8. "Wo bleibt mein Geld?" - Finanzierung
der PSA
Insgesamt zahlten die Arbeitsämter bundesweit monatlich fast zehn Millionen
Euro an Maatwerk.[1] Mit der Auszahlung haperte es aber
- "
Als ich die 1. Gehaltsabrechnung erhalten
habe, habe ich nicht schlecht gestaunt. Nach 6 Wochen Wartezeit erhielt ich
einen Gehaltszettel mit ca. der Hälfte des Bruttogehaltes, dass im Arbeitsvertrag
vereinbart war. Ich kann nur sagen, es ist weniger als der Sozialhilfesatz,
den ich hier erhalten habe. Jedem Sozialhilfeempfänger geht es wahrscheinlich
besser, denn der bekommt wenigstens am Monatsende sein Geld. Bereits 2mal
habe ich bei der Maatwerk GmbH Jena vorgesprochen, um dies korrigieren zu
lassen. Bis jetzt jedoch erfolglos. Jedes Mal wurde mit versprochen, mein
Gehalt zu ändern und mir das restliche Gehalt nachzuzahlen. Bis jetzt
ist nichts passiert. Lediglich hat man mir einen Vorschuss über 200,00
€ bar ausgezahlt." (Informant 1)
- "leider bin ich seit ca. 4 Monaten bei MAATWERK
beschäftigt. (
) Bis heute ist der Lohn falsch. Mittlerweile beträgt
die Höhe der Forderungen meinerseits fast ein Monatsgehalt, der eh nicht
hohen Zahlung. (Bei Kollegen wurde sogar über 3 Monate gar kein Lohn
gezahlt). Mein Vorgehen diesbezüglich: Ich setzte MAATWERK eine Frist
um ausstehende Zahlungen zu veranlassen, nach Ablauf dieser Frist werde ich
den Betrag nebst Zinsen und Nebenkosten einklagen. Die Korrektur der Zahlung
wird fast Wöchentlich zugesagt
" (Informant 5)
- "
Das Größte kam dann am [Tag
X], als dann Zahltag war. Ich bekam bis dato keine Gehaltsbescheinigung. Da
sich mein neuer Arbeitgeber mit [Herrn XY], dem Regionalleiter in Berlin in
Verbindung setzte und ihm mit der Öffentlichkeit u. a. drohte, kam [Tag
X + 6] ein Angestellter der Firma Maatwerk bei meiner neuen Firma vorbei und
brachte mir dann 200,00 € "Vorschuss". Mehr bekam ich bis dato
nicht mehr. Für mich ist das das letzte. Die meisten Angestellten in
dieser Filiale bekamen bis dato kein Geld. Es herrscht dort eine Bombenstimmung.
(..) Das ist meine negative Erfahrung mit Maatwerk. Es wird sicherlich auf
ein gerichtliches Verfahren hinauslaufen. Im Laufe dieser Woche werde ich
dann auch noch die Polizei einschalten. Einen Rechtsanwalt habe ich bereits
mit der Wahrnehmung meiner Interessen beauftragt. Darüber hinaus schalte
ich das Landesarbeitsgericht Kiel und Berlin ein." (Informant 8)
- "Den Ausführungen der anderen, dass der Stundenlohn sehr gering
ist, kann ich nur beipflichten. Ich habe jedoch das zweifelhafte Glück,
dass bisher die Gehaltszahlungen regelmäßig kommen, wenn auch regelmäßig
zu spät. Probleme mit Zahlungen (Miete, Telefon, Strom etc.) habe ich
daher ebenfalls regelmäßig..." (Informant 25)
- "... Laut Vertrag mit der Firma Maatwerk sollte der Lohn zum 15.09.03
gezahlt werden. Als dann am 18.09.03 noch kein Geld eingegangen ist, habe
ich mehrmals (ich glaube 3 Mal) versucht, Herrn X telefonisch zu erreichen.
