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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eine unabhängige Lehrergewerkschaft im Kampf um Anerkennung

Den folgenden kurzen Brief schrieb Rodolfo Vazquez Ende Februar 2005 auf deutsch (mit der Bitte um nötige Korrekturen) nach einem längeren Gespräch Ende Januar beim Weltsozialforum.Vazquez ist selbst Lehrer und in der Opposition der "offiziellen" Lehrergewerkschaft des staatstragenden CTM aktiv.

Lieber Helmut,

wie besprochen, werde ich, nach meinen beschränkten Möglichkeiten, versuchen Dich über Entwicklungen innerhalb der mexikanischen Gewerkschaften ab und zu auf dem laufenden zu halten. Mein erster Bericht gilt einem Fall, der schon etwas zurückliegt, aber trotzdem nicht nur an sich wichtig ist, sondern vielleicht auch einen gewissen Einblick in die mexikanische Lage gibt.

SABES ist ein - von vielen Seiten gelobtes - Programm des Bundesstaates Guanajuato um zusätzliche Bildungsmöglichkeiten zu schaffen, Fernlehrgänge, Video usw. Bei seinem Start vor nunmehr bald 10 Jahren wurden etwa 1.000 Lehrkräfte auf Honorarbasis eingestellt.

Ich vermute, ich muss Eueren Lesern in Deutschland nicht gross erklären, was es bedeutet, Honorarkraft zu sein - das nennt man heute Precaridad. Sie hatten unter anderem Sechsmonatverträge und mussten selbstverständlich selbst für ihre eigene Weiterbildung aufkommen.

Sowohl die Unzufriedenheit, die im Laufe der Jahre anwuchs, als auch die Verteidigung des guten Rufs von SABES führten die Regierung dazu, im Jahre 2002 einen Erlass zu verabschieden, demzufolge die im SABES-Programm Beschäftigten zu jenen Kategorien gehörten, denen das Recht auf Abschlüsse von Tarifverträgen zusteht. Ein Fortschritt, aber nur ein Schritt. Wenn nun aber Gehälter und Arbeitsbedingungen ausgehandelt werden konnten, musste dies auch organisiert geschehen können, also machten sich die Lehrkräfte daran, eine Gewerkschaft zu gründen, die "Unabhängige Gewerkschaft der Arbeiter und beschäftigten bei SABES" - SITESABES. Dafür nahmen sie die Hilfe der FAT, der autonomen Zentrale im alternativen Gewerkschaftsbund UNT in Anspruch, denn dies ist in Mexico ein komplizierter Prozess - eine neue Gewerkschaft muss erst offiziell registriert sein und dann auch noch "Befähigt" Tarifverhandlungen zu führen. Die Aussöhnungs- und Schiedskammer des Bundesstaates (die für solche Zulassungen zuständig ist - eine "dreiseitige" Einrichtung, in der die Gewerkschaftsseite meist durch CTM Gewerkschaften vertreten ist) war überraschenderweise durchaus bereit SITESABES zuzulassen.

Erst da stellten sie fest, dass es schon eine Gewerkschaft bei SABES gab, die auch bereits einen Tarifvertrag ausgehandelt hatte. Dass Firmenleitungen kleine Gruppen zusammenholen und die eine Gewerkschaft gründen lassen, ist in Mexico durchaus kein seltener Fall - aber davon hatte noch nie jemand gehört. Dann kam aus dem Nichts noch eine Gewerkschaft der CTM-Lehrerföderation - diese beiden, gemeinsam mit der Geschäftsleitung stellten bei der Kammer den Antrag, den Zulassungsprozess zu stoppen, was die Kammer auch tat, offiziell um eine entsprechende Untersuchung durchzuführen.

Währenddessen wurden zahlreiche Mitglieder und Aktivisten von SITESABES nicht etwa entlassen, sondern ihre Verträge wurden nicht erneuert. SITESABES drängt deshalb auf schnelle Gewerkschaftswahlen - weil sie jetzt noch sicher sein können, die Wahl zu gewinnen, aber wie es nach einer schleichenden "Entlassungswelle" aussehen mag, weiss keiner.


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