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Updated: 18.12.2012 15:51
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SUD, der neue Innere Feind für Präsident Sarkozy

Oder : Streik bei Eisenbahnern mit durchschlagender Wirkung. Und prompt möchte das Regierungslager das Streikrecht gesetzlich beschränken

Dieses Mal, jedenfalls, blieb der Streik nicht unbemerkt, sondern hatte durchschlagende Wirkung: Als vor genau zwei Wochen ein Pariser Bahnhof - die Gare Saint-Lazare - infolge einer Arbeitsniederlegung für mehrere Stunden geschlossen wurde, war (und ist seither) das Geschrei groß. Dabei hatte Sarkozy noch vor einem halben Jahr behauptet, dass es heutzutage „niemanden auffalle, wenn in Frankreich gestreikt wird“ - ein Hohn an die Adresse der Gewerkschaften, der dazu bestimmt war, seinen Truppen von der UMP Vertrauen in die „Reformierbarkeit“ Frankreichs einzuflößen. Jetzt zappeln dieselben Truppen herum und machen Ärger, weil es mit dem Versprechen nicht so ganz hinhaute. Beleidigte Konservative möchte nun sofort wieder am gesetzlichen Streikrecht herumschrauben. Unterdessen kündigen sich die Ausstände am morgigen Streik- und Aktionstag vom Donnerstag, 29. Januar - es geht darum, dass die Lohnabhängigen nicht die Kosten der Krise des Kapitals zahlen müssen - riesig an. „Man wird den Streik von morgen bemerken“ kündigte der Fraktionsvorsitzende der UMP in der Nationalversammlung - dem Unterhaus des französischen Parlaments -, Jean-François Copé, gestern an, um zu unterstreichen, wie aufmerksam er sei: „Ich höre viele Sorgen sich ausdrücken. Selbstverständlich gibt es Leute, die zornig sind, weil sie der Auffassung sind, ihre Kaufkraft müsse weiter steigen.“ (Vgl. Artikel externer Link)...

Es war vor nur sechs Monaten, am o5. Juli 2008, dass Präsident Nicolas Sarkozy über die Ausübung des Streikrechts in Frankreich spottete und höhnte. Anlässlich einer Tagung der konservativ-wirtschaftsliberalen Regierungspartei zum Thema „Europa“ hatte er an jenem Samstag ausgeführt, Frankreich ändere sich - den neoliberalen „Reformen“ sei Dank - „viel schneller und viel tiefgreifender, als man es sieht“, gemeint war: als es einem bei oberflächlicher Betrachtung auffällt. Um diese Vorstellung zu illustrieren, fügte er hinzu: „Nunmehr fällt es keinem auf, wenn es einen Streik in Frankreich gibt“. Dadurch hatte er den Gewerkschaften dadurch quasi den Fehdehandschuh hingeworfen - den ihre Führungen freilich zunächst nicht aufgriffen. Allerdings hatte der rechtssozialdemokratische Politiker Julien Dray (ehemaliger Sprecher seiner Partei und Anhänger der früheren Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal) auf Sarkozy erwidert: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten!"(Vgl. ‚Libération' vom o7. o7. 2008)

Nicht witzig fanden Nicolas Sarkozy und seine Getreuen (allerdings, aus völlig anderen Gründen und bezogen auf die Auswirkungen, auch eine Reihe von Fahrgästen) den Streik am Pariser Saint Lazare-Bahnhof und seine durchschlagende Wirkung. Dabei gilt es in Wirklichkeit zwei unterschiedliche Ebenen zu unterscheiden: den damals seit vier Wochen anhaltenden Streik einerseits, die spontane Arbeitsniederlegung vom 13. Januar auf der anderen Seite.

