformprogramme vorlegen, kann dies die Märkte beruhigen." Dabei könnte er schon jetzt an den Märkten sehen, dass diese gerade nicht so ökonomisch blind sind, auf diese althergebrachte "Rezeptur" noch zu vertrauen. Aber die Interviewer bleiben weiter am Ball und bohren nach: Die Frühindikatoren deuten auf eine Rezession 2012. Droht gar eine Depression? "Glaubensstark" antwortet darauf der Bundesbankpräsident und früherer wirtschaftspolitische Berater von Merkel: "Das ist nicht unser Konjunkturszenario. Das Wachstum wird sich im Euro-Raum weiter abschwächen (siehe oben SVR), aber eine anhaltende Rezession erwarten wir nicht - vorausgesetzt die Schuldenkrise weitet sich nicht aus." So bekommen wir von einem "Marktgläubigen" die Ausweitung der Schuldenkrise als so etwas wie einen - im Übrigen unbeeinflussbaren - "deus ex machina" dazugesellt. Und dann noch zur Wachstumsstrategie befragt, erklärt Jens Weidmann: "Richtig: Wachstum durch Struktur-Reformen, das heißt tragfähige Sozialsysteme, flexible Arbeitsmärkte, Freiraum für private wirtschaftliche Initiative. Auch das ist Teil des Anpassungsprogrammes". Just das, was uns in die Krise geführt hat, soll nun immer weiter vorangetrieben werden? Nur "more of the same" und immer wieder? (Vgl. oben die Kritik zum Sachverständigenrat) Auf so viel marktradikale "Glaubensstärke" fällt den beiden Journalisten nur die abschließende Frage ein: "Werden sie der Mann in den Geschichtsbüchern sein, der mit seinem Beharren auf deutscher Ordnungspolitik" den Euro zerstört hat?" (www.fr-online.de/wirtschaft/bundesbankpraesident-weidmann--wir-wollen-die-d-mark-nicht-zurueck--das-ist-absurd-,1472780,11219184.html Wer glaubt, die Kanzlerin würde aus diesem Berater-Umfeld - ganz pragmatisch - jetzt mit den Eurobonds anfangen wirtschaftspolitisch in ein "neues Narrativ" aufbrechen, den muss ich leider - bei aller Sympathie für solch eine Denke - doch ins Reich der Träume verweisen. Deshalb wird in unserer Bundesrepublik in den "alten Gleisen" weitergefahren werden - ohne besondere Abstriche - weiter gefangen im Narrativ, dem langsam immer rabiater - wie bei einer Abrissbirne - jede Kohärenz verloren geht. Oder wie es der Wirtschaftsweise Peter Bofinger (siehe oben SVR) formuliert: "Es ist absurd, dass sich die Politik immer mehr von den Finanzmärkten treiben lässt. Vor drei Jahren haben Europas Staaten die Finanzmärkte, die Milliarden verbrannt hatten, mit Steuergeld gerettet, nun lassen sie sich von den gleichen Akteuren vorführen." (www.nachdenkseiten.de/?p=11443#h03 Trotz der vorhandenen "besseren" Erkenntnis geht mit deutscher Unterstützung der Euro in die Endrunde Ja, es gäbe die Möglichkeit, dass die EZB - die übrigens schon "Staatsanleihen für geldpolitische Zwecke" im Wert von 173,5 Milliarden Euro in ihrer Bilanz stehen hat, - die Krise, insbesondere bei einigen Ländern, weiter und stärker bewältigen hälfe. Nur dazu bräuchte sie die eindeutige politische Rückendeckung der Mitgliedstaaten, die sie eben nicht hat - und nicht bekommen wird. (www.boeckler.de/38252_38267.htm Und mit den Eurobonds könnten die EU einen der größten Anleihemärkte der Welt begründen - bei einem gemeinsamen Zinssatz. Und entgegen immer wieder anders lautenden Behauptungen würde das nicht zu markanten Zinssteigerungen und damit enormen Mehrkosten für Deutschland führen, wie Gustav Horn vom IMK erläutert, der einfach auch Mut zu Eurobonds fordert: Geht man von der realistischen Annahme aus, dass die deutsche Staatsschuld sukzessive über zehn Jahre auf Eurobonds umgestellt würde, fielen im ersten Jahr lediglich 0,6 bis 1 Milliarde Euro an Mehrkosten an. Nach zehn Jahren würden sich die Mehrausgaben auf sechs bis 10 Milliarden Euro pro Jahr aufsummieren. Dafür stünde aber die Chance , die Krise - durch diese Herausnahme aller Staatsschulden aus dem Treiben der Finanzmärkte - dauerhaft zu überwinden - und dies spart dem deutschen Staat deutlich mehr Geld, als für die leicht erhöhten