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Updated: 18.12.2012 15:51
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Marokko: Dringender Aufruf zur Solidarität ­ Gewerkschafter zu langjähriger Haft verurteilt, Solidaritätskarawane steht bevor

wichtig unten im Text: Was man selbst tun kann"

Insgesamt ein halbes Jahrhundert Gefängnis, 10 Jahre Haft pro Person: So lautet der "Schuldspruch" gegen mehrere Gewerkschafter der Bergwerke von Imini (im südlichen Marokko). Dieses Urteil gegen Gewerkschaftsaktivisten, das in seiner Härte auch im Marokko der jüngeren Periode ungewöhnlich ist, fiel am 14. Januar 2005 in der südmarokkanischen Stadt Ouarzazate (60 Kilometer östlich der Bergbaustadt Imini).

Insgesamt waren 12 Gewerkschafter angeklagt: 5 von ihnen erhielten je zehnjährige Haftstraften, einer eine Gefängnisstrafe auf Bewährung. Und sieben weitere Angeklagte wurden vorläufig frei gesprochen, sie stehen aber der Justiz für eventuelle weitere Ermittlungen "zur Verfügung".

Die Hintergründe

Imini liegt am Südabhang des Hohen Atlas, der Gebirgskette im Zentrum Marokkos. Dort wird vor allem Manganerz abgebaut; Mangan wird als Stahlveredler in der Metallindustrie benötigt. Die dortigen Bergwerke gehören der Aktiengesellschaft SACEM (Société anonyme chérifienne d¹études minières), die zu 42,99 Prozent im Staatsbesitz steht.

Zu Anfang dieses Jahrzehnts drohten eine teilweise Stillegung und ein Arbeitsplatzabbau in den Bergwerken. Infolgedessen konnte die SACEM im Oktober 2002 eine Senkung der Löhne der Bergarbeiter um 50 Prozent (!) durchsetzen, die Erpressung mit der Angst vor Arbeitsplatzverlust funktionierte. Doch unabhängige Gewerkschafter in den Reihen der marokkanischen Gewerkschaftszentrale CDT (Confédération démocratique du travail), deren Spitze mit der in die Regierung eingebundenen "sozialistischen" USFP verbunden ist, blieben aktiv und protestierten gegen diesen gravierenden Einschnitt.

Anderthalb Jahre lang gärten die Konflikte in den Minen. Dann kam es im April 2004 zur Eskalation: Anlässlich eines Besuchs des marokkanischen Königs Mohammed VI. ("M6") hielten Gewerkschafter eine Protestdemonstration ab, was unter der alaoutischen Monarchie als absoluter Affront empfunden wurde. Normalerweise werden Besuche des Monarchen nicht offiziell vorher angekündigt, aber ihr Herannahen ist dennoch von Allen spürbar, da in den letzten Woche vorher plötzlich die Straßen und Plätze gereinigt und die Fassaden der Häuser sauber herausgeputzt werden. Durch die Aufrechterhaltung ihres Protests hatten die Gewerkschafter aus Sicht der Offiziellen eine "rote Linie" überschritten.

Am 15. April 2004 überfiel ein Trupp von circa 120 Streikbrechern, die eigens (durch die Betreibergesellschaft der Minen in Zusammenarbeit mit örtlichen Behörden) rekrutiert worden waren, die ihr Sit-in vor dem Bergwerk fortsetzenden Gewerkschafter. Dafür waren bedürftige Arbeitslose und Tagelöhner rekrutiert worden, die man unter dem Vorwand, sie  an den Drehort eines Films zu bringen, in Busse verfrachtete. Anlässlich des Überfalls auf die protestierenden Gewerkschafter gab es Verletzte, und erwartungsgemäß kam es zu Verhaftungen. Dabei wurde auch einer der unter o.g. Vorwand für das Streikbrecherkommando rekrutierten Männer, der selbst Arbeiter war, unter bis heute völlig ungeklärten Umständen verletzt. Am folgenden Tag verstarb er im Krankenhaus.

