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Updated: 18.12.2012 15:51
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Das LabourNet Germany trauert um David Zenth (20.Mai 1971 - 4.April 2006)

Wie wir jetzt erst anlässlich eines Besuchs in der Schweiz erfuhren, ist im April unser "Schweiz-Korrespondent", David Zenth, verstorben.
Bereits als Praktikant und später als Mitarbeiter des GBI Zentralsektretariats (Schweiz. Gewerkschaft Bau & Industrie), (übrigens auch Mitglied der IG Metall seit 1989) hat er uns mit wichtigen Infos zu Gewerkschaften und Arbeitskämpfen in der Schweiz beliefert, hier v.a. zu Streikaktionen auf dem Bau.

Wir drücken der Familie wie den Gewerkschaftsfreunden unser tiefstes Mitgefühl aus und dokumentieren die Trauerrede von Hans Schäppi vom 8.April 2006


David Zenth 20.Mai 1971 - 4.April 2006

Als ich Blanca fragte, ob es ein Gedicht gibt, das David besonders am Herzen lag, sagte sie mir: "David era un hombre de echos no de dichos". David war einer, der die Taten mehr liebte, als schöne Worte.

David wurde am 20. Mai 1971 als einziges Kind von Werner und Esther Zenth in Mannheim geboren, wo er die ersten zehn Jahre lebte und dort die Grundschule besuchte. Nach dem Umzug nach Schwarzach im Odenwald, wo seine Eltern ein Haus bauten, besuchte er die Reallschule. Schon als kleiner Junge fiel David auf durch seine soziale Ader: Er setzte sich für andere ein und machte begeistert mit bei den Pfadfindern und in der örtlichen Jugendorganisation. Nach dem Abschluss der Schule begann er eine kaufmännische Lehre und machte seine ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt. Er wurde von seinem Lehrmeister ausgenützt, überwarf sich mit ihm und musste die Lehre an einer anderen Lehrstelle abschliessen. Aus eigener Initiative und nicht aus Familientradition, kam er damit in Kontakt mit der Gewerkschaft und wurde ein aktive Mitglied der IG-Metall-Jugendgruppe. Schon damals drängte es ihn über den Odenwald hinaus: Er beteiligte sich und organisierte Reisen, z.B. nach Albanien, das damals praktisch noch von niemandem aus westlichen Ländern bereist wurde, aber auch in andere Länder wie etwa nach Polen. Die IG-Metall wurde so bald auf David aufmerksam und er hatte so die Möglichkeit, die Gewerkschaftschule der IG-Metall zu absolvieren und die Fachhochschule nachzuholen.

In diese Zeit, ins Jahr l993, fällt im Rahmen einer internationalen Brigade der IG-Metall Davids erster Aufenthalt in Nicaragua. Blanca war damals in der Administration in dem Zentrum tätig, wo die Brigadistinnen und Brigadisten ihre Kurse absolvierten. Dass David ein Auge auf Blanca geworfen hatte, merkte sie daran, dass er ständig Kaffee holen kam. Etwa ein Jahr später, am 2. Januar 1995, als David wieder in Managua weilte, kamen David und Blanca an einem Zivilstandsamt vorbei. David sah, dass trotz Feiertag offen war, und er überzeugte Blanca sogleich an Ort und Stelle zu heiraten und die Familien vor vollendete Tatsachen zu stellen. Auch hier erwies sich David als ein Mann der Tat und nicht der langen Worte. Zurück in Deutschland begann er ein Studium der Volkswirtschaft an der Universität Hamburg. Am 11.Februar l998 wurde die Tochter Rosa, am 13.Dezember 2001 der Sohn Alexander geboren. Wichtig für David war sein Auslandssemester in Alicante in Südspanien. Nach Diplomabschluss an der Uni Hamburg zog die Familie nach Weil am Rhein und David studierte am Europainstitut in Basel. Nach dem Abschluss mit dem "Master of European Studies" begann David am 14. Oktober 2002 ein Praktikum bei der Gewerkschaft Bau und Industrie (GBI) bei Hans Baumann in Zürich und er arbeitete nach Abschluss der Praktikumszeit bis zu seiner Krankheit im Bauressort der GBI, welche sich bekanntlich im Herbst 2004 mit dem SMUV, dem Schweizerischen Metall und Uhrenarbeitnehmerverband, zur Gewerkschaft Unia zusammenschloss.

