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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der Notstand. Die Verfassung. Die Gewerkschaften Ob es überhaupt verfassungsgemäß war, die spanischen Flughäfen unter Militärkontrolle zu stellen, wird im Lande selbst rege diskutiert. Man muß aber kein Experte in bourbonischen Verfassungen sein, um zu sehen, dass dieser Schritt eine weitreichende Prämisse darstellt: Einen isolierten Protest exemplarisch abzustrafen. In diesem Europa, wo es heute längst nicht mehr die Linken sind, die sagen, Großkonzerne und Banken bestimmten die Politik - das sagen inzwischen die Regierungen selbst - wird Protest wieder mit Militär begegnet. Und die spanischen Gewerkschaften schweigen dazu. Weil es ja ein ständischer Verein sei, der da organisiert. Die europäischen Gewerkschaften fühlen sich erst gar nicht angesprochen. Eine Bestandsaufnahme "Ausnahmezustand" vom 09. Dezember 2010. Lotsenstreik per Ausnahmezustand beendet: Exempel statuiert Das Szenario war und ist vorhanden - um massiv einen exemplarischen Fall zu schaffen. Eine gut abgegrenzte Gruppe von Menschen, die relativ gut verdient, organisiert auf verschiedene Weise Gegenwehr gegen Einkommenskürzung und Ausdehnung der Arbeitszeit. Organisiert in einem Berufsverband, der zudem noch politisch im "Geruch" steht, mit den rechtskonservativen Kreisen der PP in Verbindung zu stehen. Der Zeitpunkt hektischer Reiseaktivitäten hat alles, um von Hektik in Hysterie umzuschlagen. Dass die gesamte Entwicklung auch in Zusammenhang mit der überraschend beschlossenen Privatisierung der Flughafen-Betreibergesellschaft AENA sich vollzieht, gerät dabei beinahe in Vergessenheit. Bezeichnend für die Position der Mehrheitsgewerkschaften ist die Stellungnahme "CCOO cree que nada justifica el golpe de mano de los controladores, ni siquiera la errática conducta del Gobierno" vom 06. Dezember 2010. In diesem Dokument wird deutlich, dass den Funktionären dieses Verbandes vor allem wichtig ist, dass alles seine Ordnung hat. Ein Herr Fernando Lezcano, Sprecher der Comisiones Obreras, wird mit seiner Meinung in indirekter Rede zitiert, dass es sich nicht um einen Streik handele, weil die Regeln für die Ausrufung eines Streiks nicht beachtet worden seien...Nun mag das für einen Verein, der im Frühjahr einen Generalstreik für den Spätherbst ausruft schon sein, dass die Einhaltung solcher Regeln über alles steht. Aber selbst solche brave Engstirnigkeit ist noch keine Rechtfertigung dafür, zu "übersehen", dass die Privatisierung der AENA durch die Zapatero-Regierung sich ja nun auch eben nicht an zeitliche Regeln hielt. Und wenn Herr Lezcano sagt "nada justifica la conducta de los controladores de desprecio a la ciudadanía" - also "nichts rechtfertigt das bürgerverachtende Verhalten der Fluglotsen" könnte es durchaus sein, dass ihm dieses Argument demnächst wieder einmal begegnet... Kürzer, weniger ausformuliert und von daher weniger peinlich, aber in derselben Stoßrichtung die Stellungnahme des zweitgrössten Verbandes, der UGT "Nada justifica el tipo de movilización realizado por los controladores" vom 04. Dezember 2010 (als das Militär aktiv war...) Wobei anzumerken ist, dass wenn nichts die Aktionen der Fluglotsen rechtfertigt "porque se ha generado muchos problemas a mucha gente y problemas económicos al país" - also "weil viele Probleme für viele Menschen entstanden sind und wirtschaftliche Probleme für das Land" dann ist das eine Argumentationsweise die nicht sehr von Gedankenschärfe geprägt ist, schon weil dies ja nun alles für jede Auseinandersetzung