Seit dem 14. Dezember fand - erstes - auf dem Nahverkehrsnetz, in dessen Zentrum die Gare Saint-Lazaire steht (und das bis in die weit außerhalb liegenden Vorstädte Cergy-Pontoise im Nordwesten, Mantes-la-Jolie im Westen und Marne-la-Vallée im Südosten reicht), ein Arbeitskampf statt. Vier Gewerkschaften, unter ihnen die linke Basisgewerkschaft SUD-Rail, die CGT, die populistisch schillernde Gewerkschaft FO und die berufsständische Lokführergewerkschaft FGAAC, riefen zusammen zum Streik auf und forderten zusätzliche Einstellungen von Personal. Im Hintergrund standen Pläne der Region Ile-de-France (die Region rund um die französische Hauptstadt), den katastrophalen Zuständen auf diesem Schienennetz wenigstens ein wenig Linderung zu verschaffen - durch den Einsatz zusätzlicher Züge und Reparaturarbeiten an der desolaten Infrastruktur. Allerdings war dieses Verbesserungsprogramm, das auch dringend notwendig war - wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, regelmäßig am Abend den Zug von Cergy-Pontoise nach Paris nutzen muss, kann von den chronischen Verspätungen auf der Linie ein Liedchen singen - laut Auffassung der Gewerkschaften nicht von ausreichend Neueinstellungen begleitet: Der zusätzliche Aufwand würde, in Gestalt von Mehrarbeit bei gleich bleibendem Lohn, auf die abhängig Beschäftigten abgewälzt. Ursächlich dafür war, hauptsächlich, die knappe Finanzlage des öffentlichen Transports im Nahverkehr rund um Paris: Die Region und der Zentralstaat müssen sich gemeinsam auf dessen Finanzierung einigen. Der Zentralstaat aber steuert seit Jahren nur, angesichts des wachsenden Beförderungsaufkommens, unzureichende finanzielle Mittel bei. Dafür könnte es sogar einen „absichtlichen“ Grund geben: Da im kommenden Jahr, im März 2010, die nächsten Regionalparlamentswahlen anstehen, ist der (durch die UMP geführten) Zentralregierung in Paris nicht unbedingt daran gelegen, vorzuführen, dass der Personentransport im Großraum Paris prima funktioniert. Denn gar zu gern möchte die aktuelle „rosa-rot-grüne“ Mehrheit im Regionalparlament zugunsten der eigenen Parteifreunde von der UMP kippen. Insofern ist ein gewisses Maß an politisch bedingter „Sabotage“ durchaus nicht auszuschließen - fraglich ist nur, wen die Wahlbevölkerung letztlich für den zum Teil wirklich schlechten Zustand des regionalen Transportnetzes verantwortlich macht. Im Kalkül der Zentralregierung hätte dafür die Regionalregierung gerade zu stehen, da das Regionalparlament für den Schienenverkehr in der Ile-de-France zuständig ist. Ob die Rechnung ggf. aufgeht, bliebe abzuwarten.

Dieser Streik hatte zunächst einen relativen Erfolg: In den Tagen rund um Weihnachten kündigten die regionale Transportgesellschaft STIF und die französische Eisenbahngesellschaft SNCF die Einstellung zusätzlichen Personals für das Verkehrsnetz rund um die Gare Saint-Lazare an. Nicht genügend, meinte die Mehrheit der am Arbeitskampf beteiligten Gewerkschaften. Ausreichend jedoch aus Sicht der CGT, die ihre Beteiligung am Streik daraufhin einstellte und zwischen Weihnachten und Neujahr zur Wiederaufnahme der Arbeit aufrief. Doch an der Gare Saint-Lazaire ist (anders als im nationalen Durchschnitt) die CGT nicht die stärkste Gewerkschaft, sondern SUD-Rail, die dort rund 30 Prozent der Stimmen bei Personalratswahlen erhält.

Daraufhin trat am 13. Januar ein zweites Ereignis ein: Infolge eines körperlichen Angriffs auf einen Lokführer in einem RER (ungefähre Entsprechung zur deutschen S-Bahn) an der Station Maisons-Alfort - nordwestlich von Paris - legten rund 200 Fahrer/innen spontan ihre Arbeit nieder. Allerdings handelt es sich dabei NICHT um eine Ausübung des Streikrechts im verfassungsmäßig und gesetzlich geregelten Sinne. Vielmehr machten diese abhängig Beschäftigten von ihrem gesetzlich garantierten Recht auf Arbeitsniederlegung zwecks „Rückzug aus einer gefährlichen Situation“ - im Falle, wo ansonsten Selbstgefährdung bestünde - Gebrauch. Dies führt des öfter in Métro- und Nahverkehrszügen zu Arbeitsniederlegungen, wenn Busfahrer oder Lokführer attackiert worden sind. (Schon im Herbst 1998 gab es einen massiven Streik der Gewerkschaften im Pariser Regionalverkehr, um zu erzwingen, dass durch Einstellung zusätzlichen Personals dafür gesorgt wird, dass kein/e Angestellte/r in der Lok alleine fahren muss, sondern immer mindestens ein/e zweiter/r Kollege oder Kollege mitfährt. Durch die knappe Personalsituation ist dies aber heute nicht gewährleistet.) Infolge der Attacke auf den Fahrer wurden später drei Jugendliche, die sich zum fraglichen Zeitpunkt in angetrunkenem Zustand befanden, festgenommen. Ungefähr zeitgleich kam es im übrigen zu ähnlichen Ereignissen auch im öffentlichen Nahverkehr in Marseille (wo zwei Buslinien deshalb ausfielen), und im ostfranzösischen Besançon.

