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Updated: 18.12.2012 15:51
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Vom Bossnapping zur Bummdrohung: Explosive Konsequenzen

Erst das Bossnapping, jetzt die Bummdrohungen: Frankreichs Lohnabhängige machen, nachdem im Laufe des Frühjahrs Werksdirektoren oder Manager in einem Dutzend Fällen für einige Stunden festgehalten wurden, erneut durch spektakuläre Aktionsformen von sich reden. Dass es dazu kam, hat auch damit zu tun, dass Gewerkschaften oder Beschäftigtenvertreter in den betreffenden Betrieben keinen Hebel hatten, um sich anders Gehör zu verschaffen. Mitunter hängen sie sich an die militanten Proteste mit dran - oder benutzen den Verweis auf sie, um über verbesserte Verhandlungsbedingungen zu verfügen: "Ich habe es immer schwerer, meine Leute festzuhalten" und von explosiven Aktionen abzubringen, zitiert Le Parisien vom Montag einen CGT-Vertrauensmann (Guy Eyermann) in der "umkämpften" Firma New Fabris. (Vgl. i.Ü. auch das Interview, das Dorothea Hahn mit ihm führte, in der taz vom Dienstag externer Link) Andernorts hingegen werden die Gewerkschaften völlig von militanten Beschäftigten überrollt.

Jene Firmen, in denen jetzt explosive Konsequenzen für den Fall des Ausbleibens von Abfindungszahlungen - bei kollektiven Entlassungen - angedroht wurden, hatten alle drei Bankrott angemeldet. Oft hatten diese Unternehmen zuvor als wirtschaftlich abhängige Zulieferer von Großkonzernen gedient: Ihnen geht es nun zuerst an den Kragen, sie dienen als "Puffer", um das Stammpersonal vorläufig scheinbar ungeschoren zu lassen. Das Management in diesen Sub- oder Zuliefererfirmen haftbar oder auch durch Bossnapping unmittelbar dingfest zu machen, bringt insofern nichts, als es auch keinen Einfluss mehr hat, wenn die Firma bereits pleite ist. Deshalb ging es hier darum, durch auch nach außen hin gerichtete, spektakuläre Ankündigungen die Aufmerksamkeit von Firmenzentralen - bei den Auftraggebern -, Öffentlichkeit und Politik zwangsläufig auf sich zu ziehen. Allerdings hat die Sache einen Haken: Beruht das Bossnapping auf einer realen Aktion, so handelt es sich hier um eine zunächst virtuell bleibende Drohung. Wird sie nicht umgesetzt, dann nutzt sie sich schnell ab.

Spektakulär zugespitzte Konfliktformen in Einzelbetrieben sind derzeit auch darauf zurückzuführen, dass auf landesweiter Ebene die großen Gewerkschaftsverbände eine ausgesprochen defensive Politik führen. Auf den Aufbau eines realen sozialen Kräfteverhältnisses haben sie weitgehend verzichtet. Ende Januar und Mitte März nahmen jeweils über zwei Millionen Menschen an gewerkschaftlichen Demonstrationen teil. Aber die Dachverbände verschleuderten das Mobilisierungspotenzial, das offenkundig vorhanden war, - und frustrierten einen Teil ihrer Basis, indem sie es bei folgenlos "Spaziergang"demonstrationen alle sechs Wochen und ohne Streikaufruf beließen. Einer der Gründe dafür ist darin zu suchen, dass die rechtliche Vertretungsmacht oder Tariffähigkeit der Gewerkschaften derzeit, infolge einer Gesetzesänderung vom August 2008, reformiert wird - zugunsten der beiden größten Dachverbände CGT und CFDT. Die regierende Rechte hat die Notwendigkeit erkannt, nach dem Ende des Kalten Krieges die nun "postkommunistische" CGT einzubinden, um betriebliche Entscheidungen weitaus besser zu legitimieren. Dafür "opfert" sie nun die kleineren, christlichen und "gelben" Gewerkschaften, die Jahrzehnte hindurch künstlich vom Gesetzgeber als Tarifpartner anerkannt aufgebaut worden waren. Im Gegenzug ist die CGT jedenfalls an ihrer Spitze nur allzu bald bereit, sich "vernünftig" zu zeigen.

Frankreichs Gewerkschaftsverbände schlagen damit mehrheitlich einen Weg ein, der dem der deutschen ähnelt: Eingebundene und wohl integrierte Interessenverbände stehen sich in einem ritualisierten Kräftespiel gegenüber, bei dem nicht - oder nur als ultima ratio - soziale Mobilisierung an der Basis und in der Gesellschaft entscheidend wirken. Sondern der argumentative Schlagabtausch der Tarifexperten beider Seiten, untereinander, am grünen Tisch und nach eingefahrenen Mustern. Solche Stellvertreterpolitik, bei der die Basis passiv bleibt, funktioniert in Frankreich aus historischen Gründen bislang nicht so gut wie in Deutschland. An der Basis brodelt es westlich des Rheins teilweise umso heftiger.

Ausführliche und leicht überarbeitete Fassung eines Kommentars von Bernard Schmid, der am heutigen Mittwoch [22.7.09] (redaktionell leicht gekürzt) in der taz erschienen ist


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