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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Ein Umdenken bei drohendem Staatsbankrott? EU-Kommission gegen Deutschland im "Kampf um Griechenland" in der Eurozone "Endlich draußen - oder doch besser drinnen?" Eine Analogie zum Londoner Schuldenabkommen für Deutschland 1953 Zunächst aktuell dürfte noch von Interesse sein, wie die Amerikaner damals Deutschland beim Streichen der Schulden - nach dem von Deutschland "verschuldeten" II. Weltkrieg - richtig förderten (siehe Stephan Kaufmann in der FR u.a. : "Wie Griechenland - vor 60 Jahren - bei der Rettung Deutschlands half": Während der deutsche Finanzminister Schäuble hartnäckig auf der durch die Finanzmärkte "geförderten" - in Europa "priviligierten" Stellung allein für Deutschland beharrt - und den Vorschlag der EU ablehnt, die europäischen Staaten und die EZB bei dem Verzicht auf Schulden von Griechenland zu beteiligen - und der damit dem Verzicht jeglicher Politik zugunsten des "Getriebenwerdens" durch Finanzmärkte weiter den absoluten Vorrang einräumt: In Griechenland haben die Krise und die Sparbemühungen zu einer katastrophalen Schrumpfung geführt - dies hätte der Bundesrepublik - damals 1953 - nicht passieren können - denn laut Abkommen durfte "der Plan die deutsche Wirtschaft nicht aus dem Gleichgewicht bringen"... Muss man jetzt den Griechen und anderen Südeuropäern nur noch solch einen hartnäckigen Verhandlungsführer - gegenüber diesen Schäuble/ Merkel & Co. - wünschen, wie ihn die Deutschen bei ihrem Erfolg einer allgemeinen Halbierung der Schulden damals in London 1953 für Vorkriegs- und Nachkriegsschulden (nebst dem Marshall-Plan für Deutschland!) mit einem Hermann J. Abs verzeichnen konnten? Was spricht jetzt für die Notwendigkeit eines solchen Verhandlungsergebnisses zunächst für Griechenland? Dabei drängt sich mir der Satz von James Galbraith in die Erinnerung, dass in diesem Prozess - oder müsste man besser wieder das Wort "Springprozession" dafür verwenden, weil das Wort Prozess so etwas wie ein lineares "Vorwärtsschreiten" suggeriert - der Eurokrise die Starken - wie vor allem Deutschland - dadurch geschützt werden, dass die Schwachen - wie Griechenland über die Launen der "Märkte" - zerstört werden ". (Vgl. www.nachdenkseiten.de/?p=11287 ) - sozusagen Deutschlands bornierte Wirtschaftsideologie - die noch (!) zu seinem Vorteil ausfällt, - einfach einmal auf den Prüfstand stellen - oder muss es auch für Deutschland "krachen", bis man hier "zur Besinnung" kommt. Politische Rand-Situation von Griechenland gegenüber dem unruhigen Nahen Osten miteinbeziehen. Interessanterweise spielte bei dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 nämlich nicht nur die Ermöglichung eines "Deutschen Wirtschaftswunders" in totaler Abkehr vom "Versailler Friedensvertrag" nach dem ersten Weltkrieg (vgl. die vernichtende Kritik dazu von John Maynard Keynes!) eine Rolle, sondern auch Deutschlands "Außen-" oder "Grenzbastion" gegenüber der Sowjetunion. Dieses Deutschland galt es ökonomisch und damit auch gesellschaftlich zu stabilisieren. Heute scheint die für Europa so wichtige "Randposition" - gegenüber der "Alleinentscheidung" der Finanzmärkte - keinerlei politische Bedeutung zu haben. Die wichtige Rolle Griechenlands für die "Gesamt-Stabilität" Europas - gerade gegenüber dem zur Zeit so unruhigen Nah-Ost-Raum spielt dann überhaupt keine Rolle mehr! Vom Moralischen her gesehen - es werden die Schlampereien und "bürokratischen Unfähigkeiten" der Griechen für und nach der Euro-Einführung so heftig ins Feld geführt (die jedoch auch eine enorme Bindheit und Schlamperei der Europäischen Union mit ihrer zukunftsoptimistischen Marktgläubigkeit und ökonomischen Entwicklungsblindheit zur Voraussetzung haben!) - kann man jedoch alle Fehler Griechenlands als "Peanuts" gegenüber der Anzettelung dieses zweiten Weltkrieges von Deutschland mit all seinen Folgen für Europa betrachten. Es ist also schwer einzusehen, wieso also Deutschland heute weniger großzügig bei der Schuldentilgung gegenüber Griechenland sein sollte, als etwa die USA beim Londoner Schulden-Abkommen 1953. Soll nun Griechenland zur destabilisierten "Achillesferse" von Europa gegenüber den in sozialen Unruhen heftigst brodelnden Nahen Osten werden - dazu noch "vis-a-vis" einer so erstaunlich wachsenden und prosperierenden Türkei? Ein wahrliches Armutszeugnis für die europäische