Immer hieß es, er würde mich umgehend zurückrufen. Ich habe
dann versucht, die E-Mail Adresse von der Filiale in Hamburg über das
Internet herauszufinden. Leider findet man auf der Homepage von Maatwer.com
nur die Adresse in Holland. Also verfasste ich eine Mail, mit der Bitte, die
Mail umgehend nach Y zu leiten. (diese E-Mail habe ich noch aufgehoben). 2
Tage später meldete sich dann Herr X bei mir. Mit den Worten: IHM wäre
aufgefallen, dass einige der Neueingestellten Leute wohl kein Geld überwiesen
bekommen hätten. Als ich ihn davon informierte, dass ich bereits einige
Male versucht hätte, telefonisch deswegen zu erreichen, antwortete er
verdutzt: „ hat mir keiner ausgerichtet“. Dann teilte ich ihm
mit, dass ich auch eine E-Mail nach Holland geschickt habe. Auch die hat er
angeblich nie erhalten... Er versprach mir, dass ich zum 01.10.03 einen Abschlag
bekommen würde, damit ich wenigstens erst Mal ein wenig Geld habe. Das
Geld, was ich für die Miete durch den Zeitverzug brauchte, musste ich
mir von Freunden leihen. Ich bekam also am 01.10.03 tatsächlich einen
Abschlag von ca. 400 Euro. Und am 15.10.03 dann den Rest und das Gehalt für
September..." (Informant 30)
- "... Meine erste Lohnzahlung wäre am 15.09.03 fällig
gewesen. Ab dem 16.09.03 wurde ich bei meinen Rügen tagtäglich vertröstet
und hingehalten. Meine Personaldaten wurden mehrfach telefonisch seitens des
Maatwerk-Disponenten an eine unbekannte Abrechnungsstelle übermittelt.
Auf erneutes Hinterfragen wurde ich dann in Kenntnis gesetzt, dass "etwas
schiefgelaufen" sei, der "Server abgestürzt" wäre,
"eine Blitzanweisung auf mein Konto erfolgen würde" etc. etc.
etc. Als zum 15.10.03 noch immer keine Lohnzahlung erfolgt ist, habe ich auf
Anraten meines Rechtsanwaltes Auskunfts- und Zahlungsklage erheben lassen.
Am 16.10.03 ist dann schließlich die Lohnzahlung erfolgt. ..."
(Informant 31)
- "... Zur Entlohnung: Auch ein interessantes Thema. Alle Mitarbeiter
wurden lt. dem Manteltarif von der iGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen
- http://www.ig-zeitarbeit.de ) eingestellt. Nach dem Tarifvertrag würden
mir 8,96 Euro zustehen, mir wurden 6,84 Euro lt. Vertrag festgelegt auf 151
Stunden im Monat! Ich habe das AA bereits darüber informiert und die
suchen auch bereits, ob ein Verstoß in dem Lohn/Gehaltbereich vorliegt!
Ich habe nur ganze 2 Tage (30. und 31. Dezebber bezahlt bekommen, und Maatwerk
da 100% von AA gesehen!) und bisher keinen weiteren Cent gesehen!.."
(Informant 37)
Der "Fall Hannover" wird so bezeichnet, weil zu Maatwerk in Hannover
und dessen Zahlungssäumnis mehrere Zuschriften bei uns eingegangen sind:
- "Habe am [im Juni 03] einen Arbeitsvertrag bei
Maatwerk Hannover unterschrieben. Seitdem sehen versprochene Ausbildung und/oder
Vermittlungshilfen aus. Auch ist mein Gehalt seit mehreren Wochen überfällig.
Auf Nachfrage werde ich immer auf den nächsten Tag verwiesen. Verlegte
Tel-Nr. oder Vorgesetzte, die nicht genannt werden dürfen, sollen die
Gründe sein. (
) Von Kollegen habe ich erfahren, dass es denen genauso
geht, und dass eigene Mitarbeiter wohl auch betroffen sind. (
) Finanziell
ist bei mir jetzt alles zusammengebrochen. Durch Kontoüberzug hat man
mir nahegelegt die Bank zu wechseln..." (Informant
10)
- Informant 16 hat Mitte August 2003 bei Maatwerk in Hannover
begonnen und wartet immer noch auf sein Geld: "
Es erfolgten
bis jetzt keine Zahlungen - intensive Nachfragen führten zur Kündigung.
Mir sind bis jetzt mehrere Menschen begegnet, die auf ihr Geld warten
Die Informationspolitik von "Maatwerk" ist mehr als dürftig
!
Hinhaltetaktik pur! Seit ein paar Tagen liegt der Vorgang bei meiner Rechtsanwältin.
