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Updated: 18.12.2012 15:51
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Erneuter Generalstreik - Bilanzversuche

Zum 25. November hatten die grossen Gewerkschaftszentralen zum 4 Stunden-Generalstreik aufgerufen, die meisten kleineren, alternativen Zentralen schon getrennt am 21. Oktober, einen ganzen Tag. Eine Materialsammlung aus fünf Texten zur Beurteilung "Texte zum Generalstreik" - jeweils ins deutsche übersetzt und inhaltlich kommentiert von der Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover, eingegangen am 5. Dezember 2005

Texte zum Generalstreik November 2005

In ihrem Vorwort zur ersten Übersetzung, dem Zeitungsbericht vom 27. November in "La Reppublica" schreiben Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover:

Am vergangenen Freitag (den 25.November 2005) führten die drei großen italienischen Gewerkschaftszentralen CGIL, CISL und UIL den sechsten Generalstreik gegen die Regierung Berlusconi durch. Konkreter Anlass für die allerdings nur 4stündige Aktion war der vorgelegte Staatshaushalt. Positiv war die gute Beteiligung, wenngleich sie weder den, von CGIL-CISL-UIL genannten „80-90%“ noch den 25% entsprach, die das Arbeitsministerium ermittelt haben wollte. (Noch absurder war die Behauptung des Ministers Baccini, ausgerechnet im Öffentlichen Dienst hätten weniger als 15% gestreikt.) Realistisch kann man von einem Wert in der Mitte, also etwa 50% Beteiligung ausgehen, was durchaus gut ist. Problematisch war der dünne und desorientierende Inhalt dieses Streiks und der 60 Demonstrationen, die ihn begleiteten. Im Kern wurde der Streik durch den brennenden Wunsch nach Wiederherstellung der Sozialpartnerschaft und einen Wahlsieg des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi im kommenden Frühjahr motiviert. Eine weitere Schwäche war der rein demonstrative, d.h. wenig zwingende oder gar einschneidende, Charakter der Aktion. Was die Demoteilnehmerzahlen anbelangt, so müssen diese, wie immer mindestens durch den Übertreibungsfaktor 10 geteilt werden, um auf die realen Zahlen zu kommen. Das heißt in Mailand waren maximal 10.000 Demonstranten unterwegs, in Rom maximal 8.000, in Turin nicht mehr als 5.000 und in Palermo höchstens 3.000. Auch das sind allerdings durchaus respektable Werte, wenn man nicht die üblichen Phantasiezahlen zur Grundlage der Bewertung macht.

1.Ein Überblick über den Verlauf des Generalstreiks: "Haushalt: Italien hat die Arbeit niedergelegt" pdf-Datei - ein Bericht von LUISA GRION in der Zeitung "La Reppublica" vom 26. November 2005 mit den wichtigsten Informationen zum Verlauf des Generalstreiks.

2.Der Generalsekretär des grössten Gewerkschaftsverbandes CGIL Guglielmo Epifani begründete in einem Interview im Oktober den Beschluss, einen Generalstreik zu organisieren in dem Interview mit Roberto Mania "Epifani greift Montezemolo an - Seine Position ist kurzsichtig" pdf-Datei , ebenfalls in "La Reppublica" vom 12. Oktober 2005.

3.Ein Statement der Gewerkschaftsopposition in der CGIL, vom "Coordinamento Nazionale RSU", der basisorientierteste und kritischste Teil der CGIL-Linken: "CGIL, CISL und UIL haben beschlossen…vierstündige, territoriale Streiks am 25.November 2005 - Und das soll ein Generalstreik sein???" pdf-Datei

4.Eine Stellungnahme des Generalsekretärs des zweitgrössten Gewerkschaftsbundes Italiens, der CISL Savino Pezzotta "Jetzt ist der Streik unvermeidlich" pdf-Datei im Interview mit Roberto Mania in der Tageszeitung "La Reppublica" am 7. November 2005, in dem es auch um die inneren Differenzen des christdemokratisch ausgerichteten Verbandes geht.

