letzte Änderung am 8. März 2004 | |
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"Ich denke es bringt jedoch nicht viel, wenn sich wieder einmal nur ein kleiner Kreis für diesen Skandal interessiert und dazu austauscht. Hier ist die „große Öffentlichkeit“ gefragt und gefordert. Gersters Beraterverträge sind Krümelkram gegen die Gelder die hier verpulvert wurden und die Lasten, die jetzt wieder für und von 10.100 Arbeitslosen zu tragen sind." (Thomas Günther, ehemaliger Maatwerk-Mitarbeiter in Hannover)
Wir hoffen mit dieser Studie diese Aufgabe gemeistert zu haben [1] und wir hoffen natürlich auf die "große Öffentlichkeit". Wir hoffen ebenfalls, auch die wahre Funktion der Statistikbereinigung durch PSA aufgezeigt zu haben, wie sie auch unsere Informanten erkannt haben:
"Solch Agenturen gehören stärker überwacht und ggf. die Erlaubnis entzogen." (Informant 5). In diese Richtung tut sich nach der Maatwerkpleite was, wie wir auch in Kapitel 9 gesehen haben: "Auf Druck der Grünen ist die Bundesagentur für Arbeit (BA) zu ersten Änderungen ihrer Vergabepraxis bereit. Das Bundeswirtschaftsministerium kündigte am Dienstag neue Ausschreibungskriterien für die Personal-Service-Agenturen (PSA) an, die durch die Insolvenz des größten PSA-Betreibers Maatwerk in die Kritik geraten waren. Bisher wurden bei der Auswahl der Anbieter der Angebotspreis mit 60 Prozent, die Qualität der PSA und die Integrationswahrscheinlichkeit der Beschäftigten mit 40 Prozent bewertet. Diese Gewichtung solle nun umgekehrt werden, heißt es in einer Unterrichtung des Wirtschaftsministeriums." [2] An den geringen Vermittlungsquoten wird dies nichts ändern. "... Die Erwartung, dass die nun quasi doppelt arbeitslosen Leiharbeiter von MAATWERK nach Erhalt von Insolvenzgeld ganz schnell bei anderen Betreibern unterkommen, ist absurd. Denn welcher der Konkurrenten, die jetzt noch mehr als zuvor ihr Risiko minimieren, wird sie nehmen wollen, solange die Politik ihr schon jetzt teuerstes Instrument nicht mit noch höheren Zuschüssen aufstockt? Werden dann andere Instrumente der Arbeitsmarktpolitik zugunsten dieser flächendeckenden Idiotie noch mehr als bisher zusammengestrichen?..."[3] Ja, sie werden, denn diese "flächendeckende Idiotie" hat noch eine weitere, unbezahlbare Funktion.
Disziplinierung durch staatlichen Arbeitszwang
"Wer will, findet Arbeit. Nur nicht von alleine." (Jos Berends, Maatwerk-Gründer)[4] Diese Art von Hilfe und diese Art von Arbeit wollen wir nicht! Und das wird uns in der wissenschaftlichen Studie zu PSA sogar bestätigt: "… Der überraschend hohe Anteil der Entlassungen aus verhaltensbedingten oder sonstigen Gründen legt zunächst die Vermutung nahe, dass nicht alle Arbeitslosen bereit sind, jede zumutbare Stelle anzunehmen…"[5] Aber genau deshalb gibt es den Zwang zur PSA... (Siehe Kapitel 2)
Denn die PSA sind, selbst wenn sie kaum vermitteln können, keinesfalls disfunktional. Natürlich ist eine massenhafte PSA-Pleite peinlich und wirft die Regierung in der Arbeitslosenstatistik zurück. Eine weitere Funktion besteht jedoch in der Intensivierung von Arbeitszwang und Ausbeutung sowie in der Förderung des Niedriglohnsektors. Hier leisten PSA auch ohne zu Vermitteln eine herausragende Rolle. Aus dieser erklärt sich auch, warum Maatwerk, obwohl bekanntermaßen kein Vorbildunternehmen (vgl. Kapitel 9), ein Drittel aller PSA betreiben durfte. Denn Maatwerk hat bereits im Frühjahr 1997 zum ersten Projekt in Hamburg seine Philosophie folgendermaßen erläutert: „Vor allem in sozial benachteiligten Vierteln und Straßen mit hoher Arbeitslosigkeit herrscht nicht selten die Vorstellung vor, daß Arbeit 'nur etwas für Dumme' ist. Die erfolgreiche Vermittlung von Leuten aus solchen Vierteln oder Straßen - und der sichtbare stabilisierende Effekt einer regelmäßigen Arbeit - kann hier eine wichtige Vorbildfunktion erfüllen.“ [6] Das ist 2004 dem Bund 600 Mio Euro wert…Und deshalb irrt unser Informant 20: "Hier wird der Staat und die Arbeitsplatzsuchenden regelrecht "übers Ohr" gehauen." Der Staat eben nicht, für die Zurichtung zum Lohnarbeitsethos gibt es (noch?) eine breite, parteiliche wie überparteiliche Koalition...