(
) Am vergangenen Dienstag sind mir bei Maatwerk ca. 10-12 Menschen
mit den gleichen Problemen begegnet
"
- "Ich laufe seit Mitte Oktober 200€ hinterher, die mir von
meinem Septembergehalt abgezogen wurden, da mir angeblich Mitte September
200€ „Vorschuss“ überwiesen wurden. Ich wurde vertröstet
indem man mir versicherte, dass das fehlende Geld mit dem Gehalt für
Oktober Mitte November überwiesen werden würde. Da dies nicht der
Fall war, kam nach einer neuerlichen Beschwerde heraus, dass ich einen „Lohnreklamationsvordruck
ausfüllen müsse. Dieses Verfahren war keinem der Mitarbeiter bekannt
gewesen. Das tat ich am 14.11.2003. Vor zwei Wochen habe ich bei Maatwerk
in X angerufen, die in diesen Fällen für Y zuständig sind.
Dort wurde mir versichert, dass „das Geld nächste Woche rausgeht“
(wie bei den Anderen auch, die davon betroffen sind und deren Anzahl mir leider
nicht bekannt ist). Das Geld ist noch immer nicht da und ich muss immer wieder
das Landesarbeitsamt vertrösten, dem ich das zuviel gezahlte Arbeitslosengeld
für die letzten drei Tage im August nach wie vor schuldig bin..."
(Informant 18 aus Hannover)
Dieses Problem von Maatwerk in Hannover - oder besser gesagt, das Problem
der bei Maatwerk in Hannover angestellten Menschen - wurde auch in der regionalen
Presse behandelt:
- "
Den Fehlstart belegt ein aktueller Fall:
Brigitte S. aus Hannover, arbeitslose Mutter von zwei Kindern, ist seit dem
31. Juli bei der PSA Maatwerk angestellt. Seitdem wartet sie auf Vermittlungsgespräche
und Fortbildungen. Was noch schwerer wiegt: Seit Mitte August steht das erste
Gehalt von 636 Euro aus. "Ich kann dringende Rechnungen nicht bezahlen.
Bei Maatwerk werde ich nur vertröstet"
." [2]
- "Eigentlich sollte mit der Anstellung in der neuen
Personalserviceagentur (PSA) des niederländischen Arbeitsvermittlers
Maatwerk für die Empelderin Cornelia Lewin der Weg zurück in den
Arbeitsmarkt geebnet werden. Doch statt in eine neue Stelle schlitterte die
46-jährige Arbeitslose erst einmal in finanzielle Probleme. Denn seit
sie Ende August bei Maatwerk eingestellt wurde, hat sie noch kein volles Gehalt
bezogen. Nur nach dem Hinweis, dass sie nicht mehr ihre Miete bezahlen könne,
wurde ihr schließlich ein Abschlag von 200 Euro gezahlt. (
) Zuletzt
hatten sich bereits mehrfach Maatwerk-Beschäftigte über ausbleibende
Zahlungen beschwert. (
) Da die PSA-Beschäftigten ihr Geld erst
im Folgemonat erhalten, muss sie einen Monat zwischen Arbeitslosengeld und
PSA-Gehalt überbrücken
." [3]
- "Enttäuschte Hoffnung: Liliane Killian ist
in finanzielle Bedrängnis geraten - die Personal-Service-Agentur, bei
der sie angestellt war, hat nicht gezahlt. Inzwischen hat sie gekündigt."
[4]
Und der drastischste der uns zugesandten Fälle (nicht aus Hannover) zum
Schluss:
- "Ich arbeite zu Zeit bei der Firma Maatwerk, diese
Arbeitsstelle habe ich vom Arbeitsamt bekommen und das Arbeitsamt kann mir
bei den Problem mit der Firma Maatwerk nicht helfen, deshalb schreibe ich
Ihnen diese Zeilen. Ich bin ein Familienvater und laufe der Firma Maatwerk
hinter meinen Lohn her. Ich konnte diesen Monat noch nicht mal die Miete,
Strom, Telefon und andere Sachen bezahlen, ich bin die ganze Woche nur hingehalten
worden und belogen worden, dann habe ich das Arbeitsamt angerufen und die
haben zu mir gesagt, dass sie damit nichts zu tun haben, sie sind nicht mehr
für mich zuständig, da ich nicht mehr beim Arbeitsamt bin. Was kann
ich jetzt tun um an mein Geld zu kommen? Und die Firma Maatwerk hat mir auch
noch versprochen, eine Arbeit im Sauerland zu bekommen, deshalb habe ich einen
Mietvertrag im Sauerland gemacht, denn wo ich jetzt wohne, konnte die Firma
mich nicht vermitteln, wir brauchen den Lohn auch wegen dem Umzug, denn wir
haben die alte Wohnung schon gekündigt, nicht dass wir bald auf der Straße
liegen
" (Informant 9)
Nach den vorliegenden Informationen haben diejenigen Menschen bevorzugt Geld
bekommen, die sich (Kraft einer Rechtschutzversicherung) zu wehren wussten und
das Geld einklagten. Viele der Betreuer bei Maatwerk waren fast ausschließlich
damit beschäftigt, Blitzanweisungen auszustellen, um Klagen abzuwenden....
