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Updated: 18.12.2012 15:51
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Das gewerkschaftliche Modell eines "Sozialen Europa" wird derzeit in Griechenland begraben

Wir erleben jetzt den "Count-Down" für den Rausschmiss Griechenlands aus der Eurozone - und nähern uns - indirekt - vielleicht doch noch den "Ordnungsvorstellungen" eines Olaf Henkel für einen "Nord-Euro" an , den er jetzt bei den Freien Wählern für die Bundestagswahl 2013 propagiert.

Über seinen gerade jetzt in Niedersachsen erfolgten Auftritt bei den "Freien Wählern" schreibt die Süddeutsche unter der Überschrift "Ungewöhnliche Freundschaften - Wie Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel mit Hubert Aiwanger von den Freien Wählern in den Kampf gegen den Euro - für die Bundestagswahl 2013 - zieht." (SZ vom 13. Februar 2012): "Henkel zieht schon länger gegen den Kurs der Berliner Koalition zu Felde, den Euro in seiner jetzigen Form um jeden Preis retten zu wollen. - Wenn er wirklich geglaubt hatte, die FDP würde Angela Merkels Kurs ( vgl. zur Darstellung ihres "finanzmarktgetrieben" Euro-Rettungs-Kurses in Europa mit dem Spardiktat zum letzten, dann dort auch so durchgesetzten Euro-Gipfel noch einmal www.labournet.de/diskussion/wipo/seattle/davos12_bahl.html) ändern, muss er in der Tat sehr enttäuscht gewesen sein im vergangenen Dezember - als er sich dann den Freien Wählern hingab."

Und: "Ein "Europa der Vaterländer" propagiert Hans Olaf Henkel, mit einem "Nord-Euro" für die Vaterländer des Nordens und einem "Süd-Euro" für die Südländer."

Und für diesen Feldzug "gebraucht" er nicht nur die Freien Wähler jetzt, sondern sucht auch bei Occupy "willige" Hilfstruppen (www.nachdenkseiten.de/?p=12024 externer Link)

Nur was jetzt unter dem Spardiktat in Griechenland einfach so radikal wie auch in einer brutalen sozialen Kälte sich ereignet, da erscheinen ja die Henkel`schen Vorstellungen direkt noch durch eine gewisse "Ordnung" bei diesen Rechtspopulisten sich auszuzeichnen. Wahnsinn!

Die FR hatte es aktuell noch einmal genauer recherchiert, wie jetzt in Griechenland zehntausende einfach ins Elend getrieben werden - und gerade in Athen die Zahl der Obdachlosen dramatisch angestiegen ist. (www.fr-online.de/schuldenkrise/schuldenkrise-in-griechenland-abgestuerzt,1471908,11611336.html externer Link)

Der Ausspruch des griechischen Regierungschefs Papademos, "Griechenland steht am Ground Zero", kennzeichnet die griechische Situation recht plastisch - katastrophaler kann es nicht mehr werden. (ww.fr-online.de/schuldenkrise/regierungschef-papademos--griechenland-steht-am-ground-zero-,1471908,11617034.html externer Link)

Das griechische Parlament unter diesem Druck aus Brüssel versinkt auch eher in der Verantwortung gegenüber dem Bürger in Chaos , als dass es zu einem noch sinnvollen Handeln sich fähig erweisen kann. (www.fr-online.de/schuldenkrise/griechenland-parlamentarier-fliegen-aus-eigenen-reihen,1471908,11622384.html externer Link) Und die Bürger - jetzt so am "Ground Zero" wird auch alles "wurst-egal" - steigern ihre hilflose Wut in den Protesten. (www.fr-online.de/schuldenkrise/rettung-griechenlands-proteste-in-athen-eskalieren,1471908,11619878.html externer Link)

In Bildern ausgedrückt wirkt diese so hilflose Wut - die wahre Ursache können sie ja gar nicht erreichen - noch drastischer (www.sueddeutsche.de/politik/griechische-proteste-gegen-sparpaket-strassenschlacht-in-athen-1.1282389 externer Link).

Ja, der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hatte die Rede der Bundeskanzlerin Angela Merkel noch in Davos gehört - und drückte sein Entsetzen über ihre Vorstellung zu Europa so aus: "Ein gemeinsames Gefängnis ist noch keine Vision" Ja, ein wenig muss einen dieser Protest in Griechenland doch - in seiner ganzen hilflosen Perspektivlosigkeit an einen Gefängnisaufstand erinnern.