Idee! Ein Gedanke, der sicher noch durch ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) neue Nahrung erhält und in aller Bewußtsein gerückt wurde, dass die Entschädigung von Opfern der Nazi-Verbrechen aus dem zweiten Weltkrieg keine Entschädigung aus Deutschland erhalten. So formal-juristisch richtig dieses Urteil sein mag, so rückt es doch den Tatbestand dieses gewaltigen Unrechts der Deutschen - die sich auch hier hartherzig verweigern - wieder vor Augen. Kommt ein Umdenken am Beispiel Greichenland? Irgendwie entdeckt man - gerade auch in einer Zeitung die dem Sinn`schen Finanzierungs-Horror für eine Griechenland-Rettung breiten Raum gab - neue Töne. So schreibt die SZ unter der Überschrift "Wie Griechenland gerettet werden kann " inzwischen: "Es gibt nichts zu deuten an der bitteren Wahrheit. Zwei Jahre nach dem ersten Griechenland-Krisengipfel (!) ist klar: So kann das Euroland nicht gerettet werden, so rutscht es immer tiefer ins Nichts. Das Konzept der Retter, ein demokratisches Land wie ein schlecht geführtes Unternehmen zu betrachten, die Regierung faktisch zu entmündigen und dann nach rein ökonomischen Kriterien vorzugehen, zu rationalisieren, auszulagern und die verbleibenden Beschäftigten so niedrig zu entlohnen, dass sie kaum noch davon leben können - ist auf der ganzen Linie gescheitert. Diesen Kommentar von Cerstin Gammelin in der SZ ergänzt mit Blick auf die Drachme Nicola Liebert in der TAZ am nächsten Tag : "Die Drachme käme die Griechen teuer - und den Rest der Eurozone vermutlich auch" (www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=wu&dig=2012%2F02%2F04%2 Die angemessene Schlussfolgerung zieht dann aber - schon vorher - Robert von Heusinger (30.1.) unter der Überschrift "Zeit zu zahlen" - Erst wenn Kanzlerin Merkel die Transferunion besiegelt, vertritt sie glaubwürdig die Interessen Europas und Deutschlands. Dann kehrt das Vertrauen in den Euro - insgesamt - zurück (www.fr-online.de/meinung/euro-krisengipfel-die-krise-lebt,1472602,11535920.html ) Einen kleinen Schritt zu einem Lernfortschritt hatte da doch - erstaunlicherweise - schon einmal der IWF gemacht, indem er den Fehler einräumte, dass das Reform-Programm zu sehr auf neuen Steuereinnahmen - ja woher sollten die auch bei der drakonischen Sparpolitik kommen - basierte - und damit ein Fehler war. (www.fr-online.de/schuldenkrise/schuldenkrise-und-iwf-griechenland-plant-einen-eigenen-sparkommissar,1471908,11559688.html ) Griechenland als praktische "Feldforschung" für Krisenfolgen? Starke Worte zu Griechenland vernimmt man nun auch von dem scheidenden Chef der Deutschen Bank, Joseph Ackermann, der auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor eine Pleite Griechenlands warnte: Es geht nicht um Griechenland, es geht um Europa (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ Soweit sind - sonst ganz finanzmarkthörig - unsere Politiker jedoch mit Merkel & Schäuble und Co. noch nicht. Ja, Ackermann hatte noch - apropos Feldforschung - hervorgehoben: Einen Austritt - d.h. mit einer Rückkehr zur Drachme - des Landes aus der Eurozone wolle er "lieber nicht ausprobieren" (nur unsere Spitzen sind jetzt auf dem besten Wege dazu! - vgl. dazu "Drohender Staatsbankrott - Juncker "spekuliert" über Griechenland-Pleite": www.fr-online.de/schuldenkrise/ Jedenfalls resümiert Robert von Heusinger seine Zeit als Bank-Chef ("Vom Scheitern des Josef A.": www.fr-online.de/meinung/leitartikel-zu-ackermann-und-deutsche-bank-vom-scheitern-des-josef-a-,1472602,11562928.html ). Gerade "seine" Bank war ja vor der Krise der viertgrößte Herausgeber gefährlich komplizierter Finanzprodukte - und muss sich - nicht zuletzt deshalb - vor amerikanischen Gerichten verantworten (www.fr-online.de/wirtschaft/us-geschaefte-der-deutschen-bank-deutsche-bank-und-die-schatten-der-vergangenheit,1472780,11558886.html , vgl. hierzu auch den sehr instruktiven Bericht des US-Senates mit einem eigenen Abschnitt zur Deutschen Bank! - alle beiden Häuser in den USA hatten einen Untersuchungsbericht zur Finanzkrise durchgeführt) Die TAZ will deshalb auch seine Erklärung, dass die Krise am jetzt so schlechten Abschneiden der Deutschen Bank schuld sei, überhaupt nicht gelten lassen - und meint mit Nicola Liebert ganz im Gegenteil, schuld an der Krise ist die Bank - und nicht umgekehrt. (www.taz.de/Kommentar-Bilanz-der-Deutschen-Bank/!86901/ ) Wer also jetzt mit der Feldforschung noch tiefer