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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Falsche Lokomotive Tarifabschluss Metall folgt Einzelhandel Verkehrte Welt: Es scheint, als hätte die ehemalige Tariflokomotive IGM bei ihrem geräuschlosen und unerwartet eiligen Abschluss ausgerechnet bei den EinzelhändlerInnen abgeschrieben. Die hatten im kalten Monat Januar vorgemacht, wie man tarifliche Leistungen preisgibt, indem man sie von der einzelunternehmerischen Situation abhängig macht. Wir dokumentieren einen Kommentar von Matthias Fritz*: Die Tarifrunde für die rund 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie ist beendet. Im Gegensatz zu den Öffentlichen Arbeitgebern wollten es die Metallbosse trotz allen Säbelrasselns dann doch nicht auf einen Arbeitskampf ankommen lassen. Volle Auftragsbücher und eine starke Warnstreikwelle sprachen dagegen. Auf den ersten Blick scheint das Ergebnis in Ordnung zu sein. Im Vergleich zu den anfangs gebotenen 1,2 sehen 3 Prozent stark aus. Im Vergleich mit früheren Abschlüssen sind erreichte 60 Prozent der Forderung in Ordnung. Auch die Einmalzahlung von 310 Euro, die für niedrige Einkommen eine deutliche Erhöhung des Volumens bringt, ist unterstützenswert. Wirklich bedenklich ist, dass über diese Einmalzahlung betrieblich verhandelt werden kann. Das ist ein weiterer Schritt weg vom Flächentarif. Ertragsabhängige Prämien konnten Betriebsräte schon immer aushandeln. Tarifliche Einkommen waren aber bisher tabu. Dies ist der Einstieg in die von IGM-Vize Berthold Huber propagierte »zweistufige Tarifpolitik«. Es ist zu fürchten, dass im nächsten Jahr weitere Einkommensbestandteile, z.B. das Weihnachtsgeld betrieblich geöffnet werden. Die Steinkühlerpause gilt auch dort, wo es keine Akkordarbeit gibt, als historische Errungenschaft der Gewerkschaft. Sie wurde nicht für alle erhalten. Durch die Neudefinition, dass sie nur noch für kurzzyklische Fließbandarbeit gilt, fallen Beschäftigtengruppen z.B. in Maschinenbaubetrieben heraus. Die Pausenregelung war eine Errungenschaft, die angesichts des sich ständig verschärfenden Leistungsdrucks in den Betrieben auf andere Beschäftigtengruppen und Tarifgebiete ausgeweitet hätte werden müssen. Letztlich sind die Metallbosse angesichts starker Warnstreikzahlen (800000 MetallerInnen im Bundesgebiet), erstaunlicher Streikbereitschaft im Öffentlichen Dienst und hartnäckiger Unterstützung der Bevölkerung für diesen Streik sowie der erfolgreichen Auseinandersetzung in Frankreich gegen die Aushebelung des Kündigungsschutzes eingeknickt. Das hätte einiges für einen Metallerstreik befürchten lassen. Den Tarifstrategen der IG Metall fehlt leider eine politische Perspektive. Ihnen reichte es unter diesen günstigen Bedingungen, einen einigermaßen ordentlichen Abschluss zu machen. Wie solche günstigen Bedingungen genutzt werden könnten, um den Generalangriff des Kapitals zu stoppen und wieder in die Offensive zu kommen, ist für sie kein Thema. Angesichts der Reallohnverluste der letzen Jahre, des massiven Abknickens der Lohnquote im letzten Jahr und der Opfer aus Beschäftigungs»sicherungs«verträgen wäre auch ein Abschluss von fünf Prozent ohne Kampfmaßnahmen ein rein defensiver gewesen. Eine Wende ist nur möglich, wenn es gelingt, in einem offenen Kräftemessen der Gegenseite eine echte Niederlage zuzufügen. Das geht nicht mit Verhandlungen und Warnstreiks. Das kann nur ein Streik leisten. Wann war die Situation dazu seit den Streiks um die Lohnfortzahlung 1996 besser als dieses Jahr? * Quelle: Netzwerk-Info Gewerkschaftslinke, Nr. 10/Mai 2006 ; Matthias Fritz ist Vertrauensmann bei Mahle in Stuttgart. Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 4/06 Siehe auch die Fortführung der Debatte im express 6/2006 |