Ein "gemeinsames Gefängnis Europa" unter dem Diktat der Märkte - ganz politikentleert

Und blickt man nun auf die deutsche Szene zu diesem Trauerspiel in Griechenland, so kann man noch mehr erschrecken. Da entdecken wir einen DGB-Vorsitzenden , der sich voll hinter die neoliberale Agenda der Kanzlerin stellt - und so könnte man über dieses "G`schichterl" zu DGB-Chef Michael Sommer auch schreiben können: "Als Löwe losgesprungen - und als Bettvorleger gelandet" ( www.wirtschaftundgesellschaft.de//?p=2009 externer Link). Wie sich der DGB da doch einreiht - nein besser "unterwirft" - der neoliberalen Agenda der Kanzlerin - es ist erschreckend erstaunenswert.

Dabei wußte er es doch gerade noch besser, als er die Beschlüsse des letzten Gipfels kritisierte und zu dem auf dem letzten Gipfel beschlossenen Fiskalpakt doch noch wußte: das führt zu einseitigem Sparen. (www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1665240/ externer Link) und selbst zu der - noch? - günstigeren Position von Deutschland in Europa in dieser Eurokrise, wurde vom DGB bezweifelt, dass "Deutschland als Insel der Glückseligen " zu betrachten sei. (www.dgb.de/themen/++co++c8c779f4-48f3-11e1-5108-00188b4dc422 externer Link)

Nun aber weiß der DGB im Angesicht des Dramas in Griechenlands - seit vier Jahren Rezession! - nichts Besseres mehr als den - wie gesagt gewerkschaftsfeindlichen - neoliberalen Kurs der Kanzlerin - knallhart gegen Griechenland ausgeführt - richtig zu finden.

Was hat ihn da wohl bewogen, könnte man rätseln ? Aber der DGB-Chef reiht sich mit seiner "Verehrung" für die Strategie der Bundeskanzlerin Merkel ein in die Phalanx der SPD, wie ihre "General"sekretärin Nahles jetzt zu Griechenland verlauten ließ. (www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=2085 externer Link)

Damit klebt die SPD, die sich nach dem Jahre 2000 in einem waghalsigen Wendemanöver der neoliberalen Agenda endgültig unterwarf, an dieser fest - wie mit Pattex angeleimt, ohne aus den Verlusten ihrer Wähler etwas lernen zu können. Und der DGB "klebt" an der SPD?

Es ist daher richtig erfrischend, wie die aufrechte Gewerkschafterin Ursula Engelen-Kefer und das frühere Vorstandsmitglied der SPD, dem doch wütend noch einmal diese "Verrohung der politischen Sitten" entgegenhält - und ganz konkrete Überwindungsmaßnahmen für Griechenland vorschlägt. (www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=2102 externer Link)

Aber vielleicht muss man über eine konsequentere Reform in Griechenland hinaus doch noch ein wenig "tiefer" - oder höher? - ansetzen.

Verrohte Sitten : Rausschmiss von Griechenland geplant

Wie sehr diese Sitten verroht sind , ergibt sich vor allem aus der sich für mich aus einer ganzen Reihe von klaren Indizien inzwischen hervorgehenden Tatsache, dass dieser "Rausschmiss" von Griechenland aus der Eurozone zur Disziplinierung - ähnlich wie die Disziplinierung der Arbeitnehmerschaft durch die Arbeitsmarktreformen in Deutschland schon - für die anderen südeuropäischen Euro-Länder von langer Hand geplant ist - und ganz konsequent zur umfassenden und endgültigen Durchsetzung der "marktradikalen Agenda" von Merkel & Co. gehört , mit Hilfe von Merkels "Kettenhunden" (www.nachdenkseiten.de/?p=11278#h05 externer Link) - wie das Amen in der Kirche dieser "Ewig-Markt-Gläubigen". (vgl. dazu die Seite 2 (zweite Hälfte) bei www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl25.html)

Auf die Aufforderung an die Finanzmärkte durch die Kanzlerin Angela Merkel im Landtagswahlkampf von NRW 2010 , dass Länder in der Eurozone pleite gehen können, hatte Ursula Engelen-Kefer ja auch schon hingewiesen.

Dabei wird bei genauem Hinsehen doch deutlich, dass die ganze Verschuldensmisere in Griechenland sich erst so richtig in der Finanzkrise - ab 2010 - entwickelt hat. (www.wirtschaftundgesellschaft.de/?p=2122 externer Link (2009 war noch "wahlkampfbedingt"))

Aber anstatt die Merkel mit ihrer schon fast irrational-religiösen Marktverehrung an den Pranger zu stellen , waren es - gemäß dem neoliberalen Fahrplan - diese "faulen" Griechen. Verdrehte Welt - wo wir eigentlich nur noch - wie im Märchen "Des Kaisers neue Kleider" auf das Kind warten , das ruft, "der ist doch nackt"!

In Griechenland wird ein gemeinsames "Sozial-Modell Europa" beerdigt

Wie sehr wir jetzt auch noch schnell Kritik vorbringen - mit dieser Thematisierung werden wir die Griechen bzw. die griechischen Gewerkschaften (=bis zum 15. Februar?) wohl kaum noch "retten" können. Schade!