Damit hatten die Behörden natürlich einen goldenen Vorwand in der Hand, denn nunmehr konnten sie gar wegen Totschlags bzw. Körperverletzung mit Todesfolge ermitteln. Sie behaupteten, der Betroffene sei durch einen Schlag auf den Kopf gestorben (den ihm natürlich die Gewerkschafter zugefügt hätten), was allerdings durch die Unterlagen des Krankenhauses klar dementiert wird, in denen etwas ganz Anderes steht. Es kam zu einer Reihe mehr oder minder willkürlicher Verhaftungen, und Gewerkschafter verweilten in monatelanger U-Haft.

(Und hier noch ein Link zu einem Artikel über die allgemeinen politischen Hintergründe in Marokko externer Link, das erst jüngst in seiner "Rede zur Lage der Nation" durch US-Präsident George W. Bush als "Modell der Demokratisierung in der Region des erweiterten Mittleren Ostens" präsentiert wurde)

Der Prozess

Am 13. Januar 05 wurde in Ouarzazate der Prozess eröffnet. Der Hauptangeklagte war der frühere Vorsitzende der Bergarbeitergewerkschaft von Imini, namens Mohamed Khouya. Dieser war zum Zeitpunkt der Auseinandersetzungen vor dem Bergwerk gar nicht vor Ort in Imini.

Doch die Gelegenheit war glänzend, um einen missliebigen Aktivisten aus dem Weg zu räumen. Mohamed Khouya war beim Gewerkschaftsbund CDT aktiv, aber auch bei der AMDH (Marokkanische Vereinigung für Menschenrechte) und bei der GSU. Letztere ist die Gauche socialiste unifiée oder Vereinigte sozialistische Linke; dieser nicht-sektiererische Zusammenschluss mehrerer kleiner Linksparteien (vier marxistische Organisationen begründeten ihn) erhielt bei den marokkanischen Parlamentswahlen im September 2002 rund 2,5 Prozent der Stimmen und stellt drei Abgeordnete im Parlament.

Mohamed Khouya führte vom 29. Dezember 2004 bis Mitte Februar dieses Jahres einen circa sechswöchigen Hungerstreik durch, den er schließlich abbrechen musste. In der Zwischenzeit war er, zusammen mit vier Kollegen, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Das Berufungsgericht von Ouarzazate sollte am 21. Februar den Prozess in zweiter Instanz eröffnen. Nach Verhandlungen mit den Angeklagten und ihren Anwälten, die ihre Verteidigung besser vorbereiten wollten, akzeptierte das eine Verschiebung. Die Verhandlung wird nun am 7. März eröffnet, also am kommenden Montag.

Die Solidaritätskampagne

Aus Anlass des Prozesses in zweiter Instanz wird eine "Solidaritätskarawane" nach Ouarzazate stattfinden, für die derzeit in den marokkanischen Großstädten mobilisiert wird. Diese wird am Samstag, 5. März von der Hauptstadt Rabat und der Wirtschaftsmetropole Casablanca aus starten. Am 6. März sollen mehrere Aktionen, darunter eine Großveranstaltung und ein Protest- und Solidaritätsmarsch, in Ouarzazate stattfinden. (Siehe dazu das Dokument unten)

Auch von Frankreich aus haben bereits Solidaritätsaktionen stattgefunden. Insbesondere hat eine Vereinigung ehemaliger marokkanischer Minenarbeiter in der französischen Region Nord-Pas de Calais (dem ehemaligen Bergbaurevier nahe der belgischen Grenze), die AMNN, eine Delegation entsandt. Diese hielt sich vom 9. bis 16. Januar dieses Jahres, also auch während des erstinstanzlichen Prozesses, in Marokko auf. Die AMNN sammelt ebenfalls Unterstützungsunterschriften per Fax (siehe nähere Angaben unten).