Diese Arbeitsniederlegung, zu der die abhängig Beschäftigten gesetzlich berechtigt sind, darf spontan erfolgen. Hingegen müssen Streiks (im engeren Sinne) fünf Tage zuvor angemeldet werden - seit einer Verordnung von 1963, die infolge eines damals ebenfalls durchschlagende Wirkung habenden Transportstreiks verabschiedet wurde.

Infolge der solcherart unangemeldeten, kollektiven Arbeitsniederlegung vom 13. Januar kam es zu massiven Verspätungen auf dem Verkehrsnetz rund um die Gare Saint-Lazare. Die Direktion beschloss, den Bahnhof für vier Stunden komplett zu schließen. Laut offizieller Begründung, um zu vermeiden, dass die Leute dort sonst totgetreten werden - möglicherweise aber auch, um durch das starke Symbol des Dichtmachens des ganzen Bahnhofs die Leute noch zusätzlich gegen die Gewerkschaften aufzubringen. Unter dem Publikum kam es jedenfalls zu Unmut, da die Fahrgäste der Bahn und ihren Beschäftigten zum Teil den Vorwurf adressierten: „Ihr habt uns am Vormittag nach Paris hineinfahren lassen, und am Abend befördert Ihr uns nicht zurück, so dass wir in der Falle sitzen!“ Besonders stark war die Empörung unter jenen Fahrgästen, die - von außerhalb kommend - frisch an dem Pariser Sackbahnhof von Saint-Lazaire eintrafen und dort von einem starken Polizeiaufgebot auf den Bahngeleisen empfangen wurden: Die Leitung hatte die Polizei herbeigerufen, um die Leute aus dem Bahnhof zu drängen, damit dieser überhaupt geschlossen werden konnte. Dafür - für diese Entscheidung und folglich die massive Polizeipräsenz - war unterdessen die Direktion, und keine der Gewerkschaften, verantwortlich.

Der schon Wochen zuvor begonnene Arbeitskampf der Gewerkschaften stand nicht unmittelbar in Zusammenhang mit der spontanen Arbeitsniederlegung „aufgrund einer Gefährdungssituation“ von jenem Dienstag, 13. Januar. Die linke Gewerkschaft SUD-Rail freilich knüpfte in ihren Stellungnahmen einen Zusammenhang zwischen beiden, indem sie die Lage (laut ‚Libération’ vom 14. Januar o9) so darstellte, dass der körperliche Angriff auf den Lokführer ein Ergebnis „der durch die Direktion gegen die streikenden Bahnmitarbeiter aufgeheizten Stimmung“ unter manchen Fahrgästen sei. (Angeblich hatten, laut Gerüchten - die vielleicht auf Augenzeugenberichten beruhen, möglicherweise aber auch nicht - die jugendlichen Angreifer „Du streikende Sau“ gerufen. Dies lässt sich aber weder überprüfen noch definitiv entkräften.) Ob es diesen Zusammenhang so wirklich gegeben hat, muss dahingestellt bleiben.

Unterdessen steht fest, dass die durchschlagende Auswirkung der Arbeitsniederlegung vom 13. Januar die SNCF-Direktion alsbald dazu bewegte, ihrerseits den Forderungen des Streiks nachzugeben: Sie unterzeichnete daraufhin ein Abkommen mit den Gewerkschaften, worin sie Letzteren die geforderten Neueinstellungen von Personal tatsächlich zubilligt. Zusätzlich „gewährte“ sie noch die Erhöhung der ständigen Polizeipräsenz innerhalb des Bahnhofs von Saint-Lazaire. (Die Gewerkschaften sprachen sich nicht explizit dagegen aus, ihre Forderungen betreffend „Sicherheit der Angestellten“ zielten freilich weitaus auf eine Verstärkung des in den Zügen mitfahrenden Personals denn auf eine Erhöhung der Anzahl der im Bahnhof stationierten Polizisten. Zumal Letztere ja nur den Endbahnhof mehr oder minder permanent „schützen“ können, in den anderen durchfahrenen Bahnhöfen aber keine Dauerpräsenz zeigen. Der körperliche Angriff auf den Lokführer vom 13. Januar erfolgte jedoch bei einem Halt in einem Vorstadtbahnhof, nicht innerhalb der Gare Saint-Lazare als Start- und Zielbahnhof.)

