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Updated: 18.12.2012 15:51
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Interview mit dem CNT-Gewerkschaftssekretär von Mercadona

Seit 100 Tagen streiken eine inzwischen abnehmende Zahl (oft lateinamerikanischer) KollegInnen einer Niederlassung der Handelskette Mercadona bei Barcelona, vor allem für die Wiedereinstellung gefeuerter AktivistInnen. Das Interview "100 Tage Streik bei Mercadona" der FAU mit Jose Uribe, Sekretär der Betriebsgruppe der CNT.

100 Tage Streik bei Mercadona

Unsere Kollegen bei Mercadona in Barcelona befinden sich seit über 100 Tagen im unbefristeten Streik

Interview mit Jose Uribe, Sekretär der Betriebsgruppe der CNT

Was sind die Gründe für diesen Streik?

Die Hauptziele sind die Wiedereinstellung verschiedener Kollegen, welche von Mercadona gefeuert wurden sowie das Zurückziehen diverser Sanktionen - von welchen ich ebenfalls betroffen bin - im Sinne von Lohnzurückhaltung von mehreren Tagen. Der Konzern hat über unsere Gewerkschaftsaktivitäten Informationen erhalten und auf diese Weise reagiert. Nichtsdestotrotz war dies der Tropfen, welcher das Fass zum Überlauf brachte, und dies heißt, dass dies nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Anlass zum Beginn des Streiks war. Wir haben unsere Aktivitäten schon lange vor der Entlassung unserer Kollegen begonnen. Wir kämpften gegen das tägliche Drangsalieren der Belegschaft bei Mercadona. Wir verlangten Sicherheits- und Hygienestandards, weil wir jeden Tag mit einer Menge Ware hantieren.

Ein einzelner streikender Arbeiter kann bis zu zwei Tonnen Ware bei Mercadona umschlagen - daher benötigen wir Arbeitssicherheit und Hygiene. Wir haben keine - wir haben noch nicht einmal eine Zulassung für Lebensmittel. Innerhalb dieser Bedingungen kann mensch schnell tödlich verunglücken. Wir verlangten eine bezahlte Mittagspause von einer halben Stunde. Mercadona bezahlt keine Pausen - nicht einmal Mittagspausen (dies wurde mit der Gewerkschaft UGT vereinbart).

Wie zeigt sich die Einstellung des Konzerns?

Bevor der Streik überhaupt losging, brachten sie einen Bus voll mit Streikbrechern in Stellung - und haben dies seitdem fortgesetzt. In den ersten Tagen gab es viele Arbeiter, welche den Streik unterstützten - sehr bald waren es nur noch 20 - wie heute. Aber die Streikbrecher arbeiten weiter, etwa an die 100. Demgegenüber hat Mercadona die Arbeitslast vermindert, denn wenn sie wieder auf den früheren Stand steigen würde, würden die Arbeiter wieder in den Streik eintreten. Wie auch immer, werden sogar die Streikbrecher von Mercadona ausgebeutet, denn der Streik dauert lang und es ist für Mercadona teuer, die Streikbrecher in 4-Sterne-Hotels unterzubringen, ihnen ihre Mietwagen und den "Streikbrecherzuschlag" zu zahlen. Dabei sind diese Streikbrecher faul und hätten unsere bisherige Arbeitslast nicht einen Monat durchgehalten. Mercadona heuert noch weitere Streikbrecher sowie auch "reguläres" Personal an. Die Einstellung Mercadonas ist eine aus Repression, Angst und Drangsalierung. Sie haben versucht, uns zu bestechen und zu erpressen - Anspielungungen auf die Abschiebung (meist lateinamerikanischer) Streikender und andere solche Taktiken. Vor einigen Tagen erschienen zwei (falsche) Polizisten vor meinem Haus. Bei mir war meine Frau und meine Tochter, als sie sagten, sie wollten mich kurz sprechen. Sie wussten, dass ich ein Gewerkschaftssprecher bin, und drohten mir mit Abschiebung und "schweren und unbekannten Konsequenzen".

Wie kommt es, dass ihr im Anfang so viele wart und jetzt so wenige seid?