Aus Frankreich gibt es ebenfalls eine offizielle Solidaritätserklärung der Gewerkschaft SUD Rail (SUD Schienenverkehr). Auch die CNT sammelt Unterschriften für die angeklagten bzw. eingeknasteten marokkanischen Gewerkschaft. Die Vereinigung maghrebinischer Arbeiter in Frankreich, ATMF, ist ebenfalls in der Solidaritätsarbeit sehr aktiv.

Und jetzt die Dokumente und einige Mailadressen oder Telefon/Fax-Nummer, damit mensch selbst etwas tun kann (!!):


1) Aufruf zur Solidaritätskarawane am 5./6. März, mitsamt Kontaktmöglichkeiten zum Solidaritätskollektiv in Marokko:

NON A LA CRIMINALISATION DE L’ACTION SYNDICALE

Le Comité National et les comités locaux pour le Soutien des Ouvriers des Mines d’IMINI organisent une Caravane de solidarité vers Ouarzazate 5, 6 et 7 Mars 2005

Participation financière par personne pour le transport aller-retour Rabat-Ouarzazate et petit déjeuné, déjeuné et dîné (du dimanche 5 mars) est 350.00DH

Départ de Rabat le samedi 5 mars à 20h, le retour de Ouarzazate le dimanche 6 mars à 20h.

Programme à Ouarzazate :

  • Rassemblement de solidarité et contestataire devant les mines d’IMINI le matin du samedi 6 mars à 10h
  • Rassemblement de solidarité et contestataire devant le Caidat d’Amerzegane le matin du samedi 6 mars à 11h
  • Meeting de solidarité et contestataire suivi d’une marche solidaire et contestataire dans la ville de Ouarzazate  l’après midi du samedi 6 mars à 15h
  • Des représentants des différentes instances et de la presse vont suivre l’audience de la cours d’appelle des 6 détenus qui aura lieu le matin du lundi 7 mars au tribunal de Ouarzazate

Pour participer à la caravane de solidarité vers Ouarzazate, contactez les membres du Comité National ou Local pour le Soutien des Ouvriers des Mines d’IMINI:


2) Angaben zur Vereinigung der ehemaligen marokkanischen Bergarbeiter in der französischen Region Nord-Pas de Calais, die aktive Solidaritätsarbeit betreibt:

Fax: 0033 ­ 3. 27. 98. 14. 76

Adresse: AMMN ­ Association des Mineurs, anciens Mineurs Marocains du Nord/Pas-de-calais et de leur famille
33 rue Casimir Beugnet
(F) 59187 Dechy     
Email: ammn59-62@wanadoo.fr
Tel: 0033 - 327962334 / Fax: 0033 - 327981476


3) Solidaritätskollektiv für, und Angehörige von Mohamed Khouya:

khouya_mhamed@yahoo.fr

Die Familie ist hier zu erreichen (der Bruder sammelt alle Soli-Erklärungen):  Famille Khouya Mhamed
Ouarzazate, Maroc
Téléphone: 00212 - 68963390        


4) Französisches Solidaritätskollektiv:

France:
Monsieur Haji Youssef (Mobiltelefon: 0033 - 6.10.59.40.63)
E-Mail: solidaireavecmineursimini@yahoo.fr


5) Hier lässt sich eine Petition unterzeichnen:

http://www.preavis.org/solidal/article.php3?id_article=15 externer Link


6) Fax-Adressen diverser marokkanischer Behörden, für Protest- und SolidaritätsErklärungen:

  • Gouverneur von Ouarzazate : 00 212 44 88 25 68
  • Justizminister / Ministre de la justice : 00 212 37 72 37 10
  • Innenminister / Ministre de l¹intérieur : 00 212 37 76 74 04
  • Energie- und Bergbauminister / Ministre de l¹énergie et des mines : 0 37 77 95 25
  • Arbeitsminister: Ministre du travail : 0 37 76 92 60
  • Premierminister/ Premier Ministre : 00 212 37 76 86 56

Siehe dazu auch im LabourNet Germany: Minenarbeiter im Kreuzfeuer von Justiz und Gewerkschaft


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