Dem LabourNet Germany liegt ein Dokument vor (mit dem Maatwerk-Briefkopf "MAARWERK
- integrieren ist mobilisieren"), mit dem sich bereits am 24.7.2003 ein
Maatwerk-Team bei der Zentrale über diese Situation beschweren:
- "Hallo Ramon [5] bezgl. Deiner Mail
möchten wir Dir mitteilen, dass allein in unserer Niederlassung in XY
12 LAN [Leiharbeitnehmer] kein Geld bekommen haben und auch nicht auf
Deiner Liste stehen. [...] Das wir 2/3 unserer Arbeitszeit damit verbringen
müssen, unsere LAN, so wie deren Vermieter, zu beruhigen und hinzuhalten,
ist es uns nicht möglich, unserer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen.
Durch die schlechte Zahlungsmoral wird das Ansehen von Maatwerk in der Öffentlichkeit
nicht unbedingt gefördert, da sich in unserer Niederlassung bereits das
Arbeitsamt eingeschaltet hat.
Da wir inzwischen alle Möglichkeiten der Unterstützung unserer LAN
ausgeschöpft haben, wäre es sinnvoll, wenn man uns einen Ansprechpartner
benennen würde, an den wir unsere LAN verweisen können (Hotline),
damit wir wieder unserer eigentlichen Tätigkeit nachgehen können...."
Maatwerk hat eine andere Lösung für das Problem gefunden: Ab dem
Spätherbst ging man fast flächendeckend dazu über, die Mitarbeiter
postalisch zu beruhigen, in dem eine eigentliche Selbstverständlichkeit
gepriesen wurde:
".... wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir die
Lohnzahlungen für den Monat X am 14.[des jeweiligen Monats; die Zahlungen
sind je am 15. fällig] angewiesen haben. Damit ist unsererseits sichergestellt,
dass Sie Ihren Lohn zum 15.[..] erhalten.
Sollten Sie wider Erwarten [sic!] keinen Lohneingang zum 15.[..]
verzeichnen können, bitten wir Sie, sich unverzüglich mit Ihrem PSA-Standort
in Verbindung zu setzen. Für diesen Fall haben wir sichergestellt, dass
Sie direkt vor Ort einen Mindestabschlag auf Ihren Lohn erhalten. Wir danken
für Ihr Vertrauen..."
Kein Wunder, dass für Vermittlung und Qualifizierung keine Zeit blieb!
Übrigens trägt eines der uns vorliegenden Originalschreiben das Datum
vom 13. Januar 2004 - auf diese Löhne warten die meisten unserer Informanten
bis heute... Woran lag diese schlechte Zahlungsmoral?