Druck ist der Hauptgrund. Wir glauben, dass Mercadona sogar Psychologen mitgebracht hat, um uns Arbeiter zu überreden, den Streik zu beenden. Den ersten Tag des Streiks begann eine Sicherheitsfirma, alles zu bewachen, selbst die Busse, welche zu Mercadona fahren, führen Sicherheitspersonal mit. Sie brachten ebenfalls Leute, welche jede Art von Drangsalierung nutzen, um die Teilnahme am Streik zu verhindern. In dieser Atmosphäre hat sich unsere Zahl vermindert. Trotzdem - wir Streikenden sind nicht länger wegen unserer geringen Zahl traumatisiert, denn wären wir 200 Streikende, würde Mercadona 200 weiter Streikbrecher heran holen. In der Zeit, nachdem wir Klagen einreichen und diese beschieden werden - sogar schwerwiegende Klagen - verlängerte sich der Streik für viele Wochen und für viele Arbeiter bedeutete dies: kein Einkommen. Wir wollen keine Unterstützung für Streikende, welche nicht voll hinter den Zielen des Streiks stehen, wir wollen den Streik mit dem Herzen leben - sonst ist es besser, wieder an die Arbeit zu gehen.

Habt ihr alles juristisch mögliche gegen die Streikbrecher getan?

Ja versuchen wir, aber Mercadona erlaubt nicht dem Streikkomitee, den Arbeitsbereich zu betreten. Wir führen alle Arten von Prozessen durch. Welche Art der Unterstützung hast du bis jetzt empfangen? Abgesehen von den Gewerkschaften, die mit der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) verbunden sind, haben wir Unterstützung von gefeuerten Arbeitern des SEAT (Automobilkonzern) empfangen. Vor Kurzem wurden wir von ihnen zu einer ihrer Versammlungen eingeladen. Auch von einigen kleinen links-gerichteten Kollektiven, die interessiert waren, Fragen an uns zu stellen und uns für ihre Publikationen zu interviewen. Das ist es in etwa. Wir haben auch Unterstützung von den Anarchistischen Verbindungen und den Kollektiven in Barcelona empfangen. Und wie in allen Streiks, von vielen Leuten in Barcelona, welche unseren Streik beobachteten. Wir haben Unterstützung nicht von anderen Gewerkschaften empfangen-- selbstverständlich nicht die CC.OO und UGT Gewerkschaften-- wir wünschen nichts mit ihnen zu tun zu haben-- sie sind ein Bündel Ausbeuter und sie kennen sich in Einwanderer-Ausnutzung aus. Die UGT ist im Barcelona Mercadona Konzern- Ausschuss, und sagte im Verfahren unserer 2 gefeuerten Mitarbeiter gegen diese aus. Da viele von uns aus Lateinamerika kommen, in dem wir harte Sozialkonflikte erfahren haben; mit Kriegen usw., war das Erste, als wir nach Barcelona kamen, dass wir uns jenen zwei weit bekannten geschäftsfreundlichen Gewerkschaften anschlossen. Glücklicherweise sind wir in der Lage gewesen, ein bestimmtes Niveau der Organisation unter uns selbst beizubehalten, und das ist, was es uns ermöglichte, gegen Mercadona loszuschlagen-- weil, wenn es nach der UGT und der CCOO ginge, würden wir jetzt alle gefeuert. CCOO denkt nur über die Gewerkschaftswahlen nach-- und keiner von uns wünscht das. Hier glauben wir, dass wir alle verantwortlich sind.-- Hier sind keine Führer-- wir müssen alles in den Versammlungen bearbeiten und entscheiden.

Erwartest du gute Resultate vom Gesetz, betreffend den Entlassungen, Sanktionen Streikbrechern usw.?

Nein. Die Generalität (lokale Regierung) ist gegen uns. Sie wünschen nicht, dass wir streiken, und ohne irgendwelche Argumente zu bieten, erklärten sie alle Streiks für illegal. Sie haben angeordnet wir sollen uns auf dem Bürgersteig aufhalten, und wir verloren den Einspruch, als wir versuchten, gegen die Anordnung in Berufung zu gehen.

