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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Exportüberschuss und ein Politischer Streik für Deutschland - dringend erforderlich Vorbemerkung zum politischen Streik und dem deutschen Modell des Exportüberschusses auf der Basis von Lohndumping Jetzt finde ich doch den Mut zu diesem Exportüberschuss aus Deutschland etwas mehr zu sagen - denn es ist nicht einfach so, dass "wir" Exportüberschuss - immer unter dem gemeinsamen Dach des Euro - haben - und jetzt vielleicht so nett sein werden, den ein wenig - aus allgemeinen Gesichtspunkten - etwas einzuschränken. Ja, was hat das jetzt mit dem politischen Streik zu tun? Dieses "Ins-Spiel-Bringen" des politischen oder "Generalstreiks" durch den Verdi-Chef Frank Bsirske just in diesem so "bewegten" Herbst 2010 ist , wie gesagt, eine der gewerkschaftspolitisch bedeutsamsten Tatsachen - neben dem Meinungskampf um die Deutungshoheit für die Krise durch den DGB (www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2010/finanzkrise_gew_bahl.html) Einer der wenigen Politiker die noch im Gesamtzusammenhang strategisch-polit-ökonomisch denken können, ist leider der - wohl deshalb - so "verfemte" Oskar Lafontaine. (Ich habe den Eindruck auch bei der Linken kapieren das nicht sehr viele) Aber ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, denn das wird in dem beiligenden Text zur Genüge "versucht" (ja, die Zusammenhänge, die anscheinend so schwierig zu begreifen sind, bleiben in ihrer Komplexität und Dynamik wohl meist ein "Versuch" der Erklärung. Nur wer "drunter wegtaucht", muss ein "tumber Tor" bleiben - so hart und unabweisbar auch das wieder klingt.) Ein politischer Streik für Deutschland? Dringend erforderlich!!!! - Nur wie? In diesen Protestherbst hat Frank Bsirske, der Chef der größten deutschen Einzelgewerkschaft Verdi, die Botschaft lanciert: Jetzt muss auch der politische oder General-Streik für Deutschland her! Sogar das große Boulevard-Leitmedium "Bild" hielt es dieses Mal für angemessen, diese Botschaft ins Land zu blasen - wohl um ihr Ende damit auch in den Griff zu bekommen... (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,727644,00.html , siehe auch www.nachdenkseiten.de/?p=7272#h13 ) - und im Abendblatt bekam Verdi-Bsirske dann noch Unterstützung von Oskar Lafontaine, der die Fähigkeit politisch zu streiken für eine europäische Normalität hält. Vom Verdi-Kollegen Werner Sauerborn wurde das auch schon ausführlicher begründet. Aber bevor diese Streikdiskussion auf den deutschen Stammtischen mit Hilfe der Boulevardmedien zur Lächerlichkeit breitgetreten werden soll, damit dem immer noch in den Medien vorherrschenden neoliberalen "Diskurs" (Foucault) nicht die immer dünner werdende Luft ausgeht, werden wir es noch einmal sauber an den Fakten überprüfen - diese Notwendigkeit zur europäischen Normalität eines auch polischen Streiks in Deutschland. Die deutsche Streikfähigkeit auf dem Prüfstand mit den Fakten der Lohnkosten. Es war einmal, so könnte man unsere Erzählung beginnen, da spielten die Lohnkosten im internationalen Wettbewerb nur solange eine Rolle, bis wieder durch Auf- oder Abwertung der Landeswährung - wie z.B. der allen Deutschen so teueren DM-Mark - eine neue angemessene Relation hergestellt war. So trieb die DM gewohnheitsmäßig Spitzenpositionen zu - und die deutschen Waren wurden in der preislichen Konkurrenz nicht zur Bedrohung für die anderen Währungsräume. Aus jeweils anderen Gründen jedoch kamen die Europäer - vor allem als Gegengewicht gegen den allmächtigen Dollar - auf die Idee den Euro - eine gemeinsame Währungszone - zu schaffen (vgl. z.B. Robert von Heusinger ) Nun kamen die deutschen regierenden "Cleverles" auf die Idee, die deutschen Gewerkschaften