Die Finanzierung einer PSA
"maatwerk stellt allerhöchstens
für 9 monate ein - und das bei 6 monate probezeit !!! ich finde das alleine
skandalös !!!!!!!!!!!!!!! denn wenn man mal weiterdenkt - 6 monate zahlt
die BFA alles, wenn du dann nicht von maatwerk "vermittelt" wurdest
- und bei den qualifikationen - für mich könnten die nichts machen
- schmeissen die dich raus wenn dann wirklich nichts geht - 9 monate darfst
du arbeiten wenn du profit abwirfst (so sehe ich dass) und - das ist der grösste
skandal - (war bei abm anders - tägliche kündigungsfrist und so) wenn
ich das richtig denke (aussage klar - nur mit kündigung 4 wochen zum monatsende),
dann wollen die auch noch ne ablöse, wenn man einen wirklichen arbeitsplatz
gefunden hat !!!" (Informant 12)
Im Rahmen des Vertrags zwischen der Bundesagentur für Arbeit und einem
PSA-Nehmer werden die Zuschüsse an die PSA-Nehmer festgelegt. "Die
PSA-Verträge werden anreiz- und erfolgsorientiert ausgestaltet. Das Honorar
besteht aus einer degressiven Fallpauschale, die neun Monate nach Einstellung
eines Arbeitslosen ausläuft. Hinzu kommt eine ebenfalls degressiv ausgestaltete
Vermittlungsprämie. Für beide Honorarkomponenten gilt: Je kürzer
die PSA-Beschäftigungsdauer, desto höher das Honorar." [6]
Es ist uns leider nicht gelungen, an einen solchen Vertrag zu kommen, aber ein
Maatwerk-Mitarbeiter (Informant 33) hat uns bestätigt, dass es
- vom 1. bis 3. Monat 100% des Zuschusses (und 200% Vermittlungsbonus)
- vom 4. bis 6. Monat 75% des Zuschusses (und 150% Vermittlungsbonus)
- vom 7. bis 9. Monat 50% des Zuschusses (und 150% Vermittlungsbonus)
sind. Nach diesen Informanten-Aussagen zahlte Maatwerk im Durchschnitt knapp
über 1.600 € pro vom Arbeitsamt zugewiesene Person und erhielt im
Durchschnitt knapp über 1.400 € vom Arbeitsamt.
"Kommt es zu einer Vermittlung durch die PSA in ein Festanstellungsverhältnis
bei einem Entleihbetrieb, kassiert die Firma in den ersten drei Monaten 200%
der Fallpauschale als Vermittlungsprämie, in den nächsten drei Monaten
150% und in den letzten drei Monaten immer noch eine Monatsprämie (100%).
Diese Kopfprämien werden selbst dann gezahlt, wenn die neue Beschäftigung
nur drei Monate dauert (dann gibt’s die halbe Prämie), nach sechsmonatiger
Arbeit bekommt die PSA dann die zweite Hälfte ausbezahlt. Wohl nicht nur
MAATWERK versucht z.B. durch Nötigung von Arbeitgebern sich diese zusätzliche
Prämien zu sichern, auch wenn sich ihre MitarbeiterInnen selbst einen neuen
Job gesucht haben. Als Druckmittel wird dabei die gesetzliche Kündigungsfrist
von 4 Wochen nach Ablauf der Probezeit angewandt: So ist z.B. MAATWERK nur zur
“einvernehmlichen Auflösung” des PSA-Vertrages bei einer “Vermittlung”
verpflichtet. Um den Mitarbeiter also sofort gehen zu lassen, “überredet”
MAATWERK den neuen Arbeitgeber als Gegenleistung zu einer Unterschrift unter
einen Vermittlungsbogen." [7]
Bereits in dieser Vertragsgestaltung sehen viele die Ursache für das sich
abzeichnende Scheiter des PSA-Konzeptes: "Qualitätskriterien und Konzepte
der Agenturen kamen bei der Auswahl zu kurz. Es ging vor allem um die Prämie
pro Kopf, die von Fall zu Fall ausgehandelt wurde. Sie variiert nicht nur von
Agentur zu Agentur, die einzelnen Arbeitslosen haben auch einen unterschiedlichen
Wert. Im Schnitt gibt es für jeden 1000 Euro pro Monat. Doch das sagt nicht
viel aus. Hilfskräfte liegen beispielsweise bei rund 325Euro, ein Ingenieur
kann hingegen fast 2500Euro pro Monat in die Kasse spülen, zuzüglich
Mehrwertsteuer. Außerdem hängt die Summe davon ab, ob der Arbeitsuchende
„marktgängig“ ist. Und das hat unter anderem auch mit seinem
Alter zu tun. (...) Alles in allem, so heißt es in der Branche, bleibt
unter dem Strich nur etwas übrig, wenn 65 Prozent der Leiharbeiter weiter
vermittelt werden. Maatwerk konnte bei seinen fast 10000 Beschäftigten
nur für 1000 neue Arbeitgeber finden; eine viel zu schlechte Quote also,
um damit Geld zu verdienen." [8]
Ist keine Vermittlung (mit entsprechendem Honorar des Auftraggebers) möglich
(siehe Kap. 6) und findet der Leiharbeitnehmer nicht
selbst einen Job (wobei gerne dennoch die Vermittlungsprämie kassiert wurde)
entstand also jeden Monat pro Kopf ein Defizit von ca. 200 € - die Kosten
für die Infrastruktur (Räume, feste Mitarbeiter und Betriebskosten
nicht einberechnet [9]. Für dieses Problem musste eine
Lösung gefunden werden.