Sarkozy stocksauer

Präsident Nicolas Sarkozy war unterdessen sauer. Er mochte unterdessen die „Schmach“ nicht auf sich sitzen lassen - zumal das Ereignis nach allgemein in den Medien vertretener Auffassung die Lücken seines im Sommer 2007 verabschiedeten Gesetzes zur Einführung eines ‚Service minimum’ (Notbelegschaft oder garantierte Mindestbelegschaft im Streikfalle, besonders in den Transportgesellschaften, inzwischen zunehmend auch im Schulwesen) aufzeigte. Denn Letzteres erwies sich als ungeeignet, einen Streik und seine Auswirkungen zu verhindern, gehe es nun um die Streikfolgen vom 14. Dezember bis zum „Tag X“ am 13. Januar oder um die Arbeitsniederlegung an jenem „Tag X“ selbst. Was Letzteres betrifft, so kann eine Einschränkung des Streikrechts durch die Verpflichtung zur Wahrung eines ‚Service minimum’ ohnehin nicht verhindern, dass die Beschäftigten je individuell von ihrem gesetzlich garantierten Recht auf „Rückzug aus einer gefährlichen Situation“ Gebrauch machen. Und was die Nutzung des Streikrechts betrifft, so lässt das Gesetz über den ‚Service minimum’ beispielsweise Arbeitskämpfe von einer Dauer unterhalb einer Stunde ohne besondere Regulierung, wie sie längere Arbeitskämpfe (durch die Pflichten zur vorherigen Anmeldung der Streik- oder Arbeitswilligkeit, zwecks Eintragung in die Listen der „Notbelegschaft“) betreffen. Doch die Streikbewegung im Bahnhof Saint-Lazare nutzte genau diese „Lücke“, indem man die Arbeitsniederlegungen von 59minütiger Dauer - also knapp unterhalb des „Schwellenwerts“- vervielfachte.

Anlässlich einer Betriebsbesichtigung in Ostfrankreich am übernächsten Tag (15. Januar) spuckte Präsident Sarkozy daraufhin scharfe Töne. Den versammelten Repräsentanten der etablierten Gewerkschaften im dortigen Comité d’établissement (ungefähre Entsprechung zum deutschen Betriebsrat) erklärte er, sie als Zeugen für seine „Enthüllung“ zur Seite nehmend: „Sehen Sie, was SUD im Bahnhof Saint-Lazaire gemacht hat, das ist unverantwortlich.“ Und vor den laufenden Kameras posaunte Sarkozy hinaus: „Das Geesetz gilt für Alle, auch für SUD!“ Um daraufhin anzukündigen, falls das Gesetz über den ‚Service minimum’ sich als unzureichend erweise, „dann ändern wir es“.

Gleichzeitig häuften sich die aufbauschenden bis aggressiven Artikel in der (bürgerlichen) Presse. So schlagzeilte die konservative Tageszeitung ‚Le Figaro’ auf ihrer Titelseite vom Donnerstag, 15. Januar: „Untersuchung: Wie SUD-Rail die (Bahngesellschaft) SNCF destabilisiert.“ Und ein Artikel im konservativ-liberalen Wochenmagazin ‚L’Express’ über den Sprecher der linksalternativen Eisenbahnergewerkschaft war übertitelt mit: „Christian Mahieux, der Krieger der Schiene“ (sic), (vgl. Artikel externer Link). Auch diebürgerliche Sonntagszeitung ‚JDD’ widmete den SUD-Gewerkschaften in ihrer Ausgabe vom 18. Januar o9 eine volle Seite unter der Überschrift: ‚SUD, le nouvel ennemi public“ (ungefähr: „SUD, der neue Staatsfeind“), selbst wenn der Ton ansonsten - mit Ausnahme des Titels - eher relativ sachlich blieb. Unterdessen übertitelte die thatcheristische Kleinpartei ‚Alternative Libérale’ eine Presseaussendung vom 25. Januar mit den Worten: „SUD Rail schaufelt das Grab der (Bahngesellschaft) SNCF.“