u.a. durch einen exorbitanten Niedriglohnsektor zu schwächen - und so die Lohnkosten in Deutschland dauerhaft extrem niedrig zu gestalten. So schlugen die deutschen Waren mit ihren extrem niedrigen Lohnstückkosten die anderen immer mehr aus dem Feld - in Europa (insbesondere in der Eurozone) wurde das zum Drama - wie erste heftige Reaktionen aus Frankreich zeigen (www.labournet.de/diskussion/eu/sopo/lohn_bahl.html). Schauen wir noch einmal auf die ökonomisch wichtigen Lohnstückkosten, weil hier auch in der Presse viel nebulöses Blendwerk mit den deutschen Löhnen veranstaltet wird. (Entwicklung der Lohnstückkosten auf S. 11/Tabelle 9 www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_44_2009.pdf sowie www.nachdenkseiten.de/?p=5015 ) so entwickelten sich durch dieses deutsche Lohndumping - man kann auch neutraler "Lohnmoderation" sagen - die deutschen Löhne im Vergleich zu den anderen immer "nach unten". Aber werfen wir einmal den Blick auf das mit einem effizienteren Streikrecht ausgestattete Frankreich und schon bekommen wir ein ökonomisch viel ausgewogeneres Bild: "Bei allen wirtschaftspolitischen Problemen nimmt Frankreich hinsichtlich der makroökonomischen Entwicklung in vieler Hinsicht eine Vorbildrolle innerhalb der Europäischen Währungsunion ein. Vom ersten Quartal 1999 bis zum ersten Quartal 2008 - diese Phase umfasst die Entwicklung ab dem Beginn der Währungsunion bis zur Krise - stiegen die nominalen Lohnstückkosten in Frankreich um 16 Prozent. Dieser Entwicklungstand ist voll im Einklang mit dem Inflationsziel der EZB. Die französische Außenhandelsbilanz war über diesen Zeitraum relativ ausgeglichen... Die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen nahm entgegen dem internationalen Trend ab... Auch die Beschäftigungsentwicklung war - bis zur Rezession - sehr positiv. Doch selbst wenn der jüngste Abschwung mitbetrachtet wird, hat Frankreich in den letzten Jahren deutlich mehr Beschäftigung geschaffen als Deutschland...." (siehe S.13 f. des IMK-Report Nr. 56 ) Für die französischen Gewerkschaften kann man unter dem Strich also sagen, sie haben "ihren Job" gar nicht schlecht gemacht - und ein solcher Blick auf Frankreich und Deutschland veranlasste den deutschen Wirtschaftsweisen Peter Bofinger zu der euphorischen (bezüglich Frankreich) bzw. depressiven (bezüglich Deutschland) Feststellung: "Eine Währungsunion mit 16 Deutschländern wäre ein Alptraum... Eine Währungsunion mit 16 Frankreichs wäre aus makroökonomischer Sicht keine schlechte Vorstellung." Die den deutschen Gewerkschaften dagegen von "Basta-Schröder" vor den "Latz geknallten" Arbeitsmarktreformen konnten nichts von ihren Versprechungen einhalten. Dagegen blieb im europäischen Vergleich die Beschäftigungsentwicklung unterdurchschnittlich und die Einkommensungleichheit nahm außergewöhnlich stark zu. Auch trugen diese "Reformen" noch zur weiteren Schwächung der Lohnverhandlungsmacht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei. (www.boeckler.de/119_109764.html ) Diese allgemeine Schwächung der deutschen Gewerkschaften konnte jedoch nicht verhindern, dass diese ihre dennoch verbleibende Stärke in der vor allem betrieblichen Kooperation voll einsetzten und so im internationalen Vergleich ein wahres Beschäftigungswunder erreichen konnten (www.boeckler.de/37883_109773.html ) - nur ganz im Gegensatz zu dem ansetzenden Geraune aus den Wirtschaftsredaktionen leisteten die so heftig neoliberal eingestielten Arbeitsmarktreformen - im Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Kooperationserfolgen - kaum einen Beitrag zu diesem "Wunder" am Arbeitsmarkt. Sie waren und sind somit beschäftigungspolitisch ein "Schuß in den Ofen". Das beschäftigungspolitisch gute Überstehen der Krise - im internationalen Vergleich - hat somit in Richtung der Hartz-Reformen die Beweiskraft der Geschichte mit den Störchen: Dort gibt es viel Störche und es kommen auch viele Kinder zur Welt - also ist "bewiesen" dass der Storch die Kinder bringt. So ist es also geradezu eine wunderbare Perspektive, wenn sich diese große deutsche Gewerkschaft Verdi einmal am Beispiel des politischen Streiks an den Möglichkeiten der französischen Gewerkschaften orientiert. Nur ist diesem Projekt ein langer Atem zu wünschen. Vieles ist so ganz anders gewichtet - und dort, in Frankreich, wird dem Einzelnen eine deutlich "entscheidendere" Rolle zugewiesen als im deutschen Gewerkschafts"wesen" - und macht sicher einen großen Teil seiner Profilierung - schon auch mit einem anderen wirklich "eigenverantwortlichen" Menschenbild - aber bekommt deshalb auch seine ganz spezielle "Effizienz" aus. Ein Blick, der sich nur allein auf die Möglichkeit des politischen Streiks richtet, verkürzt genau auch wieder diese Eigenart um sein so wesentliches Element . Ein wenig habe ich mich da schon einmal im Vergleich umgesehen (www.labournet.de/internationales/fr/gew_bahl.html) - und - ob mit oder ohne Toqueville - es muss festgehalten werden, dass man - schon gar unter der gemeinsamen Währung des Euro - die französischen Gewerkschaften nicht verstehen kann, ohne gleichzeitig die deutschen im Blick zu haben und zu verstehen. Verdi-Chef Bsirske hat hier den Mut bewiesen eine längst fällige Diskussion anzutoßen. Inwieweit man einfach "Einzelteile" übernehmen kann, ohne das institionelle Gesamtgeflecht zu begreifen und in seiner Funktionsweise als Gewerkschafter zu verstehen, das wird sich dann weisen. Der politische Herbst 2010 - und ein trostloses Europa Ja, es gab schon das eine und andere, wo doch schon Deutschland (Protestaktionen) und Frankreich (Streik um die Rente) in diesem Herbst verglichen wurden. Der Ideengeschichtler sieht es gerne so, wie schon meist der Gewerkschaftsstammtisch u.ä., nämlich dass der Franzose halt lieber aktiv ist (siehe eben schon "französische Revolution" www.fr-online.de/politik/meinung/eigensinn-verbindet/-/1472602/4808448/-/index.html ). Über dieses wortschöne "Geschwurbele" hinaus (= damit könnte man weiter auch auf Bildzeitungs-Niveau begründen, wieso "der" Deutsche für politische Streiks gar nicht geeignet ist) wird die französische Historikerin Danielle Tartakowsky schon viel konkreter, indem sie einfach meint, diese Renten haben sich die Franzosen selbst wiederum in sozialen Kämpfen errungen - deshalb lieben sie es gar nicht, wenn man sie ihnen so rigide autoritär nimmt - und der Sarkozy jetzt den "Basta-Schröder" gibt. (www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2010%2F10%2F20%2Fa0085&cHash=07eb991a52 - oder muss der Sarkozy das jetzt ? Zum Streikverlauf siehe auch noch einmal www.labournet.de/internationales/fr/rente.html) Nur zu allem - auch ziemlich schändlich-unwürdigen - zu dieser ganzen Wutliteratur hat Lintzel uns den südkoreanischen Philosophen Han nahegelegt, der diese auf verschiedenen Gebieten vereinzelt zu Tage tretende Wut eher als eine Gesamtwut sieht, die immer wieder auf das Ganze zielt. (www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=ku&dig=2010%2F11%2F09%2Fa0103&cHash=77d4ed318f ) Wir werden es sehen - aber ein Blick auf Europa zeigt, dass und wie uns deren Institutionen nur den Weg in die weitere soziale Verelendung "vorschreiben" - qua Verfassung (www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2010/bahl_frd.html). Da könnte einen wirklich langsam die Wut auf das Ganze befallen - schon gleich die Franzosen, die diese europäische "Verfassung" schon einmal mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hatten. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 22.11.2010 |