5.Pierpaolo Leonardi, einer der Sprecher der CUB begründete in dem Interview "Basisgewerkschaften – morgen der Streik" pdf-Datei mit FRANCESCO PICCIONI in der Tageszeitung "Il Manifesto" vom 20. Oktober 2005 warum einen eigenen Aufruf zum Generalstreik am 21.10.

Wobei die Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover in ihrem einleitenden Kurzkommentar dazu bemerken:

Die meisten der eigenständigen linken italienischen Basisgewerkschaften beteiligten sich nicht am von den großen Zentralen CGIL-CISL-UIL für den 25.November 2005 ausgerufenen 4stündigen Generalstreik. Sie organisierten am 21.Oktober ihren eigenen, 8stündigen Streik samt zentraler Demonstration in Rom. Ihr Aufruf hob sich wohltuend vom sozialpartnerschaftlichen und nur gegen die Regierung Berlusconi gerichteten Aufruf der drei Großen ab und beinhaltete – im Gegensatz zu den etablierten Organisationen auch die kategorische Ablehnung der zwangsweisen Schaffung privater Rentenfonds, die mit dem Geld der Abfindungszahlungen (TFR) gebildet werden sollen. Die inhaltliche Nähe zu ihren Positionen veranlasste zwar einen Teil der CGIL-Linken (den Coordinamento Nazionale RSU, der faktisch das ‚Labournet Italy’ betreibt) dazu mit Betriebsdelegationen an der Demo in Rom teilzunehmen. Dennoch war die Aktion von CUB, SULT, CNL, Sin Cobas (4.Internationale), CIB-Unicobas, der kleinen anarchosyndikalistischen USI und einem Teil des SLAI Cobas um die Sektion Neapel (die zusammen 35-40.000 Mitglieder zählen) weitestgehend ein Reinfall. Anders als bei früheren von CUB, USI etc. ausgerichteten „Generalstreiks“ machten die Organisatoren diesmal erst gar keine konkrete Angaben zur Zahl der Streikenden, sondern sprachen nur von „einer großen Beteiligung“. Die Zahl der Demonstrationsteilnehmer(innen) in Rom wurde vom CUB-Chef Tiboni mit „80.000“ angegeben (die CUB multipliziert die realen Zahlen in der Regel mit 20-25!), während die sehr wohlwollende linke Tageszeitung „il manifesto“ von „50.000“ sprach (normaler Übertreibungsfaktor hier: 10!). Tatsächlich waren 4.000-5.000 Leute auf der Strasse, was achtbar, aber keineswegs überwältigend ist und Kapitalisten wie Regierung kalt lässt.

Dabei soll nicht vergessen werden, dass die Berlusconi-Regierung (auch über die noch staatliche Eisenbahngesellschaft) im Vorfeld einiges tat, um einen auch nur punktuellen Achtungserfolg beim Streik zu verhindern. So zwangsverpflichtete Verkehrsminister Lunardi – bei Drohung mit saftigen Ordnungsstrafen – die Beschäftigten im Transportsektor zur Arbeit. Ein lange vorher gebuchter Sonderzug nach Rom wurde kurzfristig gekündigt und erst nach starkem Druck im allerletzten Moment zur Verfügung gestellt. Gerade im Transportsektor und in Teilen des öffentlichen Dienstes liegen aber die Schwerpunkte der beteiligten Organisationen und die Dienstverpflichtung der Transportarbeiter löste obendrein 48 Stunden vor der Arbeitsniederlegung das Gerücht aus, der Generalstreik sei insgesamt abgesagt worden.

Von vornherein auf eine Beteiligung an dieser Aktion verzichteten die Confederazione Cobas (6.000 Mitglieder, davon 5.000 im Schulwesen) und der größere Teil des SLAI Cobas (der insgesamt ca. 3.000 Mitglieder zählt) um die Provinzkoordination Mailand. Sie schlossen sich, wie schon in der Vergangenheit, mit eigenem Aufruf und eigenen Demonstrationszügen dem CGIL-CISL-UIL-Generalstreik am 25.November an.


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