Zinsen gezahlt werden müsste. (www.boeckler.de/imk_33663_37759.htm Und auch wenn Marc Beise von der SZ das populistisch aufgebläht gegen die Eurobonds noch oft behauptet, die "Vergemeinschaftung der Schulden" über Eurobonds wäre das Signal an die Schuldnerstaaten weiterzumachen wie bisher (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/2.220/loesungen-fuer-die-schuldenkrise-endspiel-um-den-euro-1.1219112 Aber nichts davon steht - vor allem "dank" Deutschland - in der EU auf der Tagesordnung - oder um es mit den Worten noch einmal von Gustav Horn zu sagen: "Aber zugegeben, um soweit zu kommen, muss gerade in Deutschland noch manch ideologischer Ballast über Bord geworfen werden". Stattdessen gibt es einfach weiter Drohgebärden statt Lösungen: Merkel und Sarkozy wollen den Sparkurs noch weiter verschärfen und die Spaltung in der EU vertiefen statt zu einer Gemeinsamen "Plattform zu finden (vgl auch www.taz.de/Kommentar-EU-Stabilitaetspakt/!82659/ Und so drehen wir uns nur immer weiter in die Krise hinein (www.boeckler.de/imk_33663_38247.htm Einen Weg den Merkel und Sarkozy schon seit ihren Vorstellungen zur "Europäischen Wirtschaftsregierung" (vgl. www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl2.html - sowie weiter www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/bahl_wr.html) sich vorgenommen haben - nur ein "Schuß vor den Bug" reicht bei den beiden wohl noch längst nicht, um Lernmöglichkeiten zu eröffen. Ja, diesem Pessimismus hat sich auch Thomas Kirchner am 28.11.11 in der SZ unter der Überschrift "Die Stabilitätsobsession" angeschlossen: "Zu einem Umdenken in Deutschland wird es nach Lage der Dinge nicht kommen. Mit seiner schieren Macht wird das größte Land der EU seinen Willen durchsetzen und Recht behalten wollen - bis alles in Scherben liegt. So hart es klingen mag: Die Deutschen sind auf dem besten Wege, Europa in ein Desaster zu führen. Obwohl sie nur das Beste wollen." So schade um die ungenutzten Möglichkeiten - aus ideologischer "Verblendung" Dabei wären EZB und Eurobonds nur erste Schritte zur Stabilisierung der EU - und immer noch fehlt eine Regulierung der Finanzmärkte! Deshalb wäre weiter notwendig vor allem auch eine Bankenregulierung - mit dem Ziel die Banken wieder in eine "dienende Funktion" gegenüber der Realwirtschaft zu bringen - und die so schädliche Differenz zwischen Wachstum und Zinsen umzudrehen, dass wie in der früheren Periode nach dem Krieg der Zins auf Dauer unter dem Wachstum zu liegen kommt. Ein wichtiger Schritt zur Einschränkung der Macht des Finanzsektors kann die Finanztransaktionssteuer sein (www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/fts_bahl.html sowie natürlich www.steuer-gegen-armut.org Und dann bräuchten wir endlich eine Regulierung der Banken, die den Namen auch verdient (vgl. dazu www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/bahl3.html in Verbindung mit www.nachdenkseiten.de/?p=10011#h05 Und last but not least käme dazu ein Mindestlohn, der den Namen auch verdient (vgl. www.mindestlohn.de - und weiter ausführlich zum Mindestlohn und die Evang. Kirche www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/standpunkte_2009_07.pdf Auf dieser Grundlage müsste dann mit einem europäischen "New Deal" oder besser noch "Green New Deal" - wie nach dem großen Vorbild in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts unter Roosevelt - die Beschäftigung wieder aufgebaut werden (vgl. dazu z.B. Stephan Schulmeister www.fr-online.de/wirtschaft/wider-den-finanzkapitalismus/-/1472780/4537948/-/index.html Wir hätten also so schöne Möglichkeiten zur Gestaltung der Zukunft - jedoch die "vorherrschende" ideologische "Verblendung lässt es nicht zu - so dass wir jetzt mit dem Euro - ökonomisch wie auch politisch - schrecklich in den Graben fahren müssen - noch bevor eine eigentlich machbare und greifbare "Umkehr" möglich werden kann. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 29.11.2011 |