Es scheint, wir hätten das Recht zum Streik nicht. Sie können ihn für illegal erklären ohne ein Argument. Dieses Verhalten der Generalität bringt uns dazu, die Angelegenheit zum Verfassungsgericht zu nehmen-- welches möglicherweise eines Tages diese Parteien an ihre Verachtung für Leute erinnert-- aber das Verfahren am Verfassungsgericht würde Jahre dauern.

Wegen der Entlassungen haben wir auch keine Hoffnung. Sie werden als zulässig erklärt werden und wir müssen der höheren Instanz vertrauen-- dort haben wir Hoffnungen; aber im Augenblick werden wir mit direkter Aktion gewinnen, indem wir streiken. Wir sehen, wie Wirtschaftsmacht aus allen Ecken kommt-- unsere Streiks sind als illegal erklärt und die Gerichtsentscheidungen sind sehr anormal. Auch die Guardia Civil, welche höflich ist, schützt Mercadona, wenn es Streikposten gibt-- und dort erlauben viele Kräfte nicht dem Streikkomitee, das Firmengelände zu betreten. Wenn du versuchst, mit ihnen zu diskutieren, ist die beste Sache, die geschehen kann, dass sie dich davonschubsen. Die von uns, die streiken, wissen, dass die einzige Sache, auf die wir zählen können, unsere eigene Arbeit und die Solidarität von Gewerkschaften oder anderer Organisationen und Menschen ist.

Wie siehst du die Zukunft dieses Kampfes?

Während des Streiks scheint er immer grimmig. Wir haben mit anderen Mitarbeitern der CNT beraten, welche durch andere lange Streiks (wie den Kran oder die Tomares Streiks) lebten und die Wahrheit ist, dass während sie streikten, sie nie das Licht am Ende des Tunnels sahen. Wie es auf der Hand liegt, möchte die Wirtschaft nicht einen Zoll nachgeben-- aber Zeit und Ausdauer gibt uns die Hoffnung, das wir eines Tages gewinnen.

Möchtest du irgend etwas anfügen?

Ich möchte Dir im Namen aller danken, die im Streik sind, und alle zum Widerstand rufen, die gegen Kapitalismus kämpfen. Du musst wissen, dass dieser Konzern, Mercadona ein Ausbeuter ist, genau wie Corte Ingles oder jeder andere Grossbetrieb mit ihrer weithin bekannten Anti-Gewerkschafts, Anti-Menschen Politik. Dieses ist die Frontseite gegen Kapitalismus-- du musst zur Frontseite kommen und streikende Arbeiter unterstützen-- du musst ihren Kampf zu deinem Kampf machen; ihren Streik zu deinem Streik. Du musst in Betracht ziehen, dass es nichts auf deiner Seite, ausgenommen Solidarität der Menschen, gibt. Alles sonst ist gegen uns: Politiker, Lokal- und Bundesregierungen, die Polizei, die Wirtschaft, Gewerkschaften und die Massenmedien. Wir müssen uns in der Solidarität zusammentun -- viele von uns haben unterschiedliche Hoffnung, von den Menschen, die an nichts glauben bis zu den Christen und Anarchisten oder "Linken", aber mit uns teilen die Ansicht , dass wir Sachen ändern müssen und wir nicht in die andere Richtung schauen können .-- Dieser Kampf ist der tägliche Kampf der Arbeiterklasse -- , was in diesen großen Konzernen geschieht ein vollkommenes Beispiel von schrecklicher Ausbeutung. Es gibt immer Furcht, und sehr wenige Male ist es möglich gewesen, Arbeiter in den großen Konzernen zu organisieren. Daher müssen wir, immer wenn es einen Kampf gegen einen gibt, diesen unterstützen, um es allen ArbeiterInnen zum Beispiel zu machen.

Spendenkonto:
FAU
Konto 96152201
Postbank Hamburg
(BLZ 20010020)
Stichwort "Mercadona Streik"

Die CNT bittet ebenso um Soli-Erklärungen an die Arbeiter:

sov@barcelona.cnt.es

 


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