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Updated: 18.12.2012 15:51
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Gewerkschaftsmacht und Krisendeutung / Herbstaktionen 2010

Der Meinungs"kampf" um die Deutungshoheit für die Krise - und die wichtige Rolle der Gewerkschaften.

Eine realistische Diagnose zu einer grundsätzlichen Wende in und nach der Krise - weg vom Finanzkapitalismus - hatte Mario Müller in der FR externer Link geliefert: "Eine große Reform des Finanzkapitalismus? Ist von der - politischen - Agenda getilgt !" Und so geht es jetzt regierungsoffiziell vor allem um eine "Umdeutung" der Krise. So hat "unser" Finanzminister Schäuble die Krise längst nach bewährtem Muster in eine bloße "Schuldenskrise", also eine Krise des Staates, umgewandelt - obwohl gerade die Bevölkerung dabei ist, sich umzuorientieren und immer mehr der Ansicht ist, dass diese Krise Anlass genug ist, um zu einer neuen Wirtschaftsordnung zu kommen.

Das konsequent unsoziale Sparpaket der Bundesregierung ist da nur der offensichtliche "Beweis" für den Zynismus dieser "alten" Wirtschaftsordnung. (www.nachdenkseiten.de/?p=6631 externer Link; siehe auch "Wir sparpaketen uns kaputt" vom DGB-Bayern www.nachdenkseiten.de/?p=6663#h04 externer Link)

In dieser so offensichtlich ambivalenten Situation - hier eine sture Fortsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik durch unsere PolitikerInnen und eine offizielle "Meinungsmache", dort eine öffentliche Meinung, die sich deutlich gegen diese Politik entschieden hat - (siehe z.B. www.zeit.de/2010/34/Emnid-Umfrage externer Link) kommt angesichts der "Unentschlossenheit" zu einer parlamentarisch-politischen Alternative durch rot-rot-grüner Mehrheiten den Gewerkschaften jetzt in dieser Zeit eine besondere Bedeutung , aber auch Verantwortung zu, da auch ein "zweiter" Kriseneinschlag keineswegs ausgeschlossen ist, worauf Wolfgang Münchau (FTD) externer Link insistiert. Wie werden nun die Gewerkschaften in diesem Herbst die Akzente setzen?

Gewerkschaftsmacht und Krisendeutung - Lehren aus der Krise: Die Krise ist noch nicht überwunden

Das deutlichste Signal wird der DGB im Rahmen der geplanten Herbstaktionen mit einer Tagung am 7. Oktober zur Wirtschafts- und Finanzkrise in Berlin setzen, wo der Ökonom Stephan Schulmeister seine Thesen vertreten wird, deren zentraler Bestandteil auch die Feststellung ist, dass - solange die alte finanzkapitalistische Spielanordnung weiter gilt, diese Krise noch nicht überwunden ist - aber auch die Gewerkschaften keine bedeutende gestalterische Rolle mehr spielen können.
(http://www.einblick.dgb.de/2010/e14/e14s7.htm/ externer Link; siehe dazu auch eine Besprechung des Buches mit diesen Thesen von Schulmeister in der FR von Robert von Heusinger externer Link: "Das Buch erzählt eine Geschichte, die man lange nicht gehört hat. Eine Geschichte , die den ganzheitlichen Ansatz wagt, die auf die Ursachen der Krise blickt und Lösungsvorschläge en masse macht". Und wem ein ganzes Büchlein zu diesem trockenen ökonomischen Thema zu viel erscheint, der kann zur "Monde-Diplomatique" (Ausgabe September 2010 - dort die Seite 3) greifen und schön komprimiert den Argumentationsstrang in die Krise hinein und und wieder aus der Krise heraus verfolgen: "New Deal für Europa" von Stephan Schulmeister. Aber im Moment ist die Situation ja noch erst einmal gekennzeichnet durch das neoliberale Dogma "TINA" (= there is no altermative) und so wird ein Ansatz zur Umsteuerung - die Finanztransaktionssteuer erst einmal durch die EU blockiert. (www.nachdenkseiten.de/?p=6663#h02 externer Link und www.nachdenkseiten.de/?p=6675#h05 externer Link)

