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Updated: 18.12.2012 15:51 |
In Frankreich geht es jetzt um die berühmte Wurst. Und: Ein wenig Placebo-Politik gegen die Finanzmärkte mit der FTS In Frankreich geht es jetzt um die berühmte Wurst: "Warum sollen Staaten 600-mal mehr als Banken zahlen?" Jetzt ein "Aus" für das "Primat der Politik" unter dem "Diktat der Finanzmärkte"? Frankreich hat jetzt die Wahl dem "Euro-Paar Merkozy" ein Ende zu bereiten! „"Warum sollen Staaten 600-mal mehr als Banken zahlen? Die Wahlen in Frankreich als Chance!“ Ja, es ist ein so bestaunenswertes Paradox der Finanzkrise, dass auf der einen Seite zu einem gewaltigen Euro-Gipfel-Eiertanz der Politik zu Gefallen der Finanz"märkte" führt - frei nach der Devise "Märkte, Märkte über alles" und auf der anderen Seite "alternativlos" jetzt fast alle Länder der Eurozone außer Deutschland (!) über das spekulative Hetzen der Finanzmärkte auf die Staatsschulden dieser Euroländer dazu zwingt, immer mehr für "ihre" Schulden den Banken zu bezahlen - und dadurch die Politik dieser Länder gleichzeitig in einem enormen Tempo in den Griff nimmt und steuert - oder wie Stephan Kaufmann es kürzlich auf einen kurzen und angemessenen Nenner brachte "Eine Entwertung des Finanzkapitals wird verhindert durch eine Entwertung der Arbeitskraft" (http://www.nachdenkseiten.de/?p=11731#h04 ). Aber in Frankreich geht's jetzt - im Präsidentenwahlkampf - um die berühmte Wurst - ab heute (13.1.2012 ) noch 100 Tage bis zur 1. Runde der Präsidentschaftswahlen. In allen Umfragen liegt Hollande vorne (27%), Sarko folgt als 2. (23%) und die größte Verehrerin der Jungfrau von Orleans, Le Pen, nur knapp dahinter (21%). Deshalb meint der Direktor von "Le Monde Diplomatique" Serge Halimi aus Paris: Die Wahlen dieses Jahres werden eine verpasste Chance sein, wenn in ihnen nicht deutlich wird, dass der politische Wille wie das geeignete Instrumentarium vorhanden ist, um das Finanzsystem wieder zu entmachten (http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/01/13.mondeText1.artikel,a0066.idx,21 ). Und anders, als bisher weitgehend in den deutschen Medien üblich (vgl. die Ausnahme in der FAZ http://www.nachdenkseiten.de/?p=11564 ), wird nun diese ökonomisch-politische Fixierung allein auf die Freiheit der Banken in Frankreich in "Le Monde" auf`s Korn genommen: "Warum sollen Staaten 600-mal mehr zahlen als Banken" mit Michel Rocard, Ökonom und Vorsitzender des sozialdemokratisch-orientierten, wissenschaftlichen Beirates des "Think Tanks" Terra Nova und Pierre Latoururou, Ökonom , Berater der franz. Grünen und Autor des Buches "Pour eviter le Krach ultime" (http://www.nachdenkseiten.de/?p=11860 ). Ja, schauen wir doch einmal, ob im vereinten Europa solch eine Diskussion zur Entmachtung der Finanzmärkte - auch noch jenseits einer bisher immer noch so unsicheren Finanztransaktionsteuer durch das Europa-Paar Merkozy (vgl. http://www.nachdenkseiten.de/?p=11871 ) zustande kommen wird? Ein wenig Placebo-Politik gegen die Finanzmärkte mit der FTS Ein gewisser politischer Druck "etwas" gegen die Finanzmärkte zu tun, scheint ja schon vorhanden zu sein. Aber jenseits der Skepsis über die Frage, ob dies wieder nur propagandistische Wahlkampfgetöse ist (vgl. "Merkels Geschenk an Sarkozy": http://www.fr-online.de/wirtschaft/finanztransaktionssteuer-merkels-geschenk-an-sarkozy-,1472780,11411038.html ), hat die FTS bestimmt nicht die Reichweite an die Wurzeln dieser Finanzkrise zu gehen, wie Ulrike Herrmann gleich notiert hat ("Die Steuer ist es nicht Merkozy": http://www.taz.de/Kommentar-Finanztransaktionssteuer/!85307/ , siehe auch weiter