1) Schadenfreude: Die Maatwerk-Insolvenz werfe „den Aufbau des bundesweiten PSA-Netzes um zwei bis drei Monate zurück“[7]
2) PSA als "moderne Sklavenmärkte" und "Waffe gegen alle Arbeitskräfte"[8] bekämpfen!Ob eine PSA oder "einfache" Sklavenhändler - sie gehören bekämpft, denn der Begriff der "Schmuddelecke", aus der die Gewerkschaften sie rausholen wollten, war die Untertreibung des Jahres 2003! Auf die Hilfe der Gewerkschaftsführungen können wir uns dabei nicht verlassen:
Aber wir haben andere Vorbilder...
Ein Fundstück (aus dem Jahre 1999!) im Rahmen der Recherchen zu Maatwerk führte uns zu der - oft vergessenen oder geleugneten - langen Geschichte staatlicher Sklavenarbeit, aber auch des Widerstandes dagegen:
Dies wiederum führte ins Archiv der Wildcat-Redaktion, die uns freundlicherweise folgende Beiträge aus dem Jahre 1986 zur Verfügung stellte [13]:
Diese Studie bestand aus vielen frustrierenden Erfahrungen - nun wünsche ich anregende Lektüre für den Alltagswiderstand von heute! [14]
1) Was durch die Redaktion des LabourNet Germany nicht gelöst werden kann, ist der hohe juristische Beratungsbedarf: "Welchen Job muß ich annehmen?", "Welche Klauseln im Arbeitsvertrag sind zulässig?", "Wo kann ich mich über Maatwerk beschweren, wenn das Arbeitsamt nun für nicht mehr zuständig ist?" und sehr oft "Wie komme ich an mein Geld?". Am Beispiel PSA wird der Bedarf an einer Rechtsberatung für Erwerbslose, die sich auch von den Gewerkschaften im Stich gelassen fühlen, offensichtlich
2) "Bundesagentur für Arbeit ändert ihre PSA-Vergabepraxis." Artikel in der FAZ vom 02. März 2004
3) "Idiotie, flächendeckend. PERSONAL-SERVICE-AGENTUREN Das Herzstück der Hartz-Reformen ist bislang ein Fehlschlag" Artikel von Berthold Paetz in Freitag vom 27.02.2004.
4) Zitiert in "Berends contra Jagoda. Wie ein Ex-Sozialarbeiter mit einfachen Mitteln Langzeitarbeitslose wieder in Jobs bringt und damit dem Arbeitsamt Konkurrenz macht." Artikel in Stern vom 5.2.1998
5) "Das neue Instrument zeigt seine Konturen - Parallelen und Unterschiede zur traditionellen Leiharbeit werden sichtbar…" Personal-Service-Agenturen - Teil II. IAB Kurzbericht 2/2004 von Jahn, Elke J.; Windsheimer, Alexandra als pdf-Datei.
6) Zitiert in: Stadtluft macht Arbeit. Kommunaler Arbeitszwang als ein Baustein des Niedriglohnsektors, in: Wildcat-Zirkular Nr. 46/47 - Februar 1999
7) BA-Chef Weise, zitiert in: BA-Chef Weise will Personal-Service-Agenturen stärker kontrollieren Nürnberg – dpa-Meldung in Märkische Oderzeitung vom 21. Februar 2004
8) "Personal-Service-Agenturen – PSA: Die propagierte Wunderwaffe gegen Arbeitslosigkeit?" Info der Initiative „Weg mit der Agenda“ und Gegeninformationsbüro vom 14. Dezember 2003
9) Siehe dazu die Sonderseiten im LabourNet Germany: zu den Tarifverhandlungen und ihren Ergebnissen
10) Interview mit Wilhelm Adamy, Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik des DGB, in Einblick 4/04, gewerkschaftlicher Info-Service vom 01.03.2004
11) "Verdi erklärt PSA-Konzept für gescheitert". Artikel in Netzeitung vom 18.2.04
12) Aus: "Stadtluft macht Arbeit. Kommunaler Arbeitszwang als ein Baustein des Niedriglohnsektors." Artikel in Wildcat-Zirkular Nr. 46/47 - Februar 1999
13) Es sind von uns eingescannte pdf-Dateien mit 156Kb, 430Kb (da viele Comics) bzw. 228Kb. Wir danken nochmals der Wildcat-Redaktion!
14) Am heutigen 8. März 2004 widme ich diese Studie den Frauen, die von der Politik zur Erzwingung von Niedrigstlöhnen immer am meisten betroffen sind!
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