im Transportbereich vor allem (aber auch anderswo) gilt. In "Controladores e incontrolados" vom 04. Dezember 2010 bei der Webzeitschrift Insurgente macht Prof. Manuel Trillo deutlich, dass diese Art Argumentation, diese Haltung, keineswegs auf die Gewerkschaftsfunktionäre traditioneller Art beschränkt ist, sondern unter einigen Linken ebenfalls vorkommt. Dabei werden auch Purzelbäume nicht gescheut: Von den Hunderttausenden von Opfern der Aktion der Fluglotsen zur Legalität der durchgeführten Notstandsmaßnahmen und zur Bemerkung, streikende Arbeiter hätten sich durch Militärdrohung nicht einschüchtern lassen...."El PP y USCA han subestimado al aparato del PSOE" schreibt in "Análisis del conflicto de los controladores aéreos" Joseba Izaga am 06. Dezember 2010 bei LaHaine. Also die PP und die USCA haben den Apparat der sozialdemokratischen Partei unterschätzt - trotz aller Versuche in diesem Beitrag, ausgewogen zu argumentieren, ist die umstandslose Gleichsetzung des Berufsverbandes mit der rechtskonservativen Partei ein Einfallstor für eine rechtfertigende Argumentation. Die andere Seite: Ronnie reitet wieder Einige Strömungen und Gruppierungen, die ihre Solidarität mit den Lotsen publizierten - oder jedenfalls die Verurteilung der Notstandsmaßnahmen - erinnerten nicht zu Unrecht daran, dass Ronald Reagan einst mit der Zerschlagung der Fluglotsen-Aktionen in den USA einen wesentlichen Beitrag zum Niedergang der US-Gewerkschaftsbewegung leistete (wobei die Haltung großer US Gewerkschaften durchaus zu den oben zitierten vergleichbar waren). Eine wahre Fundgrube für die Beurteilung der Lage dieser Lotsen und diverser politischer Einschätzungen ist der Blog "Controladores Aéreos y Otras Hierbas" des Fluglotsen Cristian. Der hatte am 04. Dezember den Beitrag "A ver si nos entendemos" veröffentlicht, in dem er - beispielsweise - die dekretierte Erhöhung der Arbeitszeit von 1200 auf 1700 Jahresstunden kritisierte. Darauf gab es in dem Blog mehrere Tausend (!) Kommentare, die die ganze Vielfalt der Debatte in Spanien widerspiegeln. Damit ist seine Seite auch wesentlich informativer als die Seite der USCA , die sich darauf beschränkt, Solidaritätsadressen zu veröffentlichen und deren letzte Pressemitteilung vom 30. November 2010 datiert. Solidaritätsadressen, die eine deutliche politische Ablehnung der Regierungsmaßnahmen formulierten, gab es zahlreiche, so etwa der Comisión Permanente de la Asamblea de Comités, Delegados y Trabajadores de la provincia de Sevilla (ACDT) "SOLIDARIDAD CON LOS CONTROLADORES AÉREOS DE AENA" vom 06. Dezember 2010. Oder auch der Cobas "Nuestra completa solidaridad con los controladores aéreos" vom 09. Dezember 2010. Diese beiden sollen als Beispiele stehen für eine ganze Reihe Stellungnahmen aus den Kreisen gewerkschaftsübergreifenden Basiszusammenschlüsse. Deutlich solidarisch geäußert haben sich auch die beiden anarchosysndikalistischen Verbände: Die CGT in "CGT condena el estado de alarma decretado por el consejo de ministros" am 04. Dezember 2010 und die CNT in "Comunicado contra la militarización de los aeropuertos" am 05. Dezember 2010. In "Stellungnahmen von CNT und CGT zum Militäreinsatz gegen gewerkschaftliche Streiks in Spanien" macht am 07. Dezember 2010 Fritz Güde im Truetenblog eine Teilübersetzung dieser beiden Stellungnahmen. Was europäische gewerkschaftliche Reaktionen betrifft, so sind Solidaritätserklärungen bisher - jedenfalls auf der Seite der USCA (siehe oben) , auf befreundete Lotsenverbände beschränkt. Zusammengestellt, kommentiert und satzweise übersetzt von hrw, 09. Dezember 2010 |