Aber mit den - so unterschiedlich vorhandenen - Kampfesmöglichkeiten der europäischen Gewerkschaften rutschen wir in eine sehr entscheidende Phase hinein - mit einer systematischen Zerstörung umfassenderer Streikrechte nebst ihren Gewerkschaften in den romanischen (südeuropäischen) Ländern - sozusagen weil diese Länder mit ihrem besseren Streikrecht zwar in der besseren "kampfkraftmäßigen" Position ( z.B. mit einem Generalstreik ) stehen , aber bei den ökonomischen Ungleichgewichten eben in der schwächeren Schuldnerposition verharren - und deshalb von den Gläubigernationen - wie vor allem Deutschland - knallhart vor die Wand gefahren werden. Ich habe das jetzt gerade noch einmal ganz aktuell resümiert (www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl25.html (siehe dort auf der Seite 3!: "Eine gewerkschaftliche Alternative für Europa fehlt - Ein schrecklicher Protest der Hilflosigkeit mit dem Generalstreik in Griechenland"))

Es ist also durch die "neoliberale Agenda" jetzt das Umgekehrte rausgekommen, als es z.B. der Politstratege Oskar Lafontaine ins Auge gefasst hatte: ich weiß nicht, ob du dich erinnerst? Er hatte den deutschen Gewerkschaften vorgeschlagen - bzw. war dann sehr enttäuscht darüber, dass sie es nicht einfach "gemacht" hatten - durch einen politischen oder Generalstreik die Hartz-schen Arbeitsmarktreformen zu verhindern.

Vor allem diese Arbeitsmarktreformen hatten ja - trotz schon vorhandener internationaler Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland - mit ihrem politisch festgemauerten Lohndumping dieses "Exortüberschuss-Lohndumping-Modell" für Deutschland etabliert ( vgl. jüngst zum Export-Boom in Deutschland: www.nachdenkseiten.de/?p=12182#h07 externer Link - und zu der Notwendigkeit des Generalstreiks, um dies auszugleichen "Exportüberschuss und ein politischer Streik für Deutschland": www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/erfahrung/polstreik_bahl.html )

Dies brachte auf der einen Seite unter dem "Dache" der gemeinsamen Währung, des Euro, immer mehr Länder in die Schuldner-Position, und auf der anderen Seite wirkte sich das langfristig zum Schaden eines immer größeren Teils der deutschen Arbeitnehmer und mit dem fatalen Ergebnis einer Spaltung der Gesellschaft aus (vgl.dazu jüngst das SOFI: www.nachdenkseiten.de/?p=12185#h08 externer Link)

Nicht zuletzt wegen solcher - leider nur gedachten - Strategien hatte Heribert Prantl von der SZ Oskar Lafontaine einmal den genialsten von Willy Brandt`s Enkeln genannt.

Lafontaines Fehler war nur, dass er meinte, die deutschen Gewerkschaften könnten das - oder hätten das überhaupt "gedurft" ( die Erfahrung aus den 50-er Jahren, wo sie das probiert hatten - und zu die gewerkschaftliche Existenz vernichtenden Millionen-Strafen verurteilt wurden , stecken ihnen noch zusehr in den Knochen - deshalb ist für eine solche Perspektive eine gute und nicht nur ökonomisch, sondern auch juristisch abgesicherte Strategie sehr von Nutzen!)

Nun haben wir in Europa diese sehr unterschiedliche Rechtssituationen für die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften - und in Deutschland sind die Hartz-Reformen - ohne dieses umfassende Streikrecht - eben durchsetzbar geworden - und in einem großen "Rest" von Europa ist eine derartige Spaltung der ArbeitnehmerInnenschaft mit diesem gewaltigen Niedriglohnsektor wie in Deutschland eben nicht möglich bzw. durchsetzbar gewesen , da sie "weggestreikt" worden wären . Und unsere "schöne" Krise "eröffnet" nun die Möglichkeit , dies zu beseitigen - immer im Hintergrund die "ökonomischen Ungleichgewichte" ! - und damit die Gewerkschaften - eben vor allem in den südlichen EU-Ländern - radikal wirkungslos machen zu können. - Die deutschen waren ja durch die Arbeitsmarktreformen schon seit 10 Jahren zur Lohnstagnation - im Gegensatz zu den südlichen romanischen Ländern - verdammt. (vgl. zuletzt noch einmal www.nachdenkseiten.de/?p=12148#h04 externer Link)

Die immer wieder hochgehaltenen gewerkschaftlichen Vorstellungen von einem "Sozialmodell Europa" sind damit aber auch an ihr bisheriges Ende gelangt - durch diesen endgültigen "Sieg" der "marktradikalen Agenda" jetzt für alle - und welcher letztendlich gloriose Sieg: unter Zustimmung der Gewerkschaften!

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 13. Februar 2012        


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