Die "Lösung" Antidatierung
Durch die Vertragslage mit der Bundesagentur war es möglich, Einstellungen
immer innerhalb der letzten Woche des Vormonats und Entlassungen immer am Anfang
des Monats vorzunehmen - woraus sich im "besten" Falle eine vollkommen
legale Zahlung von 3 Monatspauschalen des Arbeitsamtes für 33 Monatstage
an Lohnzahlungen ergibt. "Mit anderen Worten: Ein Ingenieur brächte
beispielsweise in 48 Stunden fast 5000 Euro in die Kasse. Das provoziert gerade
dazu, aus einer PSA eine Menschen-Umschlagmaschine zu machen. Auf Touren bleibt
die allerdings nur, wenn der Nachschub nicht ausgeht. Aber das ist bei rund
4,6 Millionen Arbeitslosen kaum zu befürchten." [10]
Zu dieser Datierung gab es nach uns vorliegenden Angaben (Informant 33, ein
Insider) bei Maatwerk eine Anweisung und darauf beruhten die genannten Rückdatierungen
("Antidatierung" [11]). Dies bestätigen
die meisten der Informanten, hier nur zwei Beispiele:
- ".. Am nächsten Morgen habe ich den Arbeitsvertrag zum 28.07.
unterschrieben. Damals war mir noch nicht bewußt, warum zu so einem
ungewöhnlichen Datum. (...) Zu diesem [Vorstellungs]Termin kam es allerdings
nie, da ich zum 06.02.2004 gekündigt wurde. Wieder kurz nach Monatsanfang
und voll nach der Taktik von Maatwerk..." (Informant 34)
- "... Tricks wie bei Monika Hartwig. Drei Monate und elf Tage hatte
sie einen Job bei Maatwerk in Wandsleben. Die PSA sollte ihr einen Arbeitsplatz
vermitteln.
Dafür bekam Maatwerk vom Arbeitsamt eine monatliche Pauschale als Zuschuss.
Doch Maatwerk konnte Monika Hartwig nicht vermitteln. Die gelernte Restaurantfachfrau
blieb ohne Job. Nach drei Monaten kündigte ihr Maatwerk. Sie musste wieder
zum Arbeitsamt. Monika Hartwig über ihre Kündigung: "Damit
habe ich überhaupt nicht gerechnet, denn die Probezeit wurde eine Woche
zuvor verlängert. Dann bin ich zum Arbeitsamt, und dort konnte man mir
auch keine Antwort darauf geben, warum mir gekündigt wurde."
Doch dahinter steckt ein trickreiches System: Monika Hartwigs Einstellungstermin
war der 29. August, gekündigt wurde zum 9. Dezember. Maatwerk kassierte
aber volle fünf Monatspauschalen, nämlich von August bis Dezember.
Lohn bekam die Leiharbeiterin aber nur für drei Monate und elf Tage.
Der Rest ging an Maatwerk. In einer internen Dienstanweisung heißt es:
"Ab sofort wird nur noch zum letzten Arbeitstag des Monats eingestellt.
Kündigungen werden nach Möglichkeit so ausgesprochen, dass der betroffene
Leiharbeitnehmer den ersten Tag des Folgemonats noch als beschäftigt
gilt..." [12]
Erst Anfang des Jahres 2004 hat es das IAB entdeckt: "… Bei
den Eintritten und Entlassungen fällt auf, dass überraschend viele
PSA ihre Beschäftigten zum Monatsende einstellen und zu Monatsbeginn entlassen.
Dies könnte daran liegen, dass die PSA für jeden Kalendermonat eine
Fallpauschale erhalten, unabhängig vom Eintritts- bzw. Austrittszeitpunkt
des Mitarbeiters (…) Auch ein Austritt - erfolgreich oder nicht - kann
somit zu "Sonderzahlungen" beitragen. Im Extremfall kann eine nicht
erfolgreiche Verweildauer eines PSA-Beschäftigten von zwei Tagen einen
Anspruch auf zwei Fallpauschalen erzeugen…" "Das neue Instrument
zeigt seine Konturen - Parallelen und Unterschiede zur traditionellen Leiharbeit
werden sichtbar…" [13] Der neue BA-Chef
Weise erst nach der Maatwerk-Pleite: „… Nach Weises Darstellung
gab es PSA, die Arbeitslose erst zum Monatsende eingestellt, sie aber zum Monatsanfang
wieder entlassen hatten. Trotzdem hätten sie dafür komplette Monate
in Rechnung gestellt. "Das mögen Einzelfälle sein. Aber dass
so etwas passiert ist, ist schlecht. Wir müssen so was viel schneller merken
und darauf künftig reagieren", sagte der BA-Chef….“[14]
Wohl aber nur, weil es schnell von der Presse aufgegriffen wurde:
- "Die Personal-Service-Agenturen sahnen Arbeitsamtszuschüsse
ab. "Überraschend viele Einstellungen zum Monatsende und Entlassungen
zu Monatsbeginn / Nur 12 Prozent der Beschäftigten finden eine Anstellung".
