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Updated: 18.12.2012 15:51
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Rede von Angelo Lucifero bei der Demonstration gegen Ladenschlussdemontage am 3.10.2006 in Erfurt

Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Damen und Herren,

wir demonstrieren heute gegen die Zerschlagung des Ladenschlusses durch die Bundes- und Landesregierung.

Doch weil wir keine dumme egoistische Haltung haben, wissen wir, dass die Diskriminierung und die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen anderer Menschen, Erwerbslose und Erwerbstätige, Deutsche und Nichtdeutsche, nicht geduldet werden darf!

Die Gewerkschaft ver.di sieht sich beim Protest gegen die Demontage des Ladenschlusses auch im Bündnis mit einigen Einzelhändlern:
Ein Einzelhandelbesitzer sagt "Ich werde ... nicht länger als 19:00 Uhr öffnen. Eine längere Öffnungszeit ohne große Erhöhung der Kaufkraft durch Lohnerhöhungen rechnet sich nur für große Ketten in besten Lagen, die keine Skrupel haben, Leute zu Dumpinglöhnen und Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich noch mehr schuften zu lassen."

Die Regierungen und Parteien, die den Ladenschluss ausweiten wollen, ignorieren, dass bereits die vergangenen Ausweitungen keine Arbeitsplätze geschafft, sondern vernichtet und Beschäftigte in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse verdrängt hat:
Im Juli 2006 ist der Umsatz im Einzelhandel Thüringen gegenüber 2005 um 1,1 Prozent und die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten um 5,8 Prozent, die der Teilzeitbeschäftigten um 1,7 Prozent gesunken - und das bei Ausweitung der Ladenöffnung im Zusammenhang der Fußball-Weltmeisterschaft.
Während es im Mai, ohne Ladenschlussausweitung, 0,2 Prozent Umsatzplus gab, aber trotzdem 3,5 Prozent Arbeitsplätze abgebaut wurden.

Wir demonstrieren für die Rechte der ArbeitnehmerInnen und gegen die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen vor allem erwerbstätiger Frauen. Am "Tag der deutschen Einheit" wissen wir allerdings auch um Diskriminierungen von Menschen, die nicht Deutsche oder in prekären Lebenslagen sind.

Deshalb fordert die Demonstration nicht nur die Einhaltung des Ladenschlusses, sondern ein Vergabe- und Mindestlohngesetz und die ernsthafte Bekämpfung von Diskriminierung und Rechtsentwicklung!

Als Kapitulation vor den großen Konzernen im Einzelhandel bezeichne ich die Ausweitung des Ladenschlusses:
"Wer angesichts des aggressiven Wettbewerbs im Einzelhandel die Öffnungszeiten ausweitet, gießt Öl ins Feuer. Der Wettbewerbsdruck auf die mittelständischen Unternehmen wird sich erhöhen, die Folge wären weiterer Personalabbau und noch mehr Billigjobs."

Längere Öffnungszeiten wirken sich fatal auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigen aus. Sie führen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und vor allen Dingen für die vielen beschäftigten Frauen zu unkalkulierbaren Risiken auf dem Nachhauseweg und der Betreuung ihrer Kinder.

Auch die Verbraucher hätten wenig Grund sich zu freuen. Die Erfahrungen seit 1989 zeigen, dass die Einkaufszonen mittlerer und kleinerer Städte zugunsten der "grünen Wiese" und der großen Zentren bluten. Das ergäbe deutliche Einbußen für die Qualität und die Vielfalt der Versorgung.
In vielen Dörfern gibt es schon heute kein frisches Brot mehr zu kaufen. Menschen sind immer mehr darauf angewiesen mit den Autos weite Strecken auf sich zu nehmen, um ihre Grundversorgung zu sichern.

Wer wirklich etwas für den "Einzelhandel" tun will, muss der zunehmenden Verarmung weiter Teile der Bevölkerung entgegenwirken.

DENN fast jeder zweite Arbeitnehmer/jede zweite Arbeitnehmerin in Thüringen hat ein Einkommen 50% unter dem des Bundesdurchschnittes.
Viele Brutto-Löhne unter 6 Euro/Stunde. Nicht nur Spargelstecher und Saisonarbeiter in der Landwirtschaft würden mit Skandal-Löhnen von 3,60 Euro Brutto pro Stunde abgespeist; auch Friseurinnen, Wachleute, Taxifahrer, LKW-Fahrer, Floristinnen und viele Andere lebten mit Löhnen unterhalb der Existenzsicherung.
Armutspotential Thüringen: 15% der Bevölkerung und 25% der Kinder unter 18 Jahre. Und mit der Verschlechterung des ALG II werden die aktuellen und zukünftigen Erwerbslosen noch mehr beschädigt.

Die soziale Notlage gefährde auch die Demokratie. Die desolate Arbeitsmarktsituation nutze derzeit vor allem der NPD.

"Ist der Ministerpräsident Althaus auch Ausländer?
Da viele Menschen der NPD Irrglauben, dass die Ausländer und das Ausland schuld an der Arbeitslosigkeit sind, muss man vermuten, dass Althaus und die anderen Politiker, die die Arbeitsbedingungen verschlechtern und Mindestlohn- und Vergabegesetz verweigern, auch Ausländer sind?
Dumme Haltung!
Wir fordern deshalb Dieter Althaus auf, endlich auch als Ministerpräsident der ArbeitnehmerInnen und sozial Schwachen zu handeln und gegen die Demontage des Ladenschlusses und für ein Mindestlohn- und Vergabegesetz und gegen Diskriminierung zu handeln

Wenn Herr Althaus und die anderen Politiker unsere berechtigten Forderungen ignorieren und stattdessen die Konkurrenz der Unternehmen verschärfen und immer mehr Menschen in die Armut drängen, arbeitet die Politik der NPD und den anderen Neonazis in die Hand!


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