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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Ein Lob dem Staatsschutz?

(nicht ganz unernsthafte Ausführungen zur Professionalität von Strafverfolgern)

Der frühere CSU Bundesinnenminister Hermann Höcherl, verteidigte 1963 einmal eine rechtswidrige Telefonabhör-Aktion des Verfassungsschutzes mit den Worten:
"Verfassungsschützer können nicht ständig das Grundgesetz unter dem Arm tragen."
Leider sind solche Auffassungen nicht auf die finstere Adenauer-Zeit beschränkt.

Artikel 5 Abs. 1 GG lautet:
"Die Pressefreiheit wird gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."
Man sollte meinen, dass auch jeder Richter und jeder Staatsanwalt, der gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist, Kenntnis von dieser Grundrechtsnorm hat; leider scheint das nicht (immer) der Fall zu sein.

Die Anträge der Staatsanwaltschaft Bochum vom 18.4./28.6.2005 und die Beschlüsse des Amtsgerichts Bochum vom 27.4./28.6.2005, durch welche die Durchsuchung u.a. der Redaktionsräume von LabourNet angeordnet worden sind, verstoßen in krasser Weise gegen das Grundrecht auf Pressefreiheit. Obwohl die Polizei ermittelt hatte, dass LabourNet ein Internet-Medium ist und Ralf Pandorf und Mag Wompel die Redaktion bilden, wurden Durchsuchung der Räume und Beschlagnahme von Computer und Unterlagen angeordnet, weil ...

ja weil in einem anonymen Flugblatt im Dezember 2004 ein "Kommando Paul Lafargue" unter anderem auf die Aktion "Agenturschluss" von www.labournet.de hingewiesen hatte. So schnell wird man zum Staatsfeind!!

Das "Problem" in der Angelegenheit lag dann aber offenbar darin, dass dieses Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft noch nicht einmal von der "Sonderabteilung Polit.- und Pressestrafsachen" bearbeitet worden ist, sondern von einem (so banal das klingt) "Buchstaben-Staatsanwalt". Dieser war sich der Dimension der ganzen Angelegenheit offenbar überhaupt nicht bewusst; obwohl die Polizei ermittelt hatte, was www.labournet.de darstellt, taten Staatsanwalt und Gericht so, als hätte man es mit irgendwelchen Privatpersonen zu tun. Das ist doppelt sträflich:

Zum einen war überhaupt nicht bedacht worden, dass der bloße Hinweis auf einem anonymen Flugblatt, dass es (zum selben Thema) auch noch die Aktion "Agenturschluss" von www.labournet.de gibt, alles andere als den Nachweis der Urheberschaft von LabourNet für eben dieses Flugblatt (welches als Herausgeber jenes Kommando Paul Lafargue benannte) darstellt. Und zum andern wurde völlig ignoriert, dass LabourNet ein Internet-Medium ist, welches unmittelbar den Schutz des Grundrechtes auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG für sich in Anspruch nehmen kann.

Es ist ein Verdienst der 6. Strafkammer des Landgerichts Bochum, im Beschluss vom 10.1.2006 (so lange dauern die Mühlen der Justiz nun manchmal), hierauf hingewiesen zu haben. Die gebotene Konsequenz, das Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft insgesamt einzustellen, dauerte dann auch nicht mehr lange. Die zugleich festgestellten Entschädigungsansprüche sind (nun einmal) nur ein Tropfen auf den heißen Stein der tatsächlich entstandenen Schadenshöhe.

Nun zurück zur Professionalität (der Staatsschutz-Staatsanwälte). Diejenigen, die eigentlich zur Verfolgung von "Polit.- und Pressestrafsachen" zuständig sind, waren nicht gerade begeistert von dem Verfahren. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt (und bei Kenntnis zum einen von gewissen politischen Zusammenhängen und zum anderen auch von der Person jenes Paul Lafargue) hätte es weder zu der Anordnung der Durchsuchung, noch zu der Beschlagnahme von Computern und anderen für die Redaktion wichtigen Gegenständen kommen dürfen. Ein anonymes Flugblatt ist nun einmal anonym. Und wenn dort ein Hinweis auf eine - völlig legale - Aktion "Agenturschluss" steht, ist das - wenn man auch nur ein ganz bisschen nachdenkt - alles andere als ein Hinweis auf die Urheber jenes anonymen Flugblattes.

In einer derartigen Situation hat der Unterzeichner (der selber in den heißen Zeiten der Studentenbewegung Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre von der politischen Polizei "mit Interesse verfolgt" worden war) nun auf einmal das merkwürdige Bedürfnis nach einem Tätigwerden jener "Profis vom Staatsschutz". Aber wenn man mit diesen Damen und Herren redet, die bei "Presse" nicht an eine Bild-Schlagzeile denken, sondern sogleich an Art. 5 GG, dann fühlt man sich - zumindest als Jurist - bei den Staatsschutz-Staatsanwälten besser aufgehoben als bei den allgemeinen staatsanwaltschaftlichen Abteilungen, die - wie der vorliegende Fall deutlich zeigt - überhaupt kein Bewusstsein dafür haben, dass in die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit nicht so ohne weiteres eingegriffen werden darf.

Selbstverständlich soll dieses hier kein Plädoyer für den Staatsschutz sein; wie es in der Überschrift heißt, sind diese Ausführungen aber auch nicht ganz unernsthaft, weil Professionalität nun einmal nicht schaden kann - auch nicht bei Strafverfolgern.

Bochum, den 4.7.2007

Lutz Eisel
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Strafrecht
Mitglied im RAV
Vorstandsmitglied der Strafverteidigervereinigung NRW e.V.


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