[15]
- "Personal-Service-Agenturen (PSA) sollen die Regelungen für
Zuschüsse von den Agenturen für Arbeit (früher Arbeitsämter)
nicht mehr ausnutzen dürfen. Das Bundeswirtschaftsministerium wolle darauf
hinwirken, daß in den künftig abgeschlossenen Verträgen zwischen
den Agenturen für Arbeit und den PSA Mißbrauch verhindert werde
(…) PSA-Fachmann Ulrich Gawellek warnte vor zu hohem bürokratischem
Aufwand, wenn die Beschäftigungsdauer jedes einzelnen PSA-Mitarbeiters
berücksichtigt werden müsse. Statt dessen sollten die einzelnen
Agenturen für Arbeit darauf achten, daß die Regelungen nicht ausgenutzt
würden, und bei Mißbrauch die Verträge kündigen. Dies
sei mit einer Frist von drei Monaten möglich." [16]
Auf der Vertragslage mit der Bundesagentur für Arbeit und dem Ziel der
Profitmaximierung basieren aber auch andere Gepflogenheiten (Quelle ebenfalls
Informant 33, ein Insider):
- Eingruppierung möglichst unterhalb von 7,00 €/Std. (Vgl. Kap.
3)
- Kündigung nicht dauerhaft zu vermittelnder LA möglichst am Anfang
des 4. Monats (Beginn der Degression) oder spätestens zum Beginn des
7. Monats (Auslaufen der Probezeit; 2. Stufe der Degression)(Vgl. Kap.
6 )
- Lohnzahlung fast immer frühestens in der zweiten Woche des zweiten
Monats. Dies hängt auch damit zusammen, dass Maatwerk-Löhne zum
15. des Monats fällig waren, die Zuschüsse der BA aber erst in der
3. Woche eintrafen. Von dieser Maßnahme sind Langzeiterwerbslose, die
vorrangig zu Maatwerk geschickt wurden, besonders betroffen, weil sie über
1,5 Monate seit der letzten Lohnersatzleistung des Arbeitsamtes überbrücken
müssen, was für die meisten ohne Verschuldung nicht möglich
ist, diese aber ebenfalls erschwert.
Die Abrechnungen für Maatwerk führte Datef in Nürnberg durch,
die Anweisungen kamen von einer niederländischen Bank. Entsprechend sagte
eine Mitarbeiterin von Maatwerk bei einem Kündigungsschutz-Prozess, auf
das vertragsbrüchige Verhalten von Maatwerk angesprochen, aus: "Dafür
können wir nichts, das machen die in Holland" (Informant 31).
Informant 36 spricht da lieber von "den machenschaften dieser modernen
mafia-ähnlichen sklavenhändler". Wie wir wissen, zu spät
und wie wir wissen, hat auch diese "legale" Trickserei Maatwerk nicht
geholfen, zumindest nicht der GmbH und den betroffenen Menschen...
"... Laut Berends sind die Kreditlinien für die deutsche Maatwerk-Tochter
am 13. Februar ausgelaufen. Die Hausbank, die er nicht nannte, sei zur weiteren
Finanzierung nicht bereit gewesen. "Da ging es um Millionen Euro",
sagte Berends, ohne weitere Details anzugeben. Die Bundesagentur für Arbeit
sei über die Probleme von Maatwerk vor zwei Wochen informiert worden. Sie
habe zunächst finanzielle Hilfe für Maatwerk erwogen, dann aber keine
Lösungsmöglichkeit gesehen, da andere private Arbeitsvermittler beim
Betrieb von PSA nicht benachteiligt werden sollten. "Unsere Zusammenarbeit
mit der Bundesagentur und den Arbeitsämtern war gut", sagte Berends.