beginnen will, dem sei doch die Deutsche Bank als Einstieg empfohlen - mit den guten Materialien aus den USA, weil bei uns ist man - politisch - zur Aufklärung der Finanzkrise nicht bereit (vgl. noch einmal z.B. "Keine parlamentarische Krisenaufklärung in Deutschland" auf der Seite 3 bei www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl13.html) Es bleibt also für die anzustrebende Feldforschung zur Finanzkrise noch ein breites Feld - mit zu vermutender geringer politischer Unterstützung. Wer sich aber noch einmal einen Überblick über die gesamte Diskussionslage machen will, für den hat der Spiegel dazu einiges im letzten Herbst zusammen gestellt (www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,781075,00.html ). Und man kann daran auch erkennen, wie wenig wir dabei "voran" gekommen - wenn man von der immer schnelleren Folge von europäischen Krisengipfeln, bei denen die Kanzlerin Merkel von Schritt zu Schritt meist eine vorher eingenommene Position räumen musste - sind für eine Lösung der Krise (vgl. dazu Stephan Kaufmann "Erfolgreich gescheitert": www.fr-online.de/schuldenkrise/eu-gipfel-erfolgreich-gescheitert,1471908,11536922.html ). Nur die Durchsetzung der allgemeinen "Schuldenbremse" für alle in Europa ist gelungen als bloß restriktiver Rahmen ohne Perspektive wie damals nach dem Zweiten Weltkrieg für Deutschland durch den Marshall-Plan. (Vgl. dazu noch einmal den Zwischenstand anhand des Weltwirtschaftsforums in Davos - nebst der dort ausgetragenen Diskussionen "Davos und die Entmachtung der Finanzmärkte": www.labournet.de/diskussion/wipo/seattle/davos12_bahl.html ) Und China möchte nicht den "Rettungsschirm-Retter" in der Not spielen - Wird eine Rettung der Eurozone noch möglich? Irgendwie erstaunlich war für mich, dass die Merkel, die in Europa nur kurzfristige und engstirmige Ziele Deutschlands mit der einzig für sie zulässigen "Triebkraft" der Finanzmärkte im Auge hat, jetzt von den Chinesen erwartet hatte, dass diese sich uneigennützig mit ihren Billionen Dollar-Reserven in den Dienst von Deutschland/Europa stellen, um dem sog. Euro-Rettungsschirm zur ausreichenden "Kapazität" zu verhelfen. Nur hat das Peking mit aller Deutlichkeit abgewiesen. Deshalb müsse die Euro-Zone ihre Hausaufgaben machen. (www.sueddeutsche.de/politik/ Von dem nicht so marktgläubigen China hätte ich mir erwartet, dass - gerade in Richtung der Bundeskanzlerin Merkel - nicht die Lösung nur durch "schmerzhafte Entscheidungen" "in" den Krisenstaaten so deutlich hervorgehoben wird - ganz nach Merkel`schem Konzept - , sondern genauso die schmerzhaften Entscheidungen "für" die Krisenstaaten - gerade aus Deutschland. Aber China hat eben auch keinen ausreichenden Lösungs-Durchblick. Ja, und wer hätte schon bei uns erwartet, dass wir ausgerechnet von China, diesem politisch-demokratisch so unsensiblen Land, den entscheidenden Hinweis zu einer politischen Lösung für die Euro-Krise erhalten können. Noch enttäuschender wird es jedoch, wenn auch Staatenlenker in der Euro-Zone und auch noch dazu Ökonomen, wie der Ministerpräsident von Italien, Monti, daherkommen und sich darüber enttäuscht zeigen, dass die Finanzmärkte trotz der großen Spar- und Reformleistungen Italiens, dies immer noch nicht entsprechend würdigen können. (www.sueddeutsche.de/g5t382/450990/Monti-Italien-ueberwindet-die-Krise.html ) Da kann man nur hoffen, dass der Ökonomie-Professor bald von den Märkten so enttäuscht sein wird, dass er der Politik gegen die "Märkte" auch zu ihrem Recht verhelfen wird, wie es in Frankreich bei dieser "absoluten" einseitigen Bevorzugung der Banken durch die Europäische Zentralbank - Geld nur für Banken nicht auch für Staaten - inzwischen im französischen Präsidentenwahlkampf wenigsten einmal deutlich allgemein thematisiert wurde. (www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl22.html ) Nur für uns bleibt die brennende Frage, ob ein Umdenken in dieser Krise über die bestimmende Rolle der Märkte - vor denen anscheinend nur dem eindeutigen Fachmann in diesen Dingen, dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann graut - noch rechtzeitig vor der Griechenland-Pleite gelingen kann - schon angesichts der bloß eigennützigen Haltung der deutschen Bundesregierung? Kommt also eine Umkehr noch vor diesem großen Knall - oder erst dann, nachdem es "ausprobiert worden ist", - danach? Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 6. Februar 2011 |