Inwieweit jedoch dieser ganzheitliche Ansatz schon in der gewerkschaftlichen Diskussion angekommen ist, darüber gibt ein Heft der WSI-Mitteilungen vom September 2010 Auskunft : "Über das unmittelbare Krisenmanagement hinausreichende Vorschläge aus dem Anti-Krisenprogrammen der Gewerkschaften gelangten jedoch nicht in die breitere Debatte. So erfolgreich die Gewerkschaften in vielen Fällen die Tagesinteressen ihrer Mitglieder vertreten haben, so offen bleibt, wohin die Beschäftigungsbrücken perspektivisch führen sollen. Im seit Mitte der 1990-er Jahre zugunsten der Unternehmen verschobenen Kräfteverhältnis - diese Verschiebung führt Schulmeister im übrigen gerade auf die "finanzkapitalistische Spielanordnung" zurück - hat sich die Lage der Gewwerkschaften nicht verbessert. Im Gegenteil - ihre Handlungsspielräume sind in der Krise geringer geworden. Insofern war es wichtig, dass die vor der Krise gestarteten Ansätze aktivierender Betriebs- und Kampagnenpolitik fortgesetzt wurden. In welch weiterreichende Strategien und gesellschaftliche Perspektiven diese Ansätze eingebunden werden, bleibt Gegenstand gewerkschaftlicher Diskussionsprozesse. (www.boeckler.de/pdf/wsimit_2010_09_editorial.pdf externer Link pdf-Datei)

Wobei Hans-Jürgen Urban vom IG Metall-Vorstand in einem Interview festgestellt hatte: "Wir waren schon einmal weiter" - also die Krise hatte die Perspektivendiskussion sogar noch zurück geworfen. (www.freitag.de/politik/1031-wir-waren-schon-mal-weiter externer Link) Allerdings liefert er in diesem Heft der WSI-Mitteilungen vom September auch den tiefgreifendsten Analyse-Ansatz unter dem Titel "Wohlfahrtsstaat und Gewerkschaftsmacht im Finanzkapitalismus: Der Fall Deutschland": Auch in Deutschland haben Wohlfahrtsstaat und Gewerkschaften im Übergang zum Finanzmarkt-Kapitalismus grundlegende Veränderungen durchgemacht, die trotz gewisser Ansehensgewinne infolge sozialpolitischer und gewerkschaftlicher Beiträge zur Krisenbekämpfung nicht vernachlässigt werden sollten. Da den gewerkschaftlichen Machtverlusten diese Transformation des Wohlfahrtsregimes zugrunde liegt, dürfte eine Revitalisierung der Gewerkschaften nicht ohne eine erneuernde Reform des Wohlfahrtsstaates zu haben sein. (www.boeckler.de/119_108702.html externer Link)

Nicht ganz so deutlich bezüglich des erforderlichen Wandels der momentanten kapitalistischen "Spielanordnung", aber in der Sache dennoch in der gleichen Richtung zielend wird das dann von weiteren Metallern - wohl den "Mainstream" verkörpernd - vorgetragen: Zur politischen Regulierung der Finanzmärkte: Ein Zehn-Punkte-Plan beinhaltet unter anderem die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Kerngedanke ist: Die Politik muss das Primat über die Finanzmärkte zurückgewinnen. Und: Eine umfassende Antwort auf die Krise muss der Realwirtschaft nützen. (Siehe "Aktiv aus der Krise" www.boeckler.de/pdf/wsimit_2010_09_allespach.pdf externer Link pdf-Datei und auch Verdi sieht mit der "Beendigung der Vorherrschaft des Finanzkapitals über die Wirtschaft" die Notwendigkeit eines neuen sozialökologischen Green New Deal. (www.boeckler.de/pdf/wsimit_2010_09_Uellenberg.pdf externer Link pdf-Datei)

Es wird also für die Gewerkschaften einiges für ihre Zukunft - sozusagen existentiell - auf dem Spiel stehen, ob es ihnen gelingt den aktuell vorherrschenden "Krisenerklärungs-Ablenkungsmanövern" entgegenzu treten und der Realwirtschaft zu ihrer früheren zentralen Rolle zurückzuverhelfen.

Nur scheinen die Medien im Moment lieber weiter - noch eher totalere - Ablenkungsstrategien zu favorisieren, indem sie lieber Sarrazin als die unsozialen Folgen der Krise sich vornehmen. (www.nachdenkseiten.de/?p=6638 externer Link und zur "geschickten" Umwidmung sozialer Probleme in biologische auch noch www.nachdenkseiten.de/?p=6620#h15 externer Link - und nicht zu vergessen das wunderbare Interview mit Wolfgang Lieb bei "Telepolis" externer Link: Die Bildzeitung benutzt Sarrazin wie ein Bauchredner seine Puppe oder auch www.nachdenkseiten.de/?p=6725#h01 externer Link)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 14.9.2010


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