(...) "Uns fehlte das klassische Geschäft mit Zeitarbeit", sagte
Maatwerk-Chef Jos Berends der FTD. "Wir waren dabei, das Geschäft
aufzubauen, und hätten dafür noch etwa drei Monate gebraucht."
..." [17] Alles Quatsch, denn es war eine Pleite mit Ansage...
Anmerkungen
1) "Jobwunder Zeitarbeit floppt. Miserable
Bilanz." Text
der Sendung von Maja Helmer in Frontal21 (ZDF) vom 11.11.2003, Teil 2
2) Neue Presse Hannover vom 10.9.2003
3) Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 7.10.2003
4) Artikelüberschrift in Hannoversche
Allgemeine Zeitung vom 10.10.2003. Weitere Beiträge zu dem Thema erschienen
in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 11.10.2003 ("Agentur ohne Service.
Zahlungsweise bei Maatwerk in der Kritik") sowie vom 17.10.2003 ("Wieder
kein Geld von Maatwerk"). In dieser Zeitung gab es übrigens allein
im Jahr 1998 ca. 24 Artikel über Maatwerk in Hannover, damals im Vertrag
mit der Stadt bzw. Sozialamt
5) Ramon Lippinkhof, die rechte Hand von
Jos Berends und Chef der Personalverwaltung
6) "Vergabeverfahren für PSA beginnt",
BA-Presse
Info Nr. 03 vom 03/01/2003
7) "Stoppen wir die PSA-Zwangsarbeit!
Bekämpfen wir die Sklavenarbeit!" Flugblatt
von OG Hamburg der FAU vom Januar 2004
8) "Sorglos und zu billig. Personal-Service-Agenturen:
Das Geschäft mit der Arbeitslosigkeit floppt – trotz stattlicher
Subventionen". Artikel
von Gunhild Lütge in DIE ZEIT vom 04.03.2004
9) Lt. Frankfurter Rundschau vom 21.2.04
lagen die Gebote von Maatwerk bei der Bewerbung um PSA "zum Teil 20, 30
Prozent unter dem, was erfahrene Träger in diesem Bereich schon für
die finanzielle Schmerzgrenze hielten" Lt. Vorstandsmitglied des Bundesverbandes
Zeitarbeit (BZA) hat Maatwerk für PSA-Beschäftigte sogar nur die Hälfte
des sonst üblichen Preises verlangt! Quelle: "Rückschlag für
Hartz-Reform. Nach Insolvenz von »Maatwerk« stehen PersonalServiceAgenturen
in der Kritik." Artikel
von Thomas Großmann in ND vom 18.02.04
10) "Sorglos und zu billig. Personal-Service-Agenturen:
Das Geschäft mit der Arbeitslosigkeit floppt – trotz stattlicher
Subventionen". Artikel
von Gunhild Lütge in DIE ZEIT vom 04.03.2004
11) Eine lobenswerte Vermittlerin bei Maatwerk
Berlin soll diese Antidatierung verweigert haben und ist daraufhin entlassen
worden, kurz darauf auch ihr Vorgesetzter, weil er seine Leute nicht "im
Griff" hatte (Informant 33, ein Insider). Leider ist es nicht gelungen,
beide zu interviewen
12) "Maatwerk in Insolvenz. Rückschlag
für Hartz-Reform". Text
der Sendung in Frontal21 von Maja Helmer und Marcus Lindemann am 17.02.2004
13) Aus: "Das neue Instrument zeigt
seine Konturen - Parallelen und Unterschiede zur traditionellen Leiharbeit werden
sichtbar…" Personal-Service-Agenturen - Teil II. IAB
Kurzbericht 2/2004 von Jahn, Elke J.; Windsheimer, Alexandra als pdf-Datei.
14) zitiert in: "BA-Chef Weise will
Personal-Service-Agenturen stärker kontrollieren Nürnberg" –
dpa-Meldung
in Märkische Oderzeitung vom 21. Februar 2004
15) Artikel
in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.01.2004
16) "Mißbrauch für PSA
soll schwerer werden". Artikel
in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.01.2004
17) "Maatwerk räumt Versagen
ein". Artikel
von Olaf Preuß in FTD vom 19.2.2004. Es war übrigens ab November
2003 die ABN-Amrobank, die BA hätte die Banken fragen müssen...