die "Literaturschau", wo auch betont wird, dass es sich bei der FTS vor allem um ein Instrument handelt, das mehr Licht in das krisenauslösende und krisenverschärfende Finanzmarktgeschehen bringen könnte: www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/fts_bahl.html sowie völlig überflüssige Transaktionen der Finanzalchemisten einschränken würde ). Muss die eigentliche "Herrschaft der Finanzmärkte" tabu bleiben? Es bleibt also beim "so tun als ob" , während der eigentliche Skandal - wie auch in dem Kommentar von Serge Halimi festgehalten - die weiterhin aufrechterhaltene "Herrschaft der Finanzmärkte" unangetastet bleiben soll, wie Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank - auch in der FAZ - es nach dem Gipfelbeschluss vom 9.Dezember 2011 wieder gerade gerückt hat: "Es wäre fatal, die Disziplinierungswirkung steigender Zinsen (erg. durch die Spekulation auf Staatsanleihen) völlig auszuhebeln." (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bundesbankpraesident-weidmann-lobt-gipfel-beschluesse-11557487.html ) Damit bläst er aufrecht in das gleiche Horn wie die "Chefin" im NRW-Wahlkampf 2010. Eben Deutschland - und das weiß Sarkozy auch - hat mit Äußerungen der Bundeskanzlerin Merkel im NRW-Wahlkampf diese Hatz auf die Staatsschulden durch die Finanzmärkte richtig gehend "geöffnet" - und nun wird Deutschland wohl keinesfalls in seinem vorteilsheischenden Interesse (vgl. "Die Angst geht um": www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl21.html - und dort vor allem auch den "Nachtrags"-Teil) von seinem Vorteil durch die Finanzmärkte - Schulden an denen man noch verdienen kann! - lassen wollen. So wird eben wieder einmal mit ein wenig - doch wohl kaum je realisierter -Finanztransaktionssteuer Placebo-Politik so zum Schein gegen die Finanzmärkte - zunächst vor allem im Interesse des französischen Präsidenten Sarkozy - betrieben. Zu des "Pudels Kern", der Macht der Finanzmärkte, wird man damit noch nicht vordringen. Die notwendige "Neue Konstellation" für eine Politik jenseits der Macht der Finanzmärkte - dieser "Systemwechsel" (Stephan Schulmeister) - wird uns damit weiter vorenthalten bleiben. (Zu dieses "Pudels Kern" vgl. noch einmal "Eine neue Konstellation....": www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/bahl3.html in Verbindung mit http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/056/ Und wie das Versagen der Politik gegenüber den Finanzmärkten zu einer "Staatsschuldenkrise" umdefiniert wurde All dieses Versagen der Politik kommt einem schon wie eine totale Bankrott-Erklärung gegenüber den Finanzmärkten vor, wenn man sich noch einmal klarmacht, dass diese Finanzmärkte durch die Wirtschafts- und Finanzkrise die Staatsschulden um etwa 300 Milliarden Euro (oder 12 Prozent des BIP) hochgetrieben haben. (Vgl. http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/056/Stellungnahmen/13-Prof__Emunds.pdf ) - auch wenn die Propagandamaschine der vereinten Politik-/Marktmacht daraus eine Krise der Staatsverschuldung - mit dem jetzt allgemein-gewordenen Begriff "Staatsschuldenkrise" - gemacht hat (vgl. "Wie aus der Finanz- und Wirtschaftskrise eine Krise der Staatsverschuldung gemacht wird": http://www.nachdenkseiten.de/?p=8249 ) Und jetzt eine "Wende" mit der Herabstufung von Frankreich durch Standard & Poor´s? Auch wenn der französische Staatspräsident wohl immer gehofft hatte, dass wenn er nur ganz eifrig und getreulich hinter der Merkel "herdackelt" und diese Herrschaft der Finanzmärkte untermauert, - er hatte deshalb von mir den Beinamen "Präsident Knickebein", weil er dauernd einknickt, erhalten (www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl13.html) - würden ihm die Märkte doch dann - so quasi als "Dankeschön" - die beste Bonität lassen, so hat er sich eben doch getäuscht: Standard & Poor´s hat jetzt begonnen, Frankreich herabzustufen (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/standard-poors-stuft-euro-laender-ab-frankreich-vor-entzug-der-top-bonitaet-1.1257729 und http://www.berliner-zeitung.de/panorama/neuer-schlag-fuer-eurozone--frankreich-verliert--aaa-,10808334,11444960,view,asTicker.html und noch die Stimme aus Österreich: http://derstandard.at/1326249203833/Rundumschlag-SP-stuft-neun-Eurolaender-herab?seite=28 ) - so dass bald Deutschland nur noch als "der harte (erg. "marktgläubige") Kern" übrig bleibt - wie Nikolaus Piper in der SZ - sozusagen jetzt triumphierend - feststellt. Ja, wie erklärte James Galbraith, die kritische Stimme aus den USA nach einer Konferenz zur Eurokrise ("Crisis in the Eurozone") diesen Prozess: "Der europäische Kontinent ist dabei die Schwachen zum Schutze der Starken zu zerstören. Der Diskurs wird von frischen Ideen verschlossen und das politische Überleben hängt davon ab, Problemlösungen nach hinten zu verlagern." (http://www.nachdenkseiten.de/?p=11287 ) Ob der französische Wähler noch dahinter kommen wird - jetzt wo in Frankreich gewisse Illusionen trotz aller trügerischer Hoffnung auf ein "Selbst-nicht-einbezogen-werden" sich auflösen? Der sozialistische Kandidat Hollande hat wohl schon begonnen, Sarkozy wegen dieser den Stolz der Franzosen verletzenden Rolle unter dem Diktat der Finanzmärkte lächerlich zu machen. Aber die große Frage wird bleiben, werden in der Folge dieses Geschehens durch die Präsidentschaftswahlen in Frankreich - nebst dem "Krach" von und um Griechenland ("Ist Griechenland noch zu retten?": http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-ein-pinguin-wollte-fliegen-1.1255782 - sowie noch die weitere Hiobsbotschaft zu Griechenland "Gespräche mit den Gläubigern unterbrochen": http://diepresse.com/home/wirtschaft/eurokrise/ Und woher soll nach der "deutschen Führung" an den Rand des Abgrundes eine Neuorientierung für Europa kommen? Nur der Anstoß für eine derartige "Neusortierung" - d.h. ohne die "Herrschaft der Finanzmärkte", sondern mit der Rückgewinnung eines wirklichen "Primats der Politik" wird nicht von Deutschland ausgehen, denn dort hat man sich genau umgekehrt festgelegt - nämlich auf das "Primat der Politik als Vollzugsorgan der Bedürfnisse der Finanzanleger" - wie Stephan Kaufmann angesichts der Dominanz der Deutschen in Europa etwas konsterniert zu Protokoll gegeben hat (vgl. "Europa unter Deutschlands Fuchtel": http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechenland-ein-pinguin-wollte-fliegen-1.1255782 ) - wohl ein recht perverses Verständnis von einem "Primat" der Politik. Und ganz besonders darf ich auf dieses Interview von Robert von Heusinger und Stephan Kaufmann auf der Seite 6 in dem Abschnitt "Wird die Bundesbank.... ? " noch einmal hinweisen, das für mich die "absolute Lernunfähigkeit" der deutschen Politik signalisierte: "Wer glaubt, die Kanzlerin würde aus diesem Berater-Umfeld - ganz pragmatisch - jetzt mit den Eurobonds u.ä. anfangen, wirtschaftspolitisch in ein "neues Narrativ" zu Europa aufzubrechen, den muss ich leider - bei aller Sympathie für solch eine Denke - ins Reich der bloßen Träume (= Schäume) verweisen." Wenn man somit auf Deutschland nicht hoffen kann, so bleibt die Hoffnung zur Zeit auf einen Wechsel weg von Sarkozy in Frankreich gerichtet: Denn Frankreich hat jetzt die Wahl! Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 16.01.2012 |