Weitere Einschränkung des Streikrechts in der Diskussion

Die Debatte um letztgenannten, von Sarkozy angeschnittenen Punkt (den einer eventuellen Änderung der Gesetzgebung zum Streikrecht) hat sich nun in den letzten Tagen nochmals zugespitzt. Allerdings ist damit zu rechnen, dass erst einmal Testballons hoch gelassen werden, um die Reaktionen auszutesten - dass also bisher noch nicht alle Vorstöße für bare Münze zu nehmen sind, respektive dass besonders reaktionäre Scharfmacher vorgelassen werden, um im Hintergrund dann auf den ersten Blick „softer“ wirkende Projekte vorzubereiten.

Am vergangenen Sonntag (25. Januar o9) berichtete die Wochenendzeitung ‚JDD’ so über einen Gesetzesvorschlag, den 53 Abgeordnete der Regierungspartei UMP unterzeichnet hätten, der aber nicht von der Fraktionsspitze kommt. Unter den Antragstellern finden sich die reaktionärsten Parlamentarier wie etwa Christian Vanneste aus dem Département Nord, einen u.a. wegen homophober Äußerungen gerichtlich verurteilten und durch Kolonialismus-Apologie hervorgetretenen Politikern. Ihre Eingabe fordert, dass künftig im Namen einer Einhaltung des ‚Service minimum’ auch Dienstverpflichtungen - unter Strafandrohung - von streikwilligen Beschäftigten gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen vorgenommen werden dürfen. (vgl. Artikel externer Link). Einstweilen fordern sie dies noch unter dem Vorbehalt, dass „das Recht auf Freizügigkeit (durch Transportstreiks) auf unzumutbare Weise und für längere Dauer beeinträchtigt“ werde. Nur vermag man sich lebhaft auszumalen, welche Mittel erforderlich wären, um eine solche Idee auch in die Wirklichkeit umzusetzen: massiven Einsatz von Polizei? Oder eher jenen der Armee?

Nicht ganz so durchgeknallt-scharfmacherisch daher kommt ein Vorschlag des UMP-Abgeordneten Frédéric Lefevbre, der als eine Art „rechter Arm“ Nicolas Sarkozys gilt und wiederholt als dessen parlamentarisches Sprachrohr auftrat. Ihm dürften deshalb vielleicht auch größere Realisierungschancen zukommen. „Ähnlich wie bei Abgeordneten und Politikern“, die bei Verfehlungen (etwa Verstößen gegen das Wahlrecht) auch finanziell belangt werden können, sollten - fordert er -in Fällen von „Missbrauch des Streikrechts“ auch gewerkschaftliche Verantwortliche finanziell zur Kasse gebeten werden können. Auch solle gewerkschaftlichen Funktionsträgern - ähnlich wie Politikern im Falle von Gesetzesverstößen das passive Wahlrecht für einen bestimmten Zeitraum aberkannt werden kann - für eine Zeitspanne die Fähigkeit, ein gewerkschaftliches Amt zu bekleiden, aberkannt werden können. Über diesen Vorstoß berichteten die französischen Medien am gestrigen 26. Januar. (Vgl. Artikel externer Link)

Ausblick auf den morgigen Donnerstag

Nichtsdestotrotz wird der morgige Streik- und Aktionstag, zu dem alle bedeutenden Gewerkschaften aufrufen, riesig werden. In 77 Städten sind Arbeitskämpfe in den örtlichen Verkehrsbetrieben angekündigt. Die Gesamtzahl der Aufrufe zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen übersteigt, laut gewerkschaftlichen Angaben, jene zu Anfang der Bewegung gegen den „Ersteinstellungsvertrag“ (CPE) im Februar/März/April 2006. Und sogar der ausgesprochen „moderate“ Anführer des rechtssozialdemokratischen Gewerkschaftsdachverbands CFDT, François Chérèque, verkündet am heutigen Morgen in einem Gespräch mit der Gratis-Tageszeitung ‚Direct Matin’, falls die Regierung auf die Forderungen nicht reagiere, so müsse ein neuer Aktionstermin anberaumt werden. Auch wenn er persönlich „kein Freund eines Streiks jede Woche“ sei.

Bernard Schmid, Paris, 28.01.2009


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