Wenn wir einen Blick auf Davids Bibliothek werfen, so fallen uns zwei Dinge auf. An vorderster Stelle der 1. Band des "Kapitals" von Karl Marx, und zwar nicht als Dekoration, sondern gelesen, angestrichen und mit Merkzetteln versehen und zweitens die zahlreichen Bücher über die Gewerkschaften in Lateinamerika, Spanien und verschiedene Probleme des gewerkschaftlichen Internationalismus. David war ein Radikaler und David war ein Internationalist. Ein Radikaler im wörtlichen Sinn, dass er zu den Wurzeln zurückging, zu den Fundamenten. Er verabscheute den heute üblich gewordenen Pragmatismus und die faulen Kompromisse. Auch sein persönliches Leben richtet er nach seinen Prinzipien aus; er war kein Salonlinker. Für Blanca und die Kinder war es sicher nicht immer leicht, wenn kein Coca-Cola getrunken und kein Weihnachtsbaum aufgestellt werden durfte. Aber es war eben auch Davids Stärke, das eigene Leben mit seinen Grundsätzen in Übereinstimmung zu bringen. Vor allem aber war David ein Internationalist, ein echter Internationalist, wie sie in den Gewerkschaften spärlich gesät sind. Er interessierte sich für die WTO, den IWF, die Antiglobalisierungsbewegung und David hat immer wieder auf internationalen Websides für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter Berichte verfasst über die Aktionen der GBI, über den Baustreik, die Maler- und Gipserkampagne und vieles anderes mehr.

Vor etwas mehr als einem Jahr erschien David nicht an einer Sitzung einer Arbeitsgruppe, in der ich mit anderen mit ihm zusammengearbeitet haben. Es wurde bekannt, dass David an einem Hirntumor schwer erkrankt ist. Im Mai musste er nach Freiburg ins Spital, wo die Bestrahlung aber bald abgebrochen wurde. Danach war David bis wenige Tage vor seinem Tod zu hause und wurde von Blanca aufopferungsvoll bis an die Grenze ihrer Kräfte gepflegt. Diejenigen, die David besucht haben wissen, dass es während Davids Krankheit fröhliche Momente gab, wo man etwas zusammengetrunken und geredet hat. Es gab aber auch düstere Momente, wo David mit seinem Schicksal gehadert hat. Schlimmer als die physischen Schmerzen waren für David die psychischen Schmerzen. Immer wieder gab mir David zu verstehen, wie er darunter leidet, dass er nicht mehr mit uns kämpfen kann. Als Kämpfernatur hat er mit den Tod gehadert, er hat ihn aber nicht verdrängt, sondern hat ihm immer offen ins Auge geblickt, was ja nur selten gelingt. Drei Tage vor seinem Tod konnte David im Hospiz den Geburtstag von Blanca feiern zusammen mit Freunden und einem Glas Champagner. Einen Tag später gab er Blanca seinen Ring zurück - er hat geahnt, dass seine Leiden ein baldiges Ende haben werden. Zwei Tage später, am 4. April, ist er um 6 Uhr morgens friedlich eingeschlafen. Wir wissen, dass damit sein Wunsch nach Erlösung von seiner unheilbaren Krankheit in Erfüllung gegangen ist.

Was auf den Tod folgt können wir nicht wissen. Sicher ist nur, dass jedes Leben Spuren hinterlässt, Erinnerungen, Aufmunterungen, Fixsterne, nach denen wir uns ausrichten können. David bleibt uns erhalten. David, wir werden Dich nicht vergessen. Wir werden Deinen Kampf weiterführen, den Kampf für eine gesellschaftliche Befreiung oder - um nochmals Marx zu zitieren - den Kampf, "um alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist". Der Kampf für eine Gesellschaft freier Menschen, wo "die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist".

